Urteil des OLG Stuttgart vom 13.12.2002

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OLG Stuttgart Beschluß vom 13.12.2002, 8 W 522/02
Richterablehnung: Unstatthafte sofortige Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts nach der Prozessrechtsreform
Gründe
1 1. Der Vollstreckungsschuldner, der sich gegen eine Sachenentscheidung des Rechtspflegers des AG mit der sofortigen Beschwerde gewandt
hat, hat unmittelbar nach Vorlage der Sache an das LG die (namentlich benannten) Richter der Beschwerdekammer wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt, weil sie bereits in einem vorangegangenen Verfahren zu seinen Ungunsten entschieden haben. Das LG hat die gegen
seine das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung eingelegte „sofortige Beschwerde” des Schuldners ohne Abhilfe dem OLG zur
Entscheidung vorgelegt.
2 2. Die - rechtzeitig eingelegte - sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die vom LG im Zwischenverfahren über die Richterablehnung
getroffene Entscheidung ist nach neuem, ab Anfang 2002 geltendem Zivilprozessrecht - in Abweichung zu früherem Recht - nicht (mehr) statthaft.
Die funktionale Zuständigkeit des OLG ist - wie auch bei Zwangsvollstreckungsverfahren in der Hauptsache als Gericht der weiteren Beschwerde -
entfallen. Deshalb war die Sache ohne Kostenentscheidung zum Nachteil des Beschwerdeführers an das LG zurückzugeben.
3 a) Da das gesamte Vollstreckungsschutzverfahren nach dem 1.1.2002 eingeleitet worden ist, kommt ausschließlich neues Verfahrensrecht zur
Anwendung (vgl. auch § 26 Nr. 10 EGZPO).
4 b) Zwar lässt § 46 Abs. 2 ZPO eine sofortige Beschwerde gegen eine einen Ablehnungsantrag zurückweisende Entscheidung ausdrücklich zu.
Dies genügt jedoch nicht für die Bejahung der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. Die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen des § 567
Abs. 1 ZPO n.F. müssen zusätzlich erfüllt sein.
5 Danach findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nur statt „gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der AG und LG”.
Hier hat jedoch das LG im zweiten Rechtszug entschieden, nämlich in einem Beschwerdeverfahren gegen eine amtsgerichtliche
Vollstreckungsentscheidung. Entscheidungen des LG im (Berufungs- oder) Beschwerdeverfahren sind danach nicht mehr mit der sofortigen
Beschwerde anfechtbar.
6 Die im früheren Verfahrensrecht in § 567 Abs. 3 S. 2 ZPO a.F. ausdrücklich vorgesehene Ausnahmebestimmung für den Fall des § 46 ZPO ist
durch die Reform beseitigt worden. Dass das LG erstmals über einen Befangenheitsantrag zu entscheiden hatte, ändert daran nichts. Die
Beseitigung von zusätzlichen Rechtsmittelmöglichkeiten gegen Zwischenentscheidungen hat der Reformgesetzgeber zur Beschleunigung und
Vereinfachung der gerichtlichen Verfahren absichtlich vorgenommen. Ergänzend wird auf den eingehend begründeten Beschluss des 3.
Zivilsenats des BayObLG vom 21.3.2002 (BayObLGZ 2002, 89 = NJW 2002, 3262 = FGPrax 2002, 119), dem sich der Senat uneingeschränkt
anschließt, Bezug genommen.
7 Im Ergebnis entspricht dies der Rechtslage, wie sie vor der Reform schon in familiengerichtlichen Verfahren für die Ablehnung von Richtern des
OLG bestand (vgl. BGH v. 3.2.1993 - XII ZB 9/93, NJW-RR 1993,644 = FamRZ 1993, 1309). Verfassungsrechtliche Bedenken sieht der Senat im
Anschluss an BGH und BayObLG nicht.
8 c) Nach neuem Prozessrecht ist gegen Entscheidungen des LG als zweitinstanzliches Gericht nur die Rechtsbeschwerde zum BGH nach § 574
ZPO n.F. eröffnet, die (im ZPO-Verfahren) durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden muss. Diese setzt - da sie in § 46
ZPO nicht generell zugelassen ist - eine ausdrückliche Zulassung durch das Beschwerdegericht voraus. Eine solche Zulassung ist nicht erfolgt
und kann auch nicht nachgeholt werden, zumal die dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind; eine Nicht-
Zulassungsbeschwerde ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. BayObLG BayObLGZ 2002, 89 = NJW 2002, 3262 = FGPrax 2002, 119). Auch im
Rahmen dieser Entscheidung kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht.
9 d) Seit der Rechtsänderung ist das LG grundsätzlich gehalten, eine Prüfung der Einwendungen gegen die angegriffene
Befangenheitsentscheidung als Gegenvorstellung (im Sinne einer Selbstkontrolle der Fachgerichte auf schwerwiegende Rechtsfehler)
durchzuführen. …