Urteil des OLG Stuttgart vom 19.04.2005

OLG Stuttgart: name, grobe fahrlässigkeit, bse, gewährleistung für mängel, vertragsverletzung, begriff, staatliche aufgabe, öffentliches amt, leichte fahrlässigkeit, verkehr

OLG Stuttgart Urteil vom 19.4.2005, 1 U 74/03; 1 U 74/2003
Haftung eines privaten Labors gegenüber der öffentlichen Hand für Pflichtverletzungen bei der Durchführung sog. BSE-Schnelltests
Leitsätze
1. Der Vertrag zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Labor über die Durchführung sog. BSE-Schnelltests ist als Werkvertrag zu
qualifizieren.
2. Verstößt ein mit der Durchführung von BSE-Schnelltests beauftragtes prviates Labor gegen die nach dem Inhalt des Vertrags einzuhaltende
Verfahrens- bzw. Handlungsanweisung, so liegt darin im Verhältnis zum Auftraggeber eine Pflichtverletzung unabhängig davon, ob dies
nachweislich die Gefahr einer materiellen Verfälschung der Testaussagen begründet.
3. Bestanden aus der damaligen Sicht der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Entscheidungsträger begründete Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Testergebnisse und wurde daher das betroffene Fleisch auf Grund rechtmäßiger Anordnungen aus dem Verkehr genommen, so
hat das Labor für die der öffentlichen Hand aus der berechtigten Inanspruchnahme durch die betroffenen Dritten erwachsenden Vermögensschäden
auch dann einzustehen, wenn sich nicht feststellen lässt, ob die getroffenen Maßnahmen aus Gründen des Verbraucherschutzes objektiv geboten
waren. Entscheidend ist allein der Erkenntnisstand zur Zeit der jeweiligen Verwaltungsentscheidung.
4. Die Haftung des Labors im Innenverhältnis (Regress) ist nicht nach Art. 34 Satz 2 GG auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (vgl. BGH,
Urteil vom 14. Oktober 2004 - III ZR 169/2004, NJW 2005, 286).
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.4.2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg - 5 O 165/02 - (Bl. 495 ff.
d.A.)
abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die ihr als Folge der nicht ordnungsgemäßen Durchführung der in
Anlage K 30 aufgelisteten, im Zeitraum zwischen dem 27.2.2001 und dem 4.2.2002 von der Beklagten durchgeführten „BSE-Schnelltests“
entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die Schäden der Klägerin auf die berechtigte Inanspruchnahme durch Dritte zurückzuführen
sind.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug trägt die Klägerin 47 %, die
Beklagte trägt 53 %.
3. Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags.
Streitwerte:
1) Im ersten Rechtszug:
a) Für die Gerichtskosten, die Prozessgebühren und die Verhandlungsgebühren :4.000.000.-EUR
b) Für die Beweisgebühren: 2.000.000.-EUR.
2) Im zweiten Rechtszug: 2.000.000.-EUR
Gründe
1
A.
2
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin diejenigen Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind und -
möglicherweise - noch entstehen werden, dass sie im Frühjahr 2002 große Mengen an Rindfleisch auf Grund entsprechender amtlicher
Verfügungen ihrer unteren Verwaltungsbehörden (Beschlagnahmen, Rücknahme von Tauglichkeitserklärungen) wegen nicht ordnungsgemäßer
Durchführung der sog. „BSE-Schnelltests“ im Labor der Beklagten aus dem Verkehr genommen hat und von den betroffenen Schlachthöfen und
Metzgereien im Wege der Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde und möglicherweise künftig noch in Anspruch
genommen werden wird. Die Parteien streiten vor allem um darüber, ob die Durchführung der Tests gegen die Handlungsanweisung des
Testherstellers (Fa. B.) und/oder die darauf beruhende, von der Beklagten erstellte Verfahrensanweisung (SOP) verstoßen hat, inwieweit - als
Folge hiervon - die Testergebnisse nicht verwertbar waren und ob die behördlichen Maßnahmen zur Sicherstellung des betroffenen Fleischs im
Interesse des vorbeugenden Verbraucherschutzes notwendig waren.
3
I.
4
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 495 ff. d.A.) Bezug
genommen.
5
Das Landgericht hat die Klage - nach Einholung eines mündlichen Gutachtens über die Frage der Fehlerhaftigkeit des Testverfahrens im Labor
der Beklagten (vgl. das mündliche Gutachten von Prof. Dr. L..., Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.3.2003, Bl. 404 ff. d.A.) -
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe mit der Durchführung der Tests - als Verwaltungshelferin der Klägerin - ein
öffentliches Amt wahrgenommen. Daher gelte im Rechtsverhältnis der Parteien zueinander sowie für die Haftung der Klägerin gegenüber den
betroffenen Dritten Art. 34 GG (Amtshaftung). Die Landratsämter B und R seien bei der Beauftragung der einzelnen Untersuchungen nicht als
Behörde der Landkreise, sondern als untere Verwaltungsbehörden der Klägerin nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der Landkreisordnung für Baden-
Württemberg tätig geworden. Den zwischen den Parteien geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag als Grundlage der Testungen habe die
Beklagte zwar dadurch verletzt, dass sie bei der Bearbeitung von mehr als 90 Proben an einem Untersuchungstag die in der SOP
vorgeschriebenen beiden Positiv- und vier Negativkontrollen nur auf der jeweils ersten Platte, nicht aber - jedenfalls nicht vollständig - auf den
Folgeplatten aufgebracht habe. Insoweit habe Prof. Dr. L. ... überzeugend erläutert, dass jeweils nach Erschöpfen des aus 90 Proben
bestehenden Testsatzes eine weitere Packung zu öffnen sei, die wiederum dieselbe Herstelleranweisung für die Handhabung der folgenden 90
Proben enthalte, so dass wiederum die vollständige Kontrollbelegung mit 2 Positiv- und 4 Negativkontrollen hätte erfolgen müssen.
6
Diese Vertragsverletzung begründe eine Haftung gegenüber der Klägerin aber deshalb nicht, weil auf den Innenregress gegen die Beklagte als
Beamte im haftungsrechtlichen Sinn der - reduzierte - Verschuldensmaßstab des Art. 34 Abs. 2 GG Anwendung finde und grobe Fahrlässigkeit
nicht gegeben sei. So sei die zutreffende Vorgehensweise für die Bearbeitung mehrerer Testplatten in einem Untersuchungsdurchgang in der
Handlungsanweisung und der SOP nicht klar und eindeutig geregelt und die Mitarbeiter der Beklagten seien bei den durchgeführten Schulungen
des Herstellers auf diese Problematik auch nicht explizit hingewiesen worden. Außerdem habe selbst der Sachverständige zu erkennen
gegeben, dass das richtige Vorgehen jedenfalls diskussionswürdig sein könne. Schließlich seien die Fehler der Beklagten auch den fachlich
ausgebildeten Spezialisten der zuständigen Landesbehörden zunächst nicht aufgefallen. Nachdem die Labormitarbeiter unter starkem
Arbeitsdruck gestanden hätten, sei insgesamt der Vorwurf eines schlechterdings nicht verzeihlichen Fehlers als Voraussetzung grober
Fahrlässigkeit nicht berechtigt.
7
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 505 ff. d.A.).
8
II.
9
Das Urteil wurde den Parteien am 28.4.2003 zugestellt (Bl. 519/520 d.A.). Mit Schriftsatz vom 23.5.2003 (Bl. 545/546 d.A.) - eingegangen am
selben Tag - hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit ihrer am 24.7.2003 eingegangenen Berufungsbegründung (Bl. 563 ff. d.A.) macht sie
geltend:
10 Die Rückgriffslimitierung des Art. 34 Abs. 2 GG sei nach Sinn und Zweck der Bestimmung auf das Innenverhältnis zur Beklagten als privater
Verwaltungshelferin nicht anwendbar, da die - den Normzweck prägenden - Gesichtspunkte der Fürsorgepflicht und der Förderung der
Entscheidungsfreude der öffentlichen Verwaltung im Hinblick auf die fehlende unmittelbare Außenwirkung der Tätigkeit und des fehlenden
eigenen Haftungsrisikos im Außenverhältnis nicht von Bedeutung seien, zumal die Beklagte auch keinen eigenen Entscheidungsspielraum
gehabt habe. Außerdem sei die Durchführung der Tests freiwillig erfolgt und es habe die Möglichkeit bestanden, die Haftungsrisiken bei der
Preisgestaltung zu berücksichtigen. Das Verhalten der Beklagten sei aber auch als - mindestens - grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich
einzustufen, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. L... mit nicht zu überbietender Deutlichkeit klargestellt habe, dass die von der Beklagten
praktizierte eigenmächtige Reduzierung der Kontrollen nicht zu verantworten war und dem Testergebnis ohne das vollständige Setzen aller
Kontrollbelegungen kein Aussagewert zukomme. Die Handlungsanweisung der Fa. B. und die darauf beruhende SOP der Beklagten seien
eindeutig und unmissverständlich. Der - grobe - Pflichtenverstoß werde auch nicht dadurch relativiert, dass den Behörden der Klägerin der Fehler
bei der - nur stichprobenartigen - Prüfung im Rahmen der routinemäßigen Laborbesichtigung am 7.8.2001 nicht aufgefallen sei. Es habe sich nur
um eine „Plausibilitätskontrolle“ der BSE-Untersuchungen gehandelt, bei der die Dokumentation nicht gezielt untersucht worden sei. Während
des - kurzen - Zeitraums von 3,5 Stunden habe man nur stichprobenartig die im Leitfaden auf elf Seiten aufgeführten Umstände geprüft.
11 Was die zu ersetzenden Schäden angeht, hat die Klägerin diese inzwischen präzisiert: Sie hat sich mit Vergleich vom 10.9.2003 gegenüber der
F. ...(= Name) ..., die Forderungen in der Größenordnung von 16 Mio. EUR erhoben hatte, auf einen zu zahlenden Betrag von 1.996.849,91 EUR
geeinigt, von dem 1.585.329,28 EUR auf den Ausgleich von Regressschäden der F. ...(= Name) ... entfallen (vgl. den Vergleich K 34 und die
Schadensaufstellungen K 35 ff.). Über diesen Betrag hinaus sei - so die Klägerin - noch mit Ansprüchen der Metzgerei (Name: ...) in Höhe von
429,14 EUR (netto) sowie mit weiteren, vorbehaltenen Ansprüchen der F. ...(= Name) ... wegen der drohenden Rückforderung von
Ausfuhrerstattungen zu rechnen, die derzeit noch nicht beziffert werden könnten.
12 Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 563 ff. d.A.) sowie die weiteren eingereichten Schriftsätze
Bezug genommen.
13 Die Klägerin
beantragt,
14 unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ravensburg vom 24.4.2003, Az. 5 O 165/02, für Recht zu erkennen:
15 Es wird festgestellt, dass die Beklagte für alle Schäden haftet, die der Klägerin, dem Landkreis ... (= Ortsname) oder dem Landkreis R... (=
Ortsname) in Folge nicht ordnungsgemäßer Durchführung der in Anlage K 30 im einzelnen aufgelisteten im Zeitraum vom 27.2.2001 bis 4.2.2002
von der Beklagten durchgeführten „BSE-Schnelltests“ entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Schäden auf die
Inanspruchnahme durch Dritte zurückzuführen sind.
16 Die Beklagte
beantragt,
17 die Berufung zurückzuweisen.
18 Sie ist der Auffassung, sie habe die Tests ordnungsgemäß und der Verfahrensanleitung entsprechend durchgeführt, so dass es bereits an einer
Vertragsverletzung fehle. So sei zwar weder in der Handlungsanweisung der Fa. B. noch in der eigenen SOP der Fall einer Bearbeitung von
mehr als 90 Proben innerhalb einer Testserie ausdrücklich geregelt. Aus der Formulierung der Handlungsanweisung, wonach „der Testsatz für
90 Analysen reicht“, ergebe sich für die Frage der Kontrollbelegung nichts Konkretes. Auch der von Prof. Dr. L... gezogene Vergleich des Testkits
mit einem 90 Proben umfassenden „geschlossenen Buch“ sei verfehlt, weil es nach der Handlungsanweisung sogar zulässig sei, Platten mit
Teststreifen aus verschiedenen Testkits einer Charge zu verwenden und die Größe des Halterrahmens beliebig gewählt sei. Im Interesse der
Wahrung einheitlicher Testbedingungen und nach Sinn und Zweck der Kontrollen sei daher der Begriff des „Ansatzes“ (S. 3 der SOP) als
Bezugspunkt maßgeblich, der aber nach dem eingeführten labortechnischen Sprachgebrauch als die in einer Arbeitsschicht aufbereitete Serie
zu verstehen sei. Daher sei die erfolgte die ansatzweise statt plattenweise Kontrollbelegung zutreffend gewesen.
19 Falls dennoch eine Pflichtverletzung vorliege, schließe Art. 34 Abs. 2 GG, zumindest aber die entsprechende Haftungsprivilegierung § 14 Nr. 3 d)
VOL/B die Haftung aus, weil grobe Fahrlässigkeit keinesfalls gegeben sei. Die im Rahmenvertrag vereinbarte Geltung der VOL/B sei für alle
Tests maßgeblich, weil der Rahmenvertrag - über die vereinbarte Befristung bis 30.6.2001 hinaus - durch unveränderte Fortführung der Tests
unter Beibehaltung der vereinbarten Tarife stillschweigend verlängert worden sei.
20 Außerdem hätten die zuständigen Behörden und ihre Mitarbeiter anlässlich der am 7.8.2001 erfolgten Laborbesichtigung - bei der es sich
keineswegs nur um eine unbedeutende „Plausibilitätskontrolle“ gehandelt habe - die Arbeitsweise der Beklagten ausdrücklich für gut befunden
und gebilligt.
21 Die Beklagte hat im ersten Rechtszug die Einrede der Verjährung erhoben und in der Berufung - ergänzend - auf den erstinstanzlichen Vortrag
verwiesen.
22 Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf die von ihr eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
23
III.
24 Der Senat hat ein weiteres - schriftliches - Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. S... (= Name) von der T... (= Name) in ... (= Ort) eingeholt (Bl.
769 ff. d.A.) und den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2005 mündlich angehört (Bl. 1048 ff. d.A.). Wegen des
Ergebnisses der Begutachtung wird auf die Ausführungen im schriftlichen Gutachten sowie in der Sitzungsniederschrift vom 15.3.2005 (Bl. 1048
ff. d.A.) verwiesen.
25
B.
26 Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn des Berufungsantrags. Die
Beklagte hat der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung alle Schäden zu ersetzen, die dieser durch die - berechtigte
- Inanspruchnahme durch Dritte als Folge der fehlerhaften Durchführung der in Anlage K 30 aufgelisteten BSE-Tests entstanden sind und
möglicherweise noch entstehen werden. Die Beklagte hat ihre vertraglichen Pflichten zur ordnungsgemäßen Durchführung der Tests, zu denen
insbesondere die Einhaltung der Handlungsanweisung der Fa. ... (= Name) (K 2) und der eigenen Verfahrensanweisung (SOP, K 3) gehört,
schuldhaft verletzt, indem sie bei den streitgegenständlichen Tests (K 30) die vorgeschriebenen Kontrollen nicht - wie vorgeschrieben - auf jeder
Platte mitgeführt, sondern sie bei gleichzeitiger Testung mehrerer Platten nur auf der jeweils ersten Platte vollständig angebracht hat. Weil gegen
die Validität dieser Tests beachtliche Bedenken bestanden, war die Klägerin berechtigt, das betroffene Fleisch aus dem Verkehr zu nehmen. Die
Beklagte hat die der Klägerin dadurch entstandenen Folgeschäden, die aus der Inanspruchnahme durch die betroffenen Dritten resultieren, zu
ersetzen. Dabei haftet die Beklagte für einfache Fahrlässigkeit, weil weder Art. 34 Satz 2 GG noch § 14 Ziff. 3 d) VOL/B anwendbar sind. Die
Ansprüche sind auch weder verjährt noch der Höhe nach wegen mitwirkenden Verschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert. Dass die Haftung
auf die berechtigte Inanspruchnahme beschränkt ist, ist aus Gründen der Klarstellung in die Entscheidung aufzunehmen, ohne dass damit eine -
teilweise - Klagabweisung verbunden ist. Im Einzelnen:
27
I.
28 Berufung und Klage sind zulässig.
29 1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten ist im zweiten Rechtszug der Prüfung des Senats entzogen (§ 17a Abs. 5
GVG), so dass der Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist § 17 Abs. 2 GVG). Die Frage
der Einordnung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien als privat- oder öffentlich-rechtlich kann somit dahinstehen.
30 2. Die Klage ist als Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) zulässig. Jedenfalls zur Zeit der Klagerhebung war eine abschließende Bezifferung der
der Klägerin erwachsenen Regressschäden nicht möglich, weil damals noch nicht abzusehen war, welche betroffenen Dritten in welcher Höhe
Ansprüche erheben würden. War somit ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung gegeben (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH,
Urteil vom 30.3.1983 - VIII ZR 3/82, NJW 1984, 1552), so entfiele dieses auch dann nicht, wenn inzwischen eine endgültige Konkretisierung der
Schäden eingetreten und eine abschließende Bezifferung möglich wäre. Auch in diesem Fall könnte der Klägerin der Übergang zu einer
bezifferten Leistungsklage nicht abverlangt werden (BGH aaO).
31 Die vom Senat hinsichtlich der - auch für die Feststellungsklage erforderlichen -Bestimmtheit des Streitgegenstandes geäußerten Bedenken
(Beschluss vom 9.12.2003, Bl. 646 d.A.) hat die Klägerin durch die nähere schriftsätzliche Bezeichnung der ergangenen behördlichen
Maßnahmen und die Konkretisierung der Schäden (Bl. 657 ff. d.A.) inzwischen ausgeräumt. So steht mittlerweile fest, dass die Klägerin aufgrund
des Vergleichs vom 10.9.2003 (K 34) an die F. ... (= Name) ... Zahlungen zu leisten hat zum Ausgleich der durch die Rücknahme der
Tauglichkeitserklärungen bzw. Beschlagnahmen entstandenen Schäden. Darüber hinaus sind weitere Inanspruchnahmen nicht nur entfernt
möglich, sondern wahrscheinlich, weil mit der Rückforderung von Ausfuhrerstattungen zu rechnen ist.
32
II.
33 Berufung und Klage sind auch begründet. Die Beklagte ist wegen - zumindest fahrlässiger - positiver Vertragsverletzung verpflichtet, der Klägerin
diejenigen Schäden zu ersetzen, die dieser aus der berechtigten Inanspruchnahme durch Dritte entstanden sind und künftig entstehen werden,
soweit diese Maßnahmen die zurechenbare Folge der nicht ordnungsgemäßen Durchführung der in Anlage K 30 aufgeführten Tests sind.
Welche Ansprüche Dritten im Einzelnen zustehen und in welchem Umfang sie der Beklagten haftungsrechtlich zuzurechnen sind, braucht im
Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage nicht abschließend entschieden zu werden. Insoweit genügt, dass es wahrscheinlich ist, dass der
Klägerin Schäden entstanden sind, für die die Beklagte einzustehen hat.
34 1. Rechtsgrundlage der Tätigkeit der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin war - jedenfalls für die ab dem 1.6.2001 durchgeführten Tests - der
unter dem 31.5.2001 geschlossene Rahmenvertrag (K 23 und B 41) zwischen der Klägerin und der Beklagten. Dieser Vertrag verweist in § 2 auf
die Verdingungsunterlagen des Ministerium Ländlicher Raum vom 1.3.2001 (richtig wohl: 2.3.2001, vgl. B 51), auf das Angebotsschreiben der
Beklagten vom 6.3.2001 (B 52, vgl. die Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2003, Bl. 641 d.A. oben), auf die zusätzlichen
Vertragsbedingungen (ZVB-BW, B 40), die VOL/B sowie auf die Vorschriften des BGB über den Werkvertrag verweist. Ob die einzelnen
Bedingungen diese - zunächst bis zum 30.6.2001 befristeten - Vertrags auch für den vor seinem Abschluss liegenden Zeitraum und für die Zeit
nach dem 1.7.2001 gelten, kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass alle Tests
zwingend nach der Handlungsanweisung der Fa. B.. - ... (K 2) und der - darauf aufbauenden - Verfahrensanweisung der Beklagten (SOP)
durchzuführen waren. Dies ergibt sich - auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung - aus dem Zweck der Tests und der Tatsache, dass die
geforderte Validität der Testergebnisse nur bei Einhaltung der verbindlichen Testbedingungen zu erzielen war.
35 2. Die Klägerin ist auch für die aus den Testungen nach dem 30.6.2001 erwachsenen Ansprüche aktivlegitimiert, weil auch insoweit nicht die
Landkreise ... (= Name) und ... (= Name), sondern die Klägerin selbst Vertragspartnerin der Beklagten war. Unstreitig erfolgten - was die Erteilung
der Einzelaufträge sowie deren Abwicklung und Bezahlung betrifft - auch nach Ablauf der Befristung keine entscheidenden Änderungen in
Handhabung (vgl. den unstreitigen Vortrag der Beklagten, Bl. 690 ff. d.A.), die den Rückschluss auf ein beabsichtigten Wechsel des
Vertragspartners erlaubten. Zudem war die Durchführung der Tests - als Voraussetzung der Tauglichkeitsbeurteilung des Fleischs - eine
staatliche Aufgabe der Klägerin, bei deren Erfüllung die Landkreise ausschließlich als untere staatliche Verwaltungsbehörden tätig wurden und
die sie nicht in eigener Zuständigkeit zu erfüllen hatten.
36 3. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht als Dienst-, sondern als Werkvertrag zu qualifizieren.
37 a) Für die Abgrenzung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des
Einzelfalls maßgeblich. Entscheidend ist, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg schuldet
ist (BGH, Urteil vom 16.7.2002 - X ZR 27/01, BGHZ 151, 330).
38 b) Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte nicht nur die Testungen als solche durchzuführen. Ziel ihrer Beauftragung war es vielmehr, die für die
Freigabe des Fleischs erforderliche Beurteilung als „positiv“ oder „negativ“ zu erhalten. Daher war nicht nur die Arbeitsleistung als solche
geschuldet; im Mittelpunkt des Interesses stand vielmehr das - zu dokumentierende - Arbeitsergebnis in Gestalt der - gutachtenähnlichen -
Aussage, ob das getestete Fleisch unverdächtig war und für den Verkehr freigegeben werden konnte, oder ob die Freigabe wegen des
Verdachtes einer BSE-Infektion nicht erteilt werden konnte. Wenn die die Parteien demnach im Rahmenvertrag vom 31.5.2001 ausdrücklich die
Bestimmungen des Werkvertrags des BGB für anwendbar erklärten (vgl. § 2 des Rahmenvertrags), so verdeutlicht dies, dass sie selbst nicht von
einer rein tätigkeitsbezogenen, sondern erfolgsorientierten Ausgestaltung der Vertragspflichten ausgingen.
39 4. Die Beklagte haftet der Klägerin wegen positiver Vertragsverletzung auf Ersatz der durch die nicht ordnungsgemäße Durchführung der in
Anlage K 30 aufgeführten BSE-Tests auf Schadensersatz.
40 a) Gegenstand von Berufung und Klage sind - nach Abtrennung und Verweisung des Rechtsstreits im übrigen an das VG Sigmaringen
(Beschluss des LG Ravensburg vom 24.4.2003, Bl. 483 ff. d.A.) - nur solche Schäden, die der Klägerin als Folge der fehlerhaften Tests dadurch
erwachsen sind oder noch erwachsen, dass sie von Dritten in Anspruch genommen wurde oder noch in Anspruch genommen werden wird
(Regressschäden). Dabei handelt es sich weder um sog. „Mangelschäden“, noch um „nähere Mangelfolgeschäden“, die mit der Fehlerhaftigkeit
des Werks eng und unmittelbar zusammenhängen und die der Bestimmung des § 635 BGB a.F. unterfallen. Die geltend gemachten
„Regressschäden“ sind vielmehr durchweg „entferntere Mangelfolgeschäden“ als Folge der nicht ordnungsgemäßen Erbringung der
geschuldeten Werkleistungen, die - nach der bis zu 1.1.2002 geltenden, vorliegend anzuwendenden Fassung des BGB - nach den Grundsätzen
der positiven Vertragsverletzung zu ersetzen sind, so dass Verjährung nicht eingetreten ist und die Frage nicht entschieden werden muss, ob die
Verjährungseinrede überhaupt als im 2. Rechtszug geltend gemacht anzusehen wäre.
41 Die Rechtsprechung des BGH grenzt die zu Anwendungsbereich des § 635 BGB a.F. gehörenden Mangelschäden und näheren
Mangelfolgeschäden von den der positiven Vertragsverletzung unterfallenden entfernteren Mangelfolgeschäden an Hand einer „am
Leistungsobjekt und Schadenersatz orientierten Güter- und Interessenabwägung“ ab, durch die „das Verjährungsrisiko für Mangelfolgeschäden
zwischen Unternehmer und Besteller angemessen verteilt wird“ (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.1976 - VII ZR 129/74, BGHZ 67, 1; BGH, Urteil vom
8.12.1992 - X ZR 85/91, NJW 1993, 923). Dabei stellt die Zwangsläufigkeit des Niederschlags des Mangels in dem jeweiligen Schaden ein
wesentliches Kriterium dar (BGH NJW 1993, 923). Je enger und zwangsläufiger die Verbindung zwischen dem Mangel des Werks und dem
eingetretenen Schaden ausgestaltet ist, desto eher ist der Anwendungsbereich des § 635 BGB a.F. eröffnet.
42 Im vorliegenden Fall hat die Fehlerhaftigkeit des Testverfahrens dazu geführt, dass getestetes Fleisch, welches in den Verkehr gelangt war,
„zurückgerufen“ werden musste. Die in der Folge bei der Klägerin eingetretenen Schäden beruhen hierauf. Sie könne aber deshalb nicht als
mehr oder minder „zwangsläufig“ oder als sonst mit dem Mangel eng verbunden angesehen werden, weil ihr Eintritt - zumal in ihrer konkreten
Ausprägung - erst durch das Hinzutreten weiterer, nicht a priori feststehender Umstände abhängig war. So sind wesentliche Teile des Schadens
erst dadurch entstanden, dass die F. ... (= Name) ... ihrerseits das Fleisch - vor der Entdeckung der Verfahrensfehler - bereits weiterveräußert
hatte, es aber andererseits noch nicht an den Endverbraucher gelangt war, wodurch ein „Rückruf“ überhaupt nur möglich war. Zudem hingen der
Eintritt und das Ausmaß von Regressschäden der Schäden von einer - aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu treffenden -
Ermessensentscheidung der zuständigen Behörden ab, die nicht von vorne herein feststand, sondern - wie der Fall zeigt - erst nach Einholung
sachverständiger Auskünfte getroffen werden konnte.
43 Der Senat ist daher der Auffassung, dass sich die geltend gemachten Ansprüche nicht aus § 635 BGB a.F., sondern aus den Grundsätzen der
positiven Vertragsverletzung ergeben und somit nicht der kurzen Verjährung des § 638 BGB a.F., sondern der Regelverjährung des § 195 BGB
a.F. unterliegen, so dass der Ablauf durch die Erhebung der Klage rechtzeitig gehemmt wurde.
44 b) Die in Anlage K 30 aufgeführten Tests aus der Zeit vom 27.2.2001 bis 4.2.2002 hat die Beklagte mangelhaft durchgeführt, weil sie - entgegen
der übernommenen vertraglichen Verpflichtung - im immunologischen Teil des PLATELIA-Tests der Fa. B. die zwingend vorgeschriebenen und
für die Anerkennung der Testergebnisse als valide unverzichtbaren Kontrollbelegungen (jeweils 2 Positiv- und 4 Negativkontrollen pro Platte) bei
der Bearbeitung mehrerer Platten (mit Teststreifen bestückte Halterahmen) innerhalb einer Analysenserie nur auf der jeweils ersten Platte, nicht
aber auf den Folgeplatten mitgeführt hat, sondern sich dort mit einer geringeren Zahl von Kontrollen begnügt und selbst auf diese teilweise
vollständig verzichtet hat. Diese Vorgehensweise ist - wie sowohl Prof. Dr. L... im ersten Rechtszug als auch Prof. Dr. S... (= Name) im
Berufungsverfahren deutlich gemacht haben - aus labortechnischer Sicht weder mit der SOP der Beklagten noch mit der Handlungsanweisung
der Fa. B. vereinbar und stellt eine unzulässige, die Aussagekraft und Anerkennungsfähigkeit der Testergebnisse gefährdende Abweichung von
den streng einzuhaltenden Verfahrensregeln dar.
45 aa) Bereits Prof. Dr. L... hat in seinem im ersten Rechtszug erstatteten mündlichen Gutachten (Bl. 408 ff. d.A.) die Bedeutung der ausreichenden
Kontrollbelegung für die Validität der Testergebnisse dargestellt und aufgezeigt, dass das Ziel des Tests, eine „Ja- oder Nein-Aussage“ über das
Vorhandensein einer BSE-Infektion zu treffen, ohne hinreichende Kontrollen nicht möglich ist (Bl. 409/410 d.A.). Er hat betont, dass die Kontrollen
„engmaschig“ stattfinden müssen und man sich - mangels möglicher klinischer Plausibilitätskontrollen - eng an den Herstellervorschriften zu
orientieren habe (Bl. 410 d.A.). Aus der Tatsache, dass die Herstelleranleitung für den Fall einer Abarbeitung von mehr als 90 Proben in einem
Zug keine gesonderten Bestimmungen bereit hält, hat er den - nahe liegenden - Schluss gezogen, dass die Kontrollen in diesem Fall auf jeder
Platte mitzuführen sind (Bl. 411 d.A.). Er hat daraus, dass - wie es auch ausdrücklich in der Handlungsanweisung heißt (S. 12 der
Handlungsanweisung, B 2) - ein Testsatz für 90 Analysen reicht, geschlussfolgert, dass jeder Testsatz (Testkit) gewissermaßen wie eine „Art von
Buch“ anzusehen ist, „das geschlossen ist, bezogen auf diesen Testsatz“ (Bl. 412 d.A.), wobei durch die Kontrollen die Ja-/Nein-Aussage für jede
Platte wieder neu definiert werde (Bl. 415 d.A.). Prof. Dr. L... ist demnach zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verfahrensweise der Beklagten
gegen die einzuhaltenden Bestimmungen der SOP und der Handlungsanweisung verstoßen hat.
46 bb) Auch der vom Senat beauftragte weitere Sachverständige Prof. Dr. S... (= Name), an dessen Sachkunde angesichts seiner langjährigen
beruflichen Befassung mit der Problematik von BSE sowie mit labormedizinischen Testungen keine Zweifel bestehen, hat sowohl in seinem
schriftlichen Gutachten (Bl. 769 ff. d.A.) als auch - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Privatsachverständigen der Beklagten Prof.
Dr. D... (= Name) (Bl. 932 ff. d.A.) - bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens (vgl. das Sitzungsprotokoll vom 15.3.2005, Bl. 1048 ff. d.A.) gut
nachvollziehbar und in der Sache überzeugend erläutert, dass die von der Beklagten praktizierte Vorgehensweise einer Kontrollführung nur auf
der jeweils ersten von mehreren Platten der in einem Arbeitsdurchgang aufbereiteten Proben (so schriftsätzlich Bl. 844 d.A.) bzw. einer
Anlieferung von Proben (so Frau Dr. R... (= Name) in der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2005, Bl. 1054 d.A.) gegen die - streng
einzuhaltende - SOP und gegen die Handlungsanweisung der Fa. B. verstoßen hat.
47 (1) Prof. Dr. S... (= Name) hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten (Bl. 769 ff. d.A.) ausgeführt, dass wegen der durch die Vielzahl der
Arbeitsschritte bedingten Komplexität und der Notwendigkeit einheitlicher Testbedingungen gerade bei Handtesten wie dem vorliegenden nur in
überschaubaren Formaten gearbeitet werden könne. Daher habe sich der Hersteller im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden und
Referenzzentren für ein 96er-Format entschieden (Bl. 775 d.A.). Er hat darauf hingewiesen, dass unter 4.1. der SOP (K 3) die maximale
Plattenbelegung sogar schematisch in eindeutiger Form mit den notwendigen 6 Kontrollen pro Platte dargestellt ist (Bl. 777 d.A.), so dass schon
aus der SOP unmissverständlich abzuleiten sei, dass die maximale Ansatzgröße für den immunologischen Teil des Tests 90 Proben plus 6
Kontrollen sei (Bl. 778 d.A.). Prof. Dr. S... (= Name) hat im übrigen auf das nicht erkennbare System im Vorgehen der Beklagten in der
Abweichungen von der SOP hingewiesen und - was auf Anhieb einleuchtet - dargelegt, dass es „nicht angeht, dass Kontrollbelegungen bei
Handtesten von Variablen wie Anzahl der Proben am Arbeitstag oder gerade zuständiger Bearbeiter abhängig sind“ (Bl. 779 d.A.). Es sei aber
auch gar nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte eigentlich eine „Serie“ definiert habe (Bl. 783 und 785 d.A.), nachdem sich der Test aus zwei
unterschiedlichen Testkomponenten zusammensetze (Aufarbeitung/Anreicherung und immunologischer Elisa-Nachweis) und somit - wegen der
maximal zulässigen Anzahl von 24 Proben einer Aufarbeitung im ersten Teil - schon „keine Testserie von gemeinsam aufbereiteten Proben
vorliegen“ könne (Bl. 784/785 d.A.). Prof. Dr. S... (= Name) hat aus alledem gefolgert, dass der Begriff des „Ansatzes“ in der SOP, auf den die
Beklagte ihre Ansicht stützt, sich nach dem üblichen labortechnischen Sprachgebrauch bei einem Handtest einzig und alleine auf das jeweilige
Testformat, vorliegend also die 96-Well Platte beziehen könne. Hieran gebe es keinen Zweifel (Bl. 784 d.A.). Die vorgenommenen
Abweichungen der Beklagten führten dazu, dass die Testergebnisse nicht als valide eingestuft werden könnten (Bl. 784 d.A.).
48 (2) Bei der Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15.3.2005 (vgl. das Sitzungsprotokoll Bl. 1048 ff.
d.A.) hat Prof. Dr. S... (= Name) diese Ausführungen auch mit Blick auf die teilweise gegenteiligen Aussagen des Privatsachverständigen der
Beklagten, Prof. Dr. D... (= Name) (Bl. 932 ff. d.A.), bekräftigt und - mehrfach - betont, dass dem jeweiligen Testformat als Bezugsgröße die
entscheidende Bedeutung zukomme. Er hat erläutert, dass ein Handtest immer in einem bestimmten Testformat vorgegeben sei und - auch nach
Auffassung vieler anderer - klar sei, dass mit Testansatz nur das Testformat gemeint sein könne (Bl. 1049 d.A., Bl. 1050 d.A.: „Völlig klar, klipp und
klar definiert“). Dies werde durch die neuerlich vorgelegte Anweisung der Fa. B. zur Veränderung des Cut-Off Werts belegt, die ebenfalls auf das
Testkit, also das 96er-Format, bezogen sei (Bl. 1050 d.A.). Bei Handtests komme es entscheidend auf die jeweilige Definition des Herstellers an,
wobei es wichtig sei, auf das Testformat - vorliegend die 96er-Platte - zu schauen (Bl. 1050 d.A.). Demgegenüber sei der Begriff des
„Testansatzes“ in der virologischen Diagnostik nicht genau definiert und daher als Bezugsgröße nicht geeignet (Bl. 1051 d.A.). Wenn man daher -
wie die Beklagte - an eine vollständig belegte Platte von 90 Proben weitere 24 oder 48 Proben von chargenidentischen Streifen anhängen wolle,
so bedeute dies, das vorgegebene Testformat als einzig vernünftige Größe einer - erforderlichen - Beschränkung zu verlassen (Bl. 1050, 1052
d.A.). Es sei daher in einem solchen Fall zwingend eine vollständig neue Kontrollbelegung vorzunehmen (Bl. 1052 d.A.).
49 cc) Diese Ausführungen der beiden - in der Sache übereinstimmenden - gerichtlichen Sachverständigen führen zu der Überzeugung des Senats
(§ 286 ZPO), dass sich aus der SOP der Beklagten (K 3) sowie der Handlungsanweisung der Fa. B. (K 2) aus der maßgeblichen Sicht eines
durchschnittlichen labortechnisch geschulten und mit der Durchführung derartiger ELISA-Testverfahren vertrauten Anwenders unzweideutig
ergab, dass die vorgeschriebene Kontrollbelegung jeweils auf die 96er-Platte als Testformat zu beziehen war und ein abweichendes Verständnis
nicht vertretbar ist. Das Vorgehen der Beklagten stellt daher einen schuldhaften Verstoß gegen die zwingend einzuhaltenden Regeln des
Testverfahrens und eine Vertragsverletzung gegenüber der Klägerin dar.
50 (1) Es erscheint nach den Ausführungen von Prof. Dr. S... (= Name) bereits zweifelhaft, ob dem von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer
Argumentation gestellten Begriff des „Ansatzes“ überhaupt eine wesentliche Bedeutung bei der Auslegung der SOP zukommen kann, nachdem
dieser Begriff in der virologischen Diagnostik nicht genau definiert ist (Prof. Dr. S... (= Name), Bl. 1051 d.A.), andererseits aber - was aus der
Funktionsweise des Tests folgt - eine möglichst klar definierte Kontrollführung gegeben sein muss („Quasi-Kalibratoren“). Dies gilt umso mehr, als
die Beklagte selbst den Begriff des „Ansatzes“ unterschiedlich beschrieben hat: So hat sie schriftsätzlich das in den Beweisbeschluss vom
16.3.2004 (Bl. 741 ff. d.A.) eingegangene Verständnis des Senats dahingehend korrigiert, dass unter „Ansatz vielmehr diejenige Menge an
Proben zu verstehen (sei), die im zweiten Teil des Tests in einem Arbeitsdurchgang und unter Verwendung von Teststreifen derselben Charge
und einheitlich aufbereiteter Reagenzien erfolgt (sei)“ (Bl. 844 d.A.). Demgegenüber hat Frau Dr. R... (= Name) in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat am 15.3.2005 den „Ansatz“ als „eine Partie zusammenhängender Abarbeitungen von Proben inklusive des Elisa-Ansatzes“
beschrieben und erklärt, es habe für sie einen „neuen Ansatz dargestellt, wenn neue Proben angeliefert wurden“ (Bl. 1054 d.A.). Beide
Erklärungen weichen in der Sache entscheidend von einander ab und zeigen, dass es - wie Prof. Dr. S... (= Name) erklärt hat - einen
eingeführten und feststehenden Begriff des „Ansatzes“ in der labormedizinischen Diagnostik bei Handtests offenbar nicht gibt. Legt man die
schriftsätzliche Definition zu Grunde, so ist der Begriff letztlich nicht von objektiven Faktoren, sondern allein davon abhängig, wie viele Proben die
Beklagte „in einem Arbeitsdurchgang“ gerade aufbereitet hat. Dass es „einheitlich aufbereitete Reagenzien“ in Bezug auf den ELISA-Test letztlich
nicht geben kann, folgt daraus, dass in der ersten Testphase (Aufbereitung der Hirnstammproben) mit einem 24er-Format gearbeitet wurde und
daher zwingend in der zweiten Phase (immunologischer Test) Proben aus unterschiedlichen Aufbereitungen gemeinsam getestet werden
mussten.
51 (2) Es erscheint daher überzeugend, dass Prof. S. den Begriff des „Ansatzes“ als möglicher Bezugsgröße des ELISA-Tests verworfen und das -
als objektiver Größe feststehende - Testformat der 96er-Platte zum entscheidenden Anknüpfungspunkt der Kontrollen erhoben hat. Dass dies die
unter praktizierenden Labormedizinern gängige Auffassung ist, zeigen die gleichlautenden Ausführungen von Prof. Dr. L... und der Hinweis von
Prof. Dr. S... (= Name) auf die Nachfrage unter Kollegen, die einhellig dieselbe Auffassung vertreten hätten. Demgegenüber überzeugen die
gegenteiligen, aber von der Begrifflichkeit her nicht näher erläuterten Ausführungen von Prof. Dr. D... (= Name) (Bl. 940 d.A.) nicht, mit denen sich
Prof. Dr. S... (= Name) auseinandergesetzt und die er in seine Erwägungen mit einbezogen hat. Ist der Begriff des „Ansatzes“ nämlich nicht exakt
definiert, so ist nicht plausibel, dass es einen „Grundsatz“ geben könnte, nach dem sich die Angaben zur Kontrollführung auf einen
Analyseansatz beziehen (so Prof. Dr. D... (= Name) Bl. 940 d.A.).
52 c) Steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte durch die Art der Kontrollführung gegen die SOP verstoßen hat, so spielt es -
für die Frage einer Vertragsverletzung - keine entscheidende Rolle, ob und inwieweit mit einer materiellen Verfälschung der Testergebnisse zu
rechnen war. Die Beklagte hatte sich in § 8 des Rahmenvertrags, durch den - wie Frau Dr. R... (= Name) erläutert hat (Bl. 641 d.A.) - niedergelegt
wurde, was schon vor seinem Abschluss gelten sollte, ausdrücklich zur Einhaltung der Einhaltung der - in die SOP eingearbeiteten - Vorgaben
des Testherstellers verpflichtet. Die entscheidende Bedeutung der formalen Einhaltung der Verfahrensvorschriften folgt aber auch im Übrigen
daraus, dass die Anerkennung der Testergebnisse als valide von der strengen Einhaltung der SOP anhängig war (Prof. Dr. S... (= Name), Bl. 784
d.A.), nachdem die Testbedingungen - ausschließlich - vom Hersteller in Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden oder zertifizierenden
Stellen festgelegt werden (Prof. Dr. S... (= Name), Bl. 783 d.A.). Die Frage, inwieweit die realistische Gefahr der Nichtentdeckung positiver Proben
tatsächlich bestand, ist daher für die Beurteilung der Vorgehensweise der Beklagten als vertragswidrig und der Test als „mangelhaft“ (§ 635 BGB
a.F.) ohne wesentlichen Belang.
53 d) Die Beklagte hat den in der - jedenfalls formal - fehlerhaften Testdurchführung liegenden Mangel auch zu vertreten. Ihr ist - zumindest -
fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen, wofür sie einzustehen hat.
54 aa) Wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat (Urteil vom 14.10.2004 - III ZR 169/04, NJW 2005, 286), findet die
Haftungsbeschränkung des Art. 34 Satz 2 GG auf den - hier gegebenen - Fall der Inanspruchnahme eines mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
betrauten selbständigen Verwaltungshelfers durch die beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft im Regresswege keine Anwendung. Dies
erscheint jedenfalls im Hinblick auf die Freiwilligkeit der Übernahme der Aufgabe mit der Möglichkeit, sie aus Gründen nicht kalkulierbarer bzw.
nicht versicherbarer Risiken auch abzulehnen, überzeugend, zumal auch der Aspekt der Fürsorgepflicht, wie er gegenüber Beamten im
statusrechtlichen Sinn zum Tragen kommt, in derartigen Fällen keine entscheidende Bedeutung besitzt.
55 bb) Auch die Haftungsbeschränkung des § 14 Ziff. 3 d) VOL/B greift nicht zu Gunsten der Beklagten ein.
56 (1) Es kann dahinstehen, ob diese Bestimmung, die die Gewährleistung für Mängel betrifft, überhaupt auf den - vorliegend gegebenen - Fall der
Haftung aus positiver Vertragsverletzung wegen nicht ordnungsgemäßer Erbringung von Leistungen anwendbar ist.
57 (2) Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob die Bedingungen Rahmenvertrages, auf denen die Einbeziehung der VOL/B folgt (§ 2 des
Rahmenvertrages), auch für den Zeitraum vor seinem schriftlichen Abschluss und für die Zeit nach Ablauf seiner Befristung gilt.
58 (3) Die Anwendung der Haftungsprivilegierung scheitert jedenfalls daran, dass die Beklagte in § 8 des Rahmenvertrags ausdrücklich die
Gewährleistung für eine ordnungsgemäße Ausführung ihrer Leistungen, insbesondere die Einhaltung der Vorgaben des Testherstellers
(Arbeitsanweisungen) übernommen hat. Mit dieser - individuellen - Gewährübernahme war erkennbar die Sicherstellung der Einhaltung der
Testbedingungen gewollt, von denen die Validität der gesetzlich vorgeschriebenen Fleischuntersuchung abhängig war. Damit ist eine
Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit, wie sie § 14 Ziff. 3 d) VOL/B vorsieht - in der Sache nicht zu vereinbaren. Der
Rahmenvertrag ist daher in seiner Gesamtschau dahin auszulegen, dass § 8 in seinem Anwendungsbereich als spezieller
Gewährleistungsregelung den nur allgemein vereinbarten Bestimmungen der VOL/B vorgeht.
59 cc) Hat die Beklagte somit jede Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 BGB), so ist ihr die Abweichung von der SOP als zumindest leichte
Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Sachverständige Prof. Dr. S... (= Name) hat in seinem schriftlichen Gutachten den Verstoß sogar als einen Fehler
bezeichnet, der aus Sicht eines sorgfältig und nach den geltenden Normen agierenden Laborarztes nicht verständlich sei, weil die gängige
Laborpraxis wie auch die Verfahrensanweisung derart eindeutig sei, dass die Vorgehensweise der Beklagten aus labormedizinischer Sicht nicht
vertretbar erscheine (Bl. 794 d.A.). In der mündlichen Verhandlung hat er mehrfach betont, dass die Maßgeblichkeit des Testformats eindeutig,
klar und unmissverständlich sei (vgl. etwa Bl. 1050 d.A.: „Klipp und klar definiert“). Der Beklagten ist daher fahrlässiges Verschulden auch dann
vorzuwerfen, wenn sie - was möglich erscheint - subjektiv gutgläubig gehandelt haben sollte. Vor dem Hintergrund der eindeutigen
Ausführungen des Sachverständigen ist auch unerheblich, weil die Beklagte nicht entlastend, ob auch andere Laborbetreiber die
Handlungsanweisung der Fa. B. „missverstanden“ haben, so dass die hierzu benannten Zeugen nicht zu vernehmen sind. Ebenso wenig ist
erheblich, ob und inwieweit im Rahmen der Schulungen der Fa. B. der Fall der gleichzeitigen Testung von mehr als 90 Proben erörtert wurde,
weil auch die Beklagte nicht behauptet, dass dort das von ihr praktizierte Vorgehen gutgeheißen oder gar empfohlen worden sei.
60 5. Die Beklagte hat daher der Klägerin für diejenigen Schäden einzustehen, die dadurch entstanden sind und möglicherweise noch entstehen
werden, dass die Klägerin berechtigterweise von Dritten, insbesondere der Fa. F. ... (= Name) ... in Anspruch genommen wurde und noch in
Anspruch genommen werden kann. Inwieweit dies der Fall ist, braucht im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage nicht endgültig und
abschließend entschieden zu werden, weil die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines ersatzfähigen Schadens genügt und die
genaue Schadenshöhe nicht festgestellt werden muss.
61 a) Das der Klägerin aus der berechtigten Inanspruchnahme durch Dritte, insbesondere der Fa. F. ... (= Name) ..., ein Schaden erwachsen ist, steht
zumindest aufgrund des Vergleichs vom 10.9.2003 fest.
62 b) Dieser Schaden ist auf die berechtigte Inanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung zurückzuführen.
63 aa) Die Beklagte hat bei der Durchführung der amtlich vorgeschriebenen Fleischuntersuchung auf das Vorhandensein einer BSE-Infektion „in
Ausübung eines öffentlichen Amtes“ i.S. von § 839 BGB, Art. 34 GG gehandelt, so dass die Klägerin für entsprechende, nach außen wirkende
Fehler bei der Erfüllung dieser Amtspflichten nach den Grundsätzen der Amtshaftung einzustehen hat. Davon sowie von der bestehenden
drittschützenden Wirkung der Amtspflichten in Bezug auf die Vermögensinteressen der von der Rücknahme der Tauglichkeitserklärungen bzw.
den Beschlagnahmen des Fleischs Betroffenen geht der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.10.2004 (III ZR 169/04, NJW 2005, 286)
ersichtlich aus, da sonst die Revision mangels ersatzfähigen Schadens des klagenden Landes nicht erfolgreich gewesen wäre. Der Senat hält -
trotz zwischenzeitlich geäußerter Bedenken (vgl. den Beschluss vom 9.12.2003, Bl. 645 ff. d.A.) - eine (auch) vermögensschützende Wirkung der
im Rahmen der BSE-Untersuchung zu beachtenden Amtspflichten für gegeben, weil die ordnungsgemäße Durchführung der vorgeschriebenen
Untersuchung letztlich (auch) der Verwirklichung verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen der Dritten (Art. 12 und 14 GG) dient.
64 bb) Im Verhältnis zur Beklagten steht der Ersatzfähigkeit dieser aus der Außenhaftung resultierenden Schäden nicht entgegen, dass die erfolgten
behördlichen Maßnahmen (nur) zum Zweck der vorbeugenden Gefahrenabwehr erfolgten und die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen
Gefährdung der Bevölkerung durch BSE-infiziertes Fleisch sehr gering war. Insoweit kommt es letztlich auf die Frage der materiellen
Aussagekraft der Testergebnisse und die Wahrscheinlichkeit einer inhaltlichen Beeinflussung durch die Abweichungen von der SOP nicht
entscheidend an.
65 (1) Dass die behördlichen Maßnahmen gegenüber den betroffenen Dritten durch die Art und Weise der Testdurchführung verursacht wurden und
bei Einhaltung der SOP nicht erfolgt wären, steht fest.
66 (2) Die haftungsrechtliche Zurechnung der dadurch verursachten Schäden (Ansprüche der Dritten) entfiele daher nur dann, wenn die
Entscheidung der zuständigen Behörden, das betroffene Fleisch aus dem Verkehr zu nehmen, als rechtswidrig und/oder derart unsachgemäß
und überzogen anzusehen wäre, dass sie - trotz gegebener Ursächlichkeit - der Beklagten bei wertender Betrachtung nicht zugerechnet werden
könnte. Dies ist nicht der Fall. Die Rücknahme der Tauglichkeitserklärungen mag zwar - grundsätzlich - im Ermessen der zuständigen Behörden
gelegen haben. Wie das VG Sigmaringen (Urteil vom 3.12.2003 - 1 K 459/03, Bl. 753 ff. d.A.) und der VGH Baden-Württemberg im Eilverfahren
(Beschluss vom 24.7.2002 - 9 S 1259/02, auch Beschluss vom 13.6.2002 - 9 S 1154/02, K 12 zur Herausgabe von Abnehmerlisten) bereits
entschieden haben, führten aber bereits ernstliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Testverfahrens zur Rechtswidrigkeit der
Tauglichkeitserklärungen, weil Fleisch nur freigegeben werden durfte, wenn die gesundheitliche Unbedenklichkeit positiv festgestellt war, so
dass die Rücknahme und die Beschlagnahme des betroffenen Fleischs verwaltungsrechtlich als rechtmäßige Maßnahme anzusehen war. Unter
Zugrundelegung dessen kann der Klägerin auch zivilrechtlich nicht entgegengehalten werden, dass sie sich für den „sichersten Wege“
entschieden hat, zumal eine abschließende Beurteilung der Gefährdungslage aus der - maßgeblichen - damaligen Sicht nicht möglich war und
die eingeholte fachliche Stellungnahmen der Bundesforschungsanstalt für die Viruskrankheiten der Tiere (K 5), beruhend auf der gutachterlichen
Äußerung der Dres. R. und D. vom 15.2.2002, eine maßgebliche Beeinflussung der Testergebnisse durch die Vorgehensweise der Beklagten für
möglich und nicht fern liegend hielt. Darauf, wie sich die Einschätzung aus heutiger Sicht unter Berücksichtigung mehrerer weiterer Gutachten
und einer sorgfältigen retrospektiven Datenanalyse (vgl. B 83, Bl. 961 ff. d.A.) darstellt, kommt es für die Frage der haftungsrechtlichen
Zurechnung nicht entscheidend an.
67 cc) Die Ansprüche der Dritten gegen die Klägerin entfallen auch nicht deshalb, weil nicht positiv festgestellt werden kann, ob das betroffene
Fleisch infiziert oder unbedenklich war. Insoweit ist - zumal aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten
statistischen Auswertungen (Bl. 961 ff. d.A.) - die Einschätzung gerechtfertigt, dass wegen der geringen Inzidenz von BSE-Infektionen das aus
dem Verkehr genommene Fleisch jedenfalls zu einem ganz überwiegenden Teil unbedenklich war und dass die betroffenen Dritten daher -
zumal bei Anwendung des § 287 ZPO - in einem etwaigen Amtshaftungsprozess gegen die Klägerin obsiegt hätten. Soweit sich die Klägerin
daher mit der F. ... (= Name) ... auf eine Abfindungszahlung geeinigt hat, hat sie sich zur Befriedigung jedenfalls ganz überwiegende berechtigter
Ansprüche bereit erklärt. Der genaue Umfang berechtigter Forderungen braucht im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage nicht geklärt zu
werden.
68 6. Ist die Beklagte daher zum Ersatz der der Klägerin wegen der fehlerhaften Testdurchführung entstandenen und entstehenden Schäden
grundsätzlich verpflichtet, so ist auch eine Kürzung der Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB)
im Hinblick auf die am 7.8.2001 erfolgte Laborbesichtigung durch Mitarbeiter der Klägerin nicht berechtigt.
69 a) Die Beklagte hat nicht behauptet, dass den Mitarbeitern der Klägerin die konkrete Art und Weise der Kontrollbelegung bei Bearbeitung von
mehr als 90 Proben gezeigt wurde. Es ist auch nicht dargetan und auch nicht wahrscheinlich, dass hierüber gesprochen wurde. Ebenso wenig ist
konkret behauptet, aus welchen Umständen sich für die Mitarbeiter der Klägerin am 7.8.2001 hätte ergeben können, dass die Beklagte die
vorgeschriebene Zahl an Kontrollbelegungen reduziert hatte.
70 b) Aber auch soweit es tatsächlich möglich gewesen wäre, bei der Besichtigung die Art der Kontrollführung zu erkennen, so folgte hieraus allein
kein mitwirkendes Verschulden der Klägerin, weil von den zuständigen Mitarbeitern die genaue Kenntnis des Inhalts der SOP hinsichtlich der
Zahl der Kontrollen weder verlangt, noch vorausgesetzt werden konnte und sich ohne entsprechend detaillierte Informationen für einen mit der
Materie nicht in den Einzelheiten Befassten und mit der Problemstellung nicht Vertrauten die vorgenommene Änderung gegenüber der SOP nicht
erschloss.
71 c) Es kann daher dahinstehen, ob sich die Beklagte im Hinblick auf die ausdrückliche Gewährübernahme für die Einhaltung der SOP und ihre
Stellung als fachlich verantwortliches Labor überhaupt darauf berufen könnte, dass in ihren Verantwortungsbereich fallende Fehler nicht erkannt
wurden. Offenbleiben kann auch, ob - mitwirkendes Verschulden der Klägerin unterstellt - dieses aus den genannten Gründen fachlicher
Überlegenheit und Verantwortlichkeit nicht ohnehin hinter das Verschulden der Beklagten, welches der Sachverständige Prof. Dr. S... (= Name)
als grob bewertet hat, zurücktreten müsste.
72
III.
73 Da somit feststeht, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin auf Ersatz der - in den Einzelheiten nicht abschließend zu beurteilenden - Schäden
haftet, die der Klägerin aus der berechtigten Inanspruchnahme durch Dritte wegen der fehlerhaften Durchführung der in Anlage K 30 genannten
BSE-Tests entstanden sind und noch entstehen können, ist das Urteil des Landgerichts Ravensburg im Sinne des Berufungsantrag abzuändern.
74
IV.
75 Die Kosten des Berufungsverfahrens hat gemäß § 91 ZPO die Beklagte, die insoweit vollumfänglich unterlegen ist, zu tragen. Bei der
Kostenentscheidung bezüglich des ersten Rechtszugs ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst (Schriftsatz vom 20.11.2002, Bl. 298
d.A.) unter Bezugnahme auf Anlage K 20 Test mit aufgenommen hatte, die nicht ihrem Auftrag erfolgt waren und sie insoweit die Klage unter
Beschränkung auf die Tests aus Anlage K 30 zurückgenommen hat. Dies rechtfertigt es, der Klägerin von den Kosten des ersten Rechtszugs 1/3
aufzuerlegen.