Urteil des OLG Stuttgart vom 20.01.2005

OLG Stuttgart: einzelrichter, auflage, bindungswirkung, verhinderung, anfechtung, rechtsberatung, verfügung, versetzung

OLG Stuttgart Beschluß vom 20.1.2005, 5 W 4/05
Tatbestandsberichtigung: Rechtsmittel gegen Antragsablehnung
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 29.12.2004 - Az.: 25 O 156/04 - wird als unstatthaft
verworfen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 15.000,00 EUR
Gründe
I.
1 Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil des Einzelrichters vom 19.11.2004 den Beklagten zur Zahlung von 150.000,00 EUR zuzüglich Zinsen
verurteilt (Bl. 125/128). Am 10.12.2004 wurde das Urteil dem Beklagten (Bl. 130) zugestellt und am 14.12.2004 ging der
Tatbestandsberichtigungsantrag beim Landgericht Stuttgart ein (Bl. 131). Nachdem der Klägerin eine Mehrfertigung zugeleitet wurde, lehnte der
Einzelrichter mit Beschluss vom 29.12.2004 (Bl. 135) eine Berichtigung ab. Zum 31.12.2004 ist der Einzelrichter in Ruhestand getreten. Der
sofortigen Beschwerde des Beklagten vom 10.01.2005 hat das Landgericht mit Hinweis auf den zwischenzeitlichen Ruhestand des erkennenden
Richters nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
2 Die sofortige Beschwerde ist unstatthaft. Nach § 320 Abs. 4 S. 4 ZPO findet die Anfechtung eines Beschlusses, der über einen
Tatbestandsberichtigungsantrag entschieden hat, grundsätzlich nicht statt (Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Rn. 11 zu § 320).
Denn allein die Richter, die bei dem Urteil mitgewirkt haben, können über eine Berichtigung befinden. Ein anderes Gericht, insbesondere ein
Rechtsmittelgericht, kann diese Entscheidung nicht treffen (Musielak, Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., Rn. 10 zu § 320). Die von der Rechtsprechung
hierzu entwickelten Ausnahmen, insbesondere die fehlende sachliche Entscheidung (RGZ 47, 397; hinsichtlich der Einzelheiten offen lassend
BGH NJW-RR 1988, 407), treffen vorliegend nicht zu, werden auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht.
3 Das Landgericht hat über den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht mündlich verhandelt. Dies stellt keinen Verfahrensfehler dar: § 320 Abs. 3
ZPO in der Fassung des Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.08.2004 verlangt eine mündliche Verhandlung nur noch dann, wenn eine Partei
dies beantragt. Der Beklagte hat in seinem Tatbestandsberichtigungsantrag eine mündliche Verhandlung nicht beantragt; die Klägerin, der der
Tatbestandsberichtigungsantrag zugeleitet wurde, hat einen solchen Antrag ebenfalls nicht gestellt. Damit liegen die Ausnahmetatbestände für
eine zulässige sofortige Beschwerde nicht vor.
4 Selbst wenn eine Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegeben wäre, käme nur eine Zurückverweisung nach § 572 Abs. 3 ZPO in Betracht, da
dem Senat die erforderliche persönliche Kenntnis fehlt. Ob die Versetzung in den Ruhestand als Verhinderung im Sinne von § 320 ZPO
anzusehen ist (ablehnend Hirte, JR 1985, 138; Vollkommer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 25. Auflage, Rn. 12 zu § 320; bejahend Reichold in
Thomas/Putzo, 26. Aufl., Rn. 4 zu § 320, Rn. 1 zu § 315), kann der Senat wegen fehlender Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde offen lassen.
5 Der Senat weist darauf hin, dass durch die Bezugnahme auf die Schriftsätze in erster Instanz im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ein
entsprechender Vortrag nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen wäre, da dieser Vortrag nicht neu wäre. Im Übrigen ist jeder Partei mit § 520 Abs. 3
Nr. 3 ZPO die Möglichkeit eröffnet, Verfahrensfehler geltend zu machen und so die Bindungswirkung an die Feststellungen des Ersturteils nach §
529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzugreifen (Vollkommer a.a.O. Rn. 3 zu § 320).
III.
6 Mangels Statthaftigkeit ist die sofortige Beschwerde zu verwerfen, die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Voraussetzungen nach § 574
Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben, weshalb die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird.