Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 02.04.2017

OLG Schleswig-Holstein: Urteil | Notwegerecht:, breite, gewohnheitsrecht, grundstück, zaun, eigentümer, anschlussberufung, fahrweg, verkäuferin, akte

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 41/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 917 BGB
Notwegerecht: Begründung eines Überwegungsrechts auf
Grund örtlich geltenden Gewohnheitsrechts und zur
Notwegerente in diesem Fall
Leitsatz
1. Wird ein Weg über ein Privatgrundstück seit langer Zeit als Zuwegung zwischen der
öffentlichen Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt, kann das zur Bildung
eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen.
2. Ein Anspruch auf Notwegerente besteht nicht, wenn das in Anspruch genommene
Überwegungsrecht durch Gewohnheitsrecht begründet ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers zu 1) und die Anschlussberufung des Beklagten gegen
das am 17.02.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Kiel werden zurückgewiesen.
Die Kläger zu 2) und 3) tragen nach Rücknahme ihrer Berufung und Verlust ihres
Rechtsmittels ihre im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten
selbst. Von den übrigen Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1)
93 % und der Beklagte 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger zu 1) begehrt von dem Beklagten die Zahlung einer Notwegerente, der
Beklagte nimmt ihn widerklagend darauf in Anspruch, die Ausübung des
Wegerechts an dem Grundstück der Klägerin zu 2), an dem dem Kläger zu 1) ein
lebenslanges Nießbrauchsrecht zusteht, durch Versetzung eines Zauns in einer
bestimmten Breite zu ermöglichen. Die Kläger zu 2) und 3) hatten ursprünglich mit
dem Kläger zu 1) die Zahlung einer Notwegerente verlangt, den Rechtsstreit
jedoch bereits erstinstanzlich in der Hauptsache in Übereinstimmung mit dem
Beklagten für erledigt erklärt. Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien I. Instanz
und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
verwiesen.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Ein Anspruch auf eine
Notwegerente scheitere an dem Umstand, dass der Kläger zu 1) das Grundstück
bereits mit einem gewohnheitsrechtlich bestehenden Wegerecht belastet
übernommen hätte. Auch die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen, weil
nicht feststehe, dass das gewohnheitsrechtliche Wegerecht durch den Zaun
beeinträchtigt werde und auch die Beeinträchtigung eines vertraglichen
Wegerechtes durch diesen Zaun nicht angenommen werden könne.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers zu 1), der sich der Beklagte form- und fristgerecht
angeschlossen hat.
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Der Kläger zu 1) macht geltend:
Das Argument des Landgerichts, ein Notwegerecht liege schon deshalb nicht vor,
weil die hinterliegenden Grundstücke auch von anderer Seite her erschlossen
seien, treffe nicht zu. Die früher vorhandene Erschließung sei jedenfalls für das
mittlere der hinterliegenden Grundstücke nicht mehr nutzbar.
Die anderweitige Erschließung könne auch nicht darin gesehen werden, dass auf
dem Grundstück der Kläger ein gewohnheitsrechtlich begründetes Wegerecht
laste. Solches sei zwar in den Vorprozessen angenommen worden, dies sei
allerdings in anderem Zusammenhang und ohne Bindung für den vorliegenden
Rechtsstreit geschehen. Es handele sich nicht um dieselben Prozessgegner wie im
vorliegenden Fall.
Entscheidend sei, dass das gewohnheitsrechtlich begründete Wegerecht, welches
im Vorprozess bejaht worden sei, nur für eine ganz genaue und bestimmte
Belegenheit definiert worden sei, nämlich nur auf einer Breite von 3,30 m ab
Grundstücksgrenze. Das aber habe mit dem konkret vom Beklagten in Anspruch
genommenen Weg nichts zu tun. Dieser liege sehr viel weiter auf dem Grundstück
der Klägerin zu 2), viel weiter weg von der Grundstücksgrenze und damit auf einem
Bereich, wo ein gewohnheitsmäßiges Wegerecht nicht bestehe. Statt das
gewohnheitsrechtliche Wegerecht in einer Breite von 3,30 m ab
Grundstücksgrenze in Anspruch zu nehmen - was allerdings im Hinblick auf die
Knickverordnung auf Schwierigkeiten stoßen könnte und jedenfalls erhebliche
bauliche Maßnahmen voraussetzen würde - benutze der Beklagte andere Teile des
Grundstücks. Er behaupte nun, gerade auf diese Benutzung angewiesen zu sein,
weil er die Zufahrt in dem Bereich, in welchem das Vorgericht ein
gewohnheitsrechtliches Wegerecht bejaht habe, rein tatsächlich nicht nutzen
könne. Damit aber liege die Inanspruchnahme eines Notweges vor und bestünden
die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Notwegerente.
Der Kläger zu 1) beantragt,
die angefochtene Entscheidung zu ändern und nach dem für den Kläger zu 1)
in der ersten Instanz zuletzt gestellten Antrag, wie er sich aus dem Tatbestand des
angefochtenen Urteils ergibt, zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
sowie im Wege der Anschlussberufung den Kläger zu 1) zu verurteilen, dem
Beklagten die Ausübung des Wegerechts an dem Weg auf der rechten Seite des
Flurstücks … von der A-Str. in B. aus gesehen, in einer Breite von 3,30 m zu
ermöglichen, und zwar gemessen vom Knickfuß bzw. Baumfüssen aus, und den
Zaun, der die Breite des Weges schmälert, so weit zurückzusetzen, dass die
Wegebreite vom Fuße des Knicks auf der rechten Grundstücksseite aus gemessen
3,30 m beträgt.
Der Beklagte macht geltend:
Es sei durch die bisherigen Gerichte gerade nicht festgestellt worden, dass ein
Wegerecht an einem Streifen von 3,30 m ab Grundstücksgrenze zu gewähren sei.
Im Gegenteil gehe das Oberlandesgericht in seinem Urteil in der Sache 7 U 65/96
davon aus, dass ein solches gewohnheitsrechtliches Wegerecht in einem Abstand
von der Grundstücksgrenze einschließlich Knickwall in einer Breite von ca. 6 bis
5,50 m bestehe. Das OLG gehe dort weiter davon aus, dass die Käufer von dem
Bruder des Berufungsbeklagten, dem das mittlere Grundstück gehöre, getäuscht
worden seien und habe deshalb einen Schadensersatz von 15.451,55 DM
zugesprochen. Der Kläger zu 1) sei also schon einmal für die Nutzung als Weg
entschädigt worden, und zwar nach einem damals sehr hohen Grundstückspreis
von 63,19 DM pro Quadratmeter. Im Übrigen sei von den Gerichten der
Vorprozesse stets die Auffassung vertreten worden, dass ein gewohnheitsrechtlich
begründetes Wegerecht existiere.
Im Wege der Anschlussberufung nehme der Beklagte den Kläger zu 1) nunmehr
auf Einräumung des Wegerechts in einer Breite von 3,30 m gemessen vom
Knickfuß bzw. den Baumfüßen aus in Anspruch und auf Zurückversetzung des
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Knickfuß bzw. den Baumfüßen aus in Anspruch und auf Zurückversetzung des
Zauns, der die Breite des Weges nämlich schmälere. Aus der nunmehr
vorgelegten Flurkarte Anlage BB 1 ergebe sich, dass der Weg von der
Grundstücksgrenze zu dem Flurstück … einschließlich Knickwall eine Breite von
6,10 m habe. Der Zaun zum Flurstück … verlaufe hier auf der Grundstücksgrenze.
In dieser Flucht stehe auch der Strommast, der auf den erstinstanzlich
überreichten Bildern zu sehen sei. Unmittelbar entlang dieses Strommastes habe
der alte Zaun gestanden, der den Weg begrenzt habe. Nunmehr habe der Kläger
zu 1) aber den Zaunverlauf in die ursprüngliche alte Wegfläche hineinversetzt,
sodass eine Wegbreite von 3,30 m nicht mehr zur Verfügung stehe. Darüber
hinaus werde die Wegefläche eingeschränkt durch das Ablegen von größeren
Felssteinen, die auf den erstinstanzlich eingereichten Fotos zu sehen seien. Auf
den Fotos lasse sich erkennen, dass der Abstand zwischen Zaun und Strommast
größer geworden sei. Es hätte insoweit also Beweis erhoben werden müssen, wie
breit die Wegefläche gemessen ab Knickfuß jetzt tatsächlich sei. Dem Landgericht
sei nicht Recht zu geben in seiner Auffassung, dass eine Wegebreite von 3,30 m
bisher nicht festgestellt und eingeräumt worden sei. Bereits in dem Ankaufsvertrag
des Klägers zu1) sei die Breite von 3,30 m festgeschrieben worden. Dies sei dem
Kläger zu 1) auch klar gewesen, weil er das Grundstück vor dem Kauf in
Augenschein genommen habe. Er habe nicht davon ausgehen können, dass der
gewohnheitsrechtlich bestehende Weg in einer Entfernung von 3,30 m ab
Grundstücksgrenze bestehe und nicht ab dem Knickfuß.
Der Kläger zu 1) beantragt,
die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er macht geltend, er sei nicht Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks,
sodass er schon gleich gar nicht dinglich in Anspruch genommen werden könne.
Die Behauptung des Beklagten, es seien Veränderungen vorgenommen worden,
sei unzutreffend. Weder sei der Zaun noch seien Steine versetzt worden.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers zu 1) und die zulässige Anschlussberufung
bleiben jeweils ohne Erfolg, weil das Landgericht den Rechtsstreit insgesamt
zutreffend entschieden hat.
1. Ein Anspruch des Klägers zu 1) auf eine Notwegerente nach § 917 Abs. 2 BGB
besteht nicht.
Voraussetzung wäre nämlich, dass dem Beklagten als Eigentümer des
Hinterliegergrundstückes … (das Grundstück … gehört Herrn D.) ein Notwegerecht
im Sinne des § 917 Abs. 1 BGB zustehen würde. Ein solches Notwegerecht BGB
setzt seinerseits voraus, dass dem Grundstück die zur ordnungsgemäßen
Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, sodass der
Eigentümer deshalb von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangt hat
und verlangen kann, bis zur Behebung des Mangels die Nutzung seines
Grundstücks zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden.
Der Kläger zu 1) hat aber nicht dargelegt, dass der Beklagte hier ein derartiges
Notwegerecht in Anspruch nimmt. Eine aus einer fehlenden notwendigen
Verbindung des Grundstücks des Beklagten mit einem öffentlichen Weg
resultierende Notlage ist hier nicht gegeben. An das Vorhandensein einer solchen
Notlage sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie scheidet insbesondere dann
aus, wenn zwar keine unmittelbare Verbindung des fraglichen Grundstücks des
Berechtigten mit einem öffentlichen Weg besteht, der Eigentümer aber im
Rahmen eines ihm ohnehin bereits anderweitig zustehenden Rechts das
Nachbargrundstück zur Herstellung der Verbindung zu dem öffentlichen Weg
nutzen kann, weil ihm z.B. ein schuldrechtlicher Anspruch auf Gestattung der
Benutzung dieses anderen Grundstücks zur Herstellung der Verbindung zum
öffentlichen Weg zur Verfügung steht. Soweit derartige Ansprüche einen sicheren
Grundstückszugang ermöglichen, kann keine Wegenotlage des betroffenen
Grundstücks angenommen werden (MüKo zum BGB/Säcker, 4. Aufl. 2004, § 917
Rn. 8 m. w. N.).
a) Dahinstehen kann, ob die erforderliche Erschließung des Grundstücks des
Beklagten bereits über den für Anlieger befahrbaren E-Weg erfolgen kann, der in
der Beiakte Bl. 32 f. fotografiert und dort Bl. 34 in der Karte gekennzeichnet ist.
Dafür spricht allerdings vieles. Der Kläger zu 1) hat erstinstanzlich Bl. 84 und
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Dafür spricht allerdings vieles. Der Kläger zu 1) hat erstinstanzlich Bl. 84 und
wiederholt Bl. 116 d.A. vorgetragen, dort befinde sich eine öffentliche Zuwegung zu
den hinteren Grundstücken, über die auch die Entsorgung sichergestellt sei. Es
handele sich um einen vollwertig nutzbaren Zuweg zu dem Grundstück des
Beklagten. Der Beklagte hat nur sehr vage Bl. 104 d.A. erwidert, der E-Weg werde
von den Entsorgungsfahrzeugen nicht genutzt.
Wenn der Kläger zu 1) nunmehr im Berufungsverfahren geltend macht, die
Erschließung über diesen Weg sei jedenfalls für das mittlere der hinterliegenden
Grundstücke nicht mehr nutzbar und entfallen (vgl. auch Bl. 128 d.A.), übersieht
er, dass der Beklagte nicht Eigentümer des mittleren Grundstücks … ist (sondern
dessen Bruder), dass so der Beklagte auf Zahlung einer Notwegerente ohnehin
nur wegen seines Grundstücks … und der von dort erfolgten Nutzung des Weges
über das klägerische Grundstück … in Anspruch genommen werden könnte.
b) Es ist sowohl im privaten als auch im öffentlichen Wegerecht anerkannt, dass
Überwegungsrechte auch historisch, mithin durch Gewohnheitsrecht, begründet
sein können. Ein Gewohnheitsrecht ist dann anzunehmen, wenn innerhalb eines
autonomen Verbandes, nämlich innerhalb eines engeren Kreises von Betroffenen
eine langdauernde, gleichmäßige, tatsächliche Übung besteht, die von der
Überzeugung getragen wird, zu dem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein (RGZ
76, 113; Rinke in Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, S. 104). Wird ein
bestimmter Weg über ein Privatgrundstück mithin seit langer Zeit als Zuwegung
zwischen der öffentlichen Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt, dann
kann das zur Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen, das
objektives Recht darstellt und an das die Anwohner gebunden sind, wie dies
zutreffend in dem Urteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 27. August 1993, 44 C
210/92, Bl. 6 ausgeführt wird.
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand festgestellt,
im nordöstlichen Bereich des Flurstücks … - jedoch nicht unmittelbar an der
Grundstücksgrenze, an der sich nämlich ein Knick befindet - habe bereits im
Zeitpunkt des Ankaufs des fraglichen Grundstücks durch den Kläger zu 1) und
seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau im Jahre 1989 ein damals schon seit
Jahrzehnten und auch heute noch bestehender unbefestigter Fahrweg mit 2
ausgefahrenen sandigen Fahrspuren und Grasbewuchs im Bereich zwischen
diesen Spuren bestanden, den die Bewohner der Flurstücke … und … genutzt
hätten, um diese Hinterliegergrundstücke zu erreichen. Einen
Tatbestandsberichtigungsantrag haben die Kläger nicht gestellt. Der unstreitige
Tatbestand ermöglicht deshalb bereits den Schluss, dass sich ein
gewohnheitsrechtlich verfestigtes Überwegungsrecht für die Bewohner der beiden
Hinterliegergrundstücke auf den heute noch vorhandenen Fahrweg in seinem
gegenwärtigen Bestand bezieht. Auch deswegen scheidet dann zwangsläufig eine
Wegenotlage im Sinne des § 917 Abs. 1 BGB aus.
Zu Unrecht meint die Berufung, die Existenz eines solchen gewohnheitsrechtlich
begründeten Wegerechts sei in den Vorprozessen ohne Bindung für den
vorliegenden Fall angenommen worden, jedoch ohnehin nur bejaht worden für eine
Breite von 3,30 m ab Grundstücksgrenze, d. h. im Wesentlichen im Verlauf des
dort liegenden Knicks. Dieses gewohnheitsrechtlich begründete Wegerecht habe
deshalb mit dem vom Beklagten in Anspruch genommenen tatsächlich
vorhandenen Weg nichts zu tun.
Keines der drei Urteile, die zur Akte gereicht worden sind, nimmt aber ein
gewohnheitsrechtlich bestehendes Wegerecht in dem Bereich einer Breite von
3,30 m ab Grundstücksgrenze, d. h. in dem Verlauf an, wo sich im Wesentlichen
der Knick befindet.
In dem Verfahren 44 C 210/92 Amtsgericht Norderstedt = 7 S 156/93 Landgericht
Kiel hatte die damalige Eigentümerin des nunmehr dem Beklagten gehörenden
Flurstücks 35/4 den Kläger zu 1) und seine damals noch lebende Ehefrau als
damalige Eigentümer des Flurstücks … auf Beseitigung eines mitten im Wege
angebrachten Pfahles mit dem Argument in Anspruch genommen, sie - die dortige
Klägerin - habe ein Recht darauf, den Weg als Zugang zu ihrem Grundstück zu
benutzen und auch mit einem Fahrzeug zu befahren. Das Amtsgericht hat nach
Beweisaufnahme festgestellt, der Weg werde seit Mitte der 20er Jahre als
Zuwegung zu den Parzellen auf dem Grundstück der dortigen Klägerin benutzt. Er
habe seitdem ständig mit Billigung aller Beteiligten als Zuwegung gedient, was zur
Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts geführt habe. Das
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Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts geführt habe. Das
Gewohnheitsrecht erfasse den Weg in seiner seit alters her bestehenden und jetzt
noch unverändert vorhandenen Beschaffenheit. Das Recht könne auch durch
Benutzen mit Kraftfahrzeugen ausgeübt werden.
Das von dem Amtsgericht festgestellte Gewohnheitsrecht bezieht sich mithin
gerade auf den damals und jetzt vorhandenen Weg und nicht auf den Bereich des
Knicks entlang der Grundstücksgrenze.
Das LG Kiel als Berufungsgericht hat den damaligen Rechtsstreit im Hinblick auf
ein Benutzungsrecht der dortigen Klägerin mehr aus dem Blickwinkel des
Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1989 betrachtet und aus dem dortigen § 7
- wonach das durch Gewohnheitsrecht begründete Überwegungsrecht in einer
Breite von 3,30 m im nördlichen Grundstücksbereich entlang der nördlichen
Grundstücksgrenze von den Käufern übernommen worden ist - als Vertrag zu
Gunsten auch der dortigen Klägerin nach § 328 BGB bezogen auf das Wegerecht
ausgelegt. Auch das Landgericht hat sich aber nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme erster Instanz die Überzeugung gebildet, dass gerade der
vorhandene Weg "so wie er sich heute in Natura erkennbar präsentiert, spätestens
seit Ende 1930, als die Zeugin F. das am Ende des Weges liegende Grundstück
pachtete als Zuwegung zu den hinteren Parzellen benutzt wird, und zwar seit
jedenfalls Anfang der 50er Jahre auch für den Kraftfahrzeugverkehr". Das
Landgericht hat dann die Vertragsklausel so ausgelegt, dass das dort
angesprochene, durch Gewohnheitsrecht begründete Überwegungsrecht von den
Vertragsparteien nur dahin habe verstanden werden können, dass das Wegerecht,
so wie es in der Vergangenheit tatsächlich praktiziert worden sei, fortbestehen
solle, weshalb es sich nicht auf den Bereich von 3,30 m unmittelbar ab
Grundstücksgrenze, also auf dem Bereich des Knicks beziehe. Das Landgericht hat
nicht etwa ausgeführt, dass an dem tatsächlich vorhandenen Fahrweg ein
Gewohnheitsrecht nicht begründet sei, es hat lediglich den vertraglichen Anspruch
in den Vordergrund seiner Argumentation gestellt. All das bezieht sich aber nur auf
den tatsächlich vorhandenen Weg und nicht auf den Bereich des Knicks.
In dem Rechtsstreit 11 O 305/95 Landgericht Kiel = 7 U 95/96 OLG Schleswig ging
es darum, dass der Kläger zu 1) und seine damals noch lebende Ehefrau als
Kläger ihre Verkäuferin, nämlich die Mutter des Beklagten, wegen arglistiger
Täuschung über das bestehende Wegerecht auf ihrem Grundstück auf
Schadensersatz in Anspruch genommen haben. Die Kläger haben dort
argumentiert, bei Abschluss des notariellen Vertrages sei ihnen seitens der
Verkäuferin und ihrer Vertreter arglistig vorgespiegelt worden, dass das von ihnen
als Käufer zu übernehmende und durch Gewohnheitsrecht begründete
Überwegungsrecht in einer Breite von 3,30 m direkt an der Grundstücksgrenze
beginne und dadurch der konkret sichtbare Fahrweg eingeschränkt werde. Von der
Richtigkeit dieses Vorwurfs hat sich der 7. Zivilsenat nach Beweisaufnahme
überzeugt. Die gesamte Entscheidung lässt sich nur vor dem Hintergrund
verstehen und muss auch so verstanden werden, dass sich ein
gewohnheitsrechtliches Überwegungsrecht der Hinterliegergrundstücke tatsächlich
auf den sichtbaren vorhandenen Weg bezieht, während eben die dortige Beklagte
bzw. ihr Vertreter bei den Kaufverhandlungen vorgespiegelt haben sollen, das
Gewohnheitsrecht beziehe sich nur auf eine Breite von 3,30 m gerechnet
unmittelbar ab Grundstücksgrenze und damit im Wesentlichen auf den Bereich
des Knicks.
Der Kläger zu 1), der ein Notwegerecht des Beklagten als Voraussetzung der
geltend gemachten Notwegerente darlegen muss, kann im Berufungsverfahren
nicht mehr vorbringen, dass an dem sichtbaren Fahrweg ein
gewohnheitsrechtliches Überwegungsrecht nicht bestehe. Die Frage, ob ein
Gewohnheitsrecht als solches anzunehmen ist, ist eine Rechtsfrage. Der Kläger zu
1) hat aber erstinstanzlich nicht bestritten und keine Tatsachen dagegen
vorgetragen, dass das bislang in den genannten Gerichtsverfahren angenommene
gewohnheitsrechtliche Wegerecht besteht.
Der Beklagte hat in der Klagerwiderung ausgeführt, das Amtsgericht Norderstedt
habe 1993 in seinem Urteil festgestellt, dass dieser Weg - nämlich der tatsächlich
vorhandene Weg - seit Mitte der 20er Jahre bestehe. Die Urteile des Amtsgerichts
Norderstedt und das Berufungsurteil des Landgerichts Kiel waren beigefügt.
Konkret hat der Kläger zu 1) dem nicht widersprochen. Er ist (Bl. 83 d.A.) nur
darauf zurückgekommen, dass bei Abschluss des Kaufvertrages von der
Verkäuferin ausdrücklich erklärt worden sei, die Breite des Wegerechts werde von
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Verkäuferin ausdrücklich erklärt worden sei, die Breite des Wegerechts werde von
der Grundstücksgrenze aus bemessen. Nachdem das Landgericht bereits im
Termin und auch in seinem Hinweisbeschluss Bl. 114 b d.A. ausdrücklich noch
einmal von der Existenz eines gewohnheitsrechtlich bestehenden
Überwegungsrechts in Bezug auf den vorhandenen Weg gesprochen hat, hat der
Kläger zwar auch von einem durch Gewohnheitsrecht eingeräumten Wegerecht
gesprochen, später dann aber (Bl. 128 unten) ausgeführt, das auf
Gewohnheitsrecht begründete Wegerecht erstrecke sich ausschließlich auf eine
Breite von 3,30 m ab Grundstücksgrenze. Dies - so der folgende Satz - habe die
Mutter des Beklagten bei Vertragsschluss dem Kläger und dessen Ehefrau
ausdrücklich bestätigt, anlässlich der Beurkundung sei das Wegerecht in diesem
Sinne erörtert worden. Auch an dieser Stelle bezieht sich der Kläger aber
ersichtlich nur auf die täuschenden Angaben zum Verlauf des Wegerechts, wie sie
seitens der Verkäuferin anlässlich des Kaufvertrages gemacht worden sein sollen.
Auf der anderen Seite verweist der Kläger an derselben Stelle ausdrücklich auf die
Zeuginnen F und G (aus der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht Norderstedt),
die nämlich seinerzeit bekundet hätten, die Zuwegung sei seit 1986 immer so
gewesen, wie sie sich heute zum Zeitpunkt der Vernehmung der Zeuginnen
darstelle. Er nimmt damit Bezug auf einen Teil der Beweisaufnahme, die das
Amtsgericht Norderstedt zur Annahme eines gewohnheitsrechtlichen
Überwegungsrechts im Bereich des bestehenden Weges geführt hat.
Vor diesem gesamten Hintergrund kann der Senat nicht erkennen, dass der
Kläger erstinstanzlich die tatsächliche Nutzung des fraglichen Weges als
Überwegung zu dem Hinterliegergrundstück seit vielen Jahrzehnten, wie vom
Beklagten unter Vorlage der genannten Urteile vorgetragen, bestritten hat.
Deshalb durfte das Landgericht diesen Punkt auch als unstreitig ansehen und hat
ihn in den unstreitigen Tatbestand aufgenommen, ohne dass ein
Berichtigungsantrag der Kläger gefolgt wäre.
Unabhängig davon lässt sich auch aus der Berufungsbegründung ein ausreichend
substantiiertes Bestreiten dieses historischen, gewohnheitsrechtlich begründeten
Überwegungsrechts nicht entnehmen, weil die Berufungsbegründung ersichtlich
die vorliegenden Urteile aus den Vorprozessen falsch interpretiert.
2. Mit der Anschlussberufung nimmt der Beklagte den Kläger zu 1) ohne Erfolg
darauf in Anspruch, dass er ihm die Ausübung des Wegerechts an dem
vorhandenen Weg in einer bestimmten Breite von 3,30 m gemessen „vom
Knickfuß bzw. Baumfüssen aus“ ermöglichen und dafür den Zaun zurücksetzen
müsse.
Der Beklagte stützt seinen Anspruch auf das bestehende Gewohnheitsrecht iVm §
1004 BGB, in zweiter Linie auf einen vertraglichen Anspruch aus Vertrag zu
Gunsten Dritter, jedenfalls aber gerade nicht auf ein Notwegerecht, denn ein
solches will er zur Vermeidung der Verpflichtung zur Rentenzahlung nicht in
Anspruch nehmen.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er den Kläger
zu 1) nicht auf Einräumung eines dinglichen Wegerechtes in Anspruch nehmen
möchte, sondern es ihm allein auf das Zurückversetzen des Zauns ankomme. Mit
seinem Verlangen, den Zaun soweit zurückzusetzen, dass die Wegebreite vom
Fuße des Knicks oder den dortigen Baumfüssen aus gemessen 3,30 m betrage,
kann er aber nicht durchdringen.
Er kann nämlich nicht beweisen, dass der Zaun, so wie er derzeit besteht, den
historischen Weg einschränkt und damit das gewohnheitsrechtlich bestehende
Wegerecht verletzt. Es fehlt dazu an jeglichem erheblichem Beweisantritt. Aus der
jetzt vorgelegten aktuellen Karte des Katasteramtes H mit Stand vom 8.
November 2002 (GA 189) ergibt sich nicht, wo der historische Weg tatsächlich
verläuft und in welcher Breite das Gewohnheitsrecht besteht. Hinsichtlich des
Standortes des Zaunes gibt es nur die Behauptung, dass der Zaun früher
(nämlich der Vorvorgänger des jetzigen Zaunes) im Fluchtbereich des alten
Strommastes verlaufen sei, den man in den Aufnahmen der Beiakte (AG
Norderstedt) Bl. 7 und 8 sowie Bl. 21 erkennen kann - dort jeweils mit Stand 1992 -
, ebenso aber in den Bildern der vorliegenden Akte Bl. 49 und 51. Aus dem
Vergleich der Fotos der Beiakte mit dem Fotos der Prozessakte ergibt sich des
Weiteren, dass kein Unterschied im Standort des jetzigen Zaunes mit seinem
Vorgänger festgestellt werden kann. Erst recht könnte ein Unterschied nicht durch
eine Ortsbesichtigung festgestellt werden, denn der alte Zaun steht nicht mehr.
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eine Ortsbesichtigung festgestellt werden, denn der alte Zaun steht nicht mehr.
Ob und wo noch vor 1992 ein anderer Zaun (der Vorvorgänger des jetzigen
Zaunes) gestanden haben soll, lässt sich mit einer Augenscheinseinnahme
ebenfalls nicht feststellen. Andere Beweismöglichkeiten sind nicht benannt. Auch
zu dem Standort der Steine ergibt sich aus dem Vergleich der Bilder Bl. 49 f. der
vorliegenden Akte mit Bl. 7 f., 21 der Beiakte kein Unterschied.
Unabhängig von diesem Umstand geht der Beklagte auch zu Unrecht davon aus,
dass der historische Fahrweg und damit das gewohnheitsrechtlich gesicherte
Überwegungsrecht eine Breite von 3,30 m gemessen ab dem unbestimmten
"Knickfuß" oder den „Baumfüssen“ haben soll. Das hat tatsächlich kein Gericht
festgestellt und dafür fehlen auch Beweisangebote. Es steht nur fest, dass die
Parteien des Kaufvertrages letztlich ausgehend von einem Gewohnheitsrecht
ihrerseits eine Breite von 3,30 m definiert haben. Das aber ist ersichtlich nicht der
Inhalt des Gewohnheitsrechts, gibt also nicht zwingend die Breite wieder, die der
Weg seit Jahrzehnten aufgewiesen hat.
Soweit der Beklagte sich auf ein vertragliches Wegerecht iVm § 328 BGB stützen
will, kann der Anspruch deshalb nicht durchgreifen, weil er nicht dargelegt und
keinen Beweis dafür angetreten hat, dass sich das vertraglich vereinbarte Recht
aus § 7 des Kaufvertrages entgegen den Feststellungen des 7. Zivilsenats in dem
genannten Berufungsurteil auf den tatsächlich vorhandenen Weg bezieht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97 Abs. 1 ZPO, wobei berücksichtigt ist,
dass sowohl der Kläger zu 1) mit seiner Berufung als auch der Beklagte mit seiner
Anschlussberufung in vollem Umfang unterliegen. Die auch für die Kläger zu 2) und
3) eingelegte Berufung haben diese nach Hinweis auf deren Unzulässigkeit
angesichts des Fehlens einer Beschwer in der mündlichen Verhandlung nicht
weiter verfolgt, worin eine konkludente Zurücknahme der Berufung liegt. Da durch
diese Berufung gesonderte Gerichtskosten nicht entstanden sind, haben die
Kläger zu 2) und 3) gemäß § 516 Abs. 3 ZPO nur ihre eigenen im
Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen
nicht.