Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: aufwand, zivilprozessordnung, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, immaterialgüterrecht, ausnahmefall, quelle, link, belastung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 32/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 118 Abs 2 S 2 ZPO
Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren: Einholung eines
Sachverständigengutachtens in Arzthaftungssachen
Leitsatz
Die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme im PKH-Prüfverfahren in
Arzthaftungssachen nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO kommt nur in Betracht, wenn der
zeitliche und materielle Aufwand für die Erhebung des Sachverständigenbeweises
gering, die hinreichende Erfolgsaussicht zweifelhaft und der Streitwert hoch ist.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14. April 2008 gegen den
Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 27. März 2008 in der
Fassung durch den Nichtabhilfebeschluss vom 16. Juni 2008 wird als unzulässig
verworfen.
2. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 3 ZPO nicht
statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet
die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen
Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte statt, wenn dies im Gesetz
ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung
nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren
betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Der von der Antragstellerin mit
der Beschwerde angegriffene verfahrensleitende Beschluss des Landgerichts vom
27. März 2008 (Bl. 129 ff., Leseabschrift 132 f. d. A.), eine gutachterliche
Stellungnahme des Sachverständigen Dr. K zu für die Beurteilung der
Erfolgsaussicht der von der Klägerin beabsichtigen Klage maßgeblichen Fragen
einzuholen, fällt nicht unter die in § 567 Abs. 1 ZPO genannten Fälle. Bei dem
angefochtenen Beschluss handelt es sich weder um eine einen Antrag
zurückweisende Entscheidung i. S. d. § 567 Abs. 1 ZPO - die beabsichtigte
Beweiserhebung soll die Entscheidung des Landgerichts über den
Prozesskostenhilfeantrag erst vorbereiten - noch um einen Fall des § 127 Abs. 2 S.
2 ZPO, sondern um eine unanfechtbare verfahrensleitende Anordnung i. S. d. §
118 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller-Philippi, Zivilprozessordnung, Kommentar, 26. Aufl.
2006, § 127, Rdnr. 10 a; Zöller-Gummer, a. a. O., § 567, Rdnr. 33; Musielak,
Zivilprozessordnung, Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 118, Rdnr. 15).
Die sofortige Beschwerde ist auch nicht als Ausnahmefall zulässig. Eine sofortige
Beschwerde kann ausnahmsweise gegenüber einer Anordnung nach § 118 Abs. 2
S. 3 ZPO dann als zulässig angesehen werden, wenn das Gericht durch die
Anordnung stillschweigend die Prozesskostenhilfe ablehnt oder das Verfahren
hierdurch aussetzt (vgl. Musielak, a. a. O., m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall,
worauf das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung (dort S. 4, Bl. 196 d. A.)
zutreffend hingewiesen hat.
II. Die Entscheidung des Landgerichts ist i. Ü. auch in der Sache nicht zu
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II. Die Entscheidung des Landgerichts ist i. Ü. auch in der Sache nicht zu
beanstanden. Nach § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO können im Prozesskostenhilfeverfahren
Sachverständige vernommen werden, wenn nicht auf andere Weise geklärt werden
kann, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint. Im Bereich des Arzthaftpflichtprozesses besteht hiernach die
Möglichkeit, allem Anschein nach unplausible, für das Gericht angesichts der
medizinischen Materie nicht sicher beurteilbare Vorwürfe einer vorläufigen Prüfung
zu unterziehen, die bei einem eindeutigen Ergebnis eine Ablehnung des Antrags
rechtfertigen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf allerdings nicht dazu dienen,
die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe
zu verlagern und diese an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen
(vgl. BVerfG NJW 1991, 413 f.), zumal mit einer Beweiserhebung auch eine
Belastung der Antragsteller mit Gerichtskosten gemäß § 22 Abs. 1 GKG verbunden
sein kann. Dem trägt die vom Senat geteilte Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts München dadurch Rechnung, dass die Einholung einer
gutachterlichen Stellungnahme nur in Betracht kommt, wenn der zeitliche und
materielle Aufwand für die Erhebung des Sachverständigenbeweises gering, die
hinreichende Erfolgsaussicht zweifelhaft und der Streitwert hoch ist (vgl. OLG
München, Az. 1 W 2878/05 vom 16.12.2005 u. 1 W 1080/05 vom 09.05.2005,
München OLGR 1997, 34 zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Nach dem Inhalt des von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen
eingeholten Sachverständigengutachtens vom 20. Mai 2004 (Bl. 75 ff. d. A.) und
der Stellungnahme der Schlichtungsstelle vom 8. Februar 2005 (Bl. 87 ff. d. A.) ist
die hinreichende Erfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten
Rechtsverfolgung zweifelhaft. Gegenteilige sachverständige Ausführungen hat die
Antragstellerin nicht vorgelegt. Diese Beurteilung gilt auch für die von der
Antragstellerin behauptete unzureichende Aufklärung; insoweit kann auf die
Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen werden (dort S. 4, Bl.
200 d. A.). Der Streitwert ist hoch, im Verhältnis zum Streitwert sind der mit der
sachverständigen Begutachtung verbundene zeitliche und materielle Aufwand
gering.
Gem. KV Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG hat die Antragstellerin die
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten
werden nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.