Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: ausschluss, trennung, see, unterhaltspflicht, sicherstellung, gestaltung, haus, beitrag, eigentum, nichterfüllung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 22/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1360 BGB, § 1587c Nr 3 BGB
Ehescheidung: Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei
gröblicher Verletzung der Pflicht zum Familienunterhalt
Leitsatz
Voraussetzung für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c Nr. 3
BGB ist eine Unterhaltspflichtverletzung von einigem Gewicht, zu der die Folge dieses
Ausschlusses nicht unangemessen ist. Dazu müssen über die Nichterfüllung der
Unterhaltspflicht hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen
Verhalten ein besonderes Gewicht geben. Das kann etwa bei einer gröblichen
Unterhaltspflichtverletzung der Fall sein, wenn der Ausgleichspflichtige dadurch in
ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Lebensbedarfs geraten ist.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des
Amtsgerichts - Familiengericht - Eutin vom 11. Dezember 2007 hinsichtlich der
Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert.
Der Versorgungsausgleich zwischen den Parteien wird ausgeschlossen.
Die Gerichtskosten werden geteilt.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die Antragsgegnerin ist am 13. Februar 1966 geboren, der Antragsteller am 6.
Oktober 1940. Aus der am 22. Dezember 1998 geschlossenen Ehe ist die am 02.
Dezember 1998 geborene Tochter A hervorgegangen, die von der
Antragsgegnerin betreut wird. Die Antragsgegnerin ist weiter Mutter einer aus
einer vorangegangenen Ehe stammenden Tochter, die sie ebenfalls betreut.
Der Antragsteller hat vor und während der Ehe, auch nach seiner Verrentung, als
Kapitän im Ausland gearbeitet. Er bezieht seit dem 6. Oktober 2005 eine Rente bei
der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Höhe von 93,37 €.
Während der Ehe hat der Antragsteller keine Versorgungsanwartschaften
erworben. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit Anwartschaften bei der
Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 148,03 € erworben.
Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden und den
Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass vom Konto der
Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund monatliche
Anwartschaften in Höhe von 74,02 € auf das Rentenkonto des Antragstellers bei
der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See übertragen werden.
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Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie macht
geltend, dem Antragsteller sei eine grobe Unterhaltspflichtverletzung vorzuwerfen.
Der Versorgungsausgleich sei deshalb auszuschließen. Er sei in der Lage gewesen,
zum Familienunterhalt beizutragen, da er ein Jahreseinkommen von jedenfalls
51.300,00 US-Dollar jährlich gehabt habe. Er habe die Familie finanziell aber nicht
unterstützt. Sie sei deshalb in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Sicherstellung
des Lebensbedarfs geraten. Nur durch eigene Mehrfachbelastung, durch alleinige
Haushaltsführung und durch Arbeit und Umschulungsmaßnahmen, zum Teil unter
Inanspruchnahme von Sozialleistungen, habe sie den Lebensbedarf sichern
können. Sie habe zeitweise auch Leistungen nach dem SGB II beantragen müssen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Eutin vom 11. Dezember 2007,
Az.: 41 F 90/06 hinsichtlich des Punktes II aufzuheben und die Durchführung des
Versorgungsausgleichs auszuschließen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller macht geltend, die nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
auf Schiffen im Ausland habe den gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten
während des Zusammenseins entsprochen. Hierin läge kein Grund zum
Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Es sei auch nicht Sinn des
Versorgungsausgleichsverfahrens, die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen
Lebensverhältnisse von der Eheschließung bis zur Trennung noch einmal
aufzurollen. Ob er während der Ehe leistungsfähig gewesen sei, sei nicht von
Bedeutung. Er sei während der Ehe nicht barunterhaltspflichtig gewesen. Die
Einkünfte bei den ausländischen Reedereien seien reine Bruttoeinkünfte, wovon die
inländische Krankenversicherung bezahlt werden müsse. Sie koste derzeit noch
über 700,00 € monatlich. Angesparte Beträge auf einem Depot seien nicht mehr
vorhanden, weil er davon entsprechend seinen Vorsorgevorstellungen seit
Renteneintritt habe leben müssen. Das Haus sei seine zweite Stütze, vor allem
dann, wenn es abbezahlt sei. Er habe ab April 2006 Kindesunterhalt gezahlt und
Ehegattenunterhalt etwas später. Es könne wegen der Unterhaltsverletzung
zwischen der Trennung und dem Ende der Ehezeit in wenigen Monaten keine
gröbliche Verletzung vorliegen. Zudem berührten etwaige Verletzungen der
Unterhaltsverpflichtungen nach Trennung § 1587 c Nr. 3 BGB nicht mehr.
Er habe keinerlei Versorgungsgarantien geben können, da er nur unregelmäßig im
Ausland tätig gewesen sei. Die Antragsgegnerin könne nicht im Nachhinein die
Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse wieder aufrollen und diese als
Argument gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs ins Feld führen. Sie
habe Zeit noch eigene, nicht mit ihm zu teilende Rentenanwartschaften
aufzubauen.
II.
Die gemäß §§ 629 Abs. 2, 621 e ZPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die
Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat Erfolg.
1. Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zutreffend berechnet. Die
Differenz der Anwartschaften der Parteien beträgt 148,03 €.
Hiervon die Hälfte sind 74,02 €.
2. Der Versorgungsausgleich ist aber gemäß § 1587 c Nr. 3 BGB auszuschließen,
weil der Antragsteller während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, gemäß
§ 1360 BGB zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.
Voraussetzung ist eine Unterhaltspflichtverletzung von einigem Gewicht, zu der die
Folge des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht unangemessen ist. Dazu
müssen über die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht hinaus weitere objektive
Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht
geben, so wenn ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten
bei der Sicherstellung seines Lebensbedarfs geraten ist (vgl. Palandt/Brudermüller,
67. Aufl., § 1587 c Rn. 47).
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a) Der Antragsteller hat seine Verpflichtung aus § 1360 BGB, zum
Familienunterhalt beizutragen, verletzt. Er hat während der Ehe zwar teilweise zum
Unterhalt der Familie beigetragen. Er hat auch nach dem Vorbringen der
Antragsgegnerin das in seinem Eigentum stehende Familienheim finanziert. Die
monatlichen Belastungen betragen allein für die Bedienung der Kredite rund
580,00 €. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es seien für das Haus auch
Rechnungen aufgelaufen, ist für den Senat nicht zu ersehen, in welcher Höhe und
über welche Zeiträume die Forderungen nicht bedient worden sind. Nähere
Umstände trägt die Antragsgegnerin hierzu nicht vor.
Der Senat ist aber davon überzeugt, dass der Antragsteller auch darüberhinaus in
der Lage war, zum Familienunterhalt beizutragen. Schon nach den (vorsichtigen)
Schätzungen der Antragsgegnerin betrug sein Einkommen mindestens brutto
2.375,00 €. Hiervon abzuziehen sind die Krankenversicherungskosten mit 700,00
€. Weiter sind die Hausfinanzierungskosten mit 580,00 € abzuziehen. Es verbleiben
dann 1.095,00 €. Abzuziehen sind hiervon zwar weiter Verpflegungs- und
Reisekosten sowie mögliche Kosten der Unterkunft in Kairo, dies allerdings nur in
den Monaten, in denen der Antragsteller nicht zuhause gelebt hat. Zudem fallen
auf See keine Verpflegungskosten an. Es verbleiben dann Beträge, die zum
Unterhalt hätten beigetragen werden können.
Ob die Schätzungen der Antragsgegnerin zu den Einkünften des Antragstellers aus
seiner Kapitänstätigkeit zutreffen, ist offen. Dem Antragsteller ist durch den Senat
aufgegeben worden, hierzu detailliert vorzutragen. Dies ist unterblieben. Der Senat
muss deshalb davon ausgehen, dass mindestens die von der Antragsgegnerin
genannten Beträge zur Verfügung standen.
Dass nach der Trennung Barunterhalt gezahlt worden ist, ändert an der Verletzung
der Verpflichtung, schon während der Ehe zum Familienunterhalt beizutragen,
nichts.
b) Eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung liegt dann vor, wenn der
Ausgleichspflichtige durch das Ausbleiben der Beiträge des Ausgleichsberechtigten
in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Lebensbedarfs geraten ist
(vgl. BGH FamRZ 1986, 658; OLG Schleswig FamRZ 1999, 865). Erforderlich ist
dabei auch, dass die Pflichtverletzung über längere Zeit erfolgen muss. Der
Antragsteller hat sich bis auf die Wohnungsgestellung zu keiner Zeit am
Familienunterhalt beteiligt. Ein fehlender Beitrag zum Familienunterhalt während
der gesamten Ehedauer erreicht das Zeiterfordernis. Dass die Antragsgegnerin
nicht die ganze Ehezeit über auf öffentliche Unterstützung angewiesen war, weil sie
auch selbst gearbeitet und Mittel der Arbeitsförderung dadurch erhalten hat, dass
sie an Umschulungsmaßnahmen teilnahm, ist unerheblich. Die Pflichtverletzung ist
auch dann gröblich, wenn die ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten letztlich
durch Einsatz des Verpflichteten verhindert worden sind (vgl. BGH FamRZ 1986,
658).
Der Umstand, dass zeitweise sogar Arbeitslosengeld II in Anspruch genommen
werden musste, spricht deutlich für eine gröbliche Unterhaltsverletzung. Die
Antragsgegnerin teilt zwar hierzu keine genauen Zeiten mit. Nach dem in der
Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 30.August 2007
mitgeteilten Versicherungsverlauf bezog sie aber im Zeitraum vom 01. April 2005
bis zum 31. Dezember 2005 für insgesamt 8 Monate Arbeitslosengeld II.
Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, er sei ohnehin seit Oktober
2005 Rentner und habe gar nicht arbeiten müssen. Dann hätte er im Rahmen
seiner Unterhaltsverpflichtung jedenfalls die Kinderbetreuung übernehmen
können, um so der Antragsgegnerin eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
Der Umstand, dass der Antragsteller das in seinem Eigentum stehende
Familienheim mit monatlichen Raten finanziert hat, wirkt sich auch deshalb nicht
zu seinen Gunsten aus, weil er dadurch neben dem Beitrag zum Familienunterhalt
in erster Linie Altersvorsorge betrieben hat. Die Vermögensvorteile durch die
Finanzierung bleiben ihm deshalb weiterhin erhalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt sich aus § 49 Nr. 1 b GKG.