Urteil des OLG Stuttgart vom 14.11.2006

OLG Stuttgart: vergütung, gestaltung, wahrheitspflicht, gebühr, verfügung, rechtsberatung

OLG Stuttgart Beschluß vom 14.11.2006, 1 Ws 331/06
Vergütung des Zeugenbeistandes: Voraussetzungen des Anfalls einer Verfahrensgebühr für den als Rechtsanwalt beigeordneten
Zeugenbeistand
Leitsätze
Der nach § 68 b StPO als Rechtsanwalt beigeordnete Zeugenbeistand hat auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG nur dann zu
beanspruchen, wenn er vorträgt oder aktenkundig oder gerichtsbekannt ist, dass er eine dem Verteidiger vergleichbare Tätigkeit entfaltet hat.
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts - Jugendkammer - Stuttgart vom 04. Oktober 2006 wird als unbegründet
verworfen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Im angefochtenen Beschluss hat das Landgericht - Jugendkammer - Stuttgart die Vergütung für den gemäß § 68 b StPO bestellten
Zeugenbeistand Rechtsanwalt auf dessen Erinnerung gegen den Beschluss des Urkundsbeamten des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2006
auch für die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG in Höhe von 124.- EUR zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der
Bezirksrevisorin des Landgerichts Stuttgart als Vertreterin der Staatskasse ist zulässig, weil die Beschwerde wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der zu entscheidenden Frage zugelassen wurde, hat in der vorliegenden Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
2 Nach Abs. 1 Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG sind für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand die für den Verteidiger geltenden
Vorschriften entsprechend anzuwenden. Unstreitig stehen Rechtsanwalt ..., welcher dem Zeugen ... für dessen Vernehmung gemäß § 68 b StPO
beigeordnet war und dementsprechend bei dessen Vernehmung am 10. März 2006 vor der Jugendkammer teilgenommen hat, danach eine
Grundgebühr nach VV RVG Nr. 4100 sowie eine Terminsgebühr nach VV RVG Nr. 4114 zu.
3 Ob ihm darüber hinaus auch die Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 4112 in Höhe von 124.- EUR zusteht, ist streitig (unterschiedlich entschieden
von den Senaten des KG Berlin, www.burhoff.de; bejahend OLG Köln NStZ 2006, 410).
4 Nach Auffassung des Senats hat der beigeordnete Zeugenbeistand diese Gebühr dann zu beanspruchen, wenn er vorträgt oder aktenkundig oder
gerichtsbekannt ist, dass er eine vergleichbare Tätigkeit entfaltet hat. Wegen des eingeschränkten Aufgabenbereichs des beigeordneten
Zeugenbeistands versteht es sich nicht von selbst, dass er eine dem Verteidiger vergleichbare Tätigkeit geleistet hat. In Betracht kommt dabei zum
Beispiel terminsvorbereitende Besprechungen und/oder Beratungen des Zeugenbeistands mit seinem Mandanten über Aussage- oder
Zeugnisverweigerungsrechte, über Umfang und Bedeutung der Wahrheitspflicht des Zeugen, über die Gestaltung seiner Aussage, über eine
durch die Aussage bedingte etwaige Bedrohungssituation etc.
5 Denn zutreffend führt die Bezirksrevisorin in ihrer Beschwerdebegründung aus, dass die gesetzliche Regelung in Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil
4 VV RVG, wonach für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand die für den Verteidiger geltenden Vorschriften entsprechend
anzuwenden sind, nicht bedeuten kann, dass Zeugenbeistände uneingeschränkt wie Verteidiger zu vergüten sind. Vielmehr bedeutet diese
Regelung, dass der Zeugenbeistand - wie der Verteidiger - eine Vergütung nach seinen tatsächlich erbrachten Tätigkeiten im Umfang seiner
Beiordnung beanspruchen kann. Häufig - aber nicht immer - wird er über die Teilnahme am Vernehmungstermin hinaus im Rahmen einer
Terminsvorbereitung tätig sein müssen. In diesem Fall steht ihm auch die Verfahrensgebühr nach VV RVG 4112 zu.
6 Vorliegend hat der Zeugenbeistand eine die Verfahrensgebühr begründende Tätigkeit zwar nicht dargelegt. Nach dem Inhalt des angefochtenen
Kammerbeschlusses ist es aber jedenfalls gerichtskundig, dass der Anwalt eine dementsprechende den Termin vorbereitende Tätigkeit entfaltet
hat.
7 Die Verfahrensgebühr steht dem Zeugenbeistand im vorliegenden Fall also zu.