Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: gesellschafter, geschäftsführer, bürge, verwertung, hauptschuld, aktivlegitimation, versicherungsleistung, konkurs, geschäftsbücher, schuldbefreiung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 79/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 765 BGB, § 3 AGBG, § 9
AGBG, § 67 VVG, § 187 VVG
Wirksamkeit von Formularbürgschaften;
Sicherungsfunktion von Warenkreditversicherungen
Leitsatz
1. Ist der Bürge Geschäftsführer oder Gesellschafter des Hauptschuldners, können
Formularbürgschaften auch dann wirksam sein, auch wenn der Sicherungszweck
unbestimmt und allumfassend ist.
2. Leistungen einer Warenkreditversicherung dienen nicht der Schuldbefreiung des
Hauptschuldners und führen deshalb nicht zur Tilgung der Hauptschuld.
3. § 67 VVG gilt nicht für Ansprüche aus Warenkreditversicherungen.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 20. Mai 2003 verkündete Urteil des
Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 38.346,89 €.
Gründe
I.
Der Beklagte wehrt sich gegen seine Inanspruchnahme als Bürge für eine
Forderung der Klägerin gegen die in Konkurs befindliche Reederei K.-S. GmbH,
deren Gesellschafter und zeitweiliger Geschäftsführer er war.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Tenors und der
Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Darstellung des am 20. Mai
2003 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Flensburg Bezug genommen.
Gegen das dem Beklagtenvertreter am 4. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der
Beklagte am 4. Juli 2003 Berufung eingelegt und diese Berufung nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. September 2003 mit
einem am 3. August und einem weiteren am 3. September 2003 beim
Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Beklagte macht geltend:
Die Bürgschaften seien unwirksam, weil die Übernahme einer Haftung für eine erst
zukünftig erwachsende Schuld unbestimmten Umfangs dem Maßstab des AGB-
Gesetzes - insbesondere dessen § 9 - nicht standhalte.
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Die geschäftlichen Hintergründe der Bürgschaften offenbarten, dass der Beklagte
bei Abgabe habe annehmen können, dass er nicht in Anspruch genommen werden
würde Die Klägerin habe die Gesellschafterbürgschaften verlangt, um ihrerseits
eine Sicherung für einen Sparkassenkredit zu belegen, so dass bei den Bürgen der
Eindruck hervorgerufen worden sei, ihre Inanspruchnahme sei nicht beabsichtigt
und die Bürgschaften hätten nur zur Beruhigung der Sparkasse dienen sollen.
In der Rechtsprechung würden Bürgschaften von geschäftlich unerfahrenen
Personen in bestimmten Fällen als unwirksam betrachtet und dieser Gedanke
müsse auch hier erwogen werden.
Die Hauptforderung sei schon in den Jahren 1992 bis 1994 getilgt worden. Dies
könne der Beklagte zwar nicht unmittelbar beweisen, weil die anderen
Gesellschafter ihm die Bücher der Hauptschuldnerin nicht zur Einsicht gegeben
hätten, deshalb sei nun aber die Klägerin aufzufordern, ihre Bücher über die
Abrechnungen jener Zeit vorzulegen.
Falls noch später eine Forderung gegen die Hauptschuldnerin bestanden habe, sei
sie durch Tilgungen erloschen. Die Klägerin habe Leistungen der Hermes-
Versicherung erhalten, die, wenn nicht zur Tilgung, dann jedenfalls zum Wegfall der
Aktivlegitimation geführt hätten. Sie habe über Jahre Zahlungen aus einem
Fahrgastverkauf der Reederei K.-S. GmbH an eine andere Reederei erhalten. Sie
habe einen Reisebus eines anderen Gesellschafters verwertet und sie habe
Restwarenbestände zurückgenommen und verwertet. Die Klägerin habe die
Hauptschuldnerin während des Laufes der Geschäftsbeziehung mit ihrer
Preisgestaltung übervorteilt und dadurch Schadensersatzansprüche der
Hauptschuldnerin gegen die Klägerin ausgelöst, die der Schuld entgegenzuhalten
seien und sie zum Erlöschen brächten.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Schlussurteil vom 20. Mai 2003 zu ändern, das
Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Flensburg 2 O 316/02 aufzuheben
und die tenorierten Klageansprüche abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung auf Kosten des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass die Höhe der
Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin ihr gegenüber seit 1992 niemals unter
645.000 DM gelegen und die Schuld zum Zeitpunkt der Anmeldung zur
Konkurstabelle mit 744.749 DM valutiert habe. Diese Schuld sei seitdem nicht in
nennenswertem Umfang reduziert worden. Aus der Verwertung
zurückgenommener Waren seien 50.000 DM und aus der Verwertung eines
Reisebusses 33.500 DM erlöst worden. Von der Hermes-Kreditversicherung habe
sie 135.000 DM erhalten, so dass sich die Hauptschuld immer noch auf 478.000
DM belaufe.
Von einem angeblichen Fahrgastverkauf sei ihr nichts bekannt. Erlöse aus einem
solchen Geschäft seien ihr nicht zugeflossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im
Berufungsrechtszug wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug
genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten konnte keinen Erfolg haben.
Mit seinen erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten Angriffen gegen die
Wirksamkeit der Bürgschaften kann der Beklagte nicht mehr gehört werden, denn
die Beklagtenvertreterin hatte in erster Instanz den Anspruch (im
Urkundenprozess) anerkannt und sich nur die Ausführung ihrer Rechte im
Nachverfahren vorbehalten. Damit hat sie die urkundlich belegte
Bürgschaftsverpflichtung anerkannt, so dass sie vom Grunde her nicht mehr in
Frage gestellt werden kann.
Der Berufungsangriff lässt sich allenfalls insoweit mit dem Anerkenntnis
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Der Berufungsangriff lässt sich allenfalls insoweit mit dem Anerkenntnis
vereinbaren, als noch in Frage gestellt werden könnte, ob die Bürgschaft sich
wirksam auf die Hauptschuld in ihrem aktuellen Umfang beziehen kann oder ob sie
beschränkt ist auf die Hauptschuld, die zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung
bestand.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Angriff insoweit mit dem Umfang
der Anerkenntniserklärung zu vereinbaren ist, weil der Angriff im Ergebnis ohnehin
nicht zu einer Reduzierung des Bürgschaftsumfangs führen würde.
Die Berufung leitet die Wirksamkeitsbedenken aus § 9 AGBG her, weil der
Sicherungszweck der Formularbürgschaften unbestimmt und allumfassend sei. Die
Bürgschaften sollten nach dem Formulartext für alle auch künftig erst
entstehenden Forderungen aus der Geschäftsverbindung der Hauptschuldnerin
und der Gläubigerin zeitlich unbegrenzt gelten.
Die Wirksamkeit von Formularbürgschaften mit Formulierungen wie den hier
vorliegenden begegnet auf der Grundlage von §§ 3 und 9 AGBG häufig Bedenken,
weil die Haftung sich auf eine summenmäßig unbegrenzte Hauptforderung
beziehen soll und der Bürge nicht zu übersehen und nicht zu beeinflussen vermag,
welche Entwicklung die Hauptforderung künftig nehmen wird. Solche
Wirksamkeitsbedenken äußert der BGH für den Fall einer Formularbürgschaft
durchaus auch in der vom Landgericht genannten Entscheidung BGH in BGHZ
130, 19 (= NJW 1995, 2553).
Die von der Berufung aufgezeigten Wirksamkeitsbedenken sind hier aber
unbegründet, die Bürgschaften sind wirksam, auch soweit sie den erst nach ihrer
Unterzeichnung entstandenen Forderungsumfang betreffen.
Wenn der Bürge – wie hier - der Geschäftsführer oder Gesellschafter einer
Handelsgesellschaft ist, kann er sich auch in Formulartexten wirksam in solchem
Umfang verpflichten.
Der BGH führt z. B. in der in NJW 2000, 658 veröffentlichten Entscheidung aus,
dass die Wirksamkeitsbedenken, die sich an solche Klauseln knüpfen können, nicht
für Geschäftsführer und Gesellschafter gelten, die „ihrer“ Gesellschaft durch die
Bürgschaft Kredit verschaffen wollen, und dass es dabei – entgegen früherer
Auffassung – auch nicht darauf ankomme, ob der Bürge Allein- oder
Mehrheitsgesellschafter sei, denn jeder Gesellschafter habe die Möglichkeit, sich
über die Verbindlichkeiten einen Überblick zu verschaffen und sei daher weniger
schutzwürdig, als ein außen stehender Bürge.
Der Beklagte war hier anfänglich Geschäftsführer und daneben von der Gründung
bis zum Konkurs Gesellschafter mit einem 1/6 Anteil an der Hauptschuldnerin,
einer GmbH. Auch wenn er kurz vor der Übernahme der Bürgschaften die
Geschäftsführung abgegeben haben sollte (eine erstinstanzlich nicht bestrittene
Darstellung, die allerdings im Widerspruch zu dem Handelsregisterauszug steht,
den die Klägerin in der Berufung eingereicht hat), wusste er, dass die
Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin schon bei Abgabe der Bürgschaften diese
weit überstiegen. Die zu Grunde liegenden Forderungen der Klägerin gegen die
Hauptschuldnerin resultierten hier nur aus einem bestimmten Geschäftsbereich,
nämlich aus der Lieferung von Transitwaren auf Kredit. Ihre Entwicklung war daher
für den Beklagten durchaus einschätzbar. Die Bürgschaften wurden verlangt, weil
auch zukünftig Warenkredit gewährt werden sollte. In dieser Situation kann das
Begehren nach Bürgschaften, die den Umfang der bisherigen Verpflichtungen
nicht einmal erreichten, nicht als unbillig angesehen werden.
Die Bedenken dahingehend, dass es den Bürgen überraschen könne (§ 3 AGBG)
und ihn unangemessen benachteilige (§ 9 AGBG), wenn er für von ihm nicht
beeinflussbare und der Höhe nach nicht einschätzbare erst künftig entstehende
Forderungen in Anspruch genommen werden könne, bestehen bei dieser Sachlage
nicht.
Mit neuen Angriffen mit dem angeblichen Hintergrund der Geschäfte, die die
Bürgschaften ausgelöst haben sollen, kann der Beklagte nach § 531 ZPO nicht
mehr gehört werden. Hintergründe der Bürgschaften, die erstinstanzlich nicht
geschildert wurden und von Klägerseite jetzt auch bestritten werden, kann der
Senat nicht mehr berücksichtigen.
Auch dass der Kläger unerfahren gewesen sei und deshalb besonderen Schutzes
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Auch dass der Kläger unerfahren gewesen sei und deshalb besonderen Schutzes
bedürfe, war erstinstanzlich nicht behauptet worden und kann nun gleichermaßen
nicht mehr geprüft werden. Unerfahrenheit wird im Übrigen auch in der Berufung
mit Tatsachen nicht untermauert und liegt bei einem Gesellschafter und
zeitweiligen Geschäftsführer einer Reederei auch keinesfalls nahe.
Soweit der Beklagte sich darauf berufen will, dass die Hauptforderung
zwischenzeitlich nicht mehr existent sei, weil sie durch Tilgungen, Verrechnungen,
Gegenansprüche und Versicherungsleistungen erloschen sei, trägt er für solche
Tilgungstatsachen die Beweislast, wie das Landgericht unter Hinweis auf die z. B. in
BGH NJW 1996, 719 dargestellte Darlegungs- und Beweislastverteilung zutreffend
ausgeführt hat. Die Beweislast kann auch nicht dadurch verlagert werden, dass der
Beklagte Probleme hat, Tatsachenerkenntnisse, die aus der Sphäre der
Hauptschuldnerin stammen, zu erlangen, weil ihm die ehemaligen
Mitgesellschafter keine Auskünfte erteilen.
Mehr, als eine substantiierte Darstellung, welche Tilgungsleistungen sie erhalten
hat, kann von der nicht beweisbelasteten Klägerin nicht verlangt werden. Eine
solche Darstellung hat die Klägerin abgegeben.
Die Klägerin ist nicht verpflichtet, ihre Geschäftsbücher offen zu legen, um zu
beweisen, dass ihr weitere Tilgungsleistungen nicht zugeflossen sind, denn sie ist
nicht beweisbelastet. Sie muss diese Geschäftsbücher auch nicht offen legen, um
dem Beklagten einen Beweis zu ermöglichen, denn bei diesen Unterlagen handelt
es sich um Firmenunterlagen, auf deren Vorlegung oder Herausgabe der Beklagte
nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts keinen Anspruch hat (§ 422 ZPO).
Der Beweis einer Tilgung der Hauptschuld in einem für die Bürgschaft
maßgeblichem Umfang ist dem Beklagten nicht möglich.
Soweit die Berufung mit dem Argument Gehör finden möchte, die Hauptforderung
sei schon in den Jahren 1992 bis 1994 getilgt worden, war eine angebliche Tilgung
schon in dieser Zeit erstinstanzlich nicht behauptet worden.
Es war erstinstanzlich unstreitig, dass die Klägerin gegen die Hauptschuldnerin
noch im Jahr 1995 eine Forderung über 744.749,00 DM besaß.
Dies ist erstinstanzlich im Vorverfahren (Urkundsprozess) ausdrücklich
zugestanden worden, denn die Beklagtenvertreterin hatte in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht auf Vorhalt der Konkurstabelle vom 27.10.1995
erklärt, der Hauptanspruch werde nicht bestritten, sie wolle nur bestreiten, dass
die Klägerin die Anspruchsberechtigte sei (weil die Firma der Klägerin in einigen
Schriftstücken geringfügig abweichend vom Handelsregistereintrag geschrieben
worden war).
In der Folgezeit hat sie noch einmal zur Hauptforderung Stellung genommen und
erklärt, es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anmeldung zur
Konkurstabelle bereits am 24.05.1995 erfolgt sei. Seit diesem Zeitpunkt habe es
zahlreiche Veränderungen der Forderung gegeben.
Solche Erklärungen sind als Zugeständnis zu werten, dass jedenfalls zum
Zeitpunkt der Anmeldung der Hauptforderung zur Konkurstabelle die
Hauptforderung in der angemeldeten Höhe (744.749,00 DM) bestand.
Der nun völlig neue Vortrag, dass die Schuld schon vor Konkursanmeldung
erloschen sei, kann wegen des Zugeständnisses I. Instanz, aber auch auf der
Grundlage von § 531 ZPO nicht berücksichtigt werden.
Im Urkundsprozess und Nachverfahren I. Instanz hatte die Beklagtenvertreterin
gegen das Bestehen der Hauptforderung eingewendet, diese sei zwischenzeitlich
durch Zahlungen der Hermes-Versicherung, welche die Klägerin erhalten habe,
getilgt.
Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine „Warenkreditversicherung“ der
Klägerin. Leistungen einer solchen Versicherung dienen nicht der Schuldbefreiung
des Hauptschuldners und führen eine Tilgung auch nicht herbei.
Solche Versicherungen ersetzen nur den Schaden, der entsteht, wenn der
Schuldner leistungsunfähig wird.
Für Schuldner und Bürgen haben Leistungen einer solchen Versicherung keine
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Für Schuldner und Bürgen haben Leistungen einer solchen Versicherung keine
befreiende Wirkung.
Die Berufung hat dieser Erkenntnis dadurch Rechnung getragen, dass sie jetzt
statt einer Tilgung durch die Versicherungsleistung den Wegfall der
Aktivlegitimation der Klägerin durch Forderungsübergang auf die Versicherung
geltend macht.
Bei Schadensversicherungen führt § 67 VVG einen gesetzlichen
Forderungsübergang mit Erbringung der Versicherungsleistung herbei. Für die
Warenkreditversicherung gilt aber die Vertragsfreiheit, die gesetzlichen
Regelungen des Vertragsinhaltes nach dem VVG sind für diese Versicherungsart
nicht bindend. Dies folgt aus § 187 VVG (siehe Prölss/Martin § 187 VVG Rdn. 6). Für
die Warenkreditversicherung gibt es AVG-Warenkredit in verschiedenen
Fassungen, daneben kann auch ein Versicherungsinhalt individuell vereinbart
werden.
Die Aktivlegitimation wäre deshalb nur dann berührt, wenn ein entsprechender
Vertragsinhalt bestünde. Hierfür gibt es keinen Vortrag. Interna des
Versicherungsvertrages werden nicht dargestellt. Anhaltspunkte für einen Wegfall
der Aktivlegitimation gibt es nicht. Die Versicherung hat gegenüber dem Beklagten
auch keinen Forderungsübergang angemeldet.
Die Aktivlegitimation könnte ohnehin allenfalls dann beeinträchtigt sein, wenn eine
Versicherungsleistung den Schaden der Klägerin in einem solchem Umfang
reduziert hätte, dass nicht einmal ein Betrag in Höhe der Bürgschaftsforderung
verblieben wäre. Auch dafür gibt es keinen Anhaltspunkt, die Klägerin hat nach
eigenen Angaben bei einer Hauptforderung von mehr als 750.000 DM nur 135.000
DM Versicherungsleistung erhalten. Der Beklagte vermag weitere Zahlungen nicht
substantiiert darzustellen oder zu beweisen.
Der Anspruch gegen den Beklagten ist auch bereits seit September 1997
rechtshängig, ein erst anschließend bewirkter Rechtsübergang wäre nach § 265
ZPO unbeachtlich.
Soweit der Beklagte meint, die Klägerin habe die Hauptschuldnerin mit ihrer
Preisgestaltung übervorteilt und der Hauptschuldnerin dadurch Schaden zugefügt,
weshalb sie ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei, ergeben sich aus seinem
Vortrag keinerlei nachvollziehbare Tatsachen, die erkennen ließen, weshalb die
Klägerin in ihrer Preisgestaltung nicht völlig frei sein soll. In der Berufung macht er
geltend, dass die Klägerin die Bemühungen, anderenorts billiger einzukaufen,
kartellwidrig abgeblockt habe
Hohe Preise lösen noch keinen Schadensersatzanspruch aus. Der Vortrag des
Beklagten ist insoweit erstinstanzlich zutreffend als unsubstantiiert bewertet
worden, er lässt einen Schadensersatzanspruch nicht erkennen.
Selbst wenn die Hauptschuldnerin gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche
besäße, müsste der Konkursverwalter diese geltend machen und ggf. mit ihnen
eine Aufrechnung erklären. Das gleichzeitige Bestehen von Forderungen der einen
Seite und denkbaren Schadensersatzansprüchen der anderen Seite führt ohne
eine solche Rechtsausübung durch den Konkursverwalter nicht dazu, dass die
Schuld erlischt. Der Bürge kann die Aufrechnung nicht geltend machen.
Der Bestand der Schuld, für die der Beklagte sich verbürgt hat, bleibt daher von
möglichen Schadensersatzansprüchen zwischen Hauptschuldnerin und Klägerin
unberührt, da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Konkursverwalter
Schadensersatzansprüche geltend gemacht und mit ihnen aufgerechnet hat.
Der Beklagte hatte sich schon erstinstanzlich darauf berufen, dass die
Hauptschuldnerin ihren Fahrgastbestand an eine andere Reederei verkauft habe
und der Ertrag aus diesem Geschäft der Klägerin zugeflossen sei, denn die
Erwerberin habe dafür an die Klägerin je Fahrgast 1 DM zahlen sollen. Diese
Transaktion soll ab dem 24.1.1995 stattgefunden haben, dem Tag, an dem die
Hauptschuldnerin den Fahrgastverkehr einstellte und Konkurs anmeldete und die
Abwicklung soll sich über 4 ½ Jahre bis ins Jahr 1999 hingezogen haben. Zum
Beleg hatte der Beklagte sich erstinstanzlich auf den ehemaligen Geschäftsführer
und den Konkursverwalter bezogen. Irgendwelche Beträge hatte er nicht genannt,
sondern nur behauptet, dieses Geschäft habe deutliche Veränderungen im
Forderungsbestand ergeben.
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Dieses Geschäft nach Konkursantragstellung wäre derart ungewöhnlich und hätte
vom Konkursverwalter angefochten werden müssen, dass das Landgericht zu
Recht einen rechtlichen Hinweis darauf gegeben hat, dass es hier bisher von
Unsubstantiiertheit ausgehe.
Auf den rechtlichen Hinweis hin hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung
nur erklärt, die behauptete Erfüllung der Hauptforderung könne er nicht näher
darlegen. Über die im Einzelnen geflossenen Beträge wisse er nichts, weil ihm der
ehemalige Geschäftsführer keine Auskunft erteile.
Hier liegen deshalb ersichtlich nur Spekulationen vor, die der Beklagte äußert.
Seine Darlegungs- und Beweislast zu Tilgungen kann er nicht dadurch umgehen,
dass er Tilgungen behauptet, ohne einen konkreten Anhaltspunkt dafür zu haben,
dass irgendein Betrag geflossen ist. Der Beklagte hat als Gesellschafter
durchsetzbare Möglichkeiten, Einblick in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft
zu erzwingen, Auskünfte von der Geschäftsleitung und vom Konkursverwalter zu
erhalten. Er hat dazu seit 1995 Zeit gehabt. Er kann jetzt nicht mit der
Behauptung gehört werden, durch den Fahrgastverkauf habe sich im
Forderungsbestand eine „deutliche Veränderung“ ergeben. Diese Behauptung, die
eingestandenermaßen ohne konkrete Erkenntnisse aufgestellt wurde, ist zu
unspezifiziert, als dass ein Zivilgericht, das dem Beibringungsgrundsatz zu folgen
hat, ihr nachgehen dürfte. Soweit der Beklagte in der Berufung vertieft vorträgt
und nun noch weitere angeblich geflossene Zahlungen – für deren Höhe er
ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte hat – behauptet, ist dies wegen § 531
ZPO nicht zu beachten.
Die Berufung trägt erstmals zwei weitere „Tilgungssachverhalte“ vor, die der Senat
– trotz § 531 ZPO - soweit berücksichtigen kann, als die vorgetragenen Tatsachen
von Klägerseite unstreitig gestellt wurden. Diese Sachverhalte betreffen die
Verwertung des Reisebusses eines Mitgesellschafters und eines
zurückgenommenen Warenbestandes.
Weitergehend, als durch die Klägerin zugestanden, ist eine Berücksichtigung nicht
möglich.
Der Beklagte beruft sich für die Zulässigkeit neuen Tatsachenvorbringens (wohl zur
Verwertung des Busses) zwar darauf, dass er Informationen erst nach der
Entscheidung I. Instanz von der Ehefrau eines Mitgesellschafters erhalten habe,
ohne aber zu erklären um welche Tatsachen es sich dabei gehandelt haben soll.
Zugleich trägt er vor, dass das Landgericht diese Tatsachen durch rechtliche
Hinweise hätte in Erfahrung bringen müssen und können – ein Argument, das der
Behauptung, es gehe um erstinstanzlich nicht verfügbare Erkenntnisse,
widerspricht.
Die Klägerin hat die Verwertung eines Restwarenbestandes mit einem Erlös von
50.000 DM und die Verwertung des Busses mit einen Erlös von 33.500 DM
zugestanden.
Durch die Verwertungserlöse wird die Hauptforderung nur in einem Spitzenbereich
reduziert, der die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten nicht berührt.
Der Beklagte hat auch selbst erklärt, ein Reisebus koste neu etwa 200.000 DM, so
dass der Senat – auch wenn der Vortrag zuzulassen wäre - hätte feststellen
müssen, dass der Verwertungserlös keinesfalls die Forderung gegen die
Hauptschuldnerin in einem solchen Maße verringert haben kann, dass dies die
Bürgschaft beeinträchtigt. Der Klägerin soll auch aus der Verwertung des Busses
nach eigener Darstellung des Beklagten nur ein Überschusserlös zugeflossen sein,
weil – wie der Beklagte vorher dargestellt hatte - sämtliche Reisebusse seiner
Mitgesellschafter vollständig kreditfinanziert waren und die Gesellschafter selbst
vermögenslos.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713
ZPO, 25 Abs. 2 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. bestehen nicht. Der
Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch nicht zur
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch nicht zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts.