Urteil des OLG Stuttgart vom 08.02.2006

OLG Stuttgart (pferd, grobe fahrlässigkeit, erkrankung, untersuchung, treu und glauben, zeitpunkt, abweisung der klage, befund, zpo, due diligence)

OLG Stuttgart Urteil vom 8.2.2006, 3 U 28/05
Gewährleistung beim Tierkauf: Mangelhaftigkeit eines Dressurpferdes wegen einer Spat-Erkrankung
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Januar 2005 - Az.: 2 O 157/03 -
wie folgt
abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.04.2003 zu zahlen, Zug um Zug
gegen Rückgabe des Fuchshengstes … nebst Pferdepass und Eigentumsurkunde.
2. Es wird festgestellt, dass
a) sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Hengstes in Verzug befindet und
b) der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen für das vorbezeichnete Pferd, insbesondere die
Kosten für Stall, Futter, Misten, artgerechte Bewegung, Hufschmied, Tierarzt, zu ersetzen.
II.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Der Streithelfer der Beklagten trägt die durch die Streithilfe verursachten Kosten.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert:
Kaufpreiserstattung
150.000,00 Euro
Feststellungsbegehren
Annahmeverzug
500,00 Euro
Kostenersatz
25.000,00 Euro
insgesamt
175.500,00 Euro
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro für ein Dressurpferd sowie
Feststellung des Annahmeverzugs und der Ersatzpflicht für die seit Übernahme angefallenen
Haltungskosten.
1.
2
Die Klägerin suchte im November 2002 ein Reitpferd zum Kauf und anschließenden Gebrauch durch die
damals 16-jährigen Tochter des Geschäftsführers ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin auch für
hochklassige Dressur-Wettbewerbe der Klassen M und S. Tätig wurde hierzu für die Klägerin die Ehefrau
des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin, die Zeugin …. Im Rahmen
ihrer Bemühungen kam die Zeugin Mitte November 2002 in Kontakt zum Beklagten, einem Pferdehändler,
der ihr mehrere Pferde vorführte, darunter den seinerzeit 8-jährigen, gekörten Hannoveraner-Hengst " … ",
der sodann nach verschiedenen Proberitten käuflich erworben werden sollte. Vor Abschluss des
Kaufvertrages, für den die Zeugin … und der Beklagte sich auf den Kaufpreis des Pferdes von 150.000,00
Euro verständigt hatten, wünschte die Zeugin eine Untersuchung des Gesundheitszustandes des Pferdes.
3
Am 18.11.2002 wurde hierzu unter zwischen den Parteien umstrittenen Umständen, jedenfalls aber auf
Veranlassung des Beklagten, der Tierarzt Dr. … , Streithelfer des Beklagten, Mitinhaber der vom Standort
Veranlassung des Beklagten, der Tierarzt Dr. … , Streithelfer des Beklagten, Mitinhaber der vom Standort
des Pferdes ca. 80 km entfernt gelegenen - Klinik, aufgesucht, der ehedem verschiedentlich Pferde des
Beklagten untersucht bzw. behandelt hatte. Im Rahmen der hiernach durch die Zeugin … am 18.11.2002
beauftragten und in Anwesenheit der Zeugin durchgeführten Untersuchung wurde das Pferd u.a. geröntgt.
Zum Untersuchungsbefund wurde auf dem standardisierten Formular "Protokoll zur Untersuchung eines
Pferdes" (Anlage K1 - Bl.6f.d.A.) u.a. festgehalten:
4
"Röntgen Gliedmaßen:
5
17 Aufnahmen liegen zur Begutachtung bei. Nach unserer tierärztlichen Erfahrung ohne krankhafte
Befunde.
6
Röntgenklasse I - II"
7
Weiter ist die vorgedruckte Passage im Formular "Bei der heutigen Untersuchung konnten keine
gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt werden" nicht gestrichen.
8
Umstritten ist zwischen den Parteien insbesondere, ob und - wenn ja - welche mündlichen Ausführungen
der Streithelfer des Beklagten sowie dessen ebenfalls konsultierter Kollege Dr. … zu gewissen
Abnormitäten am Mittelfußknochen des rechten Hinterbeines des Pferdes gemacht hätten und ob der
Streithelfer ergänzende Untersuchungen empfohlen habe.
9
Der Beklagte überbrachte das Pferd am 20. November 2002 nach Stuttgart und übergab es der Klägerin,
welche den Betrag von 150.000,00 Euro bezahlte.
10
Bereits kurze Zeit nach Erhalt des Pferdes will die Klägerin "Taktunreinheiten" im Gang des Pferdes
bemerkt und diese Anfang des Jahres 2003 gegenüber dem Beklagten beanstandet haben. Wegen nach
Auffassung der Klägerin eingetretener Lahmheit erfolgte am 21.01.2003 eine Untersuchung des Pferdes
durch die Dres. … und … , welche hierüber am 11.04.2003 schriftlich Bericht erstatteten (Anlage K7 -
Bl.23d.A.). Es folgten weitere Untersuchungen durch die Tierärzte Dr. … am 27.01.2003, der am
03.02.2003 ein diesbezügliches Attest (Bl.58d.A.) erteilte, durch Prof. Dr. … , der am 07.03.2003 einen
Befundbericht verfasste (Bl.59f.d.A.) und am 07.05.2003 durch Dr. … , der am 04.06.2003 ebenfalls ein
schriftliches Attest erteilte (Bl.61d.A.).
11
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.01.2003 wegen "Spat" (Anlage K3 - Bl.17d.A.) und - über ihren
früheren Prozessbevollmächtigten - vom 02.04.2003 wegen "Taktunreinheiten" (Anlage K6 - Bl. 21 d.A.)
den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Rückzahlung des Kaufpreises verlangt, damals noch zuzüglich
eines an den Bereiter des Pferdes, den Zeugen …, bezahlten Betrages von 5.000,00 Euro.
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Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
2.
13
Das Landgericht hat entsprechend Beschlusses vom 08.09.2003 (Bl.51f.d.A.) zunächst Beweis erhoben zu
der umstrittenen Behauptung der Klägerin, zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges habe eine Spat-
Erkrankung des Pferdes bestanden, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der
Sachverständige Prof. Dr. … hat in seinem Gutachten vom 23. Februar 2004 (Bl.94ffd.A.) die
Beweisbehauptung bejaht. Auf Einwendungen des Beklagten hin hat das Landgericht den
Sachverständigen im Termin vom 03.05.2004 ergänzend gehört (Protokoll Bl.129ff.d.A.). Ferner hat das
Landgericht in Ausführung des Beweisbeschlusses vom 12. Juli 2004 (Bl.144ffd.A.) im Termin vom
15.11.2004 die Zeugen … , … , Dr. … , Dr. … und … vernommen (Protokoll Bl.175ff.d.A).
14
Mit seinem am 10.01.2005 verkündeten Urteil (Bl.215ff.d.A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe mit
einem Sachmangel behaftet gewesen sei. Das Pferd sei aber selbst unter Einbeziehung des Befundes des
Sachverständigen Prof. Dr. … jedenfalls nicht grundsätzlich für den Dressursport untauglich, da es nicht
zwingend taktunrein, sondern lediglich "immer wieder einmal taktunrein" bzw. "immer mal wieder lahm"
gehe. Dies könne aber auf sich beruhen bleiben, weil jedenfalls ein Rücktritt nach § 442 BGB
ausgeschlossen sei. Die Ehefrau des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der
Klägerin habe gewusst, dass die Röntgenbilder des fraglichen Gelenks "nicht der Röntgenklasse 1"
entsprochen hätten. Sie habe ausreichend Gelegenheit gehabt, diese Röntgenbilder einem weiteren Arzt zu
zeigen. Die Unterlassung ziehe den Haftungsausschluss nach sich.
3.
15
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung der Klage. Neben der bereits
erstinstanzlich geltend gemachten Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro zuzüglich Zinsen
und Feststellung des Annahmeverzugs begehrt sie nunmehr auch Feststellung des Anspruchs auf Ersatz
der Aufwendungen für das Pferd. Zur Begründung führt sie aus:
16
Der Befund des Sachverständigen habe ergeben, dass das Pferd mangelhaft gewesen sei. Das
Beweisergebnis habe exakt den Beweisbehauptungen der Klägerin entsprochen, welche mit dem
Beweisbeschluss als entscheidungserheblich eingestuft worden seien. Deshalb sei es unverständlich, wie
das Landgericht zu der Auffassung gelangen könne, der Hengst sei zu Dressurzwecken geeignet und zu
Recht in die Röntgenklasse I bis II eingeordnet worden. Denn dies habe nicht dem tatsächlichen Zustand
des Pferdes zum Zeitpunkt der Untersuchung entsprochen. Geschuldet gewesen sei ein hochklassiges
Pferd, welches auf Turnieren in Dressurprüfungen der Klasse S (schwer) vorgestellt hätte werden können.
Tatsächlich sei das Pferd aber entsprechend dem Befund des Sachverständigen in die Röntgenklasse II
bis III einzustufen und wegen seines taktunreinen Ganges für derartige Turniere nicht brauchbar.
17
§ 442 BGB sei nicht einschlägig. Weder die Klägerin noch der Geschäftsführer oder dessen Ehefrau, die
nicht einmal Organ der Klägerin sei, hätten positive Kenntnis von der Erkrankung des Pferdes gehabt.
Weiter sei der Mangel auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unerkannt geblieben. Hierzu sei auf die im
Einzelfall erforderliche Sorgfalt abzustellen, d.h. auf das Mindestmaß an Information und Aufmerksamkeit.
Dieses müsse der Käufer in besonders schwerem Maße vernachlässigt haben. Die Klägerin habe das
Pferd aber untersuchen lassen. Hierbei sei nicht allein kein pathologischer Befund festgestellt worden. Wie
ein roter Faden ziehe sich vielmehr durch den Untersuchungsbericht, dass das Pferd als völlig gesund
eingestuft worden sei. Zu einer weiteren Untersuchung sei die Klägerin insbesondere deswegen nicht
verpflichtet gewesen, weil der Streithelfer der Beklagten entgegen seinen Bekundungen als Zeuge das
Wort "Spat" nicht verwandt und auch keine weitergehenden Maßnahmen empfohlen habe.
18
Der Kaufvertrag sei unter der aufschiebenden Bedingung der völligen Gesundheit des Pferdes geschlossen
worden. Infolge des Vorliegens der Erkrankung sei der zunächst schwebend unwirksam gewesene Vertrag
irreversibel unwirksam geworden. Insofern ergebe sich der Rückzahlungsanspruch bereits aus § 812 BGB.
19
Mit Schriftsatz vom 06.11.2005 (Bl.433ff.d.A.) hat die Klägerin eine Erkrankung des rechten Hüftgelenks
behauptet, diese Behauptung aber im Termin vom 20.01.2006 fallen gelassen (vgl. Bl.656d.A.).
20
Die Klägerin beantragt,
1.
21
das am 10.01.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Stuttgart (2 O 157/03) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 150.000,00
Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 22.01.2003 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe
des Fuchshengstes … nebst Pferdepass und Eigentumsurkunde, ferner
2.
22
festzustellen, dass
a)
23
sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Hengstes in Verzug befindet und
b)
24
der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen für das vorbezeichnete Pferd,
insbesondere die Kosten für Stall, Futter, Misten, artgerechte Bewegung, Hufschmied, Tierarzt
usw. zu ersetzen,
3.
25
hilfsweise nach den in erster Instanz gestellten Schlussanträgen der Klägerin zu erkennen.
26
Der Beklagtenvertreter beantragt,
27
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
28
Der Streithelfer des Beklagten beantragt,
29
die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.01.2004 Az: 2 O 157/03
zurückzuweisen.
30
Der Beklagte verteidigt die landgerichtliche Entscheidung mit folgender Begründung:
31
Es sei zum Vertragsschluss gekommen, zumal das Tier auf Geheiß der Zeugin … nach Stuttgart verbracht
worden und daraufhin die Kaufpreisabwicklung erfolgt sei.
32
Ein Sachmangel liege nicht vor. Die Beurteilung, ob dies der Fall sei oder nicht, sei anhand der
Beschaffenheitsvereinbarung zu beurteilen. Die Vereinbarung sei bestimmt von dem Ergebnis der
Ankaufsuntersuchung, bei der sich nach dem Beweisergebnis Beeinträchtigungen gezeigt hätten, welche
der Zeugin … auch mitgeteilt worden seien. Der Streithelfer des Beklagten habe glaubhaft bekundet, dass
er der Ehefrau des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin deutlich gesagt
habe, der Befund gehe "in Richtung Spat" und sie solle sich nochmals mit einem Tierarzt ihres Vertrauens
besprechen, um sie auf diese Weise in die Mitverantwortung über die Entscheidung zu nehmen.
33
Zumindest begründe dieser Kenntnisstand die Anwendung des § 442 BGB. Die Zeugin habe grob fahrlässig
gehandelt, indem sie die mögliche und angeratene weitere veterinärmedizinische Befundung durch einen
Tierarzt ihres Vertrauens unterlassen habe. Der Streithelfer Dr. … habe der Zeugin … mehrfach
verdeutlicht, dass der Befund in das große Raster der Spat-Erkrankungen gehöre. Damit habe der Beklagte
alles getan, was in seiner Macht gestanden habe, die gesundheitliche Situation des Tieres zu klären.
34
Im Übrigen folge aus § 377 HGB der Haftungsausschluss. Die genannte Vorschrift sei auch in den Kontext
des § 442 BGB zu stellen. Mit geringsten Informationsanstrengungen würde die Klägerin weitere
Befundungen vorgenommen haben können.
35
Den Feststellungsantrag hält der Beklagte schon wegen einer möglichen Leistungsklage für unzulässig.
36
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Erklärungen in
der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
4.
37
Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund der Beschlüsse vom 22.06.2005 (Bl.327d.A.) und 27.07.2005
(Bl.388ff.d.A.) durch Vernehmung der bereits erstinstanzlich gehörten Zeugen … , Dr. … , Dr. … und … .
Wegen der Aussagen der Zeugen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.06.2005
(Bl.327ff.d.A.) und vom 16.11.2005 (Bl.447ff.d.A.) Bezug genommen. Er hat ferner aufgrund Beschlüssen
vom 22.06.2005 (Bl.333d.A.), vom 16.11.2005 (Bl. 453f d.A.) und vom 20.01.2006 (Bl.655d.A.) den
Sachverständigen Prof. Dr. … zu ergänzenden mündlichen und schriftlichen Erläuterungen seines
Gutachtens veranlasst. Hierzu wird auf den Inhalt der Verhandlungsprotokolle (vgl. Bl. 333ff.d.A. und
Bl.655ff.d.A.) und das schriftliche Gutachten vom 09.01.2006 (Bl. 592ff d.A.) Bezug genommen.
38
Der Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung noch den Antrag gestellt, ihm ein Schriftsatzrecht
zur Stellungnahme auf das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 17.01.2006 zu gewähren.
II.
39
Die zulässige Berufung hat mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg. Die Klägerin kann vom
Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises für das Pferd " … " und Feststellung des Annahmeverzugs
verlangen. Zulässigerweise und in der Sache zu Recht macht die Klägerin auch den Feststellungsanspruch
hinsichtlich der Ersatzpflicht des Beklagten für die seit der Übernahme entstandenen laufenden Kosten der
Haltung des Pferdes geltend.
40
1. Das erstmals in der Berufungsbegründung erhobene Feststellungsbegehren ist zulässig.
41
a. Nur hinsichtlich des Zusatzes im Text des Antrages "usw." als Abkürzung von "und so weiter"
entspricht der Antrag nicht den Anforderungen des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Der Antrag ist insofern
unbestimmt und lässt den Umfang der Verpflichtung nicht erkennen, deren Feststellung die
Klägerin begehrt.
42
b. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 533 Nr. 2 ZPO sind gegeben. Die Klageerweiterung
kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Entscheidung nach § 529 ZPO
zugrunde legen kann. Dass das Pferd die im Antrag bezeichneten laufenden Kosten - ohne
Festlegung zu Umfang und Höhe und im Rahmen des Erforderlichen - verursacht, hat der Beklagte
nicht bestritten. Die Kostenentstehung liegt auch auf der Hand, nachdem das Pferd untergebracht,
verpflegt und - zumindest im Rahmen einer artgerechten Haltung - bewegt werden muss.
43
c. Das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht ebenfalls. Die bislang
entstandenen Kosten könnten zwar beziffert werden. Hierauf ist die Klägerin aber nicht zu
verweisen. Die Klägerin ist nicht gehalten, ihre Klage hinsichtlich der entstandenen und immer
wieder neu entstehenden Kosten - während des Prozesses fortlaufend - in ein Leistungs- und ein
Feststellungsbegehren aufzuspalten, solange mit der Entstehung weiteren Aufwandes noch zu
rechnen ist (vgl. BGH NJW 2003, 2827; BGH NJW 1999, 3774).
44
2. Hinsichtlich des Begehrens, den Annahmeverzug des Beklagten festzustellen, ergibt sich das
Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Erleichterungen für die Vollstreckung des Zahlungstitels gem. §§
322 Abs.2, 274 Abs.2 BGB.
45
3. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro ergibt sich aus §§ 434 Abs.1 Satz
2 Nr.1, 437 Nr.2, 440 S. 1 i.V.m. §§ 323 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 346 Abs. 1 BGB.
46
a) Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen. Entgegen der
Ansicht der Klägerin stand der Vertragsschluss nicht unter der aufschiebenden Bedingung gem. §
158 Abs.1 BGB, dass das Pferd vollkommen gesund sei. Zur Beurteilung der Frage, ob die
Parteien eine solche Bedingung vereinbart haben, sind die Erklärungen der Parteien nach Treu und
Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Entscheidend sind die
wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten. Nach der Würdigung des Senats entspricht eine
Auslegung der Erklärungen der Beteiligten in dem Sinne, dass die Geltung der Vereinbarung von
der Gesundheit des Pferdes hätte abhängen sollen, nicht dem von den Parteien Gewollten.
Vielmehr ist es umgekehrt: die Parteien haben die Einigung vollzogen, nachdem - vermeintlich -
ein guter Gesundheitszustand des Pferdes festgestellt worden war. Vorliegend wurde der
Leistungsaustausch vollständig durchgeführt. Konsequenter Weise hat die Klägerin von Anfang an
Gewährleistungsrechte geltend gemacht und ist bis zur Berufung selbst von der Wirksamkeit des
Vertrages ausgegangen. Schließlich ist die von ihr angeführte Entscheidung des OLG Köln (MDR
1995, 31) nicht einschlägig. Anders als in dem Fall, welchen das OLG Köln entschieden hat, wurde
vorliegend die Ankaufuntersuchung durchgeführt, mit scheinbar positivem Ausgang, das Pferd
verblieb nicht beim Verkäufer und wurde vollständig bezahlt.
47
b) Das Pferd war zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel behaftet. Ihm fehlte eine
nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs.1 Satz 2 Nr.1 BGB,
indem es zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gem. § 446 BGB an der Krankheit Spat im Bereich
der rechten Hintergliedmaße litt und daran auch jetzt noch leidet. Diese Erkrankung hat eine
chronische gering- bis mittelgradige Lahmheit zur Folge, wodurch das Pferd für die vorausgesetzte
Verwendung im Dressursport ungeeignet ist.
48
aa) Der Umstand, dass das Pferd an Spat - also an einer deformierenden Gelenkentzündung -
leidet und zum Zeitpunkt der Übergabe bereits litt, ist unter den Begriff der Beschaffenheit des
Tieres im Sinne des Gesetzes zu subsumieren. Der Begriff umfasst jedenfalls die der Sache
anhaftenden Eigenschaften (z.B. neu oder gebraucht, Größe, Gewicht, Alter), die nicht
zusicherungsfähig sein müssen. Die weitere Reichweite des Begriffes ist allerdings umstritten.
Nach einer Auffassung gehören hierzu auch äußere Umstände, wirtschaftliche und rechtliche
Bezüge, die ihren Grund im tatsächlichen Zustand der Sache selbst haben und ihr auf eine
gewisse Dauer anhaften (Palandt/Putzo, BGB, § 434, Rn. 10f. zum neuen Recht unter Berufung
auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1992, 2564) zu § 459 a.F.). Andere Auffassungen wollen
nur physische Merkmale der Sache selbst zulassen (Nachweise bei Jauernig/Berger, BGB, § 434
Rn.7). Die Streitfrage braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn die Frage, ob das
Pferd an der Erkrankung leidet bzw. zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits gelitten hat,
beschreibt ein physisches Merkmal des Tieres und damit eine Eigenschaft auch im Sinne der
engeren Sichtweise.
49
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine nachteilige Veränderung des Sprunggelenks
in der Weise, wie es der Streithelfer der Beklagten in Einklang mit dem Vortrag des Beklagten als
Inhalt der Befundung im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung der Zeugin … mit dem Hinweis
auf sich daraus für die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes des Pferdes dargelegt
haben will, nicht Vertragsinhalt geworden. Der Beklagte und sein Streithelfer haben bereits nicht
bewiesen, dass Letzterer und der ebenfalls konsultierte Zeuge Dr. … im auf die Untersuchung
folgenden Gespräch zum Gesundheitszustand des Pferdes vom schriftlich niedergelegten
Untersuchungsergebnis nachteilig abweichende Angaben gemacht haben.
50
(1) Der Senat teilt insofern die Auffassungen des Landgerichts nicht und legt seiner
Entscheidung auch nicht den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde, weil er die
erhobenen Beweise nach erneuter umfassender Beweisaufnahme abweichend würdigt (vgl.
BGH NJW 2005, 1583). Die Zeugin … hat nach Auffassung des Senats plausibel bekundet,
dass sie während und im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung nicht auf die Gefahr oder
Möglichkeit einer Spat- oder sonstigen erheblichen Gelenkerkrankung hingewiesen worden, ihr
vielmehr durchweg der Eindruck vermittelt worden sei, das Pferd sei auch nach den
Röntgenbildern gesundheitlich einwandfrei und die als unbedenklich dargestellte Einstufung
"Röntgenklasse I - II" erfolge nur zur Sicherheit wegen einer Kleinigkeit. Die Zeugin hat zudem
glaubhaft bekundet, dass sie nicht nur den Beklagten vor den Kaufverhandlungen, sondern
auch den Streithelfer vor Beginn der Ankaufsuntersuchung auf den beabsichtigten Einsatz des
Pferdes bei Dressurwettbewerben der Klassen M und S hingewiesen hat. Damit hat sie diese
Verwendung nicht nur zum Maßstab für die Untersuchung, sondern auch für den Kaufvertrag
gemacht.
51
(2) Der Senat ist nach Würdigung aller Zeugenaussagen der Überzeugung, dass selbst dann,
wenn bei der Ankaufsuntersuchung das Wort "Spat" gefallen sein sollte, was der Senat
ausdrücklich offen lässt, dies allenfalls im Sinne der negativen Abgrenzung des Zustandes
des Pferdes hierzu geschehen sei, also dergestalt, dass erklärt worden sei, bei dem Pferd
liege eine Spat-Erkrankung oder ein Risiko für eine solche Erkrankung nicht vor. Ebenso wenig
ist erwiesen, dass weitere Untersuchungen empfohlen worden sind. Die anders lautenden
Angaben der Zeugen Dr. … , … und des Streithelfers des Beklagten bei seiner
Zeugeneinvernahme, wonach hinsichtlich der Gesundheit des Pferdes Einschränkungen
gemacht oder diesbezüglich Probleme aufgezeigt worden seien, sind nicht überzeugend. Es
ist für den Senat nicht nachvollziehbar und stellt nach seiner Auffassung einen nicht
auflösbaren Widerspruch in der Argumentation des Beklagten und dessen Streithelfer dar,
dass derart wichtige Einschränkungen die Gesundheit des - namentlich für den Streithelfer des
Beklagten als Fachmann unschwer erkennbar - besonders wertvollen und damit teuren Tieres
betreffend, wie sie der Beklagte und dessen Streithelfer behaupten, keinen Eingang in das
schriftliche Untersuchungsprotokoll gefunden haben sollten. Für diese Würdigung spricht auch
der Umstand, dass im Ankaufsprotokoll zu dem Punkt "Allgemeinzustand des Pferdes" selbst
belanglose Kleinigkeiten, wie ein mit Heftpflaster verklebter Hornspalt am vorderen rechten
Huf, handschriftlich vermerkt wurden. Wäre die Problematik des auf den Röntgenbildern
sichtbaren Knochenauszugs an hinteren rechten Sprunggelenk mit der Zeugin tatsächlich
ernsthaft erörtert worden, so hätte diese Auffälligkeit nach Überzeugung des Senats auch
Eingang in das Protokoll gefunden. Hierauf hätte die Zeugin … angesichts ihrer kritischen,
vorsichtigen Einstellung, die auch in ihrer Anweisung zur Anfertigung weiterer Röntgenbilder im
Halsbereich zum Ausdruck kam, mit Sicherheit bestanden.
52
(3) Der Streithelfer der Beklagten hat bei seinen schriftlichen Ausführungen im
Untersuchungsprotokoll das "Ergebnisprotokoll der Röntgenkommission" aus dem Jahre 1993
(Anlage K2 - Bl.8ff.d.A.) zum Maßstab genommen, das eine Einteilung in Röntgengruppen
vorsieht, auch wenn die Diktion des Streithelfers des Beklagten im Untersuchungsprotokoll der
erst im Jahre 2003 veröffentlichten Neueinteilung in "Röntgenklassen" entspricht. Der
Streithelfer hat das Pferd als "Röntgenklasse I bis II" klassifiziert. Dabei bedeutet die
Einordnung in die Röntgenklasse II, die nach der neuen Eingruppierung der
Röntgenkommission der Röntgengruppe 2 entspricht: "von der Norm abweichend, klinische
Bedeutung unklar oder unsicher oder unbekannt". Diese negative Eingruppierung wurde aber
gleichzeitig durch die Zwischenstufung "I bis II" wieder neutralisiert, zumindest aber stark
abgeschwächt und bagatellisiert, da die Röntgengruppe 1 "ohne oder unbedeutender Befund"
bedeutet, so dass die Zeugin … zu Recht keine Befürchtung haben musste, das Pferd sei für
den Einsatz in Dressurprüfungen der Klassen M und S ungeeignet. Nach dem …
überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. … wäre eine Einordnung in die Röntgengruppe 3,
allenfalls aber in die Röntgengruppe 2 - ohne Zwischenstufe vertretbar gewesen. Unter solchen
Umständen aber würde die Zeugin … nach ihren glaubhaften Angaben vom Kauf Abstand
genommen haben.
53
(4) Die Angaben des Zeugen Dr. … , der als Mitinhaber der … klinik und Sozius des
Streithelfers im Hinblick auf diesem drohende Schadensersatzansprüche ein mittelbares
Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, haben diesen Widerspruch deutlich aufgezeigt.
Einerseits bemühte sich der Zeuge - anders als noch in erster Instanz - hervorzuheben, dass
das Wort "Spat" sowohl durch ihn, als auch durch den Streithelfer des Beklagten genannt
worden sei. Das Wort sei dabei zur "Abgrenzung" der beim Pferd gegebenen "physiologischen
Variante" zu einer nicht gegebenen Spat-Erkrankung verwandt worden. Andererseits hat er
angegeben, man habe die Zeugin … nicht aus der "Verantwortung entlassen" wollen. Nach
Auffassung des Senats gibt es nicht ernstlich einen Anlass, eine "Verantwortung" zu
übernehmen, wenn der Gesundheitszustand des Pferdes als unproblematisch angesehen wird.
Auf den Vorhalt dessen vermochte der Zeuge in nicht überzeugender Weise als
Anknüpfungspunkt für den Vorbehalt, welcher gegenüber der Zeugin … hinsichtlich des
Befundes gemacht worden sein soll, lediglich das allgemeine Lebensrisiko des Pferdes
anzuführen. Auch die Angaben des Zeugen … , der an dem Verkaufsgeschäft wirtschaftlich
interessiert war - er war ausweislich des Pferdepasses Miteigentümer des verkauften Pferdes
und hat auch eine Verkaufsprovision erhalten - sind jedenfalls insofern nicht überzeugend, als
er angegeben hat, der Streithelfer des Beklagten habe zwischen dem Zustand des Pferdes
und dem Wort "Spat" eine Verbindung hergestellt. Zu dem dieser Darstellung innewohnenden
Wertungswiderspruch gilt das oben Ausgeführte entsprechend.
54
(5) Bei der Würdigung der Aussage der Zeugin … ist berücksichtigt, dass sie faktisch als
Käuferin agierte und am Ausgang des Rechtsstreits ein hohes Eigeninteresse hat. Für den
Wahrheitsgehalt ihrer Aussage spricht aber vor allem ihr auf der Hand liegendes Interesse am
Erwerb eines gesunden, dressurtauglichen Spitzenpferds, weshalb eine Nichtbeachtung
warnender Hinweise völlig unverständlich erscheinen müsste. Zudem stützen die
vorhandenen schriftlichen Unterlagen zur Abwicklung des Kaufs ihre Angaben zu einem
sofortigen mündlichen Abschluss des Kaufvertrags im Anschluss an die
Ankaufsuntersuchung. Das per Fax übermittelte Schreiben der Klägerin vom 19.11.2002 (Bl.
69 d.A.), in dem lediglich noch der Rechnungsadressat und der Rechnungstext dem Beklagten
bekannt gegeben wurden, setzt einen bereits geschlossenen Kaufvertrag voraus. Dies wird
durch die umgehende Ausstellung der Rechnung des Beklagten unter dem Datum vom
20.11.2002 (Anlage K 11 - Bl. 30 d.A.) bestätigt.
55
cc) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet das Pferd an Spat und wies diese Erkrankung
bereits zum Zeitpunkt der Übergabe am 20.11.2002 auf. Bei der Spat-Erkrankung eines Pferdes
handelt es sich nach der Auffassung des Senats jedenfalls insofern um eine nachteilige
Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit, als das Tier
damit für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung in Dressur-Turnieren der Klassen M und S
nicht geeignet war und ist.
56
(1) Spat (Osteoarthrose tarsi) stellt eine chronisch-deformierende Entzündung dar, welche im
Laufe der Zeit zur Zerstörung der Gelenkknorpel, zur "spitzzackigen, riffeligen oder blättrigen
Knochenzubildung bis hin zur kompletten knöchernen Durchbauung der Gelenkspalten der
straffen Sprunggelenksabteilungen" führt. Infolge der Erkrankung kann das Pferd Schmerzen
erleiden, denen es durch die Einnahme einer Schonhaltung zu entgehen sucht. In der Folge
können Muskelschwund und Lahmheit auftreten.
57
2) Infolge dieser Erkrankung kann das Pferd jedenfalls für hochklassige Dressur-Wettbewerbe
der Klassen M oder S nicht eingesetzt werden. Wenn das Pferd, wie der Zeuge vor dem
Landgericht bekundet hat, auch an einzelnen Dressurprüfungen mit Erfolg hat teilnehmen
können, so kann gleichwohl nicht von einer Mangelfreiheit ausgegangen werden. Die durch die
Spat-Erkrankung herbeigeführten chronischen Lahmheitserscheinungen können bei einem
hochklassigen Dressurpferd nicht toleriert werden, auch wenn - wie der Sachverständige Prof.
Dr. … darlegte - eine Lahmheit durch sog. "Einlaufen" vorübergehend unterdrückt werden
kann. Dabei kann offen bleiben, ob die Lahmheit selbst bereits zum Zeitpunkt des
Gefahrübergangs vorhanden war oder nicht. Denn für ausschlaggebend erachtet der Senat,
dass der Erkrankungsprozess zum Zeitpunkt der Übergabe zumindest bereits im Gange war,
so dass nach Übergabe eine leichte bis mittelgradige Lahmheit des Pferdes jederzeit auftreten
konnte und nachgewiesenermaßen auch aufgetreten ist. Der Senat setzt sich mit seiner
Ansicht, dass es für das Vorliegen eines Mangels solchermaßen ausreiche, wenn die
Lahmheit erst nach Gefahrübergang eintrete, auch nicht in Widerspruch zum Urteil des
Oberlandesgerichts Hamm vom 15.10.2004 - Az. 19 U 75/04. Denn in dem dort entschiedenen
Fall wurde die Relevanz einer späteren Lahmheit infolge von beim Gefahrübergang vorhanden
gewesenen degenerativen Veränderungen unter dem Blickwinkel des § 442 BGB verneint.
58
(3) Der Senat gründet seine Überzeugung auf den Befund des Sachverständigen Prof. Dr. ….
Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend das Vorhandensein der Spat-Erkrankung
des Pferdes bereits bei Übergabe befundet. Demnach waren zum Zeitpunkt der Übergabe nicht
nur Veränderungen am Knochen des Sprunggelenks des rechten Hinterbeines gegeben,
sondern auch die umgebenden Weichteile waren nachteilig verändert. Der Sachverständige
verfügt als ordentlicher Professor an der Universität München und Leiter der dortigen Klinik für
Pferde im Bereich der Tiermedizin über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem
fraglichen Gebiet. Er hat alle maßgeblichen Röntgenbilder ab der Ankaufsuntersuchung
analysiert und ausgewertet, das Pferd mehrfach eingehend untersucht und dabei sämtliche zur
Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden angewandt, zuletzt auch die vom Beklagten
und dessen Streithelfer geforderte diagnostische Anästhesie, also der Versuch, mittels lokaler
Betäubung Schmerzregionen im Bein näher einzugrenzen. Zwar waren die Ergebnisse speziell
dieser Untersuchung für den Senat auf den vorgeführten Videosequenzen nicht aus sich
heraus deutlich erkennbar, insbesondere nicht die Auswirkungen der einzelnen Injektionen auf
den Gang des Pferdes. Der Sachverständige hat indes seine unmittelbaren, besondere
Sachkunde erfordernden Beobachtungen nachvollziehbar geschildert und ausgeführt, dass die
gering- bis mittelgradige Lahmheit hinten rechts, vor allem unter Longenbelastung, zunächst
gut sichtbar war, und diese Lahmheit nach diagnostischen Injektionen auf das Sprunggelenk
hinten rechts eingegrenzt werden konnte, wenngleich die diagnostische Betäubung nicht zur
vollkommenen Lahmheitsfreiheit führte.
59
Die Angriffe des Beklagten gegen den Befund schlagen nicht durch. Die momentane, relativ
geringe Intensität der Taktunreinheit im Gang des Pferdes bei der Untersuchung am
05.01.2006 war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auf die
Bewegungsarmut zurück zu führen, welche infolge der seit Anfang Dezember 2005
anhaltenden - verfahrensbedingten - Verwahrung des Pferdes im Stall bestand. Der
Sachverständige hat die seit der Ankaufsuntersuchung unveränderte Situation anhand des
ebenso unveränderten Erscheinungsbildes der Gelenkknochen belegt, wie es seit der
Ankaufsuntersuchung immer wieder in neu gefertigten Röntgenbildern dokumentiert worden ist.
Er hat nicht allein den - unstreitig gegebenen - Osteophyten berücksichtigt, der für sich
gesehen tatsächlichen unbedenklich sein mag, sondern auch die sonstigen Veränderungen im
Weichteilbereich, insbesondere der Mehrung des Sprunggelenksumfangs. Dabei hatte der
Sachverständige auch aufgrund der selbst durchgeführten Untersuchungen im Abstand von
zwei Jahren beste Vergleichmöglichkeiten und Erkenntnisquellen. Er hat alle weiteren - neben
der festgestellten Spat-Erkrankung - in Betracht kommenden Ursachen für die chronische
Hinterfußlahmheit - auch eine denkbare Hüfterkrankung - sicher ausgeschlossen.
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Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Privatgutachters Dr. … gem. der
Schriftsätze des Beklagten und dessen Streithelfers vom 16.01.2006 (Bl.603ff. und 612ff.d.A.)
nicht überzeugend. Dabei können die Einwendungen der Klägerin gegen die Person des
Privatsachverständigen und dessen gutachterlicher Einschätzung gem. Schriftsatz vom
17.01.2006 (Bl.629ff.d.A.) unbeachtet bleiben, weswegen dem Beklagten auch das beantragte
Schriftsatzrecht zu versagen ist. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat sich mit der
Ansicht des Privatgutachters im Termin vom 20.01.2006 auseinandergesetzt und vor allem zur
Lahmheitsfrage - wie oben dargelegt - überzeugend Stellung bezogen. Es liegt auf der Hand,
dass der gerichtlich bestellte Gutachter, der das Pferd mehrmals selbst untersucht hat, die
Situation ungleich besser als der Privatgutachter beurteilen kann, der das Pferd lediglich auf
einer Videoaufnahme gesehen hat. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer weiteren
Begutachtung (§ 412 ZPO) liegen nicht vor. Das Gutachten von Prof. Dr. … enthält weder
Mängel noch nicht aufklärbare Widersprüche. Überlegene Forschungsmittel eines anderen
Gutachters wurden nicht aufgezeigt.
61
c) Die Klägerin ist von dem Kauf wirksam zurückgetreten. Die Klägerin hat den Rücktritt mit ihrem
Schreiben vom 22.01.2003 (Anlage K 3 - Bl.17d.A.) ausdrücklich erklärt. Ein Abhilfeverlangen vor
Erklärung des Rücktritts war gem. § 323 Abs.2 Nr.3 BGB nicht erfordert. Zum einen kann die
Erkrankung nach dem Befund des Sachverständigen nicht geheilt werden, so dass Abhilfe gar
nicht möglich ist. Zum anderen hat der Beklagte von Anfang an die Erkrankung in Abrede gestellt
und später auch die Rücknahme verweigert, so dass ein Abhilfeverlangen eine unnötige Förmelei
dargestellt haben würde.
62
d) Die Ausübung des Rücktrittsrechts war nicht nach § 442 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
63
aa) Die notwendige grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen
nicht angestellt werden bzw. das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten
müsste (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1108) oder wenn Umstände vorhanden sind, die zur besonderen
Vorsicht mahnen (Jauernig/Berger, BGB, § 443, Rn.5). Dabei wird gem. § 166 BGB das Wissen des
Vertreters der Vertragspartei zugerechnet (Palandt/Putzo, BGB, § 442, Rn.10). Nach der bereits
angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm - 19 U 75/04 - soll grobe Fahrlässigkeit dann
gegeben sein, wenn bei dem untersuchten Pferd bei Gefahrübergang degenerative Veränderungen
vorliegen, diese im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung anhand von Röntgenbildern erläutert und die
Risiken aufgezeigt werden und erst danach die Lahmheit auftritt.
64
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine
grobe Fahrlässigkeit der Klägerin nicht erfüllt.
65
(1) Der Senat ist an die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des Landgerichts nicht
gebunden. Auf die obigen Ausführungen unter b) bb) (1) wird Bezug genommen.
66
(2) Infolge der bei der Ankaufsuntersuchung selbst gewonnenen Erkenntnisse musste sich der
Zeugin … nicht aufdrängen, dass das Pferd an Spat leide. Der Beklagte und sein Streithelfer
haben ihre Behauptungen betreffen die Mitteilung eines nachteiligen Befunds oder von Risiken
hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Pferdes nicht bewiesen. Wegen der Würdigung der
Aussagen der Zeugen Dr. … , … und des Streithelfers des Beklagten wird auf die obigen
Ausführungen Bezug genommen. Demnach hatte die Zeugin … keine Veranlassung, von
gesundheitlichen Einschränkungen oder auch nur von Gefahren für die Gesundheit des
Pferdes auszugehen. Sie musste deshalb von sich aus keinen weiteren Tierarzt konsultieren.
67
(3) Auch die möglicherweise gegebene Fehlleistung des Streithelfers des Beklagten bei der
Befundung des Pferdes im Rahmen der Ankaufsuntersuchung ist der Klägerin nicht
zuzurechnen. Zwar war die Zeugin als Auftraggeberin der Ankaufsuntersuchung
Vertragspartnerin des Streithelfers der Beklagten. Gegen eine Zurechnung in unmittelbarer
oder entsprechender Anwendung des § 166 BGB spricht bereits, dass der Streithelfer nicht die
Stellung eines Vertreters der Klägerin oder ihres Repräsentanten hatte. Der Rechtsgedanke,
welcher der Vorschrift des § 442 BGB innewohnt, nämlich der, dass eigenes, grundlegendes
Versagen dem Käufer zum Schaden gereicht, sofern der Verkäufer nicht arglistig handelt oder
sonst uneingeschränkt die Gewähr für die verkaufte Sache übernimmt, entspricht neueren und
durchaus berechtigten Bestrebungen, dem Käufer vor allem im Unternehmenskaufbereich
vollen Einblick und umfassende Prüfmöglichkeiten einzuräumen, ihm als Kehrseite dessen
aber auch die Gefahr einer Fehleinschätzung aufzubürden (sog due diligence; vgl. Müller, NJW
2004, 2196). § 442 BGB ist aber im vorliegenden Fall bereits deswegen nicht einschlägig, weil
der Beklagte - entsprechend der obigen Ausführungen - das Pferd betreffende nachteilige
Äußerungen seines Streithelfers oder des Zeugen Dr. … nicht bewiesen sowie der Beklagte
und dessen Streithelfer bis zuletzt eine Erkrankung des Pferdes auch zum Zeitpunkt der
Ankaufsuntersuchung und damit einen Fehler bei der Befundung in Abrede gestellt haben. Der
vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich auch von dem, welcher der bereits mehrfach
angesprochenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zugrunde lag. Denn in dem dort
entschiedenen Fall wurde der Käufer über bestehende Risiken zutreffend informiert. Aufgrund
der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sieht sich der Senat auch nicht veranlasst,
generell zur Frage der Auswirkung einer Ankaufsuntersuchung auf die Frage der Anwendung
des § 442 BGB Stellung zu nehmen.
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e) Die Klägerin hat ihre Untersuchungs- und Rügepflicht gem. § 377 HGB nicht verletzt. Sie hat durch
die Zeugin … eine Ankaufsuntersuchung mit sachverständiger Hilfe durchführen lassen. Dass diese
Begutachtung - möglicherweise infolge einer Fehlleistung des Streithelfers des Beklagten - den
tatsächlichen Zustand des Pferdes nicht zutreffend wiedergab, ist entsprechend der obigen
Ausführungen wegen der fehlenden Vertreterstellung des Streithelfers für die Klägerin nicht dem
Risikobereich der Klägerin zuzurechnen. Eine fehlerhafte, unsorgfältige Untersuchung durch den mit
der Ankaufsuntersuchung beauftragten Streithelfer kann auch nicht gem. § 278 BGB der Klägerin
zugerechnet werden. § 278 BGB gilt nur bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit, nicht bei der Beachtung
von Obliegenheiten wie im Fall des § 377 HGB. § 377 HGH begründet keine Verpflichtung des Käufers
gegenüber dem Verkäufer. Nur bei besonderer gesetzlicher Regelung, wie z.B. im Fall des § 254 Abs.
2 S. 2 BGB, gilt § 278 BGB auch im Bereich von Obliegenheiten. Für die Verletzung sonstiger
Obliegenheiten gilt § 278 BGB dagegen nicht (s. Palandt/Heinrichs BGB, 65. Aufl. § 278 RN 24). Der
Streithelfer hatte jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Kontakt zu dem die Ankaufsuntersuchung
durchführenden Arzt vom Beklagten geknüpft wurde, keine vertreterähnliche Stellung gegenüber der
Klägerin, über die möglicherweise - in Anlehnung an die im Versicherungsrecht eingeführte Figur des
"Repräsentanten" - einer hiervon "repräsentierten" Person auch die Verletzung von Obliegenheiten
zugerechnet werden könnte.
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4. Der Zinsanspruch folgt im tenorierten Umfang aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Die
Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, sie habe den Beklagten mit Schreiben vom 02.04.2003 (Anl. K
6 - Bl.21f.d.A.) unter Fristsetzung zum 16.04.2003 zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Rücknahme
des Pferdes aufgefordert. Ein Rechtsgrund für einen zeitlich früher einsetzenden Zinsanspruch (seit dem
22.01.2003) ist nicht ersichtlich.
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5. Der Feststellungsanspruch hinsichtlich des Annahmeverzugs folgt aus § 295 BGB. Das Schreiben vom
02.04.2003 (Anl. K 6) begründet den Annahmeverzug. Ein tatsächliches Angebot war nicht erfordert, da der
Beklagte das Pferd abzuholen hat. Beim Rücktritt ist der Leistungsort der Ort, an dem die Sache sich
vertragsgemäß befindet (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 269, Rn.16 m.z.N.), also der Standort des Pferdes
bei der Klägerin.
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6. Der in der Berufungsinstanz neu gestellte Feststellungsantrag ist - soweit er zulässig ist - begründet.
Der Anspruch ergibt sich aus § 347 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Haltungs- und der Pflegeaufwand stellen
notwendige Verwendungen dar, die zu ersetzen sind. Im Übrigen ergibt sich der dem Grunde nach geltend
gemachte Anspruch ab dem Verzugszeitpunkt auch aus § 286 Abs. 1 BGB.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.2 Nr.1, 101 ZPO. Grundlage der Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit bilden §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
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8. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 543 ZPO sind nicht
gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des
Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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9. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom
01.02.2006 und des Streithelfervertreters vom 06.02.2006 veranlassen des Senat nicht, die mündliche
Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).