Urteil des OLG Stuttgart vom 30.12.2013

OLG Stuttgart: anschlussbeschwerde, teilanfechtung, teilrechtskraft, überprüfung, auskunft, verfahrensgegenstand, entscheidungskompetenz, pensionskasse, lebensversicherung, prüfungsbefugnis

OLG Stuttgart Beschluß vom 30.12.2013, 15 UF 306/13
Leitsätze
1. Ficht ein Beteiligter die Entscheidung zum Versorgungsausgleich nur teilweise an, so haben
jedenfalls die beteiligten Eheleute grundsätzlich die Möglichkeit, nicht angefochtene Teile der
Versorgungsausgleichsentscheidung im Wege der Anschlussbeschwerde gemäß § 66 FamFG
zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen. Nicht angefochtene Teile der
Versorgungsausgleichsentscheidung erwachsen demgemäß nicht vorzeitig in Teilrechtskraft.
2. Wird indes keine Anschlussbeschwerde eingelegt, so fallen nur die von der Teilanfechtung
betroffenen Versorgungsanwartschaften in die Entscheidungskompetenz des
Beschwerdegerichts. Eine umfassende Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts ergibt sich in
diesem Fall weder aus dem Amtsermittlungsgrundsatz noch aus dem Umstand, dass der
Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen ist.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 23.10.2013 in Ziff. 2 Abs. 1 und 2 der
Beschlussformel abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund (Vers. Nr....) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von
1,9547 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund, bezogen auf den 28.2.2013, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der
Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in
Höhe von 13,2097 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 28.2.2013, übertragen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und der
Antragsgegner je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 2.200 EUR
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 4.10.1996 die Ehe geschlossen. Der
Scheidungsantrag wurde am 12.3.2013 zugestellt (Bl. 13).
2
Mit notariellem Ehevertrag vom 28.10.2011 haben die Antragstellerin und der
Antragsgegner u.a. den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zum 1.8.2010 aufgehoben
und Gütertrennung vereinbart. Weiter haben sie für den Fall der Ehescheidung den
Versorgungsausgleich für die Zeit ab dem 31.7.2010 ausgeschlossen.
3
In der gesetzlichen Ehezeit (1.10.1996 bis 28.2.2013) hat die Antragstellerin ein Anrecht
in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 5,4217
Entgeltpunkten erlangt. Der Ausgleichswert beträgt 2,7109 Entgeltpunkte, der
korrespondierende Kapitalwert 17.456,62 EUR. Von den in der Ehezeit erzielten
Entgeltpunkten entfallen 1,5124 Entgeltpunkte auf den Zeitraum vom 1.8.2010 bis zum
28.2.2013.
4
Weiter hat die Antragstellerin ein Anrecht bei der ...Lebensversicherung erlangt.
5
Der Antragsgegner hat in der gesetzlichen Ehezeit ein Anrecht in der gesetzlichen
Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 31,4295 Entgeltpunkten erlangt. Der
Ausgleichwert beträgt 15,7148 Entgeltpunkte, der korrespondierende Kapitalwert
101.194,18 EUR. Von den in der Ehezeit erzielten Entgeltpunkten entfallen 5,0102
Entgeltpunkte auf den Zeitraum vom 1.8.2010 bis zum 28.2.2013.
6
Weiter hat der Antragsgegner Anrechte bei der U. GmbH, bei den Pensionskassen B., bei
der H. Pensionskasse und bei der ...Lebensversicherung ... erlangt.
7
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.10.2013 hat das Amtsgericht - Familiengericht
die Ehe der Ehegatten geschieden. Weiter hat das Amtsgericht den
Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung eines Ehezeitendes vom 31.7.2010 und
demgemäß auf der Grundlage für den Zeitraum vom 1.10.1996 bis zum 31.7.2010
eingeholter Auskünfte der Versorgungsträger geregelt. Insbesondere hat das Amtsgericht
das Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem
Ausgleichswert von 1,5455 Entgeltpunkten und das Anrecht des Antragsgegners bei der
Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem Ausgleichswert von 13,1802
Entgeltpunkten intern geteilt, jeweils bezogen auf den 31.7.2010. Auch in Ansehung der
übrigen Anrechte hat das Amtsgericht den 31.7.2010 als Ehezeitende zugrunde gelegt.
8
Zur Begründung hat das Amtsgericht darauf verwiesen, es bestünden keine Bedenken
hinsichtlich der formellen und materiellen Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung vom
28.10.2011, mittels der die Eheleute den Versorgungsausgleich für die Zeit ab dem
31.7.2010 ausgeschlossen hätten.
9
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und die Neuregelung des Versorgungsausgleichs
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Sie macht geltend, dass das
Familiengericht nicht berechtigt gewesen sei, von dem in § 3 Abs. 1 VersAusglG
geregelten Ehezeitende abzuweichen. Eine Veränderung des Ehezeitendes sei auch
nicht im Rahmen einer Vereinbarung der Eheleute möglich.
10 Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie verweist darauf, dass
der Ehevertrag einer Inhalts- und Wirksamkeitskontrolle standhalte.
II.
11 Die zulässige Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund ist auch begründet.
12 1. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die
erstinstanzliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich insoweit, als das Amtsgericht
den Versorgungsausgleich in Ansehung der Anrechte beider Eheleute in der gesetzlichen
Rentenversicherung geregelt hat. Denn die Deutsche Rentenversicherung Bund begehrt
ausweislich ihres Beschwerdeantrags eine Neuregelung des Versorgungsausgleichs
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Damit ist der Ausspruch zum
Versorgungsausgleich insoweit angegriffen, als die Deutsche Rentenversicherung in ihrer
Rechtsstellung betroffen und somit zur Beschwerde befugt ist (vgl. BGH FamRZ 2013,
610 Tz. 10).
13 Im Umfang der Anfechtung ist die Deutsche Rentenversicherung Bund auch gemäß § 59
Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Eine Beschwerdeberechtigung besteht nicht nur
insoweit, als das bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bestehende Anrecht des
Antragsgegners intern geteilt wurde. Vielmehr ist eine Beschwerdeberechtigung auch in
Ansehung des in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden Anrechts der
Antragstellerin gegeben. Hierbei kann offen bleiben, ob dies bereits daraus folgt, dass
auch das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund geführt wird. Wie sich aus § 219 Nr. 3 FamFG ergibt, ist die Beschwerdeführerin
insoweit in ihren Rechten jedenfalls deshalb beeinträchtigt, weil das Amtsgericht bei ihr
zu Ausgleichszwecken ein Anrecht begründet hat (BGH FamRZ 2013, 610 Tz. 11).
14 2. Demgegenüber kann die Beschwerdebegründung nicht dahingehend ausgelegt
werden, dass die Deutsche Rentenversicherung auch die Regelungen zum
Versorgungsausgleich in Ansehung der Anrechte der Eheleute bei der ...
Lebensversicherung.., bei der H. Pensionskasse, bei der Pensionskasse B. sowie bei der
U. GmbH angreifen wollte. Denn insoweit wäre die Deutsche Rentenversicherung
offensichtlich nicht beschwerdebefugt, da weder bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund bestehende Anrechte berührt noch Anrechte auf diese übertragen werden, weshalb
ihre Rechtsstellung nicht betroffen wird. Nach dem Grundsatz der interessengerechten
Auslegung, der auch auf Verfahrenshandlungen anwendbar ist (vgl. Zöller/Greger ZPO
30. Aufl. vor § 128 Rn. 25) kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein
Versorgungsträger mit seinem Rechtsmittel auch Teile der
Versorgungsausgleichsentscheidung anfechten will, hinsichtlich derer sein Rechtsmittel
offensichtlich unzulässig ist.
15 3. Im Umfang der Zulässigkeit ist die Beschwerde auch begründet.
16 a) Zu Recht weist die Deutsche Rentenversicherung Bund darauf hin, dass die Ehezeit
nicht bereits am 31.7.2010, sondern erst am 28.2.2013 geendet hat.
17 Gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG endet die Ehezeit am letzten Tag des Monats vor
Zustellung des Scheidungsantrags. Diese Regelung ist zwingend und kann nicht im
Wege einer Vereinbarung der Ehegatten verändert werden (BGH FamRZ 2001, 1444,
1446; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 7. Aufl. Rn. VI 47).
18 Bereits vor diesem Hintergrund kann Ziff. II.6 der notariellen Vereinbarung vom
28.10.2011 nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Eheleute den 31.7.2010 als
fiktives Ehezeitende vereinbart haben. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Wortlaut der
Vereinbarung, dass die Eheleute lediglich die in der Zeit ab dem 31.7.2010 erworbenen
Anrechte aus dem Versorgungsausgleich herausnehmen wollten (zur Zulässigkeit einer
solchen Vereinbarung vgl. BGH FamRZ 2001, 1444, 1446; Schwab/Hahne Handbuch
des Scheidungsrechts 7. Aufl. Rn. VI 47).
19 b) Schließen die Eheleute im Rahmen einer Vereinbarung den Versorgungsausgleich in
zeitlicher Hinsicht teilweise aus, so ist diese Vereinbarung in der Weise zu verwirklichen,
dass zunächst der ungekürzte Ehezeitanteil der jeweiligen Versorgung ermittelt wird. In
einem weiteren Schritt ist - bezogen auf das gesetzliche Ehezeitende - derjenige Anteil
des Anrechts zu bestimmen, der auf den auszuschließenden Zeitraum entfällt. Schließlich
ist der auf den auszuschließenden Zeitraum entfallende Anteil vom ungekürzten
Ehezeitanteil abzuziehen. Die Hälfte des verbleibenden Ehezeitanteils entspricht dem
Ausgleichswert (BGH FamRZ 2001, 1444, 1446; vgl. auch Schwab/Hahne/Holzwarth aaO
Rn. VI 477 zur vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 27 VersAusglG).
20 c) Demgemäß ist die formell und materiell wirksame Vereinbarung der Eheleute
dergestalt umzusetzen, dass das Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund mit einem Ausgleichswert von 13,2097 Entgeltpunkten intern
zu teilen ist. Der Antragsgegner hat während der gesamten Ehezeit 31,4295
Entgeltpunkte erlangt, wovon 5,0102 Entgeltpunkte auf den auszuschließenden Zeitraum
vom 1.8.2010 bis zum 28.2.2013 entfallen. Es verbleibt ein auszugleichendes Anrecht von
26,4193 Entgeltpunkten, also mit einem Ausgleichswert von 13,2097 Entgeltpunkten.
21 Insoweit bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft der Deutschen
Rentenversicherung Bund vom 11.12.2013. Dass die dort für den Zeitraum Oktober 1996
bis Juli 2010 ausgewiesenen Entgeltpunkte von den in der Auskunft vom 10.6.2013 für
denselben Zeitraum ausgewiesenen Entgeltpunkten abweichen, ist darauf
zurückzuführen, dass in der Auskunft vom 10.6.2013 für die Jahre 2009 und 2010 noch
das vorläufige Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 SGB VI zugrunde gelegt wurde,
während in der Auskunft vom 11.12.2013 mit den (abweichenden) endgültigen Werten
gerechnet wird.
22 d) Weiter ist das Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund
mit einem Ausgleichswert von 1,9547 Entgeltpunkten intern zu teilen. Denn die
Antragstellerin hat während der gesamten Ehezeit 5,4217 Entgeltpunkte erlangt, wovon
1,5124 Entgeltpunkte auf den auszuschließenden Zeitraum vom 1.8.2010 bis zum
28.2.2013 entfallen. Es verbleibt ein auszugleichende Anrecht von 3,9093
Entgeltpunkten, also mit einem Ausgleichswert von 1,9547 Entgeltpunkten.
23 Auch in Ansehung des Anrechts der Antragstellerin bestehen keine Zweifel an der
Richtigkeit der seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund erteilten Auskunft vom
28.11.2013. Zwar hat die Antragstellerin nach dieser Auskunft in der Zeit von Oktober
1996 bis Juli 2010 mehr Entgeltpunkte erlangt, als es ausweislich der zuvor erteilten
Auskunft vom 12.4.2013 der Fall war. Dies ist aber darauf zurückzuführen, dass zum
Stichtag 28.2.2013 - anders als zum 31.7.2010 - die 25-jährige Wartezeit gemäß § 70 Abs.
3a SGB VI erfüllt war mit der Folge, dass der Antragstellerin zusätzliche Entgeltpunkte für
nach dem Jahr 1991 liegende Kindererziehungszeiten gutgeschrieben wurden. Weitere
Abweichungen ergeben sich infolge der veränderten Gesamtleistungsbewertung
beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten nach §§ 71 ff. SGB VI sowie infolge von
Unterschieden zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Durchschnittsentgelt nach
Anlage 1 des SGB VI.
24 4. Der Senat ist nicht befugt, die erstinstanzliche Regelung des Versorgungsausgleichs
auch in Ansehung der Anrechte der Beteiligten bei der ... Lebensversicherung ..., bei der
H. Pensionskasse, bei der Pensionskasse B. sowie bei der U. GmbH von Amts wegen zu
überprüfen und im Hinblick auf das Ehezeitende zu korrigieren.
25 a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird streitig beurteilt,
welche Konsequenzen eine nur teilweise Anfechtung der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich für den Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts hat.
26 aa) Nach einer Auffassung ist das Beschwerdegericht auch im Falle einer Teilanfechtung
zu einer umfassenden Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zum
Versorgungsausgleich berechtigt und verpflichtet (OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136,
137). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die nicht angefochtenen Teile einer
einheitlichen Versorgungsausgleichsentscheidung infolge des zeitlich unbefristet
zulässigen Rechtsmittels der Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG nicht in
Teilrechtskraft erwachsen. Das Beschwerdegericht sei demgemäß nicht durch eine
eingetretene Teilrechtskraft an einer umfassenden Überprüfung gehindert. Vielmehr
bestehe wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes und wegen des Umstandes, dass der
Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen sei, die Verpflichtung zu einer
umfassenden Überprüfung (OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136, 137).
27 bb) Nach einer anderen Auffassung fallen lediglich die von einer zulässigen Beschwerde
betroffenen Versorgungsanwartschaften in die Entscheidungskompetenz des
Beschwerdegerichts, und es besteht auch nicht die Möglichkeit, die
Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts durch Anschlussrechtsmittel zu
erweitern (Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 66 Rn. 8a; vgl. auch noch Senatsbeschluss
vom 27.10.2010 - 15 UF 196/10 - FamRZ 2011, 1086, 1087; vgl. außerdem OLG
Nürnberg FamRZ 2011, 991; OLG Schleswig Beschluss vom 2.8.2011 - 10 UF 242/10
juris Tz. 11 ff.). Eine erweiterte Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts besteht danach
nur, wenn und soweit die Entscheidung über den Ausgleich eines Anrechts nicht von der
Entscheidung über den Ausgleich eines anderen Anrechts unabhängig ist, was etwa
dann der Fall ist, wenn ein Versorgungsträger die unrichtige Anwendung des § 18 Abs. 1
VersAusglG geltend macht.
28 Die Vertreter dieser Auffassung verweisen darauf, dass § 145 FamFG nicht anwendbar
sei, weil es sich bei den nicht angefochtenen Anrechten innerhalb des
Versorgungsausgleichs nicht um eine andere Familiensache handle. Aber auch die
Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG sei auf den Gegenstand des Hauptrechtmittels
und auf die Beteiligten des Ausgangsrechtsmittels beschränkt. Die Formulierung in der
Gesetzesbegründung, wonach eine Beschränkung auf bestimmte
Verfahrensgegenstände nicht vorgesehen sei, sei ersichtlich auf das alte Recht bezogen,
in dem die Zulässigkeit von Anschlussbeschwerden nur ausnahmsweise gesetzlich
geregelt gewesen sei. Da folglich die nicht angegriffenen Teile der erstinstanzlichen
Versorgungsausgleichsentscheidung in Teilrechtskraft erwüchsen, seien sie einer
Korrektur durch das Beschwerdegericht entzogen (Keidel/Sternal aaO § 66 Rn. 8a;
Senatsbeschluss vom 27.10.2010 - 15 UF 196/10 - FamRZ 2011, 1086, 1087).
29 cc) Nach einer weiteren Auffassung haben jedenfalls die beteiligten Eheleute zwar die
Möglichkeit, nicht angefochtene Teile einer einheitlichen Entscheidung über den
Versorgungsausgleich im Wege der Anschlussbeschwerde gemäß § 66 FamFG zum
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen. Machen die Eheleute indes von
dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so ist das Beschwerdegericht - vom Ausnahmefall
der (wechselseitigen) Abhängigkeit von Entscheidungen über den Ausgleich einzelner
Anrechte abgesehen - nicht befugt, die nicht angegriffenen Teile der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich abzuändern (OLG Bamberg FamRZ 2013, 1910, 1911; OLG
Dresden FamRZ 2013, 1810, 1811; OLG Frankfurt - Beschluss vom 7.12.2011 - 4 UF
203/11 - juris Tz. 8 ff.; KG NJW-RR 2011, 1372, 1373; Borth FamRZ 2013, 94, 95 f.;
Schwab/Streicher Handbuch des Scheidungsrechts 7. Aufl. Rn. I 673 f.; Zöller/Feskorn
ZPO 30. Aufl. § 66 FamFG Rn. 4; § 69 FamFG Rn. 2; weitergehend MüKo FamFG/Fischer
2. Aufl. 2013 § 69 Rn. 26, wonach das Beschwerdegericht auch ohne die Einlegung eines
Anschlussrechtmittels befugt ist, nicht angegriffene Teile der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich zu korrigieren, sofern die Beschwerde einen Teil der
Entscheidungsgrundlage betrifft, die - wie z.B. eine unrichtige Berechnung der Ehezeit -
zwingend auf die Bewertung sämtlicher Versorgungsanrechte durchschlägt).
30 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Rechtsbehelf des
Anschlussrechtsmittels aus verfahrensökonomischen Gründen zugunsten eines
Beteiligten zuzulassen sei, wenn dieser die Entscheidung trotz der Einschränkung seiner
Rechte zunächst hingenommen, ein anderer Beteiligter aber noch innerhalb der
Rechtsmittelfrist das Hauptrechtsmittel eingelegt habe. Demgemäß sei im Falle einer
Teilanfechtung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich eine Anschlussbeschwerde
auch insoweit zulässig, als sie sich gegen nicht angefochtene Teile der
Versorgungsausgleichsentscheidung wende. Bis zum Abschluss des
Beschwerdeverfahrens trete daher auch keine Teilrechtskraft hinsichtlich der durch die
Beschwerde nicht angegriffenen Teile der Versorgungsausgleichsentscheidung ein (OLG
Frankfurt aaO Tz. 9 f.; Borth FamRZ 2013, 94, 96). Werde demgegenüber keine
Anschlussbeschwerde eingelegt, fielen grundsätzlich nur die von der Teilanfechtung
betroffenen Versorgungsanwartschaften in die Entscheidungskompetenz des
Beschwerdegerichts. Denn die Entscheidung über die bei einem Versorgungsträger
bestehenden Versorgungsanwartschaften berühre nicht zwingend
Versorgungsanwartschaften bei anderen Versorgungsträgern. Außerdem könne es dem
Interesse eines oder beider Ehegatten entsprechen, die Entscheidung zum
Versorgungsausgleich in den weiteren, nicht angegriffenen Teilen trotz gegebener Fehler
bestehen zu lassen. Auch der Amtsermittlungsgrundsatz greife nur ein, soweit der
Verfahrensgegenstand beim Beschwerdegericht angefallen sei (OLG Bamberg FamRZ
2013, 1910, 1911; OLG Dresden FamRZ 2013, 1810, 1811; Borth FamRZ 2013, 94, 96).
31 b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
32 aa) Ficht ein Beteiligter die Entscheidung zum Versorgungsausgleich nur teilweise an,
oder ist ein vollumfänglich eingelegtes Rechtsmittel nur teilweise zulässig, so haben die
beteiligten Eheleute - sofern sie nicht wirksam auf den Rechtsbehelf der
Anschlussbeschwerde verzichtet haben - die Möglichkeit, nicht angefochtene Teile der
Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege der Anschlussbeschwerde gemäß §
66 FamFG zur Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu stellen. Da die
Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG nicht fristgebunden ist, erwachsen folglich nicht
angefochtene Teile der Versorgungausgleichsentscheidung nicht vorzeitig in
Teilrechtskraft.
33 Eine entsprechende Anschlussbeschwerde der Eheleute ist grundsätzlich zulässig. Der
Senat hält insoweit an seiner Auffassung, wonach die Anschlussbeschwerde auf den
Gegenstand des Hauptrechtsmittels beschränkt sei und folglich die nicht angegriffenen
Teile der erstinstanzlichen Versorgungsausgleichsentscheidung in Teilrechtskraft
erwachsen (Senatsbeschluss vom 27.10.2010 - 15 UF 196/10 - FamRZ 2011, 1086,
1087), nicht mehr fest.
34 1) Indes kann im Wege der Anschlussbeschwerde nicht jeglicher Verfahrensgegenstand
in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. So ist anerkannt, dass sich die
Anschlussbeschwerde gegen dieselbe Entscheidung wie das Hauptrechtsmittel richten
muss und grundsätzlich auch nicht über den Verfahrensgegenstand der erstinstanzlichen
Entscheidung hinausgehen darf. Daher kann ein Verfahrensgegenstand, der zwar
erstinstanzlich rechtshängig, aber noch nicht Gegenstand der erstinstanzlichen
Entscheidung war, nicht im Wege der Anschlussbeschwerde zum Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens gemacht werden. Dasselbe gilt für einen Verfahrensgegenstand,
über den in erster Instanz bereits rechtskräftig entscheiden wurde, etwa durch eine
vorangegangene Teilentscheidung (BGH NJW 1983, 1858; NJW 1983, 1311, 1313;
Schulte-Bunert/Weinreich/Unger FamFG 3. Aufl. § 66 Rn. 6; Schwab/Streicher aaO Rn. I
674 mwN). Zudem eröffnet die in einem Verfahren eingelegte Beschwerde nicht die
Anschlussbeschwerde im Hinblick auf die Entscheidung in einem anderen Verfahren.
Richtet sich etwa die Beschwerde gegen eine Entscheidung in der Hauptsache, kann der
Gegner keine Anschlussbeschwerde gegen die Entscheidung im einstweiligen
Anordnungsverfahren einlegen, selbst wenn das Ausgangsgericht beide Entscheidungen
aus einem Verfahren heraus erlassen hat (MüKo FamFG/Fischer § 66 Rn. 10).
35 2) Demgegenüber entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
dass im Wege eines Anschlussrechtsmittels auch Teile der erstinstanzlichen
Entscheidung angegriffen werden können, die solche prozessualen Ansprüche betreffen,
die nicht Gegenstand des Hauptrechtsmittels sind (BGH NJW-RR 2005, 1169; NJW 1994,
657, 659). Demgemäß können durch das Anschlussrechtsmittels die durch das
Rechtsmittel gezogenen Grenzen der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung auf
solche Teile des Verfahrensgegenstandes ausgedehnt werden, die im ersten Rechtszug
verbeschieden, aber nicht durch das Rechtsmittel angegriffen wurden (OLG Frankfurt
Beschluss vom 7.12.2011 - 4 UF 203/11 - juris Tz. 10).
36 3) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist eine Anschlussbeschwerde zulässig,
mittels der ein von der Beschwerde nicht angefochtener Teil der
Versorgungsausgleichsentscheidung zur Überprüfung des Beschwerdegerichts gestellt
werden soll. Zwar bildet grundsätzlich jedes Versorgungsanrecht einen selbstständigen
Verfahrensgegenstand (OLG Dresden FamRZ 2013, 1810, 1811; Hoppenz FamRZ 2013,
1553). Dennoch handelt es sich aber bei dem Verfahren über den Versorgungsausgleich
bei der Scheidung um ein einheitliches Verfahren. Demgemäß ist die Situation im
Versorgungsausgleichsverfahren mit der Konstellation vergleichbar, dass im Rahmen
eines einheitlichen Zivilverfahrens mehrere prozessuale Ansprüche geltend gemacht
werden.
37 4) Anderes ergibt sich nicht aus § 145 FamFG (= § 629a Abs. 3 ZPO a.F.).
38 § 145 FamFG begrenzt für Scheidungsverbundbeschlüsse die Möglichkeit, bisher nicht
angefochtene Familiensachen zum Gegenstand einer Beschwerdeerweiterung oder einer
Anschlussbeschwerde zu machen, in zeitlicher Hinsicht. Demgemäß verfolgt das Gesetz
mit der Regelung des § 145 FamFG den Zweck, die vorzeitige (Teil-) Rechtskraft
einzelner Entscheidungen eines Verbundbeschlusses, insbesondere des
Scheidungsausspruchs, unabhängig von dem weiteren Schicksal der (sonstigen)
Folgesachen zu ermöglichen (BGH FamRZ 2011, 31 Tz. 15 mwN; Keidel/Weber FamFG
17. Aufl. § 145 Rn. 1; Prütting/Helms FamFG 3. Aufl. § 145 Rn. 1).
39 Demgegenüber dient § 145 FamFG nicht dazu, den Anwendungsbereich der
Anschlussbeschwerde auf mit der Beschwerde nicht angefochtene Teile der
Verbundentscheidung auszudehnen. Denn bereits vor der Einführung des § 629a Abs. 3
ZPO durch Gesetz vom 20. 2. 1986 (BGBl. I S. 301)war in der Rechtsprechung anerkannt,
dass der Rechtsmittelgegner eine bisher nicht angegriffene Folgesacheentscheidung des
Verbundurteils im Wege der Anschließung an das eine andere Folgesache betreffende
Hauptrechtsmittel der Überprüfung durch das höhere Gericht zuführen konnte (BGHZ 85,
140 = NJW 1983, 172, 173; BGH NJW 1980, 702). Entsprechend wird die Befugnis, im
Wege der Anschließung auch bislang nicht angegriffene, andere Teile der
Verbundentscheidung anzufechten, in § 145 FamFG vorausgesetzt (Prütting/Helms
FamFG 3. Aufl. § 145 Rn. 6).
40 Ist indes nach allgemeinen Grundsätzen ein Anschlussrechtsmittel zulässig, das sich
gegen mit dem Hauptrechtsmittel nicht angefochtene Teile der
Scheidungsverbundentscheidung richtet, die andere Familiensachen betreffen, muss dies
erst Recht für nicht angefochtene Teile der Entscheidung zum Versorgungsausgleich
gelten.
41 5) Im Übrigen besteht auch ein praktisches Bedürfnis dafür, die Einbeziehung weiterer
Anrechte im Wege der Anschlussbeschwerde zuzulassen. So ist denkbar, dass ein
Beteiligter eine zu seinen Lasten fehlerhafte Entscheidung bezüglich eines
Versorgungsanrechts zunächst - etwa im Interesse eines endgültigen
Verfahrensabschlusses - hinnimmt, nach der Einlegung einer ein anderes Anrecht
betreffenden Beschwerde aber nunmehr auch die Korrektur des ihn benachteiligenden
Fehlers begehrt (Borth FamRZ 2013, 94, 96). Darüber hinaus sind Fallgestaltungen
denkbar, in denen eine Teilrechtskraft hinsichtlich einzelner Versorgungsanrechte zu
unbilligen Ergebnissen führen und Manipulationsmöglichkeiten mit sich bringen würde.
Zu nennen ist etwa die Konstellation, dass ein sich im Rentenbezug befindender
Ehegatte Kürzungen der eigenen Anwartschaften hinnehmen muss, infolge der
Teilanfechtung aber noch nicht an den Anrechten des anderen Ehegatten partizipiert
(OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136, 137).
42 bb) Der Umstand, dass die nicht angefochtenen Teile der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich nicht vorab in Rechtskraft erwachsen, hat allerdings nicht zur
Folge, dass der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts auch dann über den
Gegenstand der Teilanfechtung hinaus erweitert wird, wenn das Rechtsmittel der
Anschlussbeschwerde nicht eingelegt wird.
43 Im Falle einer Teilanfechtung fallen nur die von der Anfechtung betroffenen
Versorgungsanwartschaften in die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts.
Weil im reformierten Versorgungsausgleich die Versorgungsanwartschaften einzeln
ausgeglichen werden, berührt die Entscheidung über eine Anwartschaft nicht zwingend
auch die bei anderen Versorgungsträgern bestehenden Anwartschaften. Selbst wenn mit
der Beschwerde eine Rechtsverletzung gerügt wird, die - wie die Zugrundelegung einer
unzutreffenden Ehezeit - sämtliche Anrechte betrifft, zwingt die Beschwerde folglich nicht
zu einer Gesamtrevision des Versorgungsausgleichs (OLG Bamberg FamRZ 2013, 1910,
1911; Borth FamRZ 2013, 94, 95). Dies gilt im Übrigen auch deshalb, weil ansonsten die
in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte Zulässigkeit der Teilanfechtung
(BGH FamRZ 2013, 1795 Tz. 10; FamRZ 2011, 547 Tz. 17) ohne Konsequenzen bliebe
und folglich letztlich überflüssig wäre.
44 Eine umfassende Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts ergibt sich nicht aus dem im
Versorgungsausgleichsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (so aber OLG
Oldenburg FamRZ 2013, 136, 137). Denn der Amtsermittlungsgrundsatz greift nur
insoweit ein, als der Verfahrensgegenstand dem Beschwerdegericht angefallen ist.
Hingegen kann der Amtsermittlungsgrundsatz nicht dazu herangezogen werden, den
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu erweitern (Senatsbeschluss vom 27.10.2010 -
15 UF 196/10 - FamRZ 2011, 1086, 1087; Borth FamRZ 2013, 94, 96).
45 Ebenso wenig vermag der Hinweis auf die amtswegige Durchführung des
Versorgungsausgleichs (OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136, 137) eine umfassende
Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts zu rechtfertigen. Dass der
Versorgungsausgleich gemäß § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG von Amts wegen durchzuführen
ist, gilt nur für das Verfahren erster Instanz. Demgegenüber wird das
Beschwerdeverfahren nur auf eine zulässige Beschwerde eines Beteiligten hin und nur
im Umfang der Anfechtung durchgeführt.
46 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG. Die Festsetzung des
Verfahrenswertes folgt §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 FamGKG.
47 Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die umstrittene, höchstrichterlich noch nicht
geklärte Frage zugelassen, ob eine teilweise Anfechtung der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich das Beschwerdegericht berechtigt, auch die nicht angefochtenen
Teile der Entscheidung einer Überprüfung und ggf. einer Korrektur zu unterziehen.