Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 29.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: freiwillige gerichtsbarkeit, beschwerdeschrift, unterbrechung, aussetzung, beschwerderecht, belastung, verfahrensbeteiligter, reform, abberufung, verfahrenskosten

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 210/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 240 ZPO, § 46 Abs 2 ZPO, §
252 ZPO, § 567 ZPO, § 574
ZPO
Freiwillige Gerichtsbarkeit: Anwendung der ZPO-
Vorschriften im FGG-Beschwerdeverfahren
Leitsatz
1. Nach der seit dem 1. Januar 2002 infolge der ZPO-Reform maßgeblichen Rechtslage
ist gegen eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgrund von
Bestimmungen der ZPO ergangene Entscheidung das Beschwerdeverfahren nur unter
den dort vorgesehenen einschränkenden Voraussetzungen statthaft. Das gilt auch für
eine Beschwerde im Zusammenhang mit einem Streit um die
Verfahrensunterbrechung (§ 240 ZPO).
2. § 252 ZPO ist entsprechend anzuwenden bei der beschlussmäßigen Feststellung
oder Verneinung einer Verfahrensunterbrechung.
3. Legt ein Dritter in einem laufenden Verfahren ein Rechtsmittel ein, so wird er
hierdurch an dem Verfahren beteiligt. Als formell Beteiligter wird jede Person
angesehen, die zur Wahrnehmung sachlicher Interessen am Verfahren teilnimmt.
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird als unzulässig verworfen.
2. Der Beteiligte zu 2. trägt die gerichtlichen Kosten des weiteren
Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert wird auf 800,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. begehrte mit am 25.07.2005 beim Amtsgericht
eingegangenen Antrag die Ungültigkeitserklärung eines
Wohnungseigentümerbeschlusses, durch welchen er als
Wohnungseigentümerverwalter mit sofortiger Wirkung abberufen wurde. Mit
Beschluss vom 01.09.2005 eröffnete das Amtsgericht Lübeck das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 1. und bestellte den
Beteiligten zu 2. zum Insolvenzverwalter.
Mit Beschluss vom 26.09.2005 stellte das Amtsgericht fest, dass das Verfahren
nicht analog § 240 ZPO durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen ist; auf den
Inhalt des Beschlusses (Bl. 55 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Gegen diesen
Beschluss wurde unter dem 30.09.2005 „Beschwerde“ eingelegt. Die
Beschwerdeschrift ist wie folgt überschrieben:
„In der Wohnungseigentumssache
WEG M.-Straße (RA Dr. K. als I. V.) ./. WEG M.-Straße - 2 II 51/05 -“
In der Beschwerdebegründung heißt es u.a.:
„Die Insolvenzmasse ist unmittelbar betroffen durch die unzulässige sofortige
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„Die Insolvenzmasse ist unmittelbar betroffen durch die unzulässige sofortige
Abberufung des Gemeinschuldners, da die vertraglichen Vergütungsansprüche
dadurch für den Zeitraum ab der Wirkung der fristlosen Kündigung ausgeschlossen
scheinen.“
Unterzeichnet ist die Beschwerdeschrift mit:
„Dr. K.
Rechtsanwalt“.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.09.2005 nicht
abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses
hat die Beschwerde durch Beschluss vom 18.10.2005 auf Kosten des
Insolvenzverwalters zurückgewiesen: auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 66 f. d.A.)
wird Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss wurde unter dem 26.10.2005
Beschwerde eingelegt, auf deren Inhalt (Bl. 80 d.A.) Bezug genommen wird.
II.
Das unter 26.10.2005 eingelegte Rechtsmittel ist unzulässig; es ist weder als
sofortige Beschwerde (1.) noch als sofortige weitere Beschwerde (2.) noch als sog.
außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit (3.) statthaft. Im
Übrigen ist das Rechtsmittel auch nach § 20a Abs. 1 Satz 1 FGG unzulässig (4.).
1. Nach der seit dem 01.01.2002 infolge des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001
(BGBl. I S. 1887) geltenden Rechtslage ist gegen eine im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung aufgrund von Bestimmungen der ZPO
die Beschwerde nur unter den dort vorgesehenen einschränkenden
Voraussetzungen statthaft. Der BGH hat dies ausdrücklich für die
Richterablehnung gemäß § 46 Abs. 2 ZPO entschieden (BGH NJW-RR 2004, 726 =
MDR 2004, 645; ebenso BayObLG NJW 2002, 3262); das OLG Zweibrücken (NJW-RR
2002, 1507) hat entsprechend bei einem Beschluss, durch den die Ablehnung
eines Sachverständigen für unbegründet erklärt wurde (§ 406 Abs. 5 ZPO),
erkannt. Zu nennen ist auch die Entscheidung des BayObLG (NJW 2002, 2573)
betreffend die sofortige weitere Beschwerde gegen Versagung von
Prozesskostenhilfe im FGG-Verfahren.
Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch bei einem Streit um
die Verfahrensunterbrechung in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO im
Rahmen eines FGG-Verfahrens. Sofern hier geltend gemacht wird, das Verfahren
sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines
Beteiligten unterbrochen, das Amtsgericht eine Unterbrechung aber durch
Beschluss verneint, ist gegen diese Entscheidung die sofortige Beschwerde nach
Maßgabe des § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Das Beschwerderecht folgt aus
einer analogen Anwendung des § 252 ZPO. Die Bestimmung nennt zwar
ausdrücklich nur die Aussetzung des Verfahrens; sie gilt aber entsprechend bei der
beschlussmäßigen Feststellung oder Verneinung einer Unterbrechung (vgl. RGZ
16, 358, 359 f. zu § 229 CPO vom 30.01.1877 [RGBl. S. 83]; ferner Zöller/Greger,
25. Aufl., § 252 Rdn. 1). Für eine solche Analogie spricht zum einen die
systematische Stellung des § 252 ZPO am Ende des 5. Titels, Abschnitt 3, Buch 1,
der beide Institute - „Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens“ - beinhaltet,
zum anderen aber auch die allgemeine Bezugnahme auf die „Vorschriften dieses
Titels“ in der Bestimmung selbst (vgl. RGZ 16, 358, 359). Beides lässt den Schluss
zu, dass der Gesetzgeber der ZPO bei allen Fallgestaltungen der Aussetzung und
Unterbrechung des Verfahrens ein Beschwerderecht der Parteien eröffnen wollte.
Für das weitere Verfahren gelten sodann zwar die vom FGG vorgesehenen
Rechtsmittel, allerdings nur mit den Einschränkungen, die sich aus der
entsprechenden Anwendung der zivilprozessualen Regelungen über die
Unterbrechung des Verfahrens ergeben (vgl. BGH a.a.O.).
Legt man dies zugrunde, so ist das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. als sofortige
Beschwerde unzulässig. Denn nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige
Beschwerde nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der
Amtsgerichte und Landgerichte statt. Hier handelt es sich jedoch bereits um eine
im zweiten Rechtszug ergangene Entscheidung des Landgerichts. Das Landgericht
hat die hier angegriffene Entscheidung erst auf die Beschwerde gegen den
Beschluss des Amtsgerichts getroffen.
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2. Als Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts kommt nach alledem
nur die sofortige weitere Beschwerde (§§ 27, 29 Abs. 2 FGG) mit den
Einschränkungen der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO in Betracht. Diese setzt
jedoch, da sie für die hier maßgebliche Fallgestaltung im Gesetz nicht ausdrücklich
vorgesehen ist (vgl. §§ 252, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die Zulassung durch das
Beschwerdegericht voraus (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Daran fehlt es hier.
3. Das zu beurteilende Rechtsmittel kann auch nicht als sog. außerordentliche
Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit zum Erfolg führen. Dabei lässt es
der Senat ausdrücklich offen, ob nach der zum 01.01.2002 erfolgten Reform des
Zivilprozesses überhaupt noch eine Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer
Gesetzwidrigkeit statthaft ist (dagegen BGH NJW 2002, 1577; 2003, 3137, 3138;
2004, 292, 293, 2224, 2225; 2005, 143, 144; BGH NJW-RR 2004, 1654; 2005, 214,
294; für die Statthaftigkeit neuerdings BFH NJW 2005, 3374) Die Belastung des
Beteiligten zu 2. mit Verfahrenskosten, wie sie das Landgericht in dem
angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, ist nicht greifbar gesetzwidrig. Der
Senat hält diese Entscheidung jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Der Beteiligte
zu 2. ist auch im zweiten Rechtszug bereits Verfahrensbeteiligter gewesen. Legt
nämlich ein Dritter in einem laufenden Verfahren ein Rechtsmittel ein, so wird er
hierdurch an dem Verfahren beteiligt. Als formell Beteiligter wird gemeinhin jede
Person angesehen, die zur Wahrnehmung sachlicher Interessen am Verfahren
teilnimmt (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 6 Rn. 18). Eine solche
Verfahrensteilnahme des Beteiligten zu 2. ist mit der Beschwerdeschrift vom
30.09.2005 erfolgt. Die Beschwerdeschrift vom 30.09.2005 stellt sich - bei
objektiver Betrachtung - als Rechtsmittel des Insolvenzverwalters dar. Das ergibt
sich zum einen aus dem Kurzrubrum über dem Beschwerdetext, welches den
Beteiligten zu 2. als Insolvenzverwalter ausweist. Dies folgt aus dem Kürzel „I. V.“.
Ist nämlich im Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdeschrift beim Landgericht
das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 1. beim
Amtsgericht Lübeck bereits eröffnet gewesen, so hat das Landgericht dieses
Schreiben nur dahin verstehen können, dass der Insolvenzverwalter des
Beteiligten zu 1. - also der Beteiligte zu 2. - das Rechtsmittel eingelegt hat.
Zum anderen spricht auch die Begründung der Beschwerde dafür, dass diese vom
Beteiligten zu 2. herrührt. Darin wird geltend gemacht, dass die Insolvenzmasse
durch die unzulässige Abberufung des Beteiligten zu 1. unmittelbar betroffen sei.
Hierbei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der allein für den Beteiligten zu 2
als Insolvenzverwalter von Interesse ist. Nach alledem ist die Kostenentscheidung
des Landgerichts nicht greifbar gesetzwidrig; der Senat hält sie vielmehr für
zutreffend, so dass ein Rechtsmittel - seine Zulässigkeit einmal unterstellt -
jedenfalls auch unbegründet wäre.
4. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. auch nach § 20a Abs. 1
Satz 1 FGG unzulässig. Nach dieser Vorschrift ist eine unselbständige
Kostenentscheidung nur anfechtbar, wenn auch gegen die Entscheidung in der
Hauptsache Beschwerde eingelegt wird. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2.
richtet sich jedoch allein gegen den Kostenpunkt. Die Rechtsprechung zur
Unanwendbarkeit des § 20a FGG im Falle einer Belastung Unbeteiligter mit
Verfahrenskosten (BayObLGZ 1976, 256, 257; 1962, 380, 386; OLG Frankfurt,
OLGZ 1980, 278, 280) kommt hier nicht zum Tragen. Der Beteiligte zu 2. ist im
Verfahren vor dem Landgericht bereits Verfahrensbeteiligter gewesen; es kann
insoweit auf die obigen Ausführungen (II. 3.) Bezug genommen werden.