Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: freiwillige gerichtsbarkeit, elterliche sorge, eltern, vergleich, vergütung, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, einverständnis, anhörung, quelle

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
5. Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 WF 41/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1671 BGB, § 50a FGG, § 50b
FGG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr
3104 Abs 1 Nr 1 RVG
Rechtsanwaltsvergütung: Anspruch auf eine Terminsgebühr
bei einem Sorgerechtsverfahren ohne mündliche
Verhandlung
Leitsatz
In einem ohne mündliche Verhandlung entschiedenen Sorgerechtsverfahren des § 1671
BGB fällt eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG an.
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird der
Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf
vom 22. Dezember 2006 dahingehend abgeändert, dass die an den
Verfahrensbevollmächtigten aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf
628,14 € festgesetzt wird.
Gründe
Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs.
3 bis 8 RVG zulässig.
Zwar übersteigt der Beschwerdewert die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG
erforderlichen 200,00 € nicht. Das Familiengericht hat aber gemäß § 33 Abs. 3
Satz 2 RVG die Beschwerde zugelassen, weil die zur Entscheidung stehende Frage,
ob in einem ohne mündliche Verhandlung entschiedenen Sorgerechtsverfahren
des § 1671 BGB eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG anfällt,
grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Beschwerde ist begründet.
Dem Beschwerdeführer steht eine Terminsgebühr für das Verfahren auf
Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts in analoger
Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zu. Nach dieser Vorschrift entsteht eine
Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung
vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche
Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher
Vergleich geschlossen wird. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat - nach
entsprechender schriftlicher Ermittlung des Sachverhalts - ohne mündliche
Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB
mit Zustimmung der Antragstellerin auf den Antragsgegner übertragen. In diesem
Verfahren ist im Sinne von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV eine mündliche Verhandlung
vorgeschrieben.
Bislang wurde obergerichtlich lediglich festgestellt, dass die Vorschrift analog
anwendbar ist, soweit in einer Wohnungseigentumssache das Verfahren ohne
mündliche Verhandlung beendet wird (vgl. BGH, NJW 2006, 2495; vgl. auch LG
Potsdam, NJW 2005, 3583). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung
maßgeblich darauf abgestellt, dass § 44 Abs. 1 WEG die mündliche Verhandlung
dem Richter grundsätzlich nicht freistellt und auch nicht von einem Antrag eines
Verfahrensbevollmächtigten abhängig macht.
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Nach Auffassung des Senates gebieten die einschlägigen Bestimmungen der § 50
a und § 50 b FGG eine „mündliche Verhandlung“ in Streitigkeiten über die
elterliche Sorge. Denn gemäß § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG soll das Gericht in
Angelegenheiten der Personensorge die Eltern in der Regel persönlich anhören.
Das bedeutet eine zwingende persönliche, also mündliche Anhörung der Eltern
(vgl. BGH, FamRZ 2001, 907; Keidel/Kunze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 13.
Aufl., § 50 a Rn. 10). Auch Kinder ab etwa vier Jahren (BGH, FamRZ 1984, 1084)
sind gemäß § 50 b Abs. 1 FGG in derartigen Verfahren persönlich anzuhören, weil
zumindest eine der dort genannten Anhörungsvoraussetzungen regelmäßig
gegeben ist (vgl. Keidel/Kunze/Winkler, a.a.O., Rzn. 6 ff. zu § 50 b FGG m. w. N.).
Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichtes nicht, dass der Gesetzgeber
durch die Fassung der in Rede stehenden Vergütungsvorschrift eine Grenze für die
möglichen Ausnahmeregelungen ziehen wollte. Die gesetzgeberischen Ziele
bestanden bei Schaffung des RVG in einer Vereinfachung, der Erhöhung der
Transparenz, Angleichung der Gebührentatbestände in den verschiedenen
Verfahrensarten sowie der Einführung eher leistungsorientierter Gebühren (vgl.
Bundestagsdrucksache, 14/9037, S. 49, 51). Diese Grundsätze sprechen nach
Auffassung des Senates dafür, die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes in ZPO-
Verfahren und FGG-Verfahren nach denselben Grundsätzen zu behandeln.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht
erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 u. 3 RVG).