Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 02.04.2017

OLG Schleswig-Holstein: deponie, grundstück, treu und glauben, firma, werken, verursacher, zustandsstörer, gefährliche stoffe, sanierungsbedürftigkeit, unechte rückwirkung

Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 98/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 BBodSchG, § 24 Abs 2
BBodSchG, § 6 Abs 1
UmweltHG, § 7 UmweltHG
Ausgleichspflicht des früheren Betreibers einer
Hausmülldeponie nach Bodenschutzrecht:
Voraussetzungen eines Feststellungsinteresses des
Grundstückseigentümers; Haftung einer Gemeinde als
Handlungsstörerin bei Schadstoffbelastung eines ehemals
gepachteten Grundstücks
Leitsatz
1. Eine Feststellungsklage betreffend die Ausgleichspflicht eines Sanierungspflichtigen
nach § 24 Abs. 2 BBodSchG setzt weder die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen
noch die vorherige behördliche Heranziehung eines Sanierungspflichtigen voraus. Für
das Feststellungsinteresse des Grundstückseigentümers gegenüber dem
Handlungsstörer reicht es aus, wenn eine baurechtliche Nutzungsänderung wegen
planerischer Vorarbeiten der Gemeinde jedenfalls möglich erscheint und für diesen Fall
ein Sanierungsbedürfnis mit großer Wahrscheinlichkeit entsteht.
2. Hat eine Gemeinde auf einem gepachteten Grundstück eine Hausmülldeponie
betrieben, so ist sie unter analoger Heranziehung der Ursachenvermutung aus § 6 I
UmweltHG als pflichtige Handlungsstörerin iSd §§ 4, 24 BBodSchG anzusehen, wenn
sich die Schadstoffbelastung, aus der die Sanierungsnotwendigkeit resultiert, innerhalb
der Spannweite von Befunden hält, die bei nach damaligem Stand betriebenen
Hausmülldeponien zu erwarten sind. Der Grundstückseigentümer wird weder durch die
Verpachtung an die Gemeinde zu dem genannten Zweck noch durch eine gelegentliche
Mitnutzung der von der Gemeinde auf seinem Grundstück betriebenen
Hausmülldeponie zum weiteren Handlungsstörer im Sinne dieser Normen.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 1. Juli 2004 verkündete Urteil des
Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe geändert und wie folgt
neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche
Kosten, die diesen im Zusammenhang mit einer nach den Vorschriften des
Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) erforderlichen Sanierung ihrer
nachfolgend bezeichneten Grundstücke entstehen, zu erstatten oder die Kläger
von den Kosten freizuhalten, und zwar soweit es um die ehemalige
Hausmülldeponie der Beklagten geht und soweit die Sanierung erforderlich ist, um
eine gemischte Wohn- und Gewerbenutzung zu ermöglichen:
1. Grundbuch von ... Blatt 10079, Gemarkung …, Flur 5, Flurstück 13/8,
2. Grundbuch von … Blatt 10098, Gemarkung …, Flur 5, Flurstück 13/10.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
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I.
Die Kläger begehren die Feststellung von Ausgleichsansprüchen nach § 24 Abs. 2
S. 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG).
Die Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 14. März 1991 von der I-GmbH i.L.,
Pinneberg - bis zum 17. Dezember 1975 als R-GmbH firmierend - zum Preis von
12,5 Mio. DM (UR-Nr. 1091/91 des Notars Dr. …) ein u. a. im Grundbuch von ….
Blatt L 10097 und L 10098 eingetragenes und zum Teil am Fluss „M“ belegenes
Grundvermögen, welches die R-GmbH jedenfalls hinsichtlich der Flurstücke 13/8
und 13/10 - seinerzeit noch in den unaufgeteilten Flurstücken 13/4 und 13/5
enthalten - von dem Kaufmann B am 23. Juni 1958 zu UR-Nr. 1063/1958 des
Notars … erworben hatte. Zumindest die heutigen Flurstücke 13/8 und 13/10,
möglicherweise aber auch die Flurstücke 13/9 und 13/11 sowie benachbarte
Grundstücke - der genaue Umfang ist streitig -, wurden von der Beklagten
zumindest in den Jahren 1958 bis 1962 als Hausmülldeponie genutzt. Dies
geschah im Verhältnis zum Voreigentümer B - wie ein Schriftwechsel vom
12.Mai/16. Mai 1958 (BV 7, BV 8) zeigt - mit dessen Einverständnis, auf welches §
4 Satz 2 und 3 des Vertrages vom 23. Juni 1958 (BV 5) wie folgt verweist:
" Die Stadt … füllt das Gelände mit Müll und Schutt auf, ohne dass hierüber
vertragliche Feststellungen bestehen. Der Grundeigentümer ist jederzeit zur
Einstellung der Anfuhr berechtigt.“
Ein weiterer Bereich - die heutigen Flurstücke 13/14 und 13/15 - wurde aufgrund
eines im Berufungsrechtszug vorgelegten Verfüllungsvertrages mit der Firma G.
vom 14.August 1959 (BV 2) ebenfalls von der Beklagten genutzt. Im
angrenzenden Bereich, welcher Teil des mit Kaufvertrag vom 14. März 1991 von
den Klägern erworbenen Grundvermögens ist, betrieb die R-GmbH - später I-
GmbH - eine Motorenfabrik einschließlich Gießerei und Lackiererei, ließ diese aber
später auch zum Teil durch andere Firmen und Gesellschaften betreiben. Auf dem
Industriegelände existierten eine Vielzahl von Öltanks für Benzin, zum Teil auch
unterirdisch. In § 7 des erwähnten Kaufvertrages vom 14. März 1991 (B 2) hatten
die Kläger als Käufer erklärt, dass ihnen bekannt sei,
" dass die Grundstücke für den Betrieb einer Motorenfabrik einschließlich Gießerei
und Lackiererei benutzt wurden. Nähere Einzelheiten über die Arten der Nutzung
der Lagerstätten für Material und der Versorgungseinrichtungen ergeben sich aus
dem diesem Vertrag beigefügten Objektplan (Anlage). Der Käufer hat sich über
den Zustand des Grundstücks informiert. Der Käufer akzeptiert uneingeschränkt,
dass der Verkäufer für das Fehlen von Bodenverunreinigungen keine Gewähr
übernimmt.“
Weiter hatte sich der Verkäufer lediglich verpflichtet, auf seine Kosten alle
planmäßig verzeichneten unterirdischen Tanks für Benzin und Heizöl zu entsorgen.
Gemäß § 6 Abs. 7 des Vertrages hatten die Kläger sich außerdem verpflichtet, die
Verkäuferin ab Verrechnungstag von allen Ansprüchen Dritter freizustellen.
Die Kläger beabsichtigen eine Überbauung des gesamten Grundstücks mit
Wohneinheiten und Gewerbeobjekten. Nach in diesem Zusammenhang mit der
Beklagten geführten Verhandlungen hat die Beklagte auf der Grundlage eines
entsprechenden Grundsatzbeschlusses ihres Hauptausschusses vom 28. April
1999 (K 13, Bd. I, Bl. 102 d.A.) zwar entsprechende Vorplanungen eingeleitet -
insoweit wird auf das Anlagenkonvolut K 10 (Bd. I, Bl. 72 ff d. A.) verwiesen -, es zu
einem förmlichen Planaufstellungsverfahren aber bisher nicht kommen lassen. Der
für die Umgebung aufgestellte Bebauungsplan Nr. 84 nimmt den fraglichen Teil
des ehemaligen I-Geländes von der Planung aus. Im Zuge der Vorplanungen
wurden die Grundstücke mehrfach untersucht, mit dem Ergebnis, dass dort in
verschiedenen Schadensbereichen des Grundstücks Altlasten festgestellt wurden,
u. a. auch im Schadensbereich 7, der sich in etwa mit dem Bereich der
ehemaligen Hausmüllverfüllungsanlage deckt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf
die „Vorstellungnahme“ der Prof. Dipl.-Ing. E und Dipl.-Ing. D vom 29. August 1994
(K 3) sowie deren "Schadenseingrenzung" vom 10. September 1996 (K 4),
"Machbarkeitsstudie zu möglichen nutzungsabhängigen Sicherungs-
/Sanierungsmaßnahmen" vom 25. Oktober 1996 (K 5), 1. Bericht über eine
"Orientierende Untersuchung" vom 26. Januar 1996 (B 5) und Bohrsondierungsplan
(B 6) verwiesen.
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Laut "Schadenseingrenzung" (Ziffer 7.1.5, S. 44) wurden "im Bereich der
Altablagerung (Schadensbereich 7) ... in dem ehemals abgelagerten Bauschutt,
Industrie- und Gewerbematerialien ein Schadstoffgemisch aus
Mineralölkohlenwasserstoffen, Phenolen, polyzyklischen aromatischen
Kohlenwasserstoffen (PAK), Schwermetallen (Blei, Kadmium, Kupfer, Nickel, Zink)
und Arsen mit zum Teil sanierungsrelevanten Konzentrationen nachgewiesen". In
der "Machbarkeitsstudie" wurden je nach Nutzungsart unterschiedliche
Sanierungsmaßnahmen und Sanierungskosten ermittelt, für den Fall einer
"Totalsanierung der Altdeponie (Bodenaustausch)" Sanierungskosten bis zu 25
Mio. DM (K 5, S. 23 ff.). Insgesamt empfahlen die Ingenieure "im Bebauungsplan
den Bereich der Altdeponie nicht für eine Gewerbe- oder Wohnnutzung, sondern
(nach Umgestaltung) als Parkanlage auszuweisen" (a. a. O. S. 30).
Sanierungsmaßnahmen führten die Kläger und die Beklagte bisher ebenso wenig
durch, wie an die Kläger behördlich näher herangetreten worden wäre. Insoweit hat
der Landrat des Kreises … - Fachdienst Umwelt - in einem Schreiben an die
Beklagte vom 31. Oktober 2000 (B 7) - bestätigt durch ein weiteres Schreiben vom
29. April 2004 (B 10, Bd. I, Bl. 130 f. d.A.) - ausgeführt:
"Wie aus den Gutachten des Büros E und D hervorgeht, befinden sich im
Deponiekörper umweltrelevante Kontaminationen an MKW, Phenole, PAK, Arsen,
Cadmium, Kupfer und Zink. Im Stauwasser, welches nicht flächenhaft ausgebildet
ist, sind LCKW, MKW und Zink ebenfalls in umweltrelevanten Konzentrationen
nachgewiesen worden. Zur Beurteilung, ob von o. g. Kontaminationen, welche für
eine Altablagerung nicht ungewöhnlich sind, tatsächlich eine Gefahr für die
Schutzgüter Wasser, Boden, Mensch ausgeht, wurden weitergehende
Untersuchungen durchgeführt. ...
Aufgrund der heutigen bestehenden Nutzung auf dem Areal der ehemaligen
Deponie ist z. Zt. kein weiterer Handlungsbedarf als eine regelmäßige
Überwachung der Grundwasserbeschaffenheit und der Raumluftmessung
gegeben.
Eine Anordnung zur Sicherung bzw. Sanierung der Altablagerung ist bisher an
keinen der bodenschutzrechtlichen Verantwortlichen ergangen, da nach den
vorliegenden Untersuchungsergebnissen von der Altablagerung keine akute
Gefährdung für das Grundwasser, für Personen oder die Allgemeinheit ausgeht.
Eine weitere Beobachtung der Altablagerungen im Rahmen von Grundwasser- und
Gasmessungen ist jedoch erforderlich, um eine ggf. spätere
Schadstoffausbreitung rechtzeitig zu erfassen und entsprechende
Sanierungsmaßnahmen einleiten zu können. Diese Überwachungsmaßnahmen
wurden bisher von der Stadt …. beauftragt bzw. durchgeführt.
Wie auch schon öfter dem Investor über die von ihm beauftragte Firma P (siehe
Anlagen) mitgeteilt wurde, läge der Sachverhalt anders, wenn die Fläche der
Altablagerung einer anderen Nutzung zugeführt werden soll. Hier sind dann die
Maßstäbe des/der BBodSchG/BBodSchV anzulegen entsprechend der Ausweisung
als Wohn- oder Gewerbegebiet. In solch einem Fall ist eine Sanierung z. B. durch
Auskofferung des Deponiekörpers erforderlich."
Nach Zuleitung des Klagentwurfs mit Klägerschreiben vom 22. Mai 2000 nahm die
Beklagte zunächst inhaltlich nicht Stellung (K 6). Nach Klagerhebung am 5.
Oktober 2000 wurde im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen mit Beschluss vom
22. Juni 2001 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Kläger haben das
Verfahren im November 2003 wieder aufgenommen.
Die Kläger haben ihr Feststellungsbegehren erstinstanzlich damit begründet, dass
unter Zugrundelegung der durchgeführten Untersuchungen und ggf. ergänzender
Vernehmung eines instruierten Vertreters der Ingenieure E und D die
Sanierungsverantwortlichkeit der Beklagten als Handlungsstörerin feststehe und -
ihr Grundstück habe ein Flächenanteil von ca. 40 % am Gebiet der Altdeponie - sie
mit 10 Mio. DM Sanierungskosten für eine uneingeschränkte Wohnnutzung des
Gebiets rechnen müssten, die Beklagte aber sich ihnen gegenüber nicht zur
Übernahme der Sanierungskosten bereit erklärt, sondern im Zuge der
Vorarbeitung zur Bauleitplanung von ihnen wiederholt eine Übernahme der
Sanierungskosten erfordert habe. Für die Feststellungsklage sei - so die
klägerische Auffassung - nicht Voraussetzung, dass bereits behördliche
Maßnahmen ergriffen worden seien.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich vor allem eine Ursächlichkeit der
Deponieablagerungen für die in diesem Bereich festgestellten Kontaminationen
bestritten. Angesichts der diversen Lagerungen von Öl u. ä auf dem übrigen
Industriegelände müsse von einem Eintrag von dort auch in den Deponiebereich
ausgegangen werden. Zudem stehe die Sanierungsnotwendigkeit auf Grund der
bisherigen Gutachten keinesfalls fest. Im Übrigen müssten die Kläger sich
zurechnen lassen, dass sie auf jegliche Gewährleistungsrechte in dem Kaufvertrag
vom 24. März 1991 verzichtet hätten. Auch hat die Beklagte sich auf die Einrede
der Verjährung berufen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen wird,
hat die Feststellungsklage zwar für zulässig erachtet, aber als unbegründet
abgewiesen. Zweifelhaft sei bereits, ob § 24 Abs. 2 BBodSchG auf den
vorliegenden Altfall anwendbar sei oder ob es nicht bei Anwendung zu einer
verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung komme. Weiter sei zweifelhaft, ob
alle Verunreinigungen auf der Deponie dem Deponiebetrieb der Beklagten
zuzurechnen seien. Als Verursacher einer Altlast oder Handlungsstörer sei nicht
nur derjenige anzusehen, welcher die Deponieeinlagerung vornehme, sondern
auch der Grundstückseigentümer, der dies gestattet habe. Könnten folglich die
Kläger schon deshalb nicht als Zustandsstörer von der Beklagten als
Handlungsstörerin den gesamten Sanierungsbetrag erfordern, so hafte diese den
Klägern außerdem wegen des Vorrangs einer vertraglichen Vereinbarung nicht.
Eine derartige Vereinbarung sei aber der Vermüllungsvertrag zwischen der
Beklagten und dem damaligen Grundstückseigentümer, da dieser von der
Beklagten seinerzeit Geld dafür bekommen habe, dass sich die Stadt … des Mülls
dort endgültig habe entledigen können. An dieser Vereinbarung seien die Kläger
zwar nicht beteiligt gewesen, gleichwohl hätten sie in ihrem mit den I-Werken als
Voreigentümerin geschlossenen Vertrag sämtliche Pflichten für Maßnahmen nach
dem Bundesbodenschutzgesetz übernommen. Auf Grund entsprechender
Anwendung der Regelungen über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis müsse der
Anspruch eines Gesamtschuldners gegen einen anderen Gesamtschuldner jedoch
dann gekürzt werden, wenn der Gläubiger mit einem anderen Gesamtschuldner
eine Vereinbarung getroffen habe, die diesen von der Haftung für
Sanierungskosten freistelle. Da aber im Verhältnis zwischen der Beklagten und
dem I-Werk diese ursprünglich allein die Kosten der Sanierung zu tragen gehabt
hätten, könne den Klägern gegen die Beklagte ein Anspruch nicht zustehen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und diese
nachfolgend form- und fristgerecht wie folgt begründet:
- Klarzustellen sei zunächst, dass eine für die Nutzung als gemischte Wohn- und
Gewerbenutzungsfläche erforderliche Sanierung allein hinsichtlich der Flurstücke
13/8 und 13/10 begehrt werde, da im Wesentlichen diese Flurstücke den
Schadensbereich 7 bildeten und der Kontaminierungsgrad der Flurstücke 13/9 und
13/11 - welche einen schmalen Uferstreifen an dem Fluss M bildeten - ohnehin
nicht eindeutig feststehe.
- Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne es keinesfalls einem
ernsthaften Zweifel unterliegen, dass die Hausmülldeponie (Schadensbereich 7)
im Wesentlichen durch die Einbringung von Deponieabfällen kontaminiert worden
sei. Aber auch in Ansehung der von der Beklagten im Berufungsrechtszug
vorgelegten Unterlagen über eigene Schuttablagerungen der R-GmbH - so das
Schreiben des Ordnungsamtes der Beklagten vom 13. Juni 1966 (BV 13) und der
vorangegangene Aktenvermerk (BV 14) - ergebe sich nichts anderes, sei doch in
diesen Unterlagen nur von Papierabfällen die Rede und könne doch den von der
Beklagten eingereichten Fotografien (BV 10 -12) für die Jahre 1954, 1958/1959 und
heute in Relation zu den vorhandenen Baulichkeiten Müllablagerungen und eine
„Müllkante“ entnommen werden, die nichts mit den seinerzeitigen
Werksaktivitäten zu tun gehabt hätten. Auch hätte die R-GmbH Müllablagerungen
erst ab 1964 vorgenommen. Zudem rührten die feststellbaren Verunreinigungen
allein von der Hausmülldeponie her.
- Keinesfalls habe zudem das Landgericht einen Hausmüllverfüllungsvertrag der
Entscheidung zugrunde legen dürfen, ohne diesen überhaupt zu kennen. Ohnehin
dürfe entgegen der Auffassung des Landgerichts aus diesem nichts zu Gunsten
der Beklagten hergeleitet werden. Denn dieser Vertrag sei weder mit ihnen - den
Klägern - geschlossen worden, noch mit der Voreigentümerin I-GmBH/ R-GmbH
selbst. Ebenso seien sie selbst nicht am Vertrag der R-GmbH mit B (BV 5) beteiligt
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selbst. Ebenso seien sie selbst nicht am Vertrag der R-GmbH mit B (BV 5) beteiligt
gewesen, dem allerdings ohnehin keine Freistellung der Beklagten von
Haftungsrisiken zu entnehmen sei. Aber auch ihr eigener Kaufvertrag mit der I-
GmbH regele das Altlasten-Risiko nur hinsichtlich der Kontaminierungen aus der
industriellen Nutzung des I-Geländes, aber nicht darüber hinaus, etwa hinsichtlich
der den Beteiligten seinerzeit unbekannten Altlasten aus Deponienutzungen.
Allerdings komme dem nunmehr vorgelegten Hausmüllverfüllungsvertrag mit der
Firma E vom 14. August 1959 (BV 2) insoweit indizielle Wirkung zu, als die Beklagte
sich auch auf dessen Grundlage ausweislich des nunmehr von ihr selbst
vorgelegten Aktenvermerks vom 16. Mai 1962 (BV 30 b) bereits seinerzeit zur
Beseitigung des angefahrenen Mülls nach Schließung des Müllplatzes verpflichtet
gesehen habe.
- Keinesfalls habe die Belegenheit der früheren Hausmülldeponie bei der
Kaufpreisgestaltung eine Rolle gespielt, dies auch deshalb nicht, weil die
Geschäftsführung der I-Werke vom Betrieb der Hausmülldeponie nichts gewusst
habe. Die Wertangaben im Bewertungsgutachten T (K 16, Bl. 144 ff d-A.) seien
überhöht, habe dieses Gutachten als von Verkäuferseite in Auftrag gegebenes
Gutachten doch den Kaufpreis in die Höhe treiben sollen. Auch habe die
Mülldeponie bei der Erstellung des Gutachtens T keine Rolle gespielt. Dass der
Kaufpreis dann doch geringer ausgefallen sei, liege am schnellen
Abwicklungsinteresse der amerikanischen Muttergesellschaft der I-GmbH, sei doch
das Grundstück „gegen Gebot“ angeboten worden.
- Schließlich habe die Beklagte seit mehr als 10 Jahren auf dem im Kerngebiet der
Stadt … belegenen Grundstück eine Wohnbebauung durchführen wollen,
demzufolge die als Anlage K 15 (Bd. I, Bl. 143 d.A.) vorgelegte Planung zwischen
den Parteien abgestimmt gewesen sei und die Planung nicht am mangelnden
Planungswillen der Beklagten, sondern an deren finanziellen Forderungen
gegenüber den Investoren gescheitert sei.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche Kosten,
die diesen im Zusammenhang mit einer nach den Vorschriften des
Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) erforderlichen Sanierung ihrer
nachfolgend bezeichneten Grundstücke zu erstatten oder die Kläger von diesen
Kosten frei zu halten, und zwar soweit es um die ehemalige Hausmülldeponie der
Beklagten geht und soweit die Sanierung erforderlich ist, um eine gemischte
Wohn- und Gewerbenutzung zu ermöglichen:
1. Grundbuch von … Blatt 10079, Gemarkung …, Flur 5, Flurstück 13/8,
2. Grundbuch von … Blatt 10098, Gemarkung …, Flur 5, Flurstück 13/10.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil in seinem Ergebnis und vertieft
ihr bisheriges Vorbringen wie folgt:
- Festzuhalten sei zunächst, dass die Kläger ursprünglich auch Feststellungen
hinsichtlich der Flurstücke 13/9 und 13/11 begehrt hätten und insoweit eine
Teilklagrücknahme vorliege.
- Der nunmehr als Anlage BV 2 vorgelegte Hausmüllverfüllungsvertrag vom 14.
August mit der Firma E sei für die streitgegenständlichen Flurstücke 13/8 und
13/10 unerheblich. Aus dem notariellen Kaufvertrag zwischen B und der R-GmbH
vom 23. Juni 1958 (BV 5) einerseits und dem Schriftwechsel B’s mit ihr - der
Beklagten - vom 12./16. Mai 1958 (BV 7/BV 8) andererseits ergebe sich jedoch,
dass der Voreigentümer B die Stadtwerke …. geradezu um weitere Auffüllungen
gebeten habe. Später habe dann die R-GmbH selbst Schutt abgelagert - also die
Deponie selbst betrieben -, ohne im Besitz einer Genehmigung auf der Grundlage
der seinerzeit noch gültigen „Polizeiverordnung betr. das Abladen von Müll, Schutt
und Gerümpel“ vom 7. Januar 1937 (BV 34) zu sein, was zu ordnungsbehördlichem
Vorgehen - dokumentiert in einem Schreiben vom 13. Juni 1966 (BV 13) und in
Einsatzvermerken vom 10. September und 16. Oktober 1964 (BV 21) - und u.a. zu
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Einsatzvermerken vom 10. September und 16. Oktober 1964 (BV 21) - und u.a. zu
einer Entschuldigung der R-GmbH vom 1. Juli 1966 für einen Brand „auf unserem
Schuttplatz“ (BV 15) geführt habe. Die Müllablagerung auf dem R-/I-Gelände
einschließlich des nicht durchgeführten Baus einer Müllverbrennungsanlage und
der Einebnung/Räumung des Müllplatzes sei aber auch nachgängig ein Thema
gewesen - dies ergebe sich aus diversen im Berufungsrechtszug vorgelegten
Aktenstücken BV 15 - 30 , was zeige, dass die früheren Grundstückseigentümer B
und R-GmbH zunächst mit der Müllablagerung einverstanden gewesen seien und
dass die R-GmbH/I-GmbH diese sodann später auch selbst organisiert habe. Im
Übrigen habe annehmbar nicht nur sie, die Beklagte, sondern - wie einem
Schreiben des Bauamtes an den Magistrat vom 17. November 1961 (BV 30 c)
entnommen werden müsse - auch etwa die … Müllabfuhr auf dem Gelände Müll
abgelagert.
- Was die Situation bei Vertragsschluss der Kläger mit den ILO-Motorenwerke
GmbH anbelange, habe der Kläger X sich Anfang 1991 in Begleitung durch den
Liquidator der I-Werke K bei dem städtischen Mitarbeiter S über den Betrieb der
städtischen Mülldeponie unterrichtet und hierbei Akteneinsicht - u. auch in die
Mülldeponieerfassungskarte (BV 34, Bl. 424 d.A.) - genommen. Dies habe der
Zeuge K auch später gegenüber dem Mitarbeiter St der Beklagten erklärt. Weiter
könne der eingeschaltete Makler L - insoweit berufen sich die Kläger
gegenbeweislich auf das Zeugnis des Zeugen K - bestätigen, dass dieser
Deponiebetrieb der Grund für die Kaufpreisermäßigung im Verhältnis zu dem
Wertgutachten T gewesen sei, wobei auch der Verkehrswert in diesem Gutachten
eher zu niedrig angesetzt worden sei. Dieser Deponiebetrieb sei auch der
Hintergrund für die Altlastenfreistellungsklausel im Kaufvertrag gewesen, was auch
dem Zeugen St gegenüber erklärt worden sei.
- Im Übrigen könne aus den vorliegenden und vor Inkrafttreten des BBodSchG
getätigten Untersuchungen nichts für die heute gültigen Grenzwerte abgeleitet
werden. Die bisher festgestellte Cadmium-Belastung entfalle zudem auf das
Flurstück 13/16, die festgestellte Arsen-Belastung zwar noch auf das Flurstück
13/10, sei aber - wie dem Bohrsondierungsplan B 6 zu entnehmen sei - weit
außerhalb der Hausmüllablagerungsfläche in unmittelbarer Nähe zum allein durch
die I-Werke kontaminierten Schadensbereich 6 festgestellt worden. Auch müssten
die Kläger sich die Haftungsfreistellungserklärungen ihrer Rechtsvorgänger im
Eigentum ebenso zurechnen lassen wie den Umstand, dass sie in voller Kenntnis
ein kontaminiertes Grundstück erworben hätten.
- Ungeachtet dessen habe sich eine Sanierung aber ausschließlich an den sich aus
einer bauplanungsrechtlich zulässigen Nutzung ergebenden Anforderungen
auszurichten. Derzeit sei das fragliche Gelände indes allein nach § 34 BauGB zu
beurteilen, wobei die jahrzehntelange gewerbliche Nutzung prägend sei. Eine
Wohnbebauung sei folglich zur Zeit nicht zulässig; auf eine entsprechende
Planaufstellung hätten die Kläger keinen Anspruch. Ohnehin bestehe bei Fortdauer
des derzeitigen Zustands nur Beobachtungs-, aber kein Sanierungsbedarf. Schon
deshalb müsse der Feststellungsantrag auch bereits unzulässig sein. Dasselbe
folge daraus, dass eine Inanspruchnahme der Kläger als reine Zustandstörer in
jedem Fall rechtswidrig sein würde.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze und die jeweils beigefügten Anlagen.
Der Senat hat die Zeugen S, K, L und E gemäß Beweisbeschluss vom 1.
September 2005 gehört. Hinsichtlich dieses Beschlusses und der Aussagen der
Zeugen wird auf das Sitzungsprotokoll von diesem Tag Bl. 477 bis 495 d.A. Bezug
genommen.
Der Senat hat sodann aufgrund der Beschlüsse vom 29. September 2005 (Bl. 537
bis 540 d.A.) und 21. Dezember 2005 (Bl. 569 d.A.) Beweis erhoben durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten des
Sachverständigen Dr. W vom 21. Mai 2007 (Anlagenband) wird Bezug genommen.
Der Sachverständige ist ergänzend zu Protokoll vom 22. November 2007 gehört
worden (Bl. 630 bis 633 d.A.).
II.
Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg.
Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Feststellung einer
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Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Feststellung einer
Verpflichtung der Beklagten zur Freihaltung wegen etwa erforderlicher Sanierung
der ehemaligen Hausmülldeponie ist in den sich aus dem Tenor ergebenden
Grenzen aus § 24 Abs. 1 und 2 Bundesbodenschutzgesetz begründet. Nach dieser
Norm haben mehrere Verpflichtete untereinander unabhängig von ihrer
Heranziehung einen Ausgleichsanspruch. Verpflichtung zum Ausgleich sowie der
Umfang des zu leistenden Ausgleichs hängen - soweit nichts anderes vereinbart
wird - davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen
oder anderen Teil verursacht worden ist.
1. Die Feststellungsklage, für die die Zivilgerichte gemäß § 24 Abs. 2 Satz 5
Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) zuständig sind, ist zulässig im Sinne des §
256 ZPO. Es fehlt nicht an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.
Die Beklagte bestreitet schon jetzt eine Ausgleichspflicht im Verhältnis zu den
Klägern, ohne dass diese mangels bisher durchgeführter Sanierungsmaßnahmen
schon Leistungsklage erheben könnten. Andererseits setzt die in diesem
Rechtsstreit noch näher zu thematisierende Ausgleichspflicht zwischen mehreren
Sanierungspflichtigen nach § 24 Abs. 2 BBodSchG als solche weder die
Durchführung von Sanierungsmaßnahmen, noch die explizite behördliche
Heranziehung eines Sanierungspflichtigen voraus (OLG Bremen, Urteil vom
23.3.2007, 5 U 44/06, bei Juris RdNr. 25 mwN; Wagner, BB 2000, 417, 421; Frenz
DB 2000, 2461, 2462; derselbe NVwZ 2000, 647, 648; Schönfeld NVwZ 2000, 648,
649 f.; Sondermann/Henke in Versteyl/Sondermann, BBodSchG § 24 Rn. 22;
Dombert in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BBodSchG § 24 Rn. 21 ff; a.A.
allerdings Knoche, NVwZ 1999, 1198, 1199 f.). Für diese Sicht streiten sowohl der
Wortlaut als auch die auf ein frühzeitiges kooperatives Verhalten aller denkbaren
Sanierungsbeteiligten hinwirkende Zielsetzung der Vorschrift. Ob eine Eingrenzung
dahin notwendig ist, dass eine Inanspruchnahme des Anspruchstellers durch die
Behörde wahrscheinlich sein müsse (in diese Richtung etwa Dombert a. a. O., Rn.
28 f.; Wagner, ZfIR 2003, 841, 843 f. und bereits Schlette, VerwArch 2000, 41, 70
ff.), braucht nicht entschieden zu werden. Denn daran fehlt es im vorliegenden Fall
nicht. Der Landrat des Kreises … als zuständige Umwelt- und
Gefahrenabwehrbehörde hält nämlich ausweislich der Schreiben vom 31. Oktober
2000 (B 7) und vom 29. April 2004 (B 10, Bd. I, Bl. 130 f d.A.) ersichtlich
Maßnahmen für erforderlich "wenn die Fläche der Altablagerung einer anderen
Nutzung zugeführt werden soll" (Schreiben vom 31. Oktober 2000 a. a. O.). Zwar
ist eine derartige Nutzungsänderung mangels von der Beklagten bisher
aufgestellter Bauleitplanung noch nicht erfolgt. Das steht hier aber dennoch der
erforderlichen Konkretheit und Gegenwärtigkeit des festzustellenden
Rechtsverhältnisses nicht entgegen, weil die Beklagte entsprechend dem
Grundsatzbeschluss ihres Hauptausschusses vom 28. April 1999 (K 13, Bd. I, Bl.
103 d.A.) die Überplanung des I-Geländes zum Zwecke einer gemischten Wohn-,
Gewerbe- und Dienstleistungsnutzung immerhin anstrebt und entsprechende
planerische Vorarbeiten veranlasst hat (K 10, Bd. I, Bl. 72 ff. d.A.).
Dementsprechend haben die Parteien auch unstreitig gerade über die Möglichkeit
einer - wie es die Kläger nunmehr in ihrem Klagantrag präzisieren -"gemischten
Wohn- und Gewerbenutzung" verhandelt. Gerade für diesen Fall wird sich aber
unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags mit größter Wahrscheinlichkeit
das Sanierungsbedürfnis einstellen.
Anderes folgt auch nicht etwa daraus, dass derzeit auf der streitgegenständlichen
Fläche als unbeplantem Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 und 2 BauGB allenfalls
eine dem Betrieb der I-Werke vergleichbare gewerblich-industrielle Nutzung
zulässig sein dürfte und die Beklagte ein Mehr an zulässiger Nutzung erst durch
Überplanung schaffen müsste, auf welche die Kläger keinen Individualanspruch
haben (vgl. § 2 Abs. 3 BauGB; auch drittbezogene Amtspflichten ihnen gegenüber
bestehen erst innerhalb des planerischen Abwägungsprozesses, vgl. BGH NJW
1984, 2516, 2519). Denn zum einen ist die Überplanung eine Bedingung, deren
Eintritt nicht völlig ungewiss ist, sondern von der Beklagten selbst hergestellt
werden kann und angesichts schon erfolgter Vorplanung auch mehr als eine bloße
Möglichkeit darstellt (vgl. insoweit ähnlich BGHZ 28, 225, 233 f.: Zulässigkeit der
Feststellung künftiger Schadensersatzpflicht eines Steinbruchbetreibers, wenn
vom die Ersatzpflicht auslösenden Weiterbetrieb des Steinbruchs auszugehen ist).
Zum anderen steht - insoweit weicht die Sachlage ab von der für unzulässig
gehaltenen Feststellung künftiger Erbberechtigung (BGHZ 37, 137, 144 f.) - die
Planaufstellung keinesfalls im völlig ungebundenem Ermessen einer Gemeinde.
Der Satz von der „kommunalen Planungshoheit“ bezieht sich lediglich auf die
Beschränkung der Aufsichtsmöglichkeiten auf die Mittel der Kommunalaufsicht. In
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Beschränkung der Aufsichtsmöglichkeiten auf die Mittel der Kommunalaufsicht. In
diesem Rahmen ist aber die Bindung der Beklagten an § 1 Abs. 3 BauGB „Die
Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ nicht nur objektiv
vorhanden, sondern nötigenfalls auch tatsächlich durchsetzbar. Dabei ist auch von
Bedeutung, dass die Beklagte mit ihrem Grundsatzbeschluss vom 28. April 1999
selbst die Planungserforderlichkeit bejaht hatte und das I-Gelände auch tatsächlich
eine der wenigen entwicklungsfähigen Reserveflächen im Innenstadtbereich von
Pinneberg darstellt.
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten, an einem
Feststellungsinteresse der Kläger fehle es deshalb, weil ihre etwaige
Inanspruchnahme als Zustandstörer rechtswidrig sein werde. Die etwaige
Rechtswidrigkeit einer Inanspruchnahme des Zustandsstörers ändert nichts daran,
dass die Behörde ihn zunächst einmal - vielleicht anfechtbar - in Anspruch nehmen
kann. Der Zustandsstörer kann (und muss ggf.) im Übrigen rechtmäßig in
Anspruch genommen werden, wenn ein Handlungsstörer zunächst nicht feststeht
oder allenfalls mit großem Aufwand ermittelt werden kann. Keinesfalls muss
nämlich die Behörde - die zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist - bei einer
gegenwärtigen Gefahr mit der Inanspruchnahme zuwarten, bis die
Verursachereigenschaft des Handlungsstörers aufwändig ermittelt worden ist. Da
die Verursachereigenschaft vorliegend im Streit steht, wäre somit eine
Inanspruchnahme der Kläger keineswegs rechtswidrig, so dass auch unter diesem
Aspekt ein Feststellungsinteresse der Kläger nicht zu verneinen ist.
Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2005 zu Protokoll
(Bl. 389 d.A.) erklärt „dass der Feststellungsantrag so zu verstehen sei, dass er
abhängig sei von einer Inanspruchnahme der Kläger durch die öffentliche Hand.“
Einer ausdrücklichen Einschränkung des Tenors bedarf es insoweit aber nicht, weil
aus dem doppelten Hinweis auf die Erforderlichkeit der Sanierung nach dem
Bundesbodenschutzgesetz und der Erforderlichkeit der Sanierung, um eine
gemischte Wohn- und Gewerbenutzung zu ermöglichen diese Zielrichtung des
Feststellungsantrags, dem der Senat stattgegeben hat, ausreichend deutlich wird.
2. Die Beklagte ist Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2
BBodSchG. Sie ist Sanierungsverpflichtete im Sinne dieser Norm und im Sinne von
§ 4 Abs. 3 BBodSchG, nämlich Verursacherin einer schädlichen Bodenveränderung
oder Altlast.
a) Die Inanspruchnahme der Beklagten als jedenfalls auch
Sanierungsverantwortliche im Sinne der §§ 4, 24 BBodSchG unterliegt keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar kommt dem Bundesbodenschutzgesetz insoweit eine (unechte) Rückwirkung
zu, als seiner Begrifflichkeit ("Altlast") und den in den § 4 Abs. 5 und Abs. 6
BBodschG enthaltenen Regelungen (Sonderregelungen für vor dem 1. März 1999
geschehene Vorgänge) entnommen werden kann, dass es gerade auch bei
seinem Inkrafttreten bereits vorhandene Bodenbelastungen erfassen will. Doch hat
bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 102, 1 ff. = NJW 2000, 2573 ff.) die
Thematik nicht am Rückwirkungsverbot gemessen, sondern an der Frage der
zulässigen Sozialbindung des Eigentums. Insbesondere aber ist die Beklagte als
frühere Deponiebetreiberin keinesfalls lediglich Zustandsverantwortliche im Sinne
des § 4 Abs. 2 BBodSchG, sondern auch unmittelbar im Sinne des § 4 Abs. 3
BBodSchG Handlungsverantwortliche ("Verursacher").
Dass aber der Handlungsstörer zur Gefahrenbeseitigung als solcher in Anspruch
genommen werden kann, entspricht bereits schon von jeher den hergebrachten
Grundsätzen des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts und vermag von daher die
Beklagte nicht neu zu belasten. Dies gilt auch, soweit das eigentliche Novum des §
24 Abs. 2 BBodSchG - nämlich die gesetzliche Regelung eines internen Ausgleichs
unter den nach öffentlichem Recht zur Sanierung verpflichteten
Sanierungsverantwortlichen, was noch von BGH NJW 1981, 2457, 2458
ausdrücklich abgelehnt worden war - selbst dann im Ergebnis zu einer
Inanspruchnahme der Beklagten führen kann, wenn zuvor behördlicherseits nicht
die Beklagte, sondern die Kläger als Zustandsverantwortliche in Anspruch
genommen worden wären. Denn hiermit bezweckt § 24 Abs. 2 BBodSchG lediglich
die Korrektur des behördlicherseits allein unter Effektivitätsgesichtspunkten
ausgeübten Auswahlermessens bei der Inanspruchnahme mehrerer Störer.
b) Eine etwaige Genehmigung der von der Beklagten vorgenommenen
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b) Eine etwaige Genehmigung der von der Beklagten vorgenommenen
Müllablagerung in den Jahren 1958 bis 1962 oder auch nur eine
Genehmigungsfähigkeit ändert an der Sanierungspflichtigkeit der Beklagten als
Handlungsstörerin nach dem BBodSchG nichts.
Ohnehin wird eine sog. Legalisierungswirkung einer etwaigen öffentlich-rechtlichen
Genehmigungserteilung noch nicht aus einer bloßen behördlichen Duldung oder
Untätigkeit abgeleitet werden können (VGH Mannheim NVwZ-RR 1996, 387, 389)
und auch im Übrigen nur dann anzunehmen sein, wenn die Genehmigung ihrem
Inhalt nach das realisierte Risiko überhaupt thematisieren konnte (vgl. BVerwGE
55, 118, 121 ff.). Daran aber fehlt es hier. Auf der Grundlage der von der Beklagten
beigebrachten Rechtsquellen könnte frühestens seit Geltung der Müllplatz-
Verordnung vom 27. Januar 1967 (BV 33; GVObl. Schl.-H, 1967, 47) von einer im
Genehmigungsverfahren annähernd erfolgten Thematisierung von
Umweltbelangen ausgegangen werden (arg. §§ 2, 4 MüllplatzVO). Muss für den
hier maßgeblichen Zeitraum der Hausmülleinbringung - bis 1962 - durch die
Beklagte aber deren Vortrag zufolge noch von der Geltung der Polizeiverordnung
betr. das Abladen von Müll, Schutt und Gerümpel vom 7. Januar 1937 (B V 34)
ausgegangen werden, so stellt diese Verordnung nur auf Aspekte der
Geruchsbelästigung, des Verwehens von Müll und der Ungezieferbekämpfung ab.
Einer etwaigen Genehmigung des Handelns der Beklagten auf dieser Grundlage
kann eine Legalisierungswirkung im Hinblick auf die nunmehr zu thematisierende
Schadstoffeinbringung ersichtlich nicht zukommen.
Das Bundesbodenschutzgesetz hat ohnehin die vor seinem Inkrafttreten geführte
"Legalisierungsdiskussion" (vgl. etwa Kniesel a. a. O., aber auch Papier, DVBl.
1985, 873 ff.) ebenso wenig berücksichtigt wie etwa seinerzeit erhobene
Forderungen nach einer zeitlichen Begrenzung einer polizeirechtlichen
Gefahrenhaftung (Ossenbühl, NVwZ 1995, 547 ff.: "Verzicht, Verwirkung und
Verjährung als Korrektive einer polizeilichen Ewigkeitshaftung"). Es schützt selbst
das Vertrauen auf die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen nur in der
Sondersituation des § 4 Abs. 5 BBodSchG (eingeschränkte Verpflichtung des
Eigentümers zur Beseitigung von "Neulasten" bei schutzwürdigem Vertrauen auf
seinerzeit eingehaltene gesetzliche Anforderungen; parallel ist der Verursacher
gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG aber weiter dafür verantwortlich, "so zu sanieren,
dass dauerhaft keine Gefahren ... entstehen"). Dahinter steht die Wertung des
Gesetzgebers, dass der Verursacher einer zeitlich weit zurückliegenden Altlast
bzw. dessen Rechtsnachfolger der Sanierungspflicht immer noch näher als die
Allgemeinheit der Steuerzahler steht (Frenz, BBodSchG § 4 Abs. 3, Rn. 182).
c) Es fehlt nicht an einer schädlichen, sanierungsbedürftigen Bodenveränderung,
wie sie § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG voraussetzt. Dafür ergaben sich bereits aus
den Ermittlungen und Stellungnahmen der Ingenieure E/D erhebliche
Anhaltspunkte. So findet sich in deren Gutachten „Schadenseingrenzung“ vom
10.9.1996 (Anlage K4) auf S. 63 f der zusammenfassende Hinweis, dass die
Altdeponie sanierungsrelevante Schadstoffkonzentrationen enthalte und von ihr
ein Gefährdungspotential ausgehe, weshalb ein Sicherungs-/Sanierungskonzept zu
entwickeln sei.
Weil die Beklagte die Sanierungsbedürftigkeit der streitgegenständlichen Flächen
dennoch bestritten hat und bisher eine Bewertung nach Maßgabe der §§ 8 f
BBodSchG sowie der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)
nicht vorlag, hat der Senat den Sachverständigen Dr. W beauftragt (Beweisfrage 1
des Beschlusses vom 29.9.2005). Dieser hat den Sanierungsbedarf insbes. auf der
Grundlage des „Pfades Boden-Mensch“ - also der Frage nach der Gefährdung des
Menschen durch oberflächennahe Kontaminationen - für jede Art künftiger
baulicher Nutzung jedenfalls dann bejaht, wenn es dabei zu baulichen Eingriffen in
den Deponiekörper komme. Das gelte für eine Wohnnutzung - für die eine
Sanierung mit vollständiger Entnahme der Deponiesubstrate notwendig würde -
aber auch für eine gewerbliche/industrielle Nutzung, selbst wenn es dabei nur zu
Baumaßnahmen mit einer ebenerdigen Sohlplatte kommen sollte. Insbesondere
wegen der erheblichen Belastung des Deponiesubstrats mit Arsen und PAK
bestehe auch bei einer nur gewerblichen Nutzung Sanierungsbedarf jedenfalls im
Bereich der durch die Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Flächen und ihrer
Nachbarschaft.
Die gemessenen Konzentrationen gerade bei den polyzyklischen aromatischen
Kohlenwasserstoffen (PAK) lagen zum Teil weit oberhalb der Prüfwerte. Sie sind -
wie Herr Dr. W auch bei seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat
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wie Herr Dr. W auch bei seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat
hervorgehoben hat - der eigentliche, schwerpunktmäßige Grund für den
Sanierungsbedarf, der entsteht, wenn dieses Material etwa bei Baumaßnahmen in
die Nähe der Bodenoberfläche gelangt. Im Einzelnen hat der Gutachter seine
Ergebnisse der Schadstoffanalytik des Bodens im Untersuchungsgebiet - nämlich
den Flurstücken 13/8 und 13/10 - in der Anlage 16 zu seinem Gutachten und die
Ergebnisse der Schadstoffanalytik des Stauwassers im Untersuchungsgebiet in der
Anlage 18 dargestellt und dort farblich hervorgehoben, in welchen Bereichen die
Prüfwerte nach der BBodSchV überschritten werden.
Insoweit ist am Rande darauf hinzuweisen, dass das Bundesbodenschutzgesetz
zwar in § 2 Abs. 1 das Grundwasser aus dem Begriff des Bodens herausnimmt.
Dennoch bezieht sich gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG die
Sanierungsverantwortlichkeit auch auf die der Bodenverunreinigung nachfolgenden
Gewässerverunreinigungen - insbesondere auch des Grundwasserleiters - und sind
lediglich die Sanierungsanforderungen gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 BBodSchG dem
Wasserrecht zu entnehmen.
Es kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob eine
Sanierungsbedürftigkeit auch dann bereits aktuell oder in Zukunft besteht, wenn
im Untersuchungsgebiet keine Veränderungen vorgenommen werden und in die
Altablagerung nicht eingegriffen wird. Diese Frage hatte der Sachverständige nach
dem Beweisbeschluss des Senats nicht zu untersuchen, weshalb er dazu - wie er
bei seiner ergänzenden Anhörung in der mündlichen Verhandlung deutlich
gemacht hat - keine Angaben machen kann. Denn der zulässige
Feststellungsantrag der Kläger betrifft die Sanierungsnotwendigkeit bei
Ermöglichung einer gemischten Wohn- und Gewerbenutzung und die insoweit
bestehende Ausgleichspflicht der Beklagten. Der Sachverständige hatte mithin
davon auszugehen, dass es zu Bodenbewegungen und Eingriffen in die
Altablagerung kommt und dabei diese Schichten oberflächennah werden können.
Die grundsätzliche Sanierungsbedürftigkeit im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1
Bundesbodenschutzgesetz unter diesen Vorgaben ist nach den überzeugenden
Feststellungen des Sachverständigen gegeben, gegen die durchgreifende
Einwendungen seitens der Beklagten auch nicht erhoben werden.
d) Die Beklagte ist Verursacherin - also Handlungsstörerin im ordnungsrechtlichen
Sinne - dieser schädlichen Bodenveränderungen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 bzw. 24
Abs. 2 BBodSchG.
Sie hat bei dem damaligen Eigentümer der fraglichen Flurstücke, Herrn B, mit
Scheiben vom 12.5.1958 Anlage BV 7 (Bd. II der Akten) angefragt,
“. Im Antwortschreiben vom
16.5.1958, Anlage BV 8, hat Herr B ausgeführt, dass auch der bisher schon
aufgefüllte Müllplatz (westlich der Flurstücke 13/8 und 13/10) zu seinem
Grundstück gehöre und es sich deshalb nur darum handele, „
“. Auf dieser Grundlage ist
zweitinstanzlich nicht mehr streitig, dass die Beklagte dort tatsächlich zwischen
1958 und 1962 Müll abgelagert hat.
Dieser Befund entsprach auch bereits der Feststellung der Gutachter E/D in ihrer
„Schadenseingrenzung“ vom 10.9.1996, Anlage K 4, wo S. 14 f ausgeführt wird,
dass es in dem Schadensbereich 7 Altdeponie (vgl. zur Lage des
Schadensbereiches die Anlage 3 zum Sachverständigengutachten Dr. W)
unterhalb der Oberflächenbefestigung „
gebe, in der u. a. Anteile wie Beton- und
Ziegelsteinbruch, Holz, Plastikreste, Aluminium, Schlacke, Metallspäne,
Metalldraht, Glas, Zellulose und Bitumen sowie auch mineralisierter Müll (Industrie-
, Gewerbeabfälle und Hausmüll) angetroffen worden seien.
Auch der Sachverständige Dr. W hat Bl. 23 des Gutachtens in dem von ihm
untersuchten Gebiet eine Schicht mit Industrie- und Gewerbeabfällen sowie
Hausmüll und entsprechend diesem Befund mineralisierten Abfall aufgefunden.
Unter Berücksichtigung der dort festgestellten Substrate und
Schadstoffbelastungen ist er insgesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass sich
der Befund
bewege.
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Bei der Frage, ob die Bodenverunreinigungen von der Beklagten als
Handlungsstörerin verursacht worden sind - Voraussetzung für einen
Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG - kommen den Klägern als
Grundstückseigentümer nach der grundlegenden Entscheidung des BGH in NJW-RR
2004, 1243, 1247 Beweiserleichterungen insoweit zugute, als sie sich zunächst auf
eine analoge Anwendung der Ursachenvermutung aus den §§ 6, 7
Umwelthaftungsgesetz stützen können. Nach § 6 Abs. 1 UmweltHG wird vermutet,
dass der Schaden durch eine Anlage verursacht worden ist, wenn die Anlage zur
Schadensverursachung nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist.
Dann aber ist die Beklagte unter Berücksichtigung der vorstehend geschilderten
Umstände und der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens Verursacherin im
Sinne der §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 24 Abs. 2 BBodSchG. Aus den Ausführungen des
Sachverständigen Dr. W ergibt sich, dass von einer Mülldeponie, wie sie die
Beklagte jedenfalls von 1958 bis 1962 im vorliegenden Gebiet betrieben hat,
typischerweise derartige Belastungen ausgehen, wie sie nunmehr tatsächlich
vorgefunden worden sind. Eine solche Deponie ist also auch nach den
Gegebenheiten des hier vorliegenden Einzelfalles im Sinne von § 6 Abs. 1
UmweltHG geeignet, den entstandenen Schaden - nämlich die Kontamination des
Bodens sowie des Stauwassers und die dadurch hervorgerufene
Sanierungsbedürftigkeit - zu verursachen. Zugunsten der Kläger greift die
Vermutung, dass der Schaden auch durch diese Anlage verursacht worden ist.
Eine Ausnahme nach § 6 Abs. 2 und 3 UmweltHG liegt nicht vor, weil eingehaltene
besondere Betriebspflichten - etwa als Ergebnis verwaltungsrechtlicher
Rechtsvorschriften - nicht aufgezeigt worden sind.
e) Allerdings gilt nach § 7 Abs. 1 UmweltHG die Vermutung aus § 6 nicht, wenn
mehrere Anlagen geeignet sind, den Schaden zu verursachen und zugleich nach
den Gegebenheiten des Einzelfalles ein anderer Umstand geeignet ist, den
Schaden zu verursachen. Diese Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.
(1) Die Untersuchungen von Prof. E/D auf dem Gelände der I-Werke haben
außerhalb der Altdeponie verschiedene Bereiche mit erheblichen
Bodenverunreinigungen ergeben, die von Art und Substanz her deutlich auf den
Betrieb der Motorenfabrik (Montage von Motoren und Kompressoren verbunden
mit dem Betrieb einer Gießerei und einer Lackiererei) hinweisen. Diese räumlich
getrennten Schadensbereiche (alte Betriebstankstelle, Heizzentrale,
Motorenprüfstand, Öltanks, Trafostation) hat der Sachverständige Dr. W in der
Anlage 3 seines Gutachtens dargestellt. Es kann aber ausgeschlossen werden,
dass diese Bodenverunreinigungen als anderer Umstand geeignet sind, die
Sanierungsbedürftigkeit auf der streitgegenständlichen Fläche hervorzurufen.
Bereits die Untersuchungen von Prof. E/D haben keinen Hinweis auf eine Migration
dieser Verunreinigungen - etwa über das Stauwasser - in die Fläche der
Altmülldeponie ergeben. Der Sachverständige Dr. W hat seinerseits aufgezeigt,
dass ein Diffundieren der Schadstoffe aus den genannten anderen
Verschmutzungsbereichen auf Grund der hydrobiologischen Situation,
insbesondere auch der Fließrichtung des Stauwassers, auszuschließen sei. Auch
spiegeln sich die typischen Verunreinigungen durch das Motorenwerk in den
genannten verunreinigten Gebieten nicht in der spezifischen Verunreinigung der
Altmülldeponiefläche wieder. Denn dort liegen die Befunde nur in einer
Spannweite, wie man sie in einer nach damaligen Stand betriebenen
Hausmülldeponie erwarten kann.
(2) Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgebracht, die R-GmbH als Inhaberin
der I-Werke habe später - nach den Auffüllungen durch die Beklagte - eine eigene
Deponie in räumlicher Nähe zur Altmülldeponie oder gar am gleichen Standort
betrieben und dort selbst Schutt abgelagert. Eine solche weitere, von den I-Werken
betriebene Anlage am gleichen Standort, gleichsam über der Ablagerung von
Hausmüll in den Jahren 1958-1962 durch die Beklagte, hat die Beweisaufnahme
aber nicht ergeben.
Dazu ist der Sachverständige Dr. W mit der Beweisfrage 3 des Beschlusses vom
29.9.2005 gefragt worden, ob die feststellbaren Belastungen typische Folge des
Betriebes einer Hausmülldeponie durch die Beklagte oder des Betriebes der I-
Werke auf den angrenzenden Flächen einschließlich dort betriebener Erdtanks und
Schuttablagerungen insbes. von Papierabfällen sei.
Hintergrund der Behauptung der Beklagten, dass die I-Werke jedenfalls in
räumlicher Nähe zu der „Hausmülldeponie“ eine eigene Deponie betrieben hätten,
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räumlicher Nähe zu der „Hausmülldeponie“ eine eigene Deponie betrieben hätten,
sind die Anlagen BV 13 ff zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2004, Bl. 290
ff. Danach gab es dort im Jahre 1966 Anwohnerbeschwerden wegen eines - so in
einem Schreiben des Ordnungsamts der Beklagten an die Firma R vom 13.6.1966,
BV 13 - auf dem Fabrikgelände hauptsächlich mit Papierabfällen betriebenen
Schuttabladeplatzes. Bereits in dem Vermerk des Ordnungsamtes vom 20.5.1966,
BV 14, heißt es, dass die Firma I-R das Fabrikgelände mit Abfällen auffülle, die
überwiegend aus Papier und Pappe bestehen und gelegentlich auch in Brand
geraten würden. Im Jahre 1971 meldete die Firma R der Ordnungsbehörde
allerdings, dass der betriebseigene Müllplatz jetzt nicht mehr vorhanden sei,
Anlage BV 19.
Die Kläger haben auf der Grundlage dieser Dokumente zwar eingeräumt, im
Bereich der Hausmülldeponie sei von den I-Werken Pappe und Papier verbrannt
und möglicherweise auch eine „Müll-Zwischenlagerung“ vorgenommen worden,
diese Zwischenlagerung und die Spuren der Müllverbrennung seien aber auf
Anordnung der Beklagten später beseitigt worden. Zudem habe dies alles nicht im
Entferntesten die Dimensionen der Hausmüllablagerungen durch die Beklagte
erreicht (Bl. 368 d. A.).
Die Untersuchungen des Sachverständigen Dr. W haben keinen Anhaltspunkt
dafür geben, dass die I-Werke bzw. die Firma R mit Auswirkungen für die heute
vorhandene Bodenbelastung gleichsam ihren eigenen Müllplatz - eine eigene
„Anlage“ im Sinne von § 7 I UmweltHG - am selben Ort oder in unmittelbarer
räumlicher Nähe (mit der Folge, dass Schadstoffe von dort auch in den Bereich der
Altmülldeponie eingedrungen sind) betrieben haben. Die typische
Zusammensetzung der betriebseigenen Abfälle der Firma I-R ergibt sich aus deren
Bauantrag für eine Müllverbrennungsanlage vom 7.6.1967, BV 25. Danach sollte
das Verbrennungsgut aus 40 % Kartonage, 30 % Papier, 10 % Holz und Holzwolle,
10 % PVC-haltigen Kunststoffe sowie 10 % diversen Materialien bestehen. Wäre
zuvor im fraglichen Bereich eine eigene Deponie betrieben worden, hätte also in
durchaus umfangreichem Maße Kartonage und Papier bzw. das Verbrennungsgut
einschl. entsprechender Schadstoffe aufgefunden werden müssen.
Das aber war nicht der Fall. Die chemische Analyse des Bodens - hier
insbesondere die PAK-Profile des Bodens aus den 13 verschiedenen Proben, die
der Gutachter Dr.W genommen hat - hätten Hinweise auf eine in der Umgebung
vorgenommene „unkontrollierte Verbrennung“ ergeben müssen. Solches hat sich
aber nur bei einer einzigen Probe am RKS 12 gezeigt (S. 29 des Gutachtens).
Obwohl also die I-Werke Papierabfälle abgelagert und auch verbrannt haben sollen,
sind entsprechende Profile nur in einer einzigen Probe aufgefunden und auch im
Übrigen keine massiven Papierlagen erbohrt worden (Zusammenfassung des
Gutachtens S. 55 und 58).
Es gibt deshalb keinen ausreichenden Hinweis, dass neben der feststehenden, von
der Beklagten angelegten und betriebenen Mülldeponie 1958 - 1962 noch eine
weitere „Anlage“ durch die Firma R später betrieben worden ist, die im Sinne des §
7 Umwelthaftungsgesetz geeignet wäre, den eingetretenen Schaden auf den
Flurstücken 13/8 und 13/10 zu verursachen.
Die Beklagte ist pflichtige Handlungsstörerin iSd § 4 Abs. 3, 24 Abs. 2 BBodSchG.
f) Die Beklagte ist auch einzige feststellbare Handlungsstörerin im Hinblick auf die
sanierungsbedürftigen Bodenverunreinigungen in den streitgegenständlichen
Flächen.
Bei gegebener Verantwortlichkeit der Beklagten als Handlungsstörerin
("Verursacher") im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodSchG käme es im Verhältnis der
Beklagten zu etwaigen anderen Verantwortlichen gemäß § 24 Abs. 2 S. 2
BBodSchG, " ", hinsichtlich der Verpflichtung
zum Ausgleich sowie zum Umfang des zu leistenden Ausgleichs darauf an, "
Ist die Beklagte aber im
Verhältnis zu anderen Verantwortlichen tatsächlich der einzige feststellbare
Handlungsstörer ("Verursacher"), so muss sie im Innenverhältnis allein haften, da
nur sie - und nicht etwa die Eigentümer oder Sachgewaltsinhaber - im Sinne der
polizeirechtlichen Unmittelbarkeitshaftung die Sanierungsbedürftigkeit
"verursacht" hat (allgemeine Meinung, s. nur Dombert in Landmann/Rohmer,
Umweltrecht, Rn. 20 zu § 24 BBodSchG).
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(1) Der frühere Eigentümer und Verpächter der Deponie ist nicht schon durch den
Verpachtungs- oder Überlassungsakt an die Beklagte zum Zwecke der Betreibung
einer Mülldeponie auf der fraglichen Fläche gleichzeitig zum weiteren
Handlungsstörer ("Verursacher") geworden, wie aber offenbar das Landgericht
meint. Bisher wurde dies nämlich nur für den Fall bejaht, dass der
Grundstückseigentümer selbst eine - letztlich gefahrenträchtige - Deponie
eingerichtet und diese dann an einen Dritten überlassen hatte, nicht aber bereits
in der hier vorliegenden Konstellation, wo der Grundstückseigentümer lediglich das
Grundstück an einen Dritten zu dem Zweck verpachtet hatte, dass dieser dort
eine Deponie eröffnet (hier im Anschluss an die bereits begonnene Müllablagerung
auf dem Nachbargrundstück) und nutzt (Schink, VerwArch 1991, 357, 376; Frenz,
Rn. 44 zu § 4 Abs. 3 BBodSchG).
Auch unter Heranziehung des neuen Vortrags der Beklagten im
Berufungsverfahren - dessen Berücksichtigungsfähigkeit nach den §§ 529 Abs. 1
Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO der Senat dahinstehen lässt - kann in ihrem Verhältnis
zum Voreigentümer B nur von einer schlichten Überlassung des Grundstücks zu
Deponiezwecken gesprochen werden. Die Beklagte hatte Herrn B von sich aus mit
Schreiben vom 12. Mai 1958, Anlage BV 7, gefragt, „
“. Nach seinem Antwortschreiben vom 16. Mai
1958, Anlage BV 8, hatte er „ § 4 des Vertrages
vom 23. Juni 1958, BV 5, sieht dementsprechend vor:
Ersichtlich ist Herr B angesichts dieses Ablaufs
nicht selbst zum Betreiber einer Deponie und zum Handlungsstörer geworden
(zum eindeutigen Vorrang der Haftung des Handlungsstörers gegenüber dem
Zustandsstörer nach § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG vgl. OLG Celle in NVwZ 2004,
379, 381).
(2) Liegen zwar die Voraussetzungen nach § 7 UmweltHG nicht vor, weil die I-
Werke im Umfeld der Altdeponie keine eigene, zur Verursachung des
festgestellten Schadens geeignete Anlage betrieben haben, fehlt es zudem an
einer Mitverursachung der Sanierungsbedürftigkeit im Wege der Migration von
Schadstoffen aus anderen Flächen, so lässt sich schließlich auch nicht feststellen,
dass die I-Werke die Altmülldeponie der Beklagten auf ihrem Gelände jedenfalls
mitgenutzt und dabei einen eigenen maßgeblichen Beitrag zur
Bodenverschmutzung mit der Folge geleistet haben, dass sie deshalb mit einem
gewissen Anteil als weitere Handlungsstörer neben der Beklagten in Frage
kommen und die Beklagte im Wege des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2
Satz 2 BBodSchG dann nicht in vollem Umfang herangezogen werden könnte.
Insoweit hat das Gutachten Dr. W zwar ergeben, dass sich die Befunde im
Untersuchungsgebiet - dem östlichen Teil der ehemaligen Mülldeponie - innerhalb
der Spannbreite bewegen, wie man sie in vielen nach damaligem Stand
betriebenen Hausmülldeponien vorfindet. Es finden sich aber doch signifikante
Unterschiede der Schadstoffbelastungen einerseits in diesem östlichen, seinerzeit
zum Betriebsgelände gehörenden Teil und andererseits in den westlichen, nicht
zum Betriebsgelände gehörenden Flächen der Altdeponie. Für diese Erkenntnis
greift der Gutachter, S. 53 ff, auf die Untersuchungen der Sachverständigen Prof. E
und D aus dem Jahre 1996 zurück. Er stellt heraus, dass die Belastung mit
Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) die typischerweise bei dem Betrieb der I-
Werke zu erwarten waren, in dem östlichen Teil durchaus höher liegt als im
westlichen Teil der Deponie. Auch seien die Mediane der Konzentration an
Schwermetallen im östlichen Teil durchschnittlich 2,5 Mal größer als in dem
anderen Teil der Deponie. Allerdings belegen die Anlagen 4 und 5 seines
Gutachtens zur Konzentration von Blei und Arsen, dass jedenfalls bei Blei auch im
westlichen Teil der Altmülldeponie durchaus Befunde vorliegen, die die Grenzwerte
für Kinderspielflächen nach der BBodSchV überschreiten. Auch stellt der Gutachter
S. 53 heraus, dass die Konzentrationen der MKW in den Bodenproben im
Schadensbereich 7, also der Altmülldeponie, durchweg erheblich geringer seien,
als in den von den Vorgutachtern untersuchten Bereichen der Betriebstankstelle,
der Heizzentrale und des Motorenprüfstandes. Insgesamt kommt er zu dem
Ergebnis, dass es zwar „plausible Hinweise“ auf die I-Werke im Bereich der
Altmülldeponie gebe, die Befunde aber keine Aussage zu Anteil und Ausmaß der
Abfallablagerung zulassen würden.
Es erscheint möglich, dass die von der Beklagten eröffnete und 1958 bis 1962
betriebene Altmülldeponie in einem gewissen, nicht näher einzugrenzenden
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betriebene Altmülldeponie in einem gewissen, nicht näher einzugrenzenden
Ausmaß auch von den I-Werken mitgenutzt wurde. Dafür könnten die
festgestellten Befunde durchaus sprechen. Dadurch sind die I-Werke aber noch
nicht zu einem Handlungsstörer iSv § 24 Abs. 2 BBodSchG geworden, dem neben
der Beklagten als Betreiberin der Altmülldeponie maßgebliches Gewicht zukommt.
§ 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG bestimmt, dass die Verpflichtung zum Ausgleich
sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon abhänge, inwieweit die
Gefahr oder der Schaden „ vorwiegend “ von dem einen oder dem anderen Teil
verursacht worden ist. Auch bei mehreren Handlungsstörern lässt das Gesetz
jedenfalls den Rückgriff ausschließlich gegen jenen Beteiligten zu, der den Schaden
ganz überwiegend verursacht hat (vgl. Sandner NJW 2001, 2045, 2047). Wer aber
eine Mülldeponie eröffnet - wie die Beklagte - setzt die entscheidende Ursache
dafür, dass diese Mülldeponie auch von Dritten - wie hier von dem
Grundstückseigentümer - mitgenutzt wird.
Der Gutachter Dr. W hat zudem zu Schaden und Sanierungsbedürftigkeit zwei
Belastungen herausgehoben, bei denen nicht erkennbar ist, dass sie zu einem Teil
den I-Werken angelastet werden könnten. Er hat nämlich Bl. 44 bis 46 einerseits
die „ “ als Grundlage für den
Sanierungsbedarf insbes. bei einer Wohnnutzung in den Vordergrund gestellt und
andererseits “, die bei Baumaßnahmen
auch für eine nur gewerbliche oder industrielle Nutzung berücksichtigt werden
müsse und Sanierungsbedarf hervorrufe. Methangas entsteht aber beim Abbau
organischen Mülls und ist typisch für Hausmülldeponien. Insoweit fehlt ein Hinweis
auf die ILO-Werke als Verursacher.
Die PAK-Kontaminationen - so der Gutachter - seien wegen ihrer Toxizität kritisch
und lägen „zum Teil weit oberhalb der Prüfwerte bezüglich des Pfades Boden-
Mensch“ auch für die gewerbliche Nutzung. In der Tabelle 20, Bl. 43, und ebenso in
den Anlagen 16 und 18 werden die Prüfwertüberschreitungen im Bereich PAK
deutlich hervorgehoben. Bei den PAK liegt der höchste Konzentrationswert jedoch
nicht einmal in dem östlichen Teil der Altmülldeponie, sondern im westlichen Teil,
wie Tabelle 23, Bl. 55 des Gutachtens, ergibt (vgl. auch Bl. 54). Hier fehlt mithin ein
Zusammenhang mit der Tätigkeit der I-Werke, wie der Sachverständige auch bei
seiner ergänzenden Anhörung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Nach
seinen dortigen Angaben zu Protokoll vom 22. 11. 2007 sind die hohen PAK-
Kontaminationen aber der eigentliche, schwerpunktmäßige Grund für den
Sanierungsbedarf.
Vor diesem Hintergrund ist die gefährliche Bodenverunreinigung ganz überwiegend
von dem Betreiber der Hausmülldeponie, nämlich der Beklagten als
Handlungsstörerin, verursacht worden. Ein abgrenzbarer, maßgeblicher (dann
nach § 287 ZPO zu schätzender) Verursachungsbeitrag der I-Werke lässt sich nicht
feststellen. Der Sachverständige hat lediglich plausible Hinweise darauf gefunden,
dass auch von den I-Werken Altlasten eingebracht worden sein könnten. Er hat
dies aber nicht sicher feststellen können, weil sich die Belastung letztlich in einem
Rahmen hält, wie sie sich in ähnlichen Hausmülldeponien aus dem fraglichen
Zeitraum finden lässt.
(3) Ohnehin kein Konkurrenzverhältnis besteht vorliegend zwischen den Klägern als
Zustandsstörer, der Beklagten als Handlungsstörerin und weiteren
Zustandsstörern, da die Kläger ihr Eigentum selbst von den unmittelbaren
Voreigentümern - den I-Werken - schon auf Grundlage des Vertrages vom 14.
März 1991 (B 2) erworben hatten, dieser Erwerbsvorgang aber und auch der zuvor
liegenden Erwerb der Flurstücke 13/8 und 13/10 von B am 23. Juni 1958 (BV 5)
nicht vom Bundesbodenschutzgesetz erfasst werden, ordnet dies doch die
Nachhaftung früherer Grundstückseigentümer gemäß § 4 Abs. 6 BBodSchG erst
für Erwerbsvorgänge nach dem 1. März 1999 an.
(4) Die von der Beklagten anhand des Schreibens des Bauamtes an den Magistrat
vom 17. November 1961 (BV 30 c) angesprochene Anlieferung auch durch die …
Müllabfuhr ist nach Menge, Umständen, Zeit und Ablagerungsort (Gelände der
Firma E oder auch streitgegenständliche Flurstücke?) unsubstantiiert geblieben
und ergibt deshalb keinen Hinweis auf einen weiteren eigenständigen, jedenfalls für
Teile der sanierungsbedürftigen Bodenverunreinigung auf den
streitgegenständlichen Flächen verantwortlichen Handlungsstörer. Das Handeln
von Transportunternehmern kann als lediglich "mittelbare" Verursachung nicht
deren Eigenschaft als Handlungsstörer iSd §§ 4, 24 BBodSchG begründen. Die
nunmehr zu bekämpfenden negativen Auswirkungen schädlicher
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nunmehr zu bekämpfenden negativen Auswirkungen schädlicher
Bodenveränderungen oder Altlasten beruhen nicht spezifisch auf dem Verhalten
dieser Personen (etwa wegen ungeeigneter Art und Weise der Entsorgung, vgl.
etwa Frenz, Rn. 36 zu § 4 Abs. 3 BBodSchG).
g) Der Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte als Handlungsstörerin, auf den die
Kläger ihr Feststellungsbegehren stützen können, besteht nach § 24 Abs. 2 Satz 2
BBodSchG nur „soweit nichts anders vereinbart“ wird. Etwas anderes in diesem
Sinne ist im vorliegenden Fall aber nicht vereinbart worden.
(1) Eine derartige anderweitige Vereinbarung lässt sich nicht den ursprünglichen
Verfüllungsvertragsverhältnissen der Beklagten mit ihren damaligen
Vertragspartnern - also B und der R-GmbH einerseits sowie der Fa. E andererseits
- entnehmen. Diese Vertragspartner sind - wie dargelegt - nämlich einerseits nicht
Handlungsverantwortliche und können mangels bereits einschlägiger
"Nachhaftung" (s.o.) heute auch nicht Zustandsstörer sein, weshalb sich das
umstrittene Problem des Ausgleichs zwischen mehreren Zustandsstörern
untereinander (hierzu Wagner, ZfIR 2003, 841, 846; Schlette, VerwArch 2000, 41,
58 f.; Sandner, NJW 2001, 2045, 2048 f.) nicht stellt. Ersichtlich setzt § 24 Abs. 2 S.
2 BBodSchG - wie die gleichlautende Bestimmung in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB - eine
Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren sanierungspflichtigen und deshalb
ausgleichspflichtigen Beteiligten voraus. Daran jedenfalls fehlt es hier.
Zwar hat der Bundesgerichtshof inzwischen auch vor dem Inkrafttreten des
Bundesbodenschutzgesetzes getroffene Abreden als „Vereinbarungen“ im Sinne
des § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG angesehen (BGH, Urteil des XII. Zivilsenats vom
28. Juli 2004 - XII ZR 163/03 -, NJW-RR 2004, 1596, 1597: Verantwortung des
Vermieters für den Erhalt der Mietsache und damit auch für die Beseitigung von
Bodenkontaminationen; Urteil des V. Zivilsenats des BGH vom 2. April 2004 - V ZR
267/03 -, NJW-RR 2004, 1243, 1246). Dem Landgericht kann aber bereits nicht in
der Annahme gefolgt werden, dass allein deshalb, weil ein Grundstückseigentümer
seinerzeit Geld oder anderweitige Vorteile für die Einräumung der Möglichkeit von
Müllablagerungen erhalten habe, der Müllanlieferer zugleich sämtliche Risiken auf
diesen seinerzeitigen Vertragspartner übertragen habe.
Aber selbst wenn man dem Landgericht folgen würde, ergibt sich daraus doch
keine Bindung der Kläger, die an einer diesbezüglichen Abrede ersichtlich nicht
beteiligt waren. Anhaltspunkte für eine wirksame - auch nur -
Einzelrechtsnachfolge hinsichtlich dieser Abrede bestehen nicht. Selbst aus den §§
581 Abs. 2, 571 BGB ergibt diese sich keinesfalls, da der Grundstückserwerber
gemäß § 571 Abs. 1 BGB an Stelle des bisherigen Vermieters oder Verpächters
lediglich "in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis
ergebenden Rechte und Verpflichtungen" eintritt, hier aber ersichtlich die
Rückgabe der Mietsache oder Pachtsache bereits vor Eigentumserwerb durch die
Kläger erfolgt war, sich für diese folglich Fragen des vertraglichen
Rückgabeverhältnisses überhaupt nicht mehr stellen konnten.
Aber auch aus der in § 6 Abs. 7 des Kaufvertrages vom 14. März 1991 (B 2)
erfolgten Übernahme sämtlicher Verkehrssicherungspflichten und Freistellung der
Verkäufer von allen Ansprüchen Dritter durch die Kläger im Verhältnis zu den
Voreigentümern - den I-Werken - kann der Senat nicht auf eine derart
weitreichende Vertrags- oder Pflichtenübernahme schließen.
Da die I-Werke GmbH in Ansehung des § 4 Abs. 2 und 6 BBodSchG nicht
"nachhaftende" Zustandsstörer sind, stellt sich schon deshalb nicht das Problem
eines dadurch gestörten Gesamtschuldnerausgleichs, dass die Kläger als
Zustandsstörer nur von weiteren Handlungsstörern, nicht aber wegen des
Gewährleistungsverzichts von den I-Werken als weiteren Zustandsstörern Regress
verlangen könnten (vgl. hierzu etwa Wagner BB 2000, 417, 424 f.).
(2) Lässt sich eine ausdrückliche anderweitige Vereinbarung - wie hier - nicht
feststellen, hat der Bundesgerichtshof (in NJW-RR 2004, 1243, 1246 a. E.) erwogen,
ob ein Grundstückseigentümer durch § 242 BGB an der Geltendmachung des
bodenrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegen den Verursacher gehindert ist, wenn
er bei Abschluss des Kaufvertrages - auch mit einem dritten Veräußerer - Kenntnis
von den schädlichen Bodenveränderungen oder der Einordnung als Altlast hatte.
Hat er in einem solchen Fall mit Blick auf einen konkreten Sanierungsaufwand
einen entsprechenden Preisnachlass erhalten, könnte es treuwidrig sein, auch
noch den Ausgleichsanspruch aus § 24 Abs. 2 BBodSchG geltend zu machen und
gleichsam doppelt zu kassieren.
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Eine derartige Erwägung erscheint im Rahmen der Anwendung des § 24 Abs. 2 S. 2
BBodSchG diskutabel, wenn nämlich der Zustandsstörer von seinem
Voreigentümer wegen des konkreten Sanierungsaufwands einen geminderten
Kaufpreis hatte durchsetzen können und eine ungekürzte Verursacherhaftung vor
diesem Hintergrund zu einer ungerechten Gewinnverschaffung auf Seiten des
Regressberechtigten führen würde (Schlette, VerwArch 2000, 41, 55; vgl. auch
Körner ZfIR 2001, 889, 892).
Im vorliegenden Fall hat allerdings der Zeuge S, Bauingenieur bei der Beklagten,
ausgesagt, der Kläger X habe sich bei ihm nach den planungsrechtlichen
Zulässigkeiten für das Grundstück erkundigt und er - der Zeuge - habe ihm bei
dieser Gelegenheit erklärt, dass auf diesem Grundstück eine Mülldeponie gewesen
sei. Der Zeuge K hat dazu angegeben, Herr X habe ihm gesagt, er sei in der
Stadtverwaltung gewesen, um sich über die Belastung zu erkundigen. Letztlich hat
dieser Zeuge allerdings erklärt, er habe mit dem Kläger X nicht konkret über die
Mülldeponie gesprochen. Ob danach als bewiesen angesehen werden kann, dass
die Kläger vor dem Kauf von dem früheren Betrieb einer Hausmülldeponie auf dem
fraglichen Gelände erfahren hatten, muss nicht entschieden werden. Kenntnis vom
Risiko einer Altlast begründet nämlich nicht ohne weiteres Kenntnis von der
konkreten Altlast (BGH NJW-RR 2004, 1243, 1246, rechte Spalte sub c). Ganz
abgesehen hiervon hat der BGH aaO die Frage der Rechtsfolgen selbst bei einer
Kenntnis von der Altlast im von ihm zu entscheidenden Sachverhalt zwar offen
gelassen, aber gleichwohl nachfolgend die Unschädlichkeit einer Kenntnis
zumindest im Verhältnis zum Verursacher herausgestellt (BGH NJW-RR 2004,
1243, 1247).
Der Zeuge S hat ausgesagt, keiner hätte seinerzeit genau gewusst, ob dort
gefährliche Stoffe entsorgt worden seien. Detailuntersuchungen hätten - so der
Zeuge L - nicht stattgefunden. Die Kläger konnten deshalb vor näheren
Bodenuntersuchungen nicht mehr als das auch dem Telefaxschreiben des Klägers
X - vorgelegt vom Zeugen L (Bl. 496 d.A.) - zu entnehmende, nur sehr allgemeine
Risikobewusstsein entwickeln. Dort schreibt der Kläger unter dem 25.2.1991 an
den Makler, dass „
. Dem entspricht die Aussage des Zeugen K, für den das Thema Umweltbelastung
im Zusammenhang mit dem Vertrag „global“ war und der als Verkäufer gerade
auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Thema der Grundstücksbelastung
bereit war, den von den Klägern gebotenen Preis zu akzeptieren, obwohl andere
Interessenten mindestens 10 % mehr geboten hatten, allerdings Probebohrungen
vornehmen und bei Verunreinigungen von ihrem Angebot zurücktreten wollten.
Der Zeuge E - Schlossermeister bei den I-Werken seit 1968 - hat ausgesagt, dass
er von einer Mülldeponie seinerzeit nichts wusste, wohl aber Herrn X die einzelnen
Tanks und einzelne verseuchte Stellen - also die Rückstände aus dem Betrieb der
Motorenwerke - gezeigt habe.
Die Beweisaufnahme hat deshalb über die schon erwähnten Anhaltspunkte für ein
allgemeines Risikobewusstsein der Kläger - welches sich jedenfalls auch auf die
Verschmutzungen durch den Betrieb der I-Werke bezogen hat - und dessen
Umsetzung in ein Kaufpreisangebot hinaus keine Anhaltspunkte für eine seinerzeit
bereits hinreichend konkrete und wissentliche Dimensionierung eines etwaigen
Sanierungsaufwandes gerade für die ehemalige Mülldeponie ergeben. Dieser
besondere Sanierungsaufwand ist bei den Kaufverhandlungen unter
Zugrundelegung der Aussage des Zeugen K, der die Aussage des Zeugen und
Maklers L nicht entgegensteht, gerade nicht ausdrücklich und im Unterschied zu
den übrigen Altlasten thematisiert worden. Die Differenz zwischen dem letztlich
vom Verkäufer akzeptierten Kaufpreis von 12,5 Mio. DM und anderweitigen
Kaufangeboten in Höhe von 14 -15 Mio. DM (laut Aussage der Zeugen K und L)
erklärt sich nicht vor dem Hintergrund in dieser Höhe etwa angenommener
Sanierungskosten gerade für die Mülldeponie. Solche Kosten waren der Höhe nach
damals mangels näherer Untersuchung nicht einmal in einem groben Ansatz
prognostizierbar. Vielmehr hatten sich die Interessenten mit dem höheren
Angebot den Rücktritt von diesem vorbehalten, wenn sich der Boden nach
durchzuführenden Probebohrungen als verunreinigt herausstellen würde, wobei die
Untersuchungskosten dann auch noch zu Lasten des Verkäufers gehen sollten.
Demgegenüber waren die Kläger bereit, das allgemein gesehene Altlastrisiko
ihrerseits zu übernehmen und einen Gewährleistungsausschluss auch insoweit zu
akzeptieren. Nur vor diesem Hintergrund ist der Verkäufer auf das Angebot der
Kläger eingegangen, in das deshalb nicht ein abgrenzbarer Nachlass für konkrete
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Kläger eingegangen, in das deshalb nicht ein abgrenzbarer Nachlass für konkrete
Sanierungskosten gerade wegen der Altlast Mülldeponie eingeflossen ist.
Ist mithin tatsächlich der von den Klägern an die I-Werke entrichtete Kaufpreis
nicht schon um einen dimensionierten Sanierungsaufwand für die Mülldeponie
ermäßigt worden, kann auch nicht ausnahmsweise die Verursacherhaftung nach
Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt eingeschränkt oder gar
ausgeschlossen werden. Es liegt kein Fall vor, wo die Kläger als Erwerber über § 24
Abs. 2 BBodSchG ein zweites Mal entschädigt würden (vgl. insoweit auch BGH NJW-
RR 2004, 1243, 1246, rechte Spalte sub cc).
3. Ausgleichsansprüche der Kläger sind schließlich auch nicht verjährt. Gemäß § 24
Abs. 2 S. 3 und 4 BBodSchG verjährt der Anspruch zwar in 3 Jahren, aber erst nach
der Beendigung der Maßnahmen durch den Verpflichteten zu dem Zeitpunkt, zu
dem der Verpflichtete von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt und
im Übrigen ohne Rücksicht auf diese Kenntnis 30 Jahre nach der Beendigung der
Maßnahmen.
Maßnahmen sind jedoch noch gar nicht begonnen worden, allein die Kenntnis
eines denkbar Ausgleichspflichtigen setzt den Lauf von Verjährungsfristen noch
nicht in Gang.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Kläger haben
ihren Antrag mit der Klagschrift zunächst auch auf die Flurstücke 13/9 und 13/11
erstreckt, den Antrag dann erstinstanzlich aber bereits beschränkt. Es handelt sich
dabei um kleine Uferrandstreifen zur M hin. Durch diesen zunächst erweiterten
Antrag sind aber besondere Kosten nicht entstanden, so dass es auch unter
Berücksichtigung von § 269 III 2 ZPO gerechtfertigt ist, die Kosten der Beklagten
insgesamt aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht.