Urteil des OLG Stuttgart vom 10.08.2004

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OLG Stuttgart Beschluß vom 10.8.2004, 7 U 127/04
Kfz-Kaskoversicherung: Grobe Fahrlässigkeit bei Entwendung von Fahrzeugschlüsseln aus in Garderobe abgelegter Jacke)
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen.
Gründe
1.
1
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine andere Entscheidung des Senats zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.
2
Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO
zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
2.
3
Das Landgericht ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger den Versicherungsfall grob
fahrlässig im Sinne des § 61 VVG herbeigeführt hat.
3.
4
Ein Herbeiführen im Sinne des § 61 VVG liegt vor, wenn die dringende Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls entsteht. Der
Versicherungsnehmer muss durch sein Verhalten – Tun oder Unterlassen – den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit
gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten haben (BGH VersR 1984, 29; OLG Köln VersR 2000, 49).
5
Dies muss außerdem grob fahrlässig geschehen sein. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten
Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz
zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares
Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (ständige Rechtsprechung des BGH vgl. BGH VersR 1997, 351; NJW
2003, 1118).
6
Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller
objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln (BGH VersR 1967, 127; BGH
VersR 89, 840; BGH NJW 2003, 1118).
7
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann auch vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf
innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden (BGHZ 119, 147; NJW 1997, 1012). Die bloße Berufung auf ein
"Augenblickversagen" ist kein ausreichender Grund, eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen (BGH NJW 2003, 1118).
4.
8
Das Landgericht hat die vorgetragenen Umstände vollständig und frei von Widersprüchen gewürdigt sowie unter Berücksichtigung der
dargestellten Gesichtspunkte den zutreffenden Schluss gezogen, dass der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
9
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Insbesondere liegen keine
Anhaltspunkte für ein Augenblicksversagen vor.
10 Das Zurücklassen der Jacke mit den Fahrzeugschlüsseln im Foyer des Gemeindehauses war grob fahrlässig, da zum einen die Garderobe nicht
beaufsichtigt und frei zugänglich war und zum anderen die Fahrzeugschlüssel dem PKW des Klägers leicht zuzuordnen waren (ebenso in
vergleichbaren Fällen: LG Stuttgart Schaden-Praxis 2000, 390; OLG Koblenz NVersZ, 1999, 429; OLG Köln VersR 1998, 973; LG Köln VersR
1998, 752; OLG Köln RuS 1996, 392; OLG Oldenburg RuS 1996, 172; Hanseatisches OLG VersR 1995, 1347; OLG Karlsruhe VersR 1995, 697;
LG Stuttgart VersR 1994, 1061; OLG Stuttgart VersR 1992, 567).
5.
11 Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.08.2004. Der Senat beabsichtigt ab 06.09.2004 zu entscheiden.