Urteil des OLG Stuttgart vom 21.11.2006

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OLG Stuttgart Beschluß vom 21.11.2006, 6 W 76/06
Streitwertbeschwerde: Anwendbarkeit alten Rechts auf einen vor dem 1. Juli 2004 anhängig gewordenen
Rechtsstreit; Beginn der Frist für die Einlegung einer Streitwertbeschwerde
Leitsätze
1. Auf Streitwertbeschwerden ist gemäß § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG das Gerichtskostengesetz in der bis zum 30.
Juni 2004 geltenden Fassung anwendbar, wenn der Rechtsstreit vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden ist
(Anschluss an BGH, BGHReport 2006, 1138).
2. Der Lauf der Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GKG a.F. für die Einlegung einer Streitwertbeschwerde
beginnt erst mit der Wirksamkeit des Streitwertbeschlusses, die eine Mittteilung zumindest an die betroffene
Partei voraussetzt. Es folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG, dass die Rechtsfolgen gegenüber einer betroffenen Partei
nicht eintreten, bevor die Entscheidung dieser auch mitgeteilt ist.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Stuttgart vom 4. August 2004 - 35 O 24/04 KfH -
abgeändert.
Der Streitwert wird auf 23.887,41 EUR festgesetzt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1
Die gemäß § 25 Abs. 3 GKG a. F. zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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1. Anwendbar ist gemäß § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F. das Gerichtskostengesetz in der bis zum 30. Juni
2004 geltenden Fassung, weil der Rechtsstreit am 13. Februar 2004 anhängig geworden ist. § 72 Nr. 1
Halbsatz 2 GKG n.F. gilt nur Rechtsmittel in der Hauptsache, nicht dagegen für die im Gerichtskostengesetz
geregelten Rechtsbehelfe gegen die Streitwertfestsetzung oder den Kostenansatz (BGH, Beschluss vom 17.
Mai 2006 - XII ZB 233/05 = BGHReport 2006, 1138).
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2. Die Beschwerde ist zulässig.
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Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb der Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 2. Hs. i.V.m. Abs. 2 Satz 3 GKG a.
F. erhoben worden. Weil das Landgericht den Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der
Sechsmonatsfrist nach § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG a. F. wirksam festgesetzt hat, die Festsetzung sogar erst
nach Ablauf dieser Frist erfolgt ist (zur Bemessung in diesem Fall vgl. Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., §
25 GKG Rn. 67), konnte die Beschwerde noch am 14. August 2006 erhoben werden. Der Streitwertbeschluss
ist nämlich frühestens an diesem Tage wirksam geworden.
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Bei gerichtlichen Beschlüssen ist zwischen Existentwerden und Wirksamwerden zu unterscheiden. Existent
geworden und damit „erlassen“ ist ein Beschluss bereits dann, wenn er den inneren Bereich des Gerichts
verlassen, das Gericht sich also des Beschlusses entäußert hat (Geimer/Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl.,
§ 329 Rn. 6). Für die Existenz des Beschlusses kommt es auf seinen Zugang an die Parteien nicht an, da
diesen ein bereits existenter Beschluss mitgeteilt wird. Spätestens existent und damit anfechtbar ist der
Beschluss mit seiner Übermittlung per Telefax an die Beklagte am 14. August 2006 geworden. Ob er bereits
existent geworden ist, als er nicht nur unterschrieben zu den Akten gelangt ist, sondern darüber hinaus
Grundlage für die nachfolgende Kostenrechnung vom 25. August 2004 geworden ist, erscheint zweifelhaft. Mit
der beiden Parteien zugegangenen Kostenrechnung ist keine Mitteilung des endgültigen Streitwertbeschlusses
erfolgt. In dieser ist zwar der Streitwert für die Verfahrensgebühr mit 48.682,15 EUR angegeben; der
Kostenrechnung ist jedoch nicht zu entnehmen, ob sich dieser Wert lediglich aus einer vorläufigen oder einer
endgültigen Streitwertfestsetzung ergibt.
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Frühestens mit seiner Übermittlung an die Beklagte am 14. August 2006 ist der Beschluss auch wirksam
geworden; erst mit dem Wirksamwerden können Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt werden
(Geimer/Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 329 Rn. 11). Es kann dahinstehen, ob die Frist des § 25 Abs.
3 Satz 3 GKG keine eigentliche Rechtsmittelfrist, sondern eine Ausschlussfrist ist und ob außer in dem nicht
vorliegenden Fall des § 107 ZPO eine formlose Mitteilung des Beschlusses genügt (so Markl/Meyer,
Gerichtskostengesetz, 5. Aufl., § 25 Rn. 26; Meyer, Gerichtskostengesetz, 7. Aufl., § 63 Rn. 27;
Hamburgisches Oberwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juli 1992 - Bs VI 62/92 = NVwZ-RR 1993, 167; a. A.
Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., Rn. 32 zu § 63 GKG n.F.). Denn nach § 25 Abs. 3 Satz 3 2. Hs. GKG
a.F.) kann ein Streitwertbeschluss jedenfalls noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser
Mitteilung des Feststellungsbeschlusses eingelegt werden, wenn die Streitwertfestsetzung später als einen
Monat nach Ablauf der Sechsmonatsfrist festgesetzt worden ist.
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Da der Streitwertbeschluss frühestens am 14. August 2006 wirksam geworden ist, kann zuvor eine
Festsetzung nicht erfolgt sein. Die Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 2. Hs. GKG a.F. ist daher eingehalten.
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Im Übrigen besteht Einigkeit darüber, dass im Falle der Beteiligung mehrerer Parteien im landgerichtlichen
Verfahren die Rechtsmittelfrist für jede Partei erst mit der Mitteilung an sie beginnt. Es folgt aus Art. 103 Abs.
1 GG, die Rechtsfolgen einer gerichtlichen Entscheidung gegenüber einer betroffenen Partei nicht eintreten zu
lassen, bevor die Entscheidung dieser auch mitgeteilt worden ist (Kammergericht, Beschluss vom 21.
Dezember 1999 - 1 W 1578/99 = NJW-RR 2000, 1239; BVerfG, Beschluss vom 4. August 1993 - 1 WvR
279/93 = NJW-RR 1994, 254).
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2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
10 Bei einem negativen Feststellungsantrag richtet sich der Streitwert nach § 9 ZPO, der für eine Leistungsklage
umgekehrten Rubrums gälte (BGH, Beschlüsse vom 4. April 2005 - II ZR 107/04 und II ZR 192/04; II ZR
157/03 - Urteil vom 21. März 2005; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 310/03 = NJW 2005,1784; Urteil vom 11.
April 2004 - II ZR 299/03).
11 Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich ein Wert des Feststellungsantrags in Höhe von 8.680,95
EUR. Danach beträgt der Streitwert 23.887,41 EUR (Zahlungsantrag in Höhe von 15.206,46 EUR +
Feststellungsantrag in Höhe von 8.680,95).
12 Mit dieser pauschalen Regelung ist auch das Interesse des Klägers abgegolten, nicht auf Nachschüsse in
Anspruch genommen zu werden, soweit Ratenzahlungen aus Entnahmen finanziert wurden. Soweit
Nachschusspflichten wegen Entnahmen finanzierter Raten entstehen, kommt dies für den Anleger
wirtschaftlich nicht bezahlten Raten gleich. Das gilt unabhängig davon, ob die Raten auf die Erstbeteiligung
oder im Rahmen des Steigermodells auf die Beteiligung an einem weiteren Segment (unter Freistellung für die
Erstbeteiligung) geleistet werden. Etwaige hieraus resultierende Nachschusspflichten sind daher nicht
gesondert zu bewerten.
13 3. Die Entscheidung ergeht nach § 25 Abs. 4 GKG a.F. gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.