Urteil des OLG Stuttgart vom 24.07.2002

OLG Stuttgart: verfügungsbefugnis, pfandrecht, gegenleistung, rückzahlung, rückforderung, besitz, meinung, sequester, aktivmasse, ware

OLG Stuttgart Urteil vom 24.7.2002, 3 U 14/2002; 3 U 14/02
Insolvenzverfahren: Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters durch den Insolvenzverwalter
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 24.067,48 EUR nebst 5 %
Zinsen p.A. hieraus über den Basiszinssatz seit 27.09.2001 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung oder Hinterlegung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: bis 25.000,00 EUR.
Gründe
1
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. ... die Beklagte auf Rückzahlung von 48.403,74 DM (= 24.748,44 EUR) nach
Insolvenzanfechtung in Anspruch.
2
Die Beklagte ist eine Spedition, die mit dem Import und der Ablieferung von Waren für die Insolvenzschuldnerin befasst war.
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.06.2001 (K 1) wurde der Kläger auf den Insolvenzantrag der Schuldnerin vom gleichen Tag zum
vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte Gläubigerin der
Insolvenzschuldnerin aus Altforderungen, die in erster Instanz unstreitig bei 48.403,74 DM lagen.
4
Am 19.07.2001 fuhr bei der Beklagten ein Lkw mit an die Insolvenzschuldnerin zu liefernden Brückenübergängen zur Verzollung vor. Die
Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Insolvenzantrag der Insolvenzschuldnerin. Mit Telefax vom selben Tag teilte die Beklagte dem
Kläger mit, dass sie die Sendung nur herausgeben wolle, wenn sowohl die Rückstände der Klagforderung aus früheren Tätigkeiten als auch die
laufende Verzollungs- und Abfertigungsaufwendungen ersetzt würden. Die Gesamtsumme bezifferte die Beklagte auf 58.285,62 DM (vgl.
Schreiben vom 19.07.2001, K 3).
5
Der Kläger forderte die Beklagte auf, die Sendung Zug um Zug gegen Zahlung der laufenden Aufwendungen freizugeben. Die Beklagte weigerte
sich unter Berufung auf ihr Pfandrecht, die Sendung freizugeben. Daraufhin sagte der Kläger die Ablösung des gesamten rückständigen
Betrages unter dem Vorbehalt der Rückforderung der Insolvenzanfechtung zu. Die Beklagte gab daraufhin die Sendung frei.
6
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. August 2001 (K 6) forderte der Kläger, der zum
Insolvenzverwalter bestellt worden war, die Beklagte mit Schreiben vom 12.09.2001 (K 7) zur Rückzahlung von 48.403,74 DM auf, was von der
Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Fax vom 24.09.2001 (K 8) abgelehnt wurde.
7
Der Kläger begehrte erstinstanzlich mit seiner Klage unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Rückzahlung des geleisteten Teilbetrags
von 48.403,74 DM. Der Kläger erkannte die anfechtbare Rechtshandlung in der Anlieferung der Ware und Übergabe an die Beklagte zwecks
Abfertigung sowie in der von ihm unter dem Vorbehalt der Rückforderung getätigten Zahlung. Insoweit hielt er seine eigene Handlung für
anfechtbar.
8
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
9
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Insolvenzverwalter 48.403,74 DM zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
29.09.2001 zu zahlen.
10 die Beklagte hat beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Insolvenzrecht mit der Möglichkeit der Insolvenzanfechtung auf das HGB-Pfandrecht des Spediteurs
treffe und sich Letzteres gegenüber der Insolvenzanfechtungsmöglichkeit durchsetzen müsse. Darüber hinaus sei die Ware im Einverständnis mit
dem Kläger herausgegeben worden, wodurch das Pfandrecht erloschen sei und damit auch kein anfechtbares Absonderungsrecht mehr
bestanden habe. Die Ausübung eines Absonderungsrechts mit der Folge, dass der Gegenstand dem Schuldnervermögen entzogen werde, sei
nicht nach der Insolvenzordnung anfechtbar. Auch eine Gläubigerbenachteiligung liege, jedenfalls in Höhe des Warenwertes (42.512,00 DM), im
vorliegenden Fall nicht vor. Ein Schaden entfalle schließlich deshalb, weil die streitgegenständliche Rechnung der Beklagten zu 90 %
verauslagte Einfuhrumsatzsteuer beträfe, die wiederum als Vorsteuer von der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht werden könnte.
13 Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
14 Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 13. Dezember 2001 in vollem Umfang stattgegeben. Es hat angenommen, sowohl der Erwerb
eines möglichen Spediteurpfandrechts durch Inbesitznahme der für die Insolvenzschuldnerin bestimmten Lieferung am 19.07.2000 als auch die
zur Ablösung dieser Pfandrechte getätigte Zahlung seien anfechtbare Rechtshandlungen. Zur Anfechtung sei der Insolvenzverwalter auch
insoweit berechtigt, als er seine eigene, als vorläufiger Insolvenzverwalter veranlasste, Zahlung angefochten habe.
15 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
16 Mit ihrer fristgerecht erhobenen und rechtzeitig begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil in vollem Umfang an und erstrebt
Klagabweisung.
17 Die Beklagte macht insbesondere geltend:
18 Die Fracht sei lediglich zufällig wegen der Zollabfertigung in den Besitz der Beklagten gekommen. Es sei deshalb zweifelhaft, ob die Beklagte
überhaupt ein Pfandrecht wegen der so genannten inkonnexen Forderungen habe geltend machen können. Wenn die Beklagte aber insoweit
kein Pfandrecht besessen habe, habe sie sich auch keine Position verschafft, die ihr eine Befriedigung ermöglicht hätte. Die angefochtene
Rechtshandlung sei somit nicht die Begründung eines angeblichen Pfandrechts, sondern vielmehr die Zahlung des Klägers an die Beklagte, die
dieser in seiner Funktion als verfügungsberechtigter vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin
veranlasst habe. Mit der Stellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter sei eine Anfechtungsbefugnis seiner eigenen Handlung jedoch
nicht vereinbar. Der Kläger habe Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin gehabt, auf den Kläger hätten somit die
Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 InsO zugetroffen. So habe der Kläger auch im eigenen Namen und nicht im Namen der Schuldnerin eine
Zahlung an die Beklagte verfügt, das in Bezug genommene Anderkonto sei ein solches des Klägers, nicht der Insolvenzschuldnerin. Das
Landgericht habe den Kläger daher zu Unrecht einem Sequester nach der Konkursordnung gleichgestellt.
19 Die Beklagte beantragt,
20 das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2001 (14 O 459/01) abzuändern und die Klage abzuweisen.
21 Der Kläger hat im Termin vom 10.07.2002 seine Klage in Höhe von 1331,84 DM nebst Zinsen hieraus rechtswirksam zurückgenommen. Im
Übrigen beantragt er,
22 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
23 Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der so genannte vorläufige schwache Insolvenzverwalter
nach der InsO dem Sequester nach der Konkursordnung gleichzustellen sei, mithin seine eigenen Handlungen anfechten könne.
24 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
25 Die zulässige Berufung der Beklagten führt infolge der rechtswirksamen Teilrücknahme der Klage in Höhe von 1331,84 DM zu einer
geringfügigen Reduzierung des Verurteilungsbetrages. Im übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet und zurückzuweisen.
I.
1.
26 Zur Anfechtungsbefugnis des Klägers
27 Der Kläger kann gem. §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 143 Abs. 1 S. 1 InsO Rückzahlung des zur Ablösung der vor der Insolvenzantragstellung am
19. Juli 2001 entstandenen Altverbindlichkeiten von im Berufungsrechtszug noch geltend gemachten 24.067,48 EUR verlangen, weil die
Beklagte Befriedigung in dieser Höhe auf Grund anfechtbarer Rechtshandlungen erlangt hat.
28 a) Der Begriff der Rechtshandlung ist nach der Rechtsprechung des BGH im weitesten Sinne auszulegen. Er umfasst nicht nur Handlungen des
Gemeinschuldners, sondern auch Maßnahmen eines Gläubigers oder des vorläufigen Sequesters, durch die das Vermögen des
Gemeinschuldners gemindert wird (vgl. BGHZ 58, 108, 110; BGHZ 86, 190; vgl. zum Begriff Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 129 Rn.
1).
29 (1) Geht man mit dem Landgericht davon aus, dass die Beklagte durch Inbesitznahme der am 19.07.2001 angekommenen Brückenteile ein
Spediteurpfandrecht gem. §§ 464, 441 HGB i.V.m. Ziff. 20 ADSp erlangt hat, liegt eine anfechtbare Begründung des Spediteurpfandrechts vor
und Begründung, Ausübung und Geltendmachung des Pfandrechts stellen die anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 InsO dar,
gegebenenfalls in Verbindung mit der Zahlung der Altverbindlichkeiten durch den Kläger.
30 (2) Nimmt man dagegen mit der Berufungsbegründung an, dass die Beklagte kein Spediteurspfandrecht wegen der so genannten inkonnexen
Forderungen, also wegen der Altverbindlichkeiten, erlangt hat, stellt jedenfalls die vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlung die
relevante anfechtbare Rechtshandlung dar. Denn entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist im vorliegenden Fall der Kläger durch
Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.06.2001 (K 1) zum so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden, der
nach seiner Bestellung zum endgültigen Insolvenzverwalter durch Beschluss vom 31. August 2001 (K 6) berechtigt ist, eigene Handlungen, die
er als so genannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter veranlasst hat, anzufechten. Die Frage, ob sich das Pfandrecht auf die so
genannten inkonnexen Forderungen erstreckt hat, kann daher offen bleiben.
31 (aa) Nach §§ 21, 22 InsO besteht grundsätzlich die Möglichkeit, de Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Anordnung eines
allgemeinen Verfügungsverbots zu verbinden (§§ 21 Abs. 1, 21 Abs. 2 Ziff. 2 1. altern., 22 Abs. 1, 24 InsO) oder lediglich auszusprechen, dass
Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§§ 21 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Altern., 22
Abs. 2 InsO). Der Wortlaut des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart ergibt mit hinreichender Deutlichkeit, dass im vorliegenden Fall dem
Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist. Der Beschluss enthält zwar im zweiten Absatz zweiter Satz eine
Ermächtigung für den so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, diese
Befugnis wird jedoch auf Fälle dringender Erforderlichkeit eingeschränkt. Dies ist mit der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots und
dem damit gem. § 22 Abs. 1 InsO verbundenen Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf
den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht in Einklang zu bringen. Zwar sieht § 22 Abs. 22 InsO vor, dass die Pflichten eines vorläufigen
Insolvenzverwalters, der bestellt ist, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde, vom Gericht bestimmt wird.
Sie dürfen aber über die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters bei angeordnetem allgemeinem Verfügungsverbot gem. § 22 Abs. 2 S. 2
InsO nicht hinausgehen. Auf Grund der bereits zitierten Beschränkungen der rechtlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters kann im
vorliegenden Fall in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass die Befugnisse des so genannten schwachen vorläufigen
Insolvenzverwalters an diejenigen gem. § 22 Abs. 1 S. 2 InsO angenähert sind.
32 Damit ist aber insbesondere der von der Beklagten für ihre Argumentation herangezogene § 55 Abs. 2 S. 1 und 2 InsO nicht anwendbar, denn
der so genannte schwache Insolvenzverwalter kann Masseverbindlichkeiten allenfalls dann begründen, wenn er diesbezüglich durch das
Gericht ausdrücklich ermächtigt ist (vgl. OLG Köln ZIP 2001, 1422; Kirchhof, ZInsO, 2000, 296, 300; a.A. etwa LG Essen NZI 2001, 217).
33 Im Übrigen handelt es sich vorliegend um die Tilgung von Altverbindlichkeiten, die bereits vor Insolvenzantragstellung entstanden sind. Bereits
aus diesem Grund geht es hier nicht um die Begründung von Masseverbindlichkeiten.
34 (bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH waren auf der Basis des § 106 KO Handlungen eines bestellten Sequesters, auf den die
Merkmale der Anfechtungstatbestände der Konkursordnung zutrafen, grundsätzlich vom Konkursverwalter selbst dann anfechtbar, wenn dieser
zuvor zum Sequester bestellt worden war (vgl. BGHZ 86, 190; BGHZ 97, 87 = NJW 1986, 1496; BGHZ 118, 374 = NJW 1992, 2483). Nach der
zuletzt genannten Entscheidung galt dies auch dann, wenn die Rechtshandlungen nicht erforderlich waren, um den Betrieb des
Gemeinschuldners vorläufig fortzuführen.
35 (cc) Es stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob diese Rechtsprechung auf der Basis der InsO Fortgeltung beanspruchen kann. Diese Frage
ist in der Literatur umstritten. Im Wesentlichen stehen sich drei Meinungen gegenüber:
36 Eine Mindermeinung lehnt die Anfechtungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters generell ab (Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 2.
Aufl. 1998, Rn. 208; Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des neuen Insolvenzverwalters, Beiträge zum Insolvenzrecht 19, Köln, RWS 1998,
Rn. 507; zitiert nach: Breutigam, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, Berliner Praxiskommentar zur InsO, Stand: März 2000, § 129 Rn. 10 FN 18).
37 Eine weitere Mindermeinung will die Anfechtungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Differenzierung zwischen vorläufigen
Insolvenzverwaltern ohne bzw. mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis generell zulassen (so etwa Dauernheim, in: Frankfurter Kommentar zur
InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 30; ebenso, Breutigam, a.a.O. § 119 Rn. 10).
38 Die wohl herrschende Meinung differenziert danach, ob neben der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines
Verfügungsverbot erlassen worden ist (dann keine Anfechtung) oder ob ein solches nicht angeordnet wurde (dann grundsätzlich Anfechtbarkeit
der Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben; so etwa MüKo-Kirchhof, InsO, 1.Aufl., § 129 Rn. 45, 46; derselbe in ZInsO
2000, 297, 299; Kübler/Brütting InsO, Bd. 2 2001, § 129 Rn. 17; Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 30;
Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 45; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 39, 41 und § 130 Rn. 91 ff.; ebenso LG Karlsruhe ZIP
2002, 362).
39 Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Für diese spricht insbesondere die Stellung des so genannten schwachen vorläufigen
Insolvenzverwalters, dem keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners beigegeben worden ist. Dieser kann
durchweg nicht anstelle des Schuldners Verbindlichkeiten begründen, sondern nur im Zusammenwirken mit ihm. Die Rechtshandlungen werden
weiterhin im Namen des Schuldners vorgenommen und sind daher als solche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar (Kirchhof,
InsO 2000, 297). Die differenzierte Betrachtung der Stellung des Insolvenzverwalters danach, ob gegen den Schuldner ein allgemeines
Verfügungsverbot erlassen worden ist oder nicht, ist auch am besten mit Wortlaut und Sinn und Zweck des § 55 Abs. 2 InsO vereinbar. Auch der
BGH hat im Zusammenhang mit § 55 Abs. 2 InsO auf die Vergleichbarkeit der Stellung des bisherigen Sequesters mit dem vorläufigen
Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hingewiesen (BGH NJW 1997, 3028, 3029). Der Senat bejaht daher
grundsätzlich die Anfechtungsmöglichkeit von Handlungen des so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters durch den späteren
Insolvenzverwalter.
40 (dd) Nach der Rechtsprechung des BGH und wohl herrschender Meinung kann die Ausübung des Anfechtungsrechts im Einzelfall treuwidrig
sein, etwa wenn der spätere Insolvenzverwalter durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat
(vgl. BGHZ 86, 190; BGHZ 97, 87 = NJW 1986, 1496, 1497). Nun hat die Beklagte in der Berufungsbegründung zwar bestritten, dass der Kläger
mündlich gegenüber der Beklagten erklärt haben soll, er werde die Zahlung nach Insolvenzeröffnung anfechten. Damit ist aber die im
unstreitigen Tatbestand vom Landgericht festgestellte Tatsache nicht in vollem Umfang in Abrede gestellt, wonach der Kläger die Ablösung des
gesamten rückständigen Betrages unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach Insolvenzeröffnung zugesagt habe. Angesichts des massiven
Vorgehens der Beklagten, wie es im Schreiben vom 19.07.2001 (K 3) zum Ausdruck kommt, ist das Gericht auf Grund der Anhörung der Parteien
im Termin zudem davon überzeugt, dass der Kläger sich die Rückforderung der geleisteten Zahlung nach Insolvenzeröffnung vorbehalten hat.
41 Der Anfechtungsbefugnis steht schließlich nicht entgegen, wenn der Kläger, wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung behauptet, die
Zahlung zu Lasten seines eigenen Anderkontos Nr. ... bei der ... veranlasst hat. Denn gerade dadurch zeigt sich, dass der Kläger eben nicht in
genereller Weise über das Vermögen der Schuldnerin verfügen konnte. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung
unwidersprochen geltend gemacht, dass er die Ablösung von Altverbindlichkeiten in Absprache mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin
veranlasst hat.
42 b) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO liegen vor.
43 Für § 130 InsO ist eine so genannte kongruente Deckung erforderlich, also die Sicherung oder Befriedigung eines dem (potenziellen)
Insolvenzgläubiger zustehenden Anspruchs (vgl. Kreft, a.a.O., § 130 InsO Rn. 10). Eine solche Befriedigung liegt hier in der Bezahlung von
Altverbindlichkeiten in der im Tenor genannten Höhe vor. Eine Gläubigerbenachteiligung ist ebenfalls gegeben. Eine solche liegt vor, wenn die
Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen
erschwert oder verzögert, wenn sich mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (vgl. Kreft, in: Heidelberger Kommentar, 2. Aufl., § 129 Rn. 36 m.w.N.). Das
Landgericht hat unter Ziff. 5. der Entscheidungsgründe zutreffend eine Verkürzung der Aktivmasse festgestellt. Hierauf wird Bezug genommen.
Diese Feststellung des Landgerichts ist von der Berufungsbegründung nicht in Zweifel gezogen worden.
44 Die weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind ebenfalls gegeben, die Rechtshandlung wurde nach dem Eröffnungsantrag
vorgenommen und dem Gläubiger war zu diesem Zeitpunkt der Eröffnungsantrag unstreitig bekannt.
2.
45 Kein Bargeschäft im Sinne von §§ 142 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO
46 Ein Bargeschäft ist deshalb nicht gegeben, weil für die Leistung des Schuldners nicht unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein
Vermögen gelangt ist. Ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO setzt zum einen voraus, dass die Leistung des Schuldners - wie die Worte "für
die" zum Ausdruck bringen - mit der Gegenleistung durch Parteivereinbarung verknüpft ist (vgl. BGHZ 123, 328; Kreft, a.a.O. § 142 Rn. 4). Zudem
muss die Gegenleistung des Gläubigers nach dem Parteiwillen, der Verkehrsanschauung und der tatsächlichen Abwicklung ein einheitliches
Ganzes darstellen, mithin zwischen Leistung und Gegenleistung auch ein enger zeitlicher - "unmittelbarer" - Zusammenhang bestehen (vgl. BGH
WM 1984,1430 f.; Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 142 Rn. 5). An beiden Tatbestandsmerkmalen fehlt es im vorliegenden
Fall. Die Leistung der Beklagten bestand nicht in der Besitz- bzw. Eigentumsverschaffung an den von der Schuldnerin bei der Fa. ..., ..., bestellen
Brückenteilen, vielmehr lediglich in der Vornahme der Verzollung und Abfertigung, was eindeutig im Schreiben vom 19.07.2001 (K 3) zum
Ausdruck kommt. Besitz und Eigentum an den am 19.07.2001 bei der Beklagten angekommenen Brückenteilen wurden dem Kläger jedoch von
der Absenderin, der Fa. ..., ... verschafft. Leistung und Gegenleistung waren daher nicht, jedenfalls in Höhe der Klagforderung, durch
Parteivereinbarung verknüpft. Die vom Kläger in seiner Eigenschaft als so genannter schwacher Insolvenzverwalter veranlasste Zahlung diente
vielmehr der Befriedigung von Altverbindlichkeiten, die bereits geraume Zeit vor Insolvenzantragstellung entstanden waren, die
Leistungshandlungen der Beklagten waren somit bei Insolvenzantragstellung abgeschlossen. Die von der Beklagten erzwungene Zahlung durch
den Kläger stand somit nicht mehr in unmittelbaren zeitlichem Zusammenhang mit der von der Beklagten erbrachten Leistung. Entgegen der
Rechtsauffassung der Beklagten liegt somit kein Bargeschäft vor.
47 Die Berufung der Beklagten war daher mit der im Tenor ausgesprochenen Maßgabe zurückzuweisen.
II.
48 Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
49 Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 und 2 ZPO n.F. die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zu.
Soweit ersichtlich, liegen keine obergerichtlichen Entscheidungen zur Anfechtungsbefugnis des so genannten schwachen vorläufigen
Insolvenzverwalters vor, obwohl diese Rechtsfrage in der Literatur heftig umstritten ist. Da diese Frage bei einer Vielzahl von Insolvenzverfahren
eine Rolle spielen kann, erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Entscheidung des
Revisionsgerichts.