Urteil des OLG Stuttgart vom 07.02.2011
OLG Stuttgart: prozesskosten, auflage, berufungskläger, einfluss, rechtfertigung, ausgleichung, ehescheidungsverfahren, rechtsberatung, beschränkung, verfügung
OLG Stuttgart Beschluß vom 7.2.2011, 8 WF 7/11
Scheidungssache: Erstattung vorgeschossener Gerichtsgebühren des Veranlassungsschuldners durch den Entscheidungsschuldner nach
bewilligter Prozess-/Verfahrenskostenhilfe; Beschränkung der Regelung über die Gesamtschuldnerkostenhaftung auf die ratenfreie
Bewilligung
Leitsätze
1. Kein Anspruch des Veranlassungsschuldners gegen den Entscheidungsschuldner, dem Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist,
auf Erstattung vorgeschossener Gerichtsgebühren.
2. Die Anwendung von § 31 Abs. 3 GKG und § 26 Abs. 3 FamGKG ist nicht auf Fälle der Bewilligung von ratenfreier Prozesskosten- oder
Verfahrenskostenhilfe beschränkt.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Rechtspflegers beim Amtsgericht Ravensburg - Familiengericht - vom
21.12.2010 (8 F 756/09)
a u f g e h o b e n .
2. Der Kostenausgleichungsantrag des Antragstellers vom 14. 12. 2010 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
3. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert: 242,00 EUR
Gründe
I.
1 In dem am 9. 10. 2009 eingeleiteten Ehescheidungsverfahren wurde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 24. 11. 2009 Verfahrenskostenhilfe
bewilligt. Dabei wurde ihr auferlegt, auf die Verfahrenskosten ab 1. 3. 2010 monatliche Raten in Höhe von 30,00 EUR zu bezahlen. Das Verfahren
endete mit rechtskräftigem Scheidungsbeschluss vom 12. 5. 2010. In Ziff. 3 des Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander
aufgehoben.
2 Der Antragsteller, welcher einen Gerichtskostenvorschuss von 484,00 EUR eingezahlt hatte, beantragte mit Schriftsatz vom 14. 12. 2010 die
Ausgleichung der Gerichtskosten. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers vom 21. 12. 2010 ordnete dieser an, dass auf Grund des
rechtskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts vom 12. 5. 2010 242,00 EUR von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstatten sind.
3 Gegen diese ihr am 23. 12. 2010 zugestellte Entscheidung legte die Antragsgegnerin am selben Tage sofortige Beschwerde ein und verwies auf
die ihr gewährte Verfahrenskostenhilfe.
4 Der Rechtspfleger half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte am 18. 1. 2011 die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung
vor.
II.
5 Die gemäß § 85 FamFG i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss ist in der Sache begründet.
6 Gemäß § 122 Abs.1 Nr. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die Bundes- oder Landeskasse Gerichtskosten gegen die
Partei nur nach Maßgabe der Zahlungsbestimmung geltend machen kann, welche durch das Gericht anlässlich der Bewilligung getroffen wurde.
Über die Verweisung in § 76 Abs. 1 FamFG ist die Vorschrift auch in familiengerichtlichen Verfahren, welche nach dem 31. 8. 2009 eingeleitet
wurden, anzuwenden. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Antragsgegnerin über die ihr auferlegte Monatsrate von 30,00 EUR hinaus zu
Zahlungen auf die Gerichtskosten nicht verpflichtet werden kann. Diese Regelung steht allerdings im Widerspruch zu § 123 ZPO, nach welchem
die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung der Partei, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat.
Diesen Widerspruch hat der Gesetzgeber des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes mit Wirkung zum 1. 7. 2004 durch § 31 Abs. 3 GKG
aufgelöst. Das FamGKG enthält für Verfahren, die nach dem 31. 8. 2009 eingeleitet wurden, in seinem § 26 Abs. 3 eine inhaltsgleiche Vorschrift.
Darin ist angeordnet, dass dem Prozessgegner bei Ergehen einer gerichtlichen Kostenentscheidung untersagt ist, die vorgeschossenen
Gerichtsgebühren gegen die Partei geltend zu machen, welcher Prozess-/Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Stattdessen sind die
verauslagten Gerichtskosten von der Staatskasse an ihn zurückzuzahlen.
7 Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die genannte Regelung nicht nur dann anzuwenden ist, wenn Prozess-
/Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt wurde. Eine derartige Einschränkung enthält das Gesetz nicht. Auch in § 122 Abs. 1
ZPO und in § 123 ZPO wird hinsichtlich der Wirkungen der Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe nicht danach differenziert, ob die
betreffende Partei Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat oder nicht. Dass der Gesetzgeber an anderer Stelle diese Unterscheidung
durchaus vorgenommen hat, wird an § 122 Abs. 2 ZPO erkennbar: Nur wenn dem Kläger, Berufungskläger oder Revisionskläger
Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt worden ist, ist dessen Prozessgegner von der Vorschussleistung nach § 122 Abs. 1 Nr. 1
lit. a) ZPO einstweilen befreit. Die hier maßgeblichen Vorschriften von § 31 Abs. 3 GKG bzw. § 26 Abs. 3 FamGKG enthalten eine solche
Unterscheidung nicht. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine solche beabsichtigt haben könnte, ohne sie ins Gesetz
aufzunehmen. Auch von Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung, die Anwendung von §
31 Abs. 3 GKG und § 26 Abs. 3 FamGKG auf Fälle der Bewilligung von ratenfreier Prozesskosten-/Verfahrenskostenhilfe zu beschränken (OLG
Stuttgart/Senat, Beschluss v. 9. 8. 2006 - 800 WF 107/06; Thomas/Putzo/Reichold, 31. Auflage, § 123 Rn 2; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage,
§ 31 GKG Rn 16).
8 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.