Urteil des OLG Stuttgart vom 20.12.2004

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OLG Stuttgart Beschluß vom 20.12.2004, 10 W 77/04
Prozesskostenhilfebewilligung: Ratenfreie Prozesskostenhilfe bei Ausschluss eines Taschengeldanspruchs der bedürftigen Partei/Ehefrau
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 22.11.2004 dahingehend abgeändert, dass die
Antragstellerin keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen hat.
Gründe
1 Das Landgericht hat durch Beschluss vom 22.11.2004 der Antragstellerin für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und angeordnet,
dass die Antragstellerin monatliche Raten in Höhe von EUR 50 auf die Prozesskosten zu zahlen hat. Gegen diese Ratenzahlungsanordnung
richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit dem Ziel, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
2 Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
3 Nach der Legaldefinition des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO gehören zum einsetzbaren Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Maßgebend
ist nur das eigene Einkommen der Antragstellerin, nicht das Familieneinkommen. Zwar zählt grundsätzlich auch der Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss nach § 1360a Abs. 4 S. 4 BGB zum Vermögen; Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bei der beabsichtigten
Rechtsverfolgung um eine persönliche Angelegenheit handelt, die ihre Wurzeln in dem Familienrechtsverhältnis hat, auf dem die Unterhaltspflicht
beruht. Nach Sachlage verfolgt die Antragstellerin eigene wirtschaftliche Interessen im Rahmen einer (früheren) Vertragsbeziehung zu einem
Dritten; eine enge Verbindung zu ihren persönlichen Bedürfnissen besteht daher nicht, weshalb der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss außer
Betracht zu bleiben hat.
4 Zum Einkommen i. S. v. § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO zählt zwar grundsätzlich auch der Anspruch auf Taschengeld als Teil des nach § 1360a Abs.1 BGB
geschuldeten Unterhalts. Ein Anspruch auf Taschengeld besteht allerdings nicht, wenn das Einkommen nur zur Deckung des notwendigen
Familienunterhalts ausreicht (BGH, FamRZ 1998, 608). Dies ist hier der Fall.
5 Die Höhe eines etwaigen Taschengeldanspruchs ist individuell anhand der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu bemessen. In der Regel
werden etwa 5% bis 7% des Nettoeinkommens der Familie als angemessen angesehen (BGH, FamRZ 1998, 608). Allerdings ist als
Bemessungsgrundlage nur das bereinigte Nettoeinkommen zugrunde zu legen. Aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse ergibt sich ein Nettoeinkommen des Ehegatten in Höhe von EUR 2.170,77. Vom Nettoeinkommen sind insbesondere
berücksichtigungsfähige Schulden, Unterhaltsverpflichtungen und berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen (vgl. Wendl/Staudigl, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 25. Aufl. Rz. 60). Aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geht
eine monatliche Belastung von ca. EUR 1.016 aufgrund eines für den Kauf einer selbstgenutzten Eigentumswohnung in Anspruch genommenen
Darlehens hervor. Zins- und Tilgungsleistungen für eine selbstgenutzte Eigentumswohnung sind als Unterkunftskosten i.S.v. § 115 Abs. 1 S. 2 Nr.
3 ZPO vom Einkommen abzusetzen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 488; Zöller, ZPO, 25. Aufl. Rz. 37a zu § 115). Zieht man die Zins- und
Tilgungsraten für das Darlehen ab, verbleibt ein Familieneinkommen in Höhe von noch EUR 1.154,77. Unter Berücksichtigung der
Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Kind in Höhe von EUR 354,52 sowie der berufsbedingten Aufwendungen des Ehemanns steht
letztlich ein nur zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs gerade ausreichendes Einkommen zur Verfügung, ohne dass noch Raum für einen
Anspruch auf Taschengeld bleibt. Die Anordnung der Ratenzahlung war daher aufzuheben.
6 Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 127 Abs. 4 ZPO). Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht.