Urteil des OLG Stuttgart vom 05.08.2010

OLG Stuttgart (vertrag zu lasten dritter, mieter, mietsache, kläger, vermietung, aug, ausdrücklich, beschädigung, vermieter, verjährung)

OLG Stuttgart Urteil vom 5.8.2010, 7 U 82/10
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart – Az. 18 O 483/09 – vom 31.03.2010
wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 6.733,54 EUR
Gründe
I.
1
Der Kläger macht wegen der Beschädigung von Gemeinschaftseigentum Schadensersatzansprüche der
Wohnungseigentümergemeinschaft H.str. 31 – 33 in S. gegen die Beklagten als ehemalige Mieter einer in der
Wohnanlage gelegenen Wohnung geltend.
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Im Dezember 2009 erhob der Kläger nach Abtretung der Ansprüche durch die Eigentümergemeinschaft Klage.
3
Er behauptet, die Beklagten hätten bei ihrem – unstreitig am 28.06.2008 erfolgten – Auszug sechs der im
Personenaufzug befindlichen Edelstahl-Paneelen beschädigt. Hierdurch sei ein Schaden i. H. v. 6.777,05 EUR
entstanden.
4
Die Beklagten berufen sich auf die nach § 548 Abs. 1 BGB eingetretene Verjährung.
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Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart – Az. 18 O 483/09 – vom
31.03.2010 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
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Die Berufung begehrt die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und verfolgt den Klaganspruch insbesondere
mit Hinweis auf den Beschluss des LG Stuttgart vom 28.11.2007 – NZM 2009, 36 – in voller Höhe weiter.
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Der Kläger beantragt (Bl. 71 d. A.):
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1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31.03.2010, Az. 18 O 483/09 wird aufgehoben.
10 2. Die Bekl./Berufungsbeklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kl./Berufungskläger EUR
6.733,54 nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
04.01.2009 zu bezahlen.
11 Die Beklagten beantragen (Bl. 83 d. A.)
12 die Zurückweisung der Berufung.
13 Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil.
II.
14 Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist indessen unbegründet.
15 Zu Recht hat es das Landgericht dahin stehen lassen, ob die Beklagten die Edelstahl-Paneelen beschädigt
haben und in welcher Höhe hierdurch ein Schaden entstanden ist. Auf jeden Fall ist der Anspruch nach § 548
Abs. 1 BGB verjährt, so dass es auch auf die Abtretung der Ansprüche durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft an den Kläger nicht ankommt. Denn die Verjährung begann nach § 548
Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Auszug der Beklagten am 28.06.2008 und endete folglich am 28.12.2008. Der
Kläger erhob die Klage jedoch erst ca. 1 Jahr später. Andere verjährungshemmenden Maßnahmen ergriff er
nicht.
16 Die Verjährungsvorschrift des § 548 Abs. 1 BGB ist auf den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch
einer – sich vom Vermieter unterscheidenden – Wohnungseigentümergemeinschaft wegen der Beschädigung
des Gemeinschaftseigentums auch anwendbar (so auch LG Essen, NJW-RR 1998, 874 und ihm folgend:
Gather in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 548, Rn. 31; Staudinger, Emmerich, § 548 BGB, Rn.
14; wohl auch: Schmid, Rieke, § 548 BGB, Rn. 36; Soergel, Heintzmann, § 548 BGB, Rn. 5).
17 Zwar erfasst § 548 Abs. 1 BGB seinem Wortlaut nach lediglich vertragliche Ansprüche des Vermieters wegen
der Verschlechterung der Mietsache, nicht aber gesetzliche Ansprüche eines Dritten wie der
Eigentümergemeinschaft.
18 Da der meist vermietende Eigentümer jedoch bei Verschlechterung der Mietsache in der Regel auch
konkurrierende, gesetzliche Ansprüche gegen seinen Mieter unter anderem aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1
BGB hat, liefe der Schutz des § 548 Abs. 1 BGB bei Beschränkung auf rein mietvertragliche Ansprüche
regelmäßig leer. Daher ist er nach wohl einhelliger Meinung auch auf gesetzliche Ansprüche anzuwenden, die
ein Vermieter wegen der Verschlechterung der Mietsache hat (s. statt vieler nur Gather in: Schmidt-Futterer, §
548 BGB, Rn. 29 m. w. N.).
19 Auch die Erstreckung des Anwendungsbereiches auf Dritte ist jedenfalls für den Fall anerkannt, in dem der
eine Verschlechterung der Mietsache verursachende Dritte in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen
ist (BGH NJW 2006, 2399 m. w. N.; Staudinger, Emmerich, § 548 BGB, Rn. 15; Gather in: Schmidt-Futterer, §
548 BGB, Rn 27). Andernfalls liefe entweder der Schutz durch Einbeziehung in den Vertrag zu schützenden
Dritten oder die Privilegierung des Mieters nach § 548 Abs. 1 BGB leer, wenn der Dritte Regressansprüche
gegen ihn geltend machen könnte.
20 Zwar geht es vorliegend um Ansprüche – überhaupt nicht am Mietverhältnis beteiligter – Dritter gegen den
Mieter. Einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 548 Abs. 1 BGB auf solche Ansprüche könnte
entgegen gehalten werden, dass die Mietvertragsparteien dann mit dem Mietvertrag gleichsam einen Vertrag zu
Lasten Dritter schlössen. Das wäre nicht nur systemfremd, sondern insbesondere mit den Grundprinzipien des
Privatrechts nicht zu vereinbaren (so auch Palandt, Grüneberg, Vor § 328 BGB, Rn. 10 m. w. N.), soweit man
die Belastung durch die Verjährungswirkung gegenüber dem Dritten nicht lediglich als unbeachtlichen Reflex
auffassen will (vgl. dazu BGH NJW 2004, 3326 [3327]).
21 So wird insbesondere nach den Erwägungen des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 27.11.1997 (Az.
13 S 136/07, NZM 2009, 36) zunehmend vertreten, Schadensersatzansprüche der
Wohnungseigentümergemeinschaft wegen der Beschädigung von Gemeinschaftseigentum durch einen Mieter
nicht der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 1 BGB zu unterstellen, da ihnen die erforderlichen vertraglichen
Beziehungen nicht zugrunde liegen (Praxishinweis in NJW-Spezial 2008, 162; Wenzel in: Bärmann,
Wohnungseigentumsgesetz, § 13, Rn. 154; Bärmann/Pick, § 21 WEG, h); Abramenko in:
Fachanwaltskommentar, § 13 Rn. 4 und Palandt, Weidenkaff, § 548 BGB, Rn. 5a).
22 Es ist indessen anerkannt, § 548 Abs. 1 BGB auch auf Ansprüche Dritter gegen den Mieter jedenfalls unter
den einschränkenden Voraussetzungen anzuwenden, dass die Ansprüche zumindest auch in der
Verschlechterung der Mietsache begründet sind und der Dritte sich entweder mit der Vermietung einverstanden
erklärt hat (BGH NJW 1997, 1983 [1984]; Staudinger, Emmerich, § 548 BGB, Rn. 14; Palandt, Weidenkaff, §
548 BGB, Rn. 5a) oder mit dem Vermieter wirtschaftlich eng verflochten ist (so BGH NJW 1992, 1820 [1821]).
Denn wenn der Dritte sein Einverständnis zur Vermietung erklärt hat, ist er zum einen nicht schutzwürdig, zum
anderen kennt er die besonderen mietrechtlichen Schutzmechanismen. Wenn er mit dem Vermieter
wirtschaftlich eng verflochten ist, ist die Personenverschiedenheit jedenfalls aus Sicht des Mieters bloß
zufällig, was nicht zu seinen Lasten gehen kann.
23 Die Wohnungseigentümergemeinschaft und der vermietende Miteigentümer sind sicher wirtschaftlich nicht
ausreichend eng miteinander verflochten, als dass sie gleichsam wie eine einheitliche Person zu behandeln
wären. Zwar ist der Miteigentümer Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sowohl seine Rechte als
auch seine Pflichten gegenüber der Gemeinschaft richten sich aber insgesamt Großteils nach seinem
Miteigentumsanteil (vgl. nur §§ 16, 17, 10 Abs. 8 WEG) bzw. nach Kopfteilen (§ 25 WEG); beide verlieren mit
zunehmender Größe der jeweiligen zur Eigentümergemeinschaft gehörenden Wohnanlage an Gewicht.
24 Wie bereits das Landgericht Essen in seiner Entscheidung vom 11.12.1997 (Az. 10 S 433-97, NJW-RR 1998,
874) ausgeführt hat, sind die Eigentümer aber nach § 13 Abs. 1 WEG zur Vermietung ihres Sondereigentums
berechtigt. Diese gesetzlich vorgesehene Berechtigung ist gleichsam einer Ermächtigung eines Dritten zur
Vermietung seines Eigentums gleichzusetzen. Denn eine Vermietung des Sondereigentums ohne Einräumung
des Rechts zur Mitbenutzung der Gemeinschaftseinrichtungen ist nicht möglich. Der Mieter muss die Wohnung
ja erreichen können. Dementsprechend ist anerkannt, dass der vermietende Sondereigentümer seinem Mieter
das ihm zustehende Mitbenutzungsrecht überträgt (Wenzel in: Bärmann, § 13 WEG, Rn. 59; BayObLG WE
1998, 352), auch wenn es nicht ausdrücklich in den Mietvertrag aufgenommen wird (so auch Lüke in:
Weitnauer, 9. Aufl. 2005, Nach § 13, Rn. 3).
25 Dagegen spricht auch nicht, dass der einzelne Wohnungseigentümer seinem Mieter das Recht zum
Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums nach dem Rechtsgedanken des § 399 BGB nur insoweit übertragen
kann, wie es ihm selbst zusteht, die gegen ihn gerichteten Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft
aber nach §§ 195 ff. BGB verjähren, und die Anwendung des § 548 Abs. 1 BGB auf die der
Wohnungseigentümergemeinschaft zustehenden Schadensersatzansprüche gleichsam zu einer
Inhaltsänderung des Mitbenutzungsrechts führen würde. Denn zum einen ist dem Mieter der Gebrauch selbst –
vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Regelungen – immer nur in dem auch dem Eigentümer eingeräumten
Rahmen gestattet (so auch Lüke in: Weitnauer, Nach § 13 WEG, Rn. 3). Zum anderen sieht § 13 Abs. 1 WEG
die Vermietung – mit der Konsequenz der Anwendung der mietrechtlichen Sonderregelungen – vor, womit dann
eine gesetzliche Einschränkung der Verfolgungsrechte der Eigentümergemeinschaft einhergeht.
26 Allerdings ist zwingende Voraussetzung einer weiten Auslegung des § 548 Abs. 1 BGB auf Ansprüche Dritter,
dass zumindest auch die Mietsache selbst verschlechtert wird und der eingetretene Schaden hinreichenden
Bezug zum Mietobjekt hat (BGH NJW 2000, 3203 [3204 f.]). Dass der in der Wohnanlage befindliche,
streitgegenständliche Personenaufzug ausreichenden Bezug zum vermieteten Sondereigentum hat, bedarf
keiner weiteren Vertiefung. So hat selbst das – eher zurückhaltende – AG Nürtingen in seinem Urteil vom
30.05.2007 (Az. 11 C 618/07, BeckRS 2008, 00372) die Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Ansprüche
einer Wohnungseigentümergemeinschaft bzgl. der in räumlicher Nähe zur Wohnung liegenden Einrichtung des
Treppenhauses nicht problematisiert. Wenn allerdings das Mitbenutzungsrecht – wie üblich – nicht
ausdrücklich in den Mietvertrag einbezogen wird, liegt unter Umständen die erforderliche Verschlechterung der
Mietsache selbst nicht vor.
27 Es ist aber anerkannt, dass Ansprüche des Vermieters wegen Beschädigungen ausschließlich regelmäßig nur
mitbenutzter Sachen des Vermieters wie Treppenhäusern, Fluren oder Eingängen nach § 548 Abs. 1 BGB
verjähren (BGHZ 61, 227 [229]; Staudinger, Emmerich, § 548 BGB, Rn. 11; Blank/Börstinghaus, Mietrecht, §
548 BGB, Rn. 9; Soergel, Heintzmann, § 548 BGB, Rn. 5; Palandt, Weidenkaff, § 548 BGB, Rn. 9), selbst
wenn sie nicht ausdrücklich mit vermietet sind (so auch LG Berlin, Urteil vom 29.09.1987, Az. 64 S 85/87).
28 Selbst wenn man daher unterstellt, dass den Beklagten das Nutzungsrecht des streitgegenständlichen Aufzugs
nicht ausdrücklich im Mietvertrag eingeräumt wurde, und deshalb nicht zur Mietsache im engeren Sinne gehört,
kann für die Beschädigung des Aufzugs nichts anders gelten als für die Beschädigung einer – ebenfalls nicht
ausdrücklich mitvermieteten – im Alleineigentum des Vermieters stehenden Treppenhauseinrichtung. Denn
Zweck des § 548 Abs. 1 BGB ist die rasche Klärung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Zustand des
Mietobjektes (BGH NZM 2005, 176 [178]; Gather in: Schmidt-Futterer, § 548 BGB, Rn. 28). Daher verbietet
sich die unterschiedliche Behandlung des Mieters einer Wohnung in einem im Alleineigentum des Vermieters
stehenden Mehrfamilienhaus gegenüber einem Mieter einer Eigentumswohnung.
29 Die Kostenentscheidung beruht für die Berufung auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergeht auf der Grundlage der §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 711 S. 2 i.V.m. 709 S. 2 ZPO.
30 Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.