Urteil des OLG Stuttgart vom 15.11.2012

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OLG Stuttgart Beschluß vom 15.11.2012, 4a VAs 3/12
Leitsätze
1. Der Beschuldigte kann gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft, einem
Untersuchungsausschuss des Landestags von Baden-Württemberg Einsicht in die Akten des
gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu gewähren, Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach
§§ 23 ff EGGVG stellen.
2. Es ist jedenfalls dann nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, solche Aktenteile auszusondern,
die den privaten Bereich des Antragstellers betreffen, wenn der Untersuchungsausschuss
Vorkehrungen trifft, um die persönlichen Daten des Antragstellers zu schützen.
3. Der Aktenbegriff in § 14 UAG Bad.-Württ. ist mit dem Aktenbegriff in § 147 StPO identisch.
Tenor
Die Anträge
1. festzustellen, dass die seitens der Staatsanwaltschaft beabsichtigte Überlassung von Kopien
der gesamten Ermittlungsakten an den Untersuchungsausschuss des Landes Baden-
Württemberg rechtswidrig sei,
2. der Staatsanwaltschaft die Herausgabe der vorgenannten Kopien vorläufig bis zur
gerichtlichen Entscheidung über den Antrag zu 1. zu untersagen
werden als unbegründet
v e r w o r f e n .
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Geschäftswert, aus dem die zu entrichtende Gebühr zu berechnen ist, wird auf 5.000,-- EUR
festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Der Antragsteller ist Beschuldigter des bei der Staatsanwaltschaft geführten
Ermittlungsverfahrens. In diesem Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft aufgrund von
Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts … in der Wohnung des Antragstellers und
… im … Unterlagen und Gegenstände sicher, deren Durchsicht gemäß § 110 StPO noch
nicht abgeschlossen ist.
2 Der Landtag von Baden-Württemberg hat den Untersuchungsausschuss … eingesetzt. Mit
Schreiben vom 04. Oktober 2012 hat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses die
Staatsanwaltschaft um Vorlage der Ermittlungsakten ersucht.
3 Mit Antrag vom 29. Oktober 2012 begehrt der Antragsteller die Feststellung, die seitens der
Staatsanwaltschaft beabsichtigte Überlassung von Kopien der gesamten Ermittlungsakte
an den Untersuchungsausschuss sei rechtswidrig. Insbesondere sollen sich zahlreiche
Unterlagen, die den privaten Bereich des Antragstellers betreffen, wie beispielsweise
Arbeitsverträge, Dokumente zu seinen finanziellen Verhältnissen und auch Schriftverkehr
mit seinen Verteidigern, in den Ermittlungsakten befinden.
II.
4 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne
Erfolg.
1.
a)
5 Der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG ist vorliegend eröffnet.
6 Danach entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte, sofern über die Rechtmäßigkeit
von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden
zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der
Strafrechtspflege getroffen werden, zu befinden ist. Dem liegt in Abweichung von der
Generalklausel des § 40 VwGO die gesetzgeberische Annahme zugrunde, dass bei
Justizverwaltungsakten innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit diese als sachnäher
anzusehen ist (Kissel/Mayer, GVG, 6. Auflage, § 23 EGGVG Rn. 6). Die vorliegend seitens
des Untersuchungsausschusses des Landtags Baden-Württemberg begehrte und seitens
der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu gewährende Akteneinsicht muss dabei nicht
notwendigerweise die formellen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes im Sinne der
§§ 23 Abs. 2 EGGVG, 35 VwVfG besitzen; es genügt insoweit vielmehr schlichtes
Verwaltungshandeln mit unmittelbarer Außenwirkung (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage,
§ 23 EGGVG Rn. 6; Schoreit in Karlsruher Kommentar, StPO, § 23 EGGVG Rn. 20).
Überdies ist die zu gewährende Akteneinsicht unzweifelhaft aufgrund ihrer funktionellen
Einordnung im Rechtsgefüge als Maßnahme der Strafrechtspflege anzusehen (BGHSt 46,
261 [265]).
7 Ferner greift auch die Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG nicht. Es fehlt den
durch Strafverfahrensänderungsgesetz vom 02. August 2000 (BGBl. I S. 1253) eingefügten
Regelungen zur Gewährung von Akteneinsicht in Strafsachen nach den §§ 474 ff. StPO in
Fällen wie dem Vorliegenden an einer Anfechtungsmöglichkeit, da eine solche für die
Akteneinsichtsgewährung an „… andere öffentliche Stellen …“ nach § 474 StPO in § 478
StPO nicht vorgesehen ist. Überdies regelt § 474 Abs. 6 StPO, dass sich die Gewährung
von Akteneinsicht an parlamentarische Ausschüsse nach entsprechenden
landesgesetzlichen Regelungen und nicht nach der Strafprozessordnung richtet. Zwar hat
der Bundesgesetzgeber mit Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der
Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) vom 19. Juni 2001
(BGBl. I S. 1142) mit den dortigen §§ 18, 36 PUAG Regelungen geschaffen, die den
Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG verdrängen (BVerfGE 124, 78; Kissel/Mayer, a. a.
O. Einleitung Rn. 181; Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 23 EGGVG Rn.
51). Der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg hat jedoch auf der Grundlage von Art.
35 Abs. 4 der Landesverfassung (LV) im Gesetz über Einsetzung und Verfahren von
Untersuchungsausschüssen des Landtags (UAG) keine vergleichbare
Rechtswegregelung geschaffen, weshalb es bezüglich des Akteneinsichtsbegehrens
eines Untersuchungsausschusses des Landtages gegenüber der Staatsanwaltschaft beim
Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG verbleibt (Gieg in Karlsruher Kommentar, StPO, 6.
Auflage, § 474 StPO Rn. 6).
b)
8 Der Antrag ist auch statthaft.
9 Zwar kennen die §§ 23 ff. EGGVG im Grundsatz nur den Anfechtungs- (§ 23 Abs. 1
EGGVG), Fortsetzungsfeststellungs- (§ 23 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG) und
Verpflichtungsantrag (§ 23 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 2 EGGVG). Jedoch ist zur
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes, bei Bestehen eines qualifizierten
Rechtsschutzinteresses, auch ein allgemeiner Feststellungs- und vorbeugender
Unterlassungsantrag zur Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes möglich (BVerfG
NJW 2000, 3126; Böttcher a. a. O., Rn. 75), sofern der Antragsteller nicht in zumutbarer
Weise auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Dem Antragsteller ist
es jedoch vorliegend, in Ansehung der behaupteten Verletzung seines Rechtes auf
informationelle Selbstbestimmung, nicht zumutbar zunächst die Aktenweitergabe an den
Untersuchungsausschuss abzuwarten. Daher muss ihm bereits im Vorfeld vorbeugender
Rechtschutz gewährt werden.
2.
10 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründet.
a)
11 Die Gewährung von Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsakten
an den Untersuchungsausschuss des Landtags richtet sich nicht nach den §§ 474 ff. StPO,
sondern nach § 14 UAG (§ 474 Abs. 6 StPO). Danach sind alle Behörden des Landes zur
Vorlage von Akten und Erteilung von Auskünften gegenüber dem
Untersuchungsausschuss verpflichtet. Eine Einschränkung in engen Grenzen erfährt diese
Pflicht lediglich in § 14 Abs. 2 UAG, wenn also insbesondere Gründe der Staatssicherheit
entgegenstehen (s. auch Böttcher a. a. O., Rn. 51). Eine direkte oder zumindest
sinngemäße Anwendung der Übermittlungsbeschränkungsregelungen des § 477 Abs. 2
StPO ist dabei nicht vorgesehen, zumal sich die Verweisung in § 13 Abs. 6 UAG
ausschließlich auf die Beweisaufnahme im engeren Sinne, nicht aber auf die
Aktenvorlagepflicht von Landesbehörden nach § 14 UAG bezieht.
b)
12 Bei dem in Art. 44 GG, 35 LV geregelten Untersuchungsrecht handelt es sich um eines der
ältesten und wichtigsten Rechte der Parlamente (Versteyl in v. Münch/Kunig, GG, 6.
Auflage, Art. 44, Rn. 1). Das parlamentarische Untersuchungsverfahren dient der
Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken und zur Wahrnehmung der
Kontrollfunktion des Parlaments. Beweiserhebungen müssen daher nicht auf bestimmte
Tatsachen bezogen sein, sondern können darauf abzielen zunächst „Licht ins Dunkel“
eines Untersuchungskomplexes zu bringen (BVerfGE 124, 78 [116] unter Hinweis auf
BbgVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2003).
13 Dabei ist das Recht auf Aktenvorlage essentieller Bestandteil des parlamentarischen
Untersuchungsrechts (Klein in Maunz/Dürig, GG, Lfg. 45, Art. 44, Rn. 216). Folgerichtig
enthalten die einfach gesetzlichen Regelungen in § 18 PUAG und § 14 UAG keine
grundsätzlichen Beschränkungen. Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit
Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile
beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom
Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (BVerfGE 124, 78 [117]; 67, 100
[128ff]). Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments hat, gestattet keine
Verkürzung des Anspruchs auf Aktenherausgabe und dementsprechend des
Zugriffsrechts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
14 Anders als bei der Gewährung von Akteneinsicht gegenüber öffentlichen Stellen nach §
474 StPO (hierzu OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Juni 2010, 2 VAs 1/10; OLG
Schleswig, Urteil vom 14. August 2012, 11 U 128/10, zitiert nach juris) haben sich
Ermittlungsbehörden und Gerichte daher darauf zu beschränken das Vorliegen der einfach
gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Akteneinsicht festzustellen.
Es obliegt ihnen nicht die Erforderlichkeit der Akteneinsicht zu überprüfen (OLG Köln NJW
1985, 336). Es ist Aufgabe des Untersuchungsausschusses als aktenanfordernder Stelle
zu beurteilen, welche Unterlagen er zur Erfüllung seines Untersuchungsauftrages benötigt,
auch wenn ihm insoweit keine Einschätzungsprärogative zukommt (BVerfGE 124, 78
[119]). Dies ergibt sich auch daraus, dass die Untersuchungszwecke eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf der einen und eines
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auf der anderen Seite aufgrund ihrer
grundsätzlich unterschiedlichen Zielrichtung allenfalls überschneidend, aber nicht
deckungsgleich sein werden. Es kann daher nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft als
aktenübermittelnden Stelle sein die ihr vorliegenden und von ihr verwalteten Akten zu
selektieren und dem Untersuchungsausschuss Aktenbestandteile mit der Begründung
vorzuenthalten, diese seien zur Verfolgung des dortigen Untersuchungsauftrages nicht
erforderlich. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 477 Abs. 4 Satz 2 StPO prüft die
Staatsanwaltschaft lediglich, ob die Aktenanforderung im Rahmen der Aufgaben des
Empfängers liegt. Dabei muss ihr, um eine effektive Wahrnehmung des Schutzes von
Rechtspositionen Dritter gegenüber dem Begehren von Untersuchungsausschüssen und
Herausgabe von Akten zu ermöglichen, ein Prüfungsrecht dahingehend zugestanden
werden, ob sich in den zu übermittelnden Akten überhaupt irgendwelche Tatsachen
befinden, die mit dem Untersuchungsauftrag, dessen Grenzen sich aus dem
Einsetzungsbeschluss (§ 3 Abs. 1, 3 UAG) ergeben, im Zusammenhang stehen (OLG
Frankfurt, NJW 2001, 23, 40).
c)
15 Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG (E 124, 78 [117, 125]) hat der
Untersuchungsausschuss die Grundrechte Dritter, etwa das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung, zu beachten, das nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit
und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden
darf. Auch dazu sind ihm die vollständigen Akten vorzulegen, damit er sich ein Bild vom
Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen kann. Hieraus ergibt sich, dass die
erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in Fällen der Betroffenheit des Grundrechts auf
informationelle Selbstbestimmung bei der Gewährung von Akteneinsicht gegenüber
parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht im Kompetenzbereich der die
Akteneinsicht gewährenden Stelle liegt. Es ist nicht deren Aufgabe diese Beschränkungen
zu prüfen und gegebenenfalls die Einsicht zu versagen. Vielmehr obliegt es dem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss in eigener Verantwortung den Schutz
solcher Rechtspositionen durch Geheimhaltungsmaßnahmen oder - in letzter Konsequenz
- durch Rückgabe entsprechender Aktenbestandteile nach Vorprüfung zu gewährleisten.
Gleiches gilt auch im Verhältnis von Gerichten und anderen Justizbehörden bei
Aktenanforderungen untereinander nach § 474 StPO. Es ist nicht Aufgabe des die Akten
verwaltenden Gerichtes im Rahmen einer Vorprüfung Aktenbestandteile auszusondern
und dem anfordernden Gericht lediglich die verbleibenden Aktenteile zu überlassen.
Vielmehr obliegt die Gewährleistung schutzbedürftiger Rechte Dritter der anfordernden
Stelle in deren Pflichtenkreis.
16 Andererseits betont das BVerfG (E 67, 100) die Wahrung von Rechten Dritter, z.B. des
Steuergeheimnisses, obliege gemeinsam der Regierung und dem
Untersuchungsausschuss (ebenso StGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.1989, GR 3/87,
VBlBW 1990, 51 [55]).
17 Vorliegend kann jedoch dahinstehen, wie zu verfahren ist, denn der
Untersuchungsausschuss hat auf Anregung der Staatsanwaltschaft
Geheimschutzvorkehrungen getroffen, um persönliche Daten des Antragstellers
hinreichend zu schützen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der seitens
des Antragstellers geführten Argumentation, dass in der Vergangenheit bereits
Unterlagen, trotz bestehender Verschwiegenheitspflicht, öffentlich geworden seien. Es ist
insoweit alleinige Aufgabe des Untersuchungsausschusses solchen Verstößen gegen § 9
UAG entgegenzuwirken.
d)
18 Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft die gesamten
Ermittlungsakten des Verfahrens … an den Untersuchungsausschuss zu übergeben hat.
19 Unzweifelhaft betreffen diese Akten den Prüfungsgegenstand des Ausschusses, wie er
sich aus dem Einsetzungsbeschluss ergibt. Sichergestellte Unterlagen, die nicht den
Gegenstand des hier in Frage stehenden Ermittlungsverfahrens betreffen, hat die
Staatsanwaltschaft ausgesondert (Schreiben vom 27.09.2012 an den Vorsitzenden des
Untersuchungsausschusses). Ob einzelne Aktenteile oder Schriftstücke nur die
strafrechtlichen Ermittlungen und nicht den Gegenstand der parlamentarischen
Untersuchung betreffen, hat der Untersuchungsausschuss und nicht die
Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Damit greift der seitens des Antragstellers geltend
gemachte Einwand der thematischen Begrenzung nicht durch.
20 Ebenso ist auch eine etwaige zeitliche Begrenzung dahingehend, dass an den
Untersuchungsausschuss Unterlagen der Staatsanwaltschaft nicht zu übergeben sind, die
Sachverhalte zeitlich nach seiner Einsetzung betreffen, den verfassungsrechtlichen und
einfach gesetzlichen Vorgaben nicht zu entnehmen. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass
auch nachträgliche Erkenntnisse den Untersuchungszweck, so wie ihn der
Einsetzungsbeschluss beschreibt, betreffen können.
e)
21 Allerdings erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht und damit die Verpflichtung der
Staatsanwaltschaft zur Aktenvorlage nach § 14 UAG nur auf die Ermittlungsakten in ihrem
Ist-Zustand. Dabei ist der Aktenbegriff des UAG mit dem in den §§ 147, 199 StPO
identisch, wonach alle schriftlich erstellten Unterlagen, die in einem Ermittlungsverfahren
angefallen sind, sowie etwaige Ton- und Bildaufnahmen und Computer-Dateien, zur Akte
gehören (Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 147, Rn. 29).
Demgegenüber sind Beweisstücke i. S. v. § 147 StPO (bspw. PCs, Festplatten, etc.) nicht
Aktenbestandteil. Bezüglich ihrer besteht lediglich ein Besichtigungsrecht, welches auch
dem Untersuchungsausschuss zusteht (OLG Köln NJW 1985, 336). Befinden sich im
Gewahrsam der Staatsanwaltschaft allerdings Unterlagen, die sie zunächst lediglich zur
Durchsicht nach § 110 StPO vorläufig sichergestellt hat, werden diese erst dann
Bestandteil der Ermittlungsakten, wenn die Durchsicht abgeschlossen ist (OLG Jena NJW
2001, 1290; Laufhütte in Karlsruher Kommentar, 6. Auflage, § 147, Rn. 4). Denn die
Durchsicht von Papieren, die sich auch auf elektronische Speichermedien erstreckt (Nack
in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 110, Rn. 2), dient gerade dazu
sichergestellte Unterlagen oder Gegenstände aus dem bei der Durchsuchung
vorgefundenen Material auszusondern (BVerfG NJW 2003, 1513, 2669). Demzufolge ist in
diesem Verfahrensstadium die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Sicherstellung nicht
anhand der Beschlagnahmevorschriften, sondern allein nach den rechtlichen
Voraussetzungen der Durchsuchung zu beurteilen (BGH NStZ 2003, 670). Wenn sich
hiernach die Staatsanwaltschaft gegen eine Rückgabe an den letzten
Gewahrsamsinhaber entscheidet, hat sie, sofern dieser Widerspruch gegen die
Sicherstellung erhebt, einen Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts zu erwirken.
Erfolgt kein Widerspruch, bedarf es keines solchen Beschlusses. Somit werden die
sichergestellten Unterlagen Bestandteil der Ermittlungsakten, auf die der
Untersuchungsausschuss zugreifen kann, wenn die Durchsicht der Papiere nach § 110
StPO abgeschlossen ist, die Staatsanwaltschaft sie als ermittlungsrelevant einstuft (also
keine Rückgabe erfolgt) und - sofern notwendig - ein Beschlagnahmebeschluss vorliegt.
III.
22 Insgesamt hat der Landesgesetzgeber das Aktenvorlagerecht parlamentarischer
Untersuchungsausschüsse bewusst weitgehend und nahezu uneingeschränkt gestaltet,
gleichzeitig den Untersuchungsausschuss und seine Mitglieder aber auch mit
entsprechenden Pflichten belegt, die diese eigenverantwortlich zu gewährleisten haben
(StGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.1989, GR 3/87, VBlBW 1990, 51).
23 So dürfen die Inhalte von Unterlagen, die nicht in öffentlicher Verhandlung bekannt
geworden sind, nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt werden (§ 9 Abs. 1 UAG). Ferner hat der
Untersuchungsausschuss in nicht öffentlicher Sitzung zu tagen, sofern überwiegende
Interessen einzelner dies gebieten (§ 8 Abs. 2 UAG). Auch müssen entsprechende
Vorkehrungen getroffen werden, um die Geheimhaltung zu gewährleisten, was vorliegend
geschehen ist. Es obliegt nicht der aktenvorlegenden Stelle zu beurteilen, ob der
parlamentarische Untersuchungsausschuss seinen gesetzlichen Pflichten nach dem UAG
gerecht wird, auch wenn bei einer Verletzung dieser Pflichten keine grundsätzliche
Strafbewehrung gem. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 StGB besteht (Lenckner/Eisele in
Schönke/Schröder, StGB, 28. Auflage, § 203 Rn. 60), sondern erst durch Beschluss
geschaffen werden muss (§ 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB). Dies ist auch dann nicht anders zu
beurteilen, wenn es in der Vergangenheit bereits zu „Indiskretionen“ bzw.
Pflichtverletzungen gekommen sein sollte.
IV.
24 Soweit der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt, ist dies zwar grundsätzlich
möglich und zulässig (Kissel/Mayer, a. a. O., § 28 EGGVG Rn. 25). Sein diesbezügliches
Begehren ist jedoch aufgrund dieser in der Hauptsache ergangenen Entscheidung
überholt, zumal die Staatsanwaltschaft erklärt hat mit einer Aktenweitergabe bis zur
Senatsentscheidung zuwarten zu wollen.
V.
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 EGGVG i. V. m. § 130 Abs. 1 KostO. Die
Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG i. V. m. § 30 Abs. 3 Abs.
2 KostO.
VI.
26 Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 S. 1
EGGVG nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
27 Die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 23 EGGVG ist bereits grundsätzlich
geklärt (BGHSt 46, 261).
28 Gleiches gilt auch für die Pflicht der Staatsanwaltschaft von ihr geführte Akten vollständig,
ohne vorherige Aussonderung von geheimhaltungsbedürftigen Aktenteilen, dem
Untersuchungsausschuss vorzulegen (BVerfGE 67, 100 [144]; 124, 78 [117, 125]; StGH
Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.1989, GR 3/87, VBlBW 1990, 51 [55]).