Urteil des OLG Stuttgart vom 16.05.2007

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OLG Stuttgart Beschluß vom 16.5.2007, 4 VAs 6/07
Untersuchungshaft: Nächtliche Abschaltung der Stromzufuhr im Haftraum
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung der Justizvollzugsanstalt … vom 02. April 2007 wird als unbegründet
v e r w o r f e n .
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Geschäftswert, aus dem die zu entrichtende Gebühr zu berechnen ist, wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
1 1. … befindet sich seit dem 28. Februar 2007 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt …. Am 02. April 2007 beantragte er, die
Elektrizitätsversorgung seines Haftraumes nachts nicht zu unterbrechen, damit er sich auch zur Nachtzeit mit Nachrichten und Informationen aus
dem Rundfunk versorgen und lesen könne. Der Antrag wurde durch die Justizvollzugsanstalt am selben Tag abgelehnt. Hiergegen richtet sich der
Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Ergänzend hat … mit Schreiben vom 12. Mai 2007 mitgeteilt, er halte den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG
für zulässig, da es sich bei der nächtlichen Abschaltung der Stromzufuhr um eine allgemeine Anordnung handele.
2 2. a) Der Antrag ist zulässig.
3 Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist eröffnet, da es dem Antragsteller - wie er ergänzend klargestellt hat - nicht um eine Anordnung in Bezug
auf ihn, sondern um die allgemein für alle Untersuchungsgefangenen geltende Verfügung des Anstaltsleiters geht, zur Nachtzeit die Stromzufuhr
zu unterbrechen (vgl. BGHSt 29, 135; KG GA 1978, 81; KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 119 Rn. 98, 103).
4 b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
5 Der Leiter der Justizvollzugsanstalt ist für die Regelung der Stromzufuhr in den Hafträumen zuständig, denn es handelt sich dabei nicht um eine
Anordnung bezüglich eines einzelnen Untersuchungsgefangenen; vielmehr gilt diese Regelung allgemein für alle Insassen (vgl. BGH a.a.O.
sowie KK-Boujong a.a.O. Rn. 92).
6 Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage im Institut der Untersuchungshaft (vgl. Cassardt NStZ 1994, 523 [524]). Sie ist zur Aufrechterhaltung
der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt notwendig. Wie vom Leiter der Vollzugsanstalt in der Stellungnahme vom 08. Mai 2007 zu
Recht ausgeführt dient sie der Vermeidung von Streitigkeiten innerhalb mehrfach belegter Hafträume wegen der unterschiedlichen
Ruhebedürftigkeit der Insassen. Sofern ein Haftraum mit nur einem Gefangenen belegt ist, gilt es, mögliche Störungen der Nachtruhe durch
lautstarken Radio- oder Fernsehempfang zu vermeiden. Insoweit muss auch die Nachbarschaft der Justizvollzugsanstalt vor Lärm geschützt
werden.
7 Das Vorbringen des Antragstellers, einem Missbrauch der Stromzufuhr könne durch Disziplinarmaßnahmen begegnet werden, kann nicht gefolgt
werden, denn allein durch repressive Maßnahmen lassen sich nächtliche Ruhestörungen durch Lärm nicht verhindern.
8 Eine Ausnahme in Bezug auf den Antragsteller ist schon aus technischen Gründen nicht möglich, da die Hafträume nur stockwerkweise an die
Stromzufuhr an- und abgeschaltet werden können. Der Anstaltsleiter hat deshalb zu Recht davon abgesehen, im Hinblick auf den Antragsteller
eine Ausnahme vorzusehen (vgl. Nr. 54 Abs. 2 UVollzO). Es ist für diesen zumutbar, fünfeinhalb Stunden am Tag auf Radioempfang und auf die
Lektüre von Zeitungen etc. zu verzichten.
9 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 EGGVG i.V.m. § 130 Abs. 1 KostO. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3
EGGVG i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO.