Urteil des OLG Stuttgart vom 18.01.2007

OLG Stuttgart (kläger, unterlagen, private krankenversicherung, treuhänder, versicherungsnehmer, anlage, zpo, prüfung, vag, negative feststellungsklage)

OLG Stuttgart Beschluß vom 18.1.2007, 10 W 84/06
Private Krankenversicherung: Rechte des Versicherungsnehmers bei einer Prämienerhöhung
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 3.11.2006 wird die Kostenentscheidung des Landgerichts
Ellwangen im Beschluss vom 9. Oktober 2006 - Az. 5 O 429/05 - wie folgt abgeändert:
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 85% und die Beklagte 15%.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 85% und die Beklagte 15%.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 3.000,00 Euro.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Versicherungsnehmer die Bezahlung einer von der Beklagten
angeforderten Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung von der Erteilung bestimmter
Informationen durch den Versicherer abhängig machen darf.
2
Der Kläger schloss zum 1.6.1994 für sich selbst und seine Söhne einen Vertrag über eine private
Krankenversicherung bei der Beklagten ab. Mit Versicherungsschein vom 28.1.2004 (Anlage K 2) teilte die
Beklagte dem Kläger eine Beitragserhöhung im Tarif (ambulante Heilbehandlungskosten, Selbstbehalt jährlich
1.200,00 EUR) zum 1.3.2004 von bisher 48,29 EUR monatlich um 27,71 EUR auf nunmehr 76,00 EUR
monatlich mit. Der Kläger bat daraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 4.2.2004 (Anlage K 11) um eine
Begründung für die Erhöhung des Beitrages.
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Mit weiterem Versicherungsschein vom 6.5.2005 (Anlage K 5 a) teilte die Beklagte dem Kläger eine
Beitragserhöhung im Tarif (stationäre Heilbehandlung) zum 1.3.2005 von bisher monatlich 104,34 EUR um 4,94
EUR auf nunmehr 109,28 EUR mit. Der Kläger widersprach dieser Beitragserhöhung und forderte die Beklagte
auf, ihm die zur Überprüfung der Beitragserhöhungen „in einem Prozess vorzulegenden Unterlagen“ zu
überlassen.
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Der Kläger behielt die angeforderten Erhöhungsbeträge zunächst ein und forderte die Beklagte mit weiterem
Schreiben vom 3. Juni 2005 „zum wiederholten Male“ unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom
16.6.2004 auf, ihm die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, welche die Beklagte dem Treuhänder vor Erhöhung
der Tarife zur Prüfung gem. § 12 b VAG, § 15 KalV vorgelegt habe, um überprüfen zu können, ob sich aus
diesen Unterlagen die Voraussetzungen und der Umfang der vorgenommenen Anpassung nachvollziehen
lasse. Gleichzeitig kündigte er eine unverzügliche Zahlung des Erhöhungsbetrages für den Fall an, dass sich
aus diesen Unterlagen die Berechtigung des Anpassungsverlangens ergebe.
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Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 14.6.2005 (Anlage K 6) und übersandte dem Kläger zwei
anonymisierte Zustimmungserklärungen des Treuhänders (Anlage K 7 und K 8) und teilte mit, der zuständige
unabhängige Treuhänder habe die Beitragsanpassung bestätigt. Weiter „bat sie um Verständnis, dass keine
weitere Stellungnahme diesbezüglich abgegeben werde“.
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Da der Kläger seine Versicherungsprämien in der Folge weiterhin lediglich ohne die Erhöhungsbeträge zahlte,
forderte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 18.8.2005 (Anlage K 9) auf, die bis dahin aus ihrer Sicht
aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 528,56 EUR innerhalb von zwei Wochen zu bezahlen. Gleichzeitig
kündigte die Beklagte unter Hinweis auf § 39 Abs. 3 VVG vorsorglich das Versicherungsverhältnis für den Fall,
dass innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt des Schreibens die Rückstände nicht vollständig beglichen würden.
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Daraufhin bezahlte der Kläger innerhalb der gesetzten Frist „unter Rechtsvorbehalt“ die aufgelaufenen
Rückstände. Gleichzeitig erhob er Klage und begehrte zum einen die Feststellung, dass die oben genannten
Prämienerhöhungen in den Tarifen und „ nicht fällig, hilfsweise nicht wirksam seien und am 18.8.2005 kein
Rückstand in Höhe von 528,42 EUR bestanden habe “.
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Außerdem begehrte er die Feststellung,
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dass das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Kündigung, die die Beklagte
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erklärt unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine Forderung, die ausschließlich aus von ihr
behaupteten Beitragsrückständen im Vertragsteil des Klägers
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- iHv monatlich 27,71 EUR ab 01.09.2005 im Tarif
- iHv monatlich 4,94 EUR ab 01.09.2005 im Tarif
- zzgl. bei deren Anmahnung etwa angefallener Mahnkosten
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besteht, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens nicht oder nicht vollständig
eingeht,
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im Falle des Eintritts dieser Bedingung nicht beendet wird, sofern die Beklagte im Zeitpunkt des
Ausspruchs die im Klagantrag 1. genannten Prämienerhöhungen nicht dem Urteil des BGH vom 16.6.2004
entsprechend begründet und dem Kläger nicht erstens den Namen des Treuhänders offen gelegt und
zweitens alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, die dem Treuhänder zur Prüfung gem. § 12 b VAG, §
15 KalV vorgelegt wurden “.
14 Zur Begründung verwies der Kläger auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(VersR 2000, 214) sowie des Bundesgerichtshofs (VersR 2004, 991), wonach die Versicherer im Rahmen eines
gerichtlichen Verfahrens verpflichtet seien, zur Ermöglichung der inhaltlichen Kontrolle der Prämienerhöhung
die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, welche der Versicherer seinerseits dem Treuhänder zur Prüfung
vorgelegt hat. Der Kläger vertritt die Auffassung, der Versicherer sei im Falle von Beitragserhöhungen auch
außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zur Vorlage dieser Unterlagen verpflichtet, da es nicht Sinn der
höchstrichterlichen Rechtsprechung sein könne, dass man zunächst negative Feststellungsklage erheben
müsse, um über die Gerichtsakten Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu erhalten. Bis zur Vorlage der
angeforderten Unterlagen seien die angeforderten Erhöhungsbeträge zumindest nicht fällig.
15 Die Beklagte ging im Rahmen der Klagerwiderung ausführlich auf die Hintergründe der Beitragserhöhungen ein
und gab außerdem Name und Adresse des Treuhänders bekannt. Bereits vorab überließ sie dem Kläger mit
Schreiben vom 27.9.2005 (Anlage B 16) die Beitragsberechnungsbögen für den Kläger und dessen
mitversicherten Sohn (Anlage B 14 und 15).
16 Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Beide
Parteien haben beantragt, die Kosten des Rechtsstreits jeweils der anderen Seite aufzuerlegen.
17 Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei bereits vorgerichtlich zur Erteilung der mit der Klageerwiderung
mitgeteilten Informationen verpflichtet gewesen. Erst durch die Auskunft sei er in die Lage versetzt worden, die
Rechtmäßigkeit der Prämienerhöhung zu beurteilen und zu entscheiden, wie er sich zu verhalten habe. Vorher
habe er weder Namen noch Adresse des Treuhänders gekannt und nicht einmal gewusst, ob es einen solchen
überhaupt gebe. Die Beklagte habe ihn durch ihr Verhalten praktisch zur Klage gezwungen. Bis zur Erteilung
der Auskünfte sei der Anspruch auf den erhöhten Teil der Prämien nicht fällig gewesen, sondern es habe ein
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB bis zur Vorlage der Unterlagen bestanden.
18 Die Beklagte hält die Klage für unzulässig und beruft sich im übrigen darauf, der ordnungsgemäß bestellte
unabhängige Treuhänder habe nach vorangegangener Prüfung der Beitragserhöhung zugestimmt. Ein
Versicherungsnehmer habe keinen Anspruch auf außergerichtliche Offenlegung der Berechnungsgrundlagen.
Zumindest seien die Angabe des Treuhänders und die Vorlage der geforderten Unterlagen keine
Voraussetzungen für die Fälligkeit der Beiträge. Sie sei daher zur Kündigung des Versicherungsvertrages
wegen der ausbleibenden Zahlung der Erhöhungsbeträge berechtigt gewesen.
19 Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9.10.2006 in Anwendung von § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits in vollem Umfang der Beklagten auferlegt. Es ging davon aus, der geltend gemachte Anspruch
auf Feststellung des Nichtbestehens eines Beitragsrückstandes von 528,42 EUR sei mangels
Feststellungsinteresses unzulässig. Hinsichtlich der im übrigen zulässigen Klage hat das Landgericht den
Ausgang des Rechtsstreits als völlig offen angesehen, weil die Wirksamkeit der Prämienerhöhung und damit
auch der Kündigung nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens habe beurteilt werden können.
Dennoch hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten mit der Begründung auferlegt, diese
habe dem Kläger vorgerichtlich keine Möglichkeit gegeben, die Wirksamkeit der Prämienerhöhung zu
überprüfen und habe diesen damit zu der Klage gezwungen. Unabhängig davon, ob die Verweigerung der
vorgerichtlichen Auskunft zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei, sei es mit Blick auf Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs.
2 GG daher angezeigt, dem Versicherer in diesem Fall die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
20 Zur Begründung der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde wiederholt die Beklagte im wesentlichen die
in I. Instanz vorgebrachten Argumente. Ergänzend weist sie darauf hin, die Pflicht zur Offenlegung der
Hintergründe der Beitragserhöhung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens lasse nicht den Schluss darauf
zu, jeder Versicherungsnehmer könne Einblick in die entsprechenden Unterlagen nehmen. Innerhalb eines
zivilgerichtlichen Verfahrens sei das Geheimhaltungsinteresse des Versicherers durch die §§ 172 Nr. 2, 173
Abs. 2 und 174 Abs. 3 Satz 1 GVG wesentlich besser geschützt als im Rahmen der außergerichtlichen
Korrespondenz.
21 Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren mit Beschluss vom 1.
Dezember 2006 dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
22 1. Die nach § 91 a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig; insbesondere wurde sie
innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtzeitig und formgerecht eingelegt.
23 2. Die Beschwerde ist teilweise begründet mit der Folge, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 85%
und die Beklagte zu 15% zu tragen hat.
24 Nach § 91 a ZPO ist über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat sich die zu treffende
Kostenentscheidung in erster Linie an dem zu erwartenden Ausgang des Verfahrens zu orientieren (vgl. Zöller,
ZPO, 26. Aufl., § 91 a, Rdziff. 24 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
25 Die allein auf die Klagveranlassung durch die Beklagte abstellende Argumentation des Landgerichts ist aus
Sicht des Senats dabei zu pauschal. Richtigerweise hat man sich im Rahmen der einheitlich zu treffenden
Kostenentscheidung mit den Erfolgsaussichten der unterschiedlichen Klaganträge im einzelnen
auseinanderzusetzen.
26 a) Mit dem Klagantrag Ziff. 1 begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Prämienerhöhungen vor Mitteilung
des Namens und der Adresse des Treuhänders - welcher die Prämienerhöhungen nach § 178 g VVG zu
genehmigen hatte - sowie vor der Zurverfügungstellung der dem Treuhänder zur Prüfung vorgelegten
Unterlagen nicht fällig, hilfsweise nicht wirksam gewesen seien und am 18.8.2005 kein Rückstand in Höhe von
528,42 EUR bestanden habe.
27 (1) Dabei bestehen bezüglich der begehrten Feststellung der mangelnden „Fälligkeit“ der Prämienerhöhungen
keine durchgreifenden Zweifel an deren Zulässigkeit. Das nach § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse
ergab sich für die vom Kläger in Frage gestellte Fälligkeit der Prämienerhöhung daraus, dass bei einem Erfolg
der begehrten Feststellung geklärt gewesen wäre, dass die Erhöhungsbeträge nicht zu zahlen waren (solange
die Beklagten die geforderten Informationen nicht zur Verfügung stellt).
28 (2) Erhebliche Bedenken an den Erfolgsaussichten des Klagantrags Ziffer 1 im Zeitpunkt der
übereinstimmenden Erledigungserklärung bestünden nach Ansicht des Senats allerdings, wenn man den
Antrag des Klägers wörtlich nehmen würde und auf die „Fälligkeit“ der Erhöhungsbeträge im engen rechtlichen
Sinne abzustellen hätte. Der Kläger brachte nach Vorlage der Klagerwiderung der Beklagten und der darin
enthaltenen Informationen über den Hintergrund der Prämienerhöhungen selbst zum Ausdruck, dass die
Berechtigung dieser beiden Erhöhungen letztlich nicht (mehr) in Frage gestellt werde. Waren die
Prämienerhöhungen aber nicht zu beanstanden, so waren diese nicht nur wirksam, sondern der Anspruch der
Beklagten auf Bezahlung des erhöhten Beitrags war gegenüber dem Kläger nach § 8 Abs. 3 MB/KK 94 am
Monatsersten des jeweiligen Beitragszeitraums auch fällig. Selbst wenn entsprechend der Auffassung des
Klägers bis zur Namhaftmachung des Treuhänders und Vorlage der entsprechenden Unterlagen ein
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB bestanden haben sollte - dazu unten - gab dies dem Kläger jedoch
lediglich eine Einrede, die an der Wirksamkeit und Fälligkeit einer Forderung als solcher grundsätzlich nichts
ändert (vgl. Palandt, BGB, 66. Aufl., § 273 Rdziff. 20).
29 Unbeschadet seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt war der Kläger jedoch nicht am Wortlaut seines Antrags
festzuhalten. Die im Prozess gestellten Verfahrensanträge sind regelmäßig so auszulegen, dass im Zweifel
dasjenige als gewollt gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht
verstandenen Interessenlage des Antragstellers entspricht (vgl. BGH NZM 2003, 372 mit weiteren Nachweisen
aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Sowohl aus der Begründung seines Antrags als auch
insbesondere aus dem vorgerichtlichen Schreiben des Klägers vom 3.6.2005 (Anlage K 14)ergibt sich
eindeutig, dass es dem Kläger letztlich auf die Feststellung ankam, die Prämienerhöhungen vor Erteilung der
angeforderten Informationen vorläufig nicht bezahlen zu müssen. Dies wäre bei einer mangelnden Fälligkeit des
Anspruchs auf die Prämienerhöhung, aber auch bei Annahme eines Zurückbehaltungsrechts bis zur Erteilung
der gewünschten Informationen der Fall.
30 Ausgehend davon waren dem Klagantrag Ziffer 1 auch Erfolgsaussichten beizumessen. Dem Kläger stand ein
Zurückbehaltungsrecht gegenüber der von der Beklagten geltend gemachten Prämienerhöhung zum Zeitpunkt
der Klagerhebung zu. Die Beklagte hat dem Kläger vor Erhebung der Klage trotz mehrfacher Aufforderung
jegliche Auskünfte über die Hintergründe der Prämienerhöhung verweigert. Die gegenteilige Verpflichtung folgt
aus dem Versicherungsvertrag, der jedenfalls die Nebenpflicht des Versicherers begründet, dem
Versicherungsnehmer die Informationen an die Hand zu geben, die ihm die eigenständige Überprüfung der
Entscheidung über die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses ermöglichen. Dazu gehört insbesondere
auch, dem Versicherungsnehmer auf Nachfrage wenigstens den Treuhänder namhaft zu machen, damit dieser
dessen Unabhängigkeit und sachliche Eignung überprüfen lassen kann (so auch Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl.,
§ 187 g Rdziff. 18; Prölss, VAG, 12. Aufl., § 11 b Rz. 37 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).Außerdem
dürfte es der Beklagten auch zumutbar sein, dem Kläger wenigstens dessen persönlichen Berechnungsbogen
zur Ermittlung seines Beitrags zu übersenden, wie dies kurze Zeit nach Klagerhebung mit Scheiben vom
25.9.2006 dann auch geschehen ist. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die Beklagte tatsächlich
verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer außergerichtlich sämtliche Unterlagen zugänglich zu machen, die
auch dem Treuhänder zur Überprüfung vorgelegt wurden.
31 (3) Da somit der in Ziffer 1 enthaltene Hauptantrag des Klägers erfolgreich gewesen wäre, kam es auf die
Erfolgsaussichten der gestellten Hilfsanträge im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung nicht mehr an.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der Hilfsantrag, mit welchem der Kläger ggf. die Wirksamkeit der
Prämienerhöhung geklärt haben wollte, nur wenig sinnvoll erscheint, weil dieser über den Hauptantrag sogar
noch hinausging; letztlich bleibt es Sache des Klägers, dem Gericht die Reihenfolge vorzugeben, in welcher
dieses Haupt- und Hilfsantrag zu prüfen hat.
32 b) Mit dem Klagantrag Ziff. 2 begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte wegen ausbleibender
Bezahlung der Erhöhungsbeiträge den Versicherungsvertrag nicht wirksam kündigen kann, bevor sie dem
Versicherungsnehmer nicht die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt hat.
33 Dabei konnte es - entgegen der Annahme des Landgerichts - um die Wirksamkeit der Kündigung vom
18.8.2005 nicht mehr gehen, weil diese Kündigung zwischen den Parteien unstreitig nicht wirksam geworden ist
(vgl. oben). Dem Kläger ging es ersichtlich vielmehr um die Feststellung, dass die Beklagte künftig nicht erneut
kündigen kann, wenn er wiederum - unter den zur Klärung gestellten Voraussetzungen - Erhöhungsbeträge
einbehält. Insoweit ist ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO zu bejahen, nachdem die Beklagte ihre mit
Schreiben vom 18.8.2005 erklärte Kündigung auf ihren abweichenden Rechtsstandpunkt gestützt hat und dem
Kläger ein schutzwürdiges Interesse an Rechtssicherheit für den Fall zuzubilligen ist, dass dies künftig erneut
geschieht.
34 Zu klären ist daher - dem Wortlaut des Antrags folgend - die materiell-rechtliche Frage, unter welchen
Voraussetzungen die Beklagte bei Nichtzahlung von Erhöhungsbeträgen das Versicherungsverhältnis zwischen
den Parteien nicht kündigen kann. Dies lässt sich nur in dem Sinne verstehen, dass der Kläger hinsichtlich
aller nach seiner Auffassung bestehender Hinderungsgründe eine entsprechende Klärung wünschte.
35 Der Antrag des Klägers wäre daher nur dann erfolgreich gewesen, wenn er von der Beklagten kumulativ die
genannten Informationen allesamt verlangen konnte, denn er begehrte die Feststellung, dass die Kündigung
nicht wirksam ist, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine einschränkende Auslegung des
Antrags dahingehend, dass der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht für den Fall alternativer Nichterfüllung einer
der genannten Voraussetzungen geltend macht, kam angesichts der Tatsache, dass der Kläger bereits
außergerichtlich und auch im Rahmen seiner Klagebegründung ausdrücklich die Auffassung vertreten hatte, die
Beklagte müsse auch im außergerichtlichen Bereich sämtliche Voraussetzungen erfüllen, die der
Bundesgerichtshof für den Fall einer gerichtlichen Klärung der Zulässigkeit der Prämienerhöhung aufgestellt
hat, nicht in Betracht.
36 (a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Klägers allein deshalb erfolglos geblieben wäre, weil ein
Zurückbehaltungsrecht nicht schon durch das Bestehen eines Informationsanspruchs, sondern erst durch
dessen Geltendmachung wirksam wird. Erfolgsaussichten für den Klagantrag Ziffer 2 fehlen jedenfalls schon
deswegen, weil die erstgenannte vom Kläger aufgestellte Voraussetzung, die Prämienerhöhung dem Urteil des
BGH vom 16.6.2004 - IV 117/02 - entsprechend zu begründen, aus sich heraus nicht verständlich und deshalb
zu unbestimmt ist.
37 (b) Während dem Kläger - wie bereits ausgeführt - ansonsten ein Zurückbehaltungsrecht zumindest solange
zuzubilligen ist, bis ihm auf Anforderung wenigstens die Person des Treuhänders bekannt gegeben ist, kann
der Kläger als Versicherungsnehmer nach Ansicht des Senats vom Versicherer nicht darüber hinaus verlangen,
dass ihm vorprozessual sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, die dem Treuhänder zur Prüfung
vorgelegt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar klargestellt, dass der aus dem Rechtsstaatsprinzip
des Grundgesetzes abgeleitete Anspruch auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz eine gerichtliche
Überprüfungsmöglichkeit auch solcher Prämienerhöhungen ermöglichen muss, die vom Treuhänder nach § 178
g VVG genehmigt worden sind (vgl. BVerfG, VersR 2000, 214). Es hat in seiner Entscheidung aber zugleich
deutlich gemacht, dass eine Abwägung zwischen dem Interesse des Beschwerdeführers an einer umfassenden
tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung der Berechnung der Prämienerhöhungen einerseits und dem
schutzwürdigem Interesse der beklagten Krankenversicherung an der Geheimhaltung der
Berechnungsgrundlagen andererseits zu treffen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei in den Raum
gestellt, dem Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung ihrer Berechnungsgrundlagen könnte im Rahmen
eines Gerichtsverfahrens durch die Vorschriften der §§ 172 Nr. 2, 173 Abs. 2 und 174 Abs. 3 Satz 1 GVG
sowie § 353 e Nr. 2 StGB Rechnung getragen werden. Durch diese Vorschriften ist die Geheimnissphäre im
Rahmen eines Gerichtsverfahrens in jedem Fall besser geschützt als im vorgerichtlichen Bereich.
38 Aufbauend darauf hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass diese Kontrolle der Prämienerhöhung auf der
Grundlage der dem Treuhänder vom Versicherer vorgelegten Unterlagen zu erfolgen hat und diese daher im
Gerichtsverfahren vom darlegungs- und beweisbelasteten Versicherer vorzulegen sind (BGH VersR 2004, 991).
Aus dieser Pflicht zur Vorlage von Unterlagen im Verlaufe eines Rechtstreits kann allerdings nicht der Schluss
gezogen werden, der Versicherungsnehmer habe einen generellen Anspruch auf außergerichtliche Offenlegung
sämtlicher für die Prüfung der Prämienänderungen erforderlichen Berechnungsgrundlagen einschließlich der
hierfür benötigten Nachweise und Daten.
39 Dabei ist nicht zu übersehen, dass im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens die Unterlagen ohnehin
vorzulegen wären und der Versicherungsnehmer deshalb gegebenenfalls in einen Prozess gedrängt werden
kann. Umgekehrt kann dem schützenswerten Interesse des Versicherungsnehmers an der tatsächlichen und
rechtlichen Überprüfung der Berechnung aber auch dadurch Rechnung getragen werden, dass diesem die
Hintergründe für die Erhöhung der Beiträge zusammenfassend erläutert werden.
40 Abgesehen davon werden die Interessen der Versicherungsnehmer dadurch geschützt, dass
Prämienänderungen in der privaten Krankenversicherung nach § 178 g Abs. 2 VVG i. V. m. § 12 b Abs. 1 VAG
erst in Kraft gesetzt werden dürfen, wenn ein unabhängiger Treuhänder der Änderung zugestimmt hat, dem
zuvor sämtliche für die Prüfung erforderlichen technischen Berechnungsgrundlagen einschließlich der hierfür
benötigten kalkulatorischen Herleitungen vorzulegen sind. Dieser hat dabei die Interessen der Versicherten zu
wahren. Die Stellung des Treuhänders ist von dessen Unabhängigkeit geprägt; er unterliegt keinen Weisungen
des Versicherungsunternehmens und kann von diesem nur aus wichtigem Grund von seinem Aufgaben
entbunden werden (vgl. dazu Prölss, VAG, 12. Aufl. 2005; § 11b, Rz. 37).
41 Nach § 12 b Abs. 3 VAG darf zum Treuhänder nur bestellt werden, wer zuverlässig, fachlich geeignet und von
dem Versicherungsunternehmen unabhängig ist. Dabei muss die in Aussicht genommene Person nach § 12 b
Abs. 4 VAG vor ihrer Bestellung der Aufsichtsbehörde (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht)
benannt werden. Werden nach Bestellung des Treuhänders Tatsachen bekannt, die Zweifel an seiner
Zuverlässigkeit oder Eignung wecken, so kann (und muss) die Aufsichtsbehörde die Einsetzung eines anderen
Treuhänders verlangen. Durch diese starke Stellung des Treuhänders wird dem unbestreitbaren Interesse des
Versicherungsnehmers an einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung der Berechnung der
Prämienerhöhungen weitgehend Rechnung getragen. Ein darüber hinausreichender genereller Anspruch auf
Aushändigung und Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen, die auch dem Treuhänder zur Prüfung gem. § 12 b
VAG, § 15 KalV vorzulegen sind, lässt sich vor diesem Hintergrund angesichts des legitimen
Geheimhaltungsinteresses des Versicherers nicht mehr begründen. Ohnehin dürfte es wegen des damit
verbundenen Aufwandes des Versicherers kaum praktikabel sein, jedem Versicherungsnehmer auf Anforderung
sämtliche Daten und Kalkulationen offen zulegen. Ein Schutz der Geheimnissphäre des Versicherers würde in
diesem Fall zu reiner Makulatur.
42 c. Ausgehend von den oben genannten Umständen war im Rahmen der einheitlich zu treffenden
Kostenentscheidung eine angemessene Gesamtkostenquote zu bilden. Aufgrund der unterschiedlichen
Erfolgsaussichten der gestellten Anträge erschien es unter Abwägung der Gesamtumstände angemessen, dem
Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 85% und der Beklagten zu 15% aufzuerlegen.
43 Der Senat hat sich dabei an den Streitwerten der beiden Anträge orientiert. Während das Landgericht den
Streitwert für den Klagantrag Ziffer 1 zutreffend mit 1.899,72 EUR ermittelt hat, beträgt dieser für den
Klagantrag Ziffer 2 richtigerweise 10.964,94 EUR ( der 3,5-fache Jahresbetrag des Versicherungsbeitrages
einschließlich der streitgegenständlichen Erhöhungsbeträge von monatlich insgesamt 261,07 EUR - Anlage
K1). Unter Berücksichtigung, dass der Kläger mit dem Klagantrag Ziffer 1 erfolgreich, mit dem Klagantrag Ziffer
2 jedoch unterlegen wäre, ergibt sich die genannte Kostenquote.
III.
44 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
45 Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Zwar
hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die zwischen den Parteien streitige Frage, ob dem
Versicherungsnehmer im Falle der Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung ein genereller
Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen zusteht, die auch dem Treuhänder zur Prüfung gem. § 12
b VAG, § 15 KalV vorzulegen sind, bisher nicht geklärt, doch bleibt der Klagantrag Ziffer 2 schon deswegen
erfolglos, weil die vom Kläger aufgestellte Forderung, die Prämienerhöhung müsse dem Urteil des BGH vom
16.6.2004 - IV 117/02 - entsprechend begründet werden, zu unbestimmt ist.
46 Die Festsetzung des Werts des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, 48 Abs. 1 Satz 1
GKG, 3 ZPO.