Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: unterbringung, heilbehandlung, psychiatrische klinik, polizei, stadt, ghana, gespräch, einweisung, heirat, wahrscheinlichkeit

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 5/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1896 Abs 2 S 1 BGB, § 1906
Abs 1 Nr 2 BGB
Betreuung: Erforderlichkeit einer Erweiterung der
Betreuung auf die Aufgabenkreise Gesundheitsvorsorge
und Aufenthaltsbestimmung
Leitsatz
Die Erweiterung der Betreuung auf die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und
Aufenthaltsbestimmung mit dem Ziel der Unterbringung des Betroffenen zur
Heilbehandlung ist nur erforderlich, wenn eine Heilbehandlung in einer geschlossenen
Einrichtung nach §1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB überhaupt in Betracht kommt, das heißt,
diese nach einer vorläufigen Einschätzung Erfolg versprechend und nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unumgänglich erscheint.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen.
Gründe
I.
Im Jahre 1991 erlitt der Betroffene bei einem Verkehrsunfall ein schweres Schädel-
Hirntrauma unter dessen Folgen er bis heute zu leiden hat. Im Jahre 1993 richtete
das Amtsgericht für ihn eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen
Vermögenssorge, Rentenangelegenheiten und Behördenangelegenheiten ein und
bestellte Herrn R. zum Betreuer (Bl. 36 d.A.). Mit Beschluss vom 02.09.1993
ordnete das Amtsgericht für den Aufgabenkreis Vermögenssorge einen
Einwilligungsvorbehalt an (Bl. 49 d.A.). Unter dem 03.07.1996 berichtete der
Betreuer, der Betroffene sei zunehmend in der Lage, mit Hilfe seiner Ärzte sein
Leben selbst zu gestalten. Die Betreuungstätigkeit beschränke sich zurzeit allein
auf den finanziellen Teil. Insoweit gestalte sich die Betreuung des Betroffenen
jedoch nach wie vor schwierig. Der Betroffene habe noch nicht eingesehen, dass
sein Vermögen für den Rest seines Lebens die Grundlage seiner Existenz darstelle.
Sein Lebensstandard sei auf einem hohen Niveau, an besprochene
Ausgabenbeschränkungen halte er sich nicht.
Am 30.04.1997 erschien der Betroffene bei dem Amtsgericht Flensburg und
berichtete, dass er am 13.03.1997 in Ghana geheiratet habe. Er beabsichtigte,
seine Frau, die afrikanischer Herkunft sei, in die Bundesrepublik Deutschland zu
holen. Zugleich äußerte der Betroffene die Absicht, ein Kraftfahrzeug für rund
40.000 DM kaufen zu wollen. Unter dem 15.05.1997 (Bl. 174 d.A.) berichtete der
Betreuer, die Heirat des Betroffenen mit seiner Frau sei ein Spontanentschluss
gewesen. Die jetzigen Eheleute hätten sich gerade drei Wochen gekannt. Die
Ehefrau des Betroffenen verfüge über keine Berufsausbildung. Vergeblich hätten
die Angehörigen und auch er, der Betreuer, versucht, den Betroffenen von der
Heirat abzuhalten. Gerade die Sache mit der Heirat zeige, dass der Betroffene im
Grunde nicht eigenverantwortlich handeln könne.
Unter dem 01.06.1998 (Bl. 212 d.A.) berichtete der Betreuer, der Betroffene neige
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Unter dem 01.06.1998 (Bl. 212 d.A.) berichtete der Betreuer, der Betroffene neige
immer noch dazu, mehr Geld auszugeben, als er an Einkommen habe. Die
bestehende Betreuung sorge dafür, dass insgesamt keine Schulden gemacht
würden und das bestehende Vermögen sicher angelegt sei. Insoweit sollte eine
Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge einschließlich
Einwilligungsvorbehalt auf jeden Fall beibehalten werden. Am 15.08.1998 sprach
der Betroffene bei dem Amtsgericht vor und berichtete von den dem Richter
bereits bekannten Schwierigkeiten im Verhältnis zu seiner Ehefrau und davon,
dass er sich trennen wolle. Er vertrat auch die Auffassung, dass die Betreuung
aufgehoben werden könne, da er in der Lage sei, seine finanziellen
Angelegenheiten selbst zu erledigen. Unter dem 13.10.1998 berichtete der
Betreuer, die Zusammenarbeit mit dem Betroffenen sei in letzter Zeit immer
schwieriger geworden. Schuld daran sei seine Ehefrau, die wohl davon
ausgegangen sei, einen wohlhabenden Ehemann geheiratet zu haben und einen
aufwendigen Lebensstil pflege. Finanzielle Probleme seien der Grund für häufige
Ehestreitigkeiten. Nach Aussage des Betroffenen sei bei der Eheschließung in
Afrika ein Ehevertrag abgeschlossen worden, nach dem die Ehefrau des
Betroffenen das gesamte Vermögen des Betroffenen erhalte, wenn eine
Scheidung von dem Betroffenen ausgehe. Der Betroffene habe in letzter Zeit
häufiger den Wunsch geäußert, sich scheiden lassen zu wollen. Der Betroffene
beabsichtige, im Dezember 1998 für längere Zeit mit seiner Ehefrau nach Afrika
zu fahren. Unter dem 02.11.1998 berichtete der Betreuer, bedingt durch die
Eheprobleme sei die Betreuung sehr zeitintensiv geworden. Die Ehestreitigkeiten
hätten auch schon Polizeieinsätze erforderlich gemacht. Der soziale Dienst der
„WOBAU Flensburg“ sei aus diesen Gründen an ihn herangetreten. In einer
Besprechung vom 10.11.1998 versuchte der Betroffene das Amtsgericht für
seinen Plan zu gewinnen, sich in Ghana ein Haus zu kaufen. Er hätte dann die
Möglichkeit, wenn er seinen Urlaub in Ghana verbringe, in diesem Haus zu wohnen.
Das Verhältnis zu seiner Ehefrau habe sich verbessert. Von Scheidung sei jetzt
keine Rede mehr (Bl. 247 d.A.).
Unter dem 19.01.1999 erstattete der ärztliche Sachverständige Dr. S sein
Gutachten zur Frage der Verlängerung der Betreuung (Bl. 251 d.A.), in dem er bei
dem Betroffenen ein posttraumatisches deutlichgradiges hirnorganisches
Psychosyndrom diagnostizierte, das eine geringgradige Beeinträchtigung von
Konzentration, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit sowie insbesondere eine hieraus
resultierende emotionale Labilität mit Kritikminderung und vermehrter
Beeinflussbarkeit zur Folge habe. Der ärztliche Sachverständige sprach sich für
eine Fortführung der Betreuung einschließlich Einwilligungsvorbehalt aus. In einem
Gespräch mit dem Amtsgericht vereinbarten der Betroffene und sein
Rechtsanwalt, dass ein weiteres Gutachten eingeholt werden sollte. Dieses
erstattete der ärztliche Sachverständige Dr. H unter dem 11.04.1999 (Bl. 266
d.A.). Der ärztliche Sachverständige diagnostizierte einen Zustand nach schwerem
Schädel-Hirntrauma 1991 mit z. Z. der Begutachtung nur noch gering
ausgeprägten körperlich-neurologischen Defiziten. Allerdings sprach er sich wegen
der fortbestehenden emotionalen Instabilität und Minderung der Kritikfähigkeit
ebenfalls für eine Fortführung der Betreuung aus. Mit Beschluss vom 05.08.1999
verlängerte das Amtsgericht die bestehende Betreuung, entließ Herrn R. als
Betreuer und bestellte im allseitigen Einverständnis Herrn H. zum neuen Betreuer
des Betroffenen. Der Betroffene selbst hatte vorgeschlagen, Herrn H. zum neuen
Betreuer zu bestellen. Bereits am 13.09.1999 erschien der Betroffene bei dem
Amtsgericht und erklärte, er sei mit dem neuen Betreuer nicht mehr
einverstanden. Der neue Betreuer habe ihm den monatlich verfügbaren Betrag
von 1.700 DM auf 400 DM gekürzt. Einzelne Anschaffungen müsse er mit dem
neuen Betreuer besprechen. Das sehe er nicht ein. Mit Beschluss vom 15.10.1999
entließ das Amtsgericht daraufhin im allseitigen Einvernehmen den neuen
Betreuer und bestellte Herrn R. wiederum zum Betreuer des Betroffenen.
Im Februar 2000 wandte sich der Betreuer an das Amtsgericht und regte an, die
Betreuung um den Aufgabenkreis Regelung der Postangelegenheiten zu erweitern.
Er begründet diesen Antrag damit, dass der Betroffene ihm seine Post niemals
zeige, so dass jetzt Schulden durch einen Gerichtsvollzieher eingetrieben werden
müssten. Des Weiteren habe das Amtsgericht Flensburg einen Strafbefehl gegen
den Betroffenen erlassen, von dem er, der Betreuer, auch nichts gewusst habe. Im
Juni 2000 erschien der Betroffene im Dienstzimmer des zuständigen
Vormundschaftsrichters und erklärte, die Betreuung nicht mehr haben zu wollen.
Im Vordergrund stehe für ihn ausschließlich sein Kind. Unter dem 18.07.2000
berichtete der Betreuer, dass die Ehefrau des Betroffenen am 04.07.2000 den
gemeinsamen Haushalt verlassen habe und beide Seiten Rechtsanwälte mit der
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gemeinsamen Haushalt verlassen habe und beide Seiten Rechtsanwälte mit der
Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätten (Bl. 358 d.A.).
Mit Beschluss vom 01.08.2000 (Bl. 361 d.A.) erweiterte das Amtsgericht die
Betreuung um den Aufgabenkreis „Regelung der Postangelegenheiten“. Gegen
diesen Beschluss legte der Betroffene Beschwerde ein. Die Beschwerdekammer
des Landgerichts holte daraufhin ein Sachverständigengutachten ein, das die
ärztliche Sachverständige Dr. A am 05.10.2000 (Bl. 370 d.A.) erstattete. Die
Sachverständige diagnostizierte eine affektive Störung mit manischer Ausprägung
auf dem Boden eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Schädel-Hirntrauma
(ICD-10:F06.30.). Kognitive Störungen bestünden nicht, hinsichtlich der
emotionalen Instabilität und der fehlenden Affektkontrolle sei weiterhin eine
Minderung der eigenen Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie eine erhebliche
Suggestibilität gegenüber äußeren Einflüssen gegeben. Die Sachverständige
sprach sich für die Betreuung in dem Bereich der Regelung der
Postangelegenheiten aus. Im Oktober 2000 wandte sich der Betreuer an das
Amtsgericht und teilte diesem mit, eine Weiterführung der ehrenamtlichen
Betreuung des Betroffenen sei ihm nicht möglich. Er bat um Entlassung aus dem
Betreuungsverhältnis. Im November 2000 wandte sich der Betreuer abermals an
das Amtsgericht und schilderte seine Probleme mit dem Betroffenen. Die
finanzielle Situation habe sich derart zugespitzt, dass der Betroffene infolge hoher
finanzieller Belastung, unter anderem aufgrund Unterhaltszahlungen für seine
Ehefrau und das Kind, einem neuen Strafbefehl sowie Zahlung von
Rechtsanwaltsgebühren seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr
nachkommen könne. Des Weiteren komme er an den Betroffenen nicht mehr
heran. Der Betroffen selbst wandte sich ebenfalls im November 2000 an das
Amtsgericht und erklärte, er könne seine Angelegenheiten selbst ohne fremde
Hilfe von Betreuungspersonen regeln. Zugleich beschwerte er sich über seinen
Betreuer. Mit Beschluss vom 08.11.2000 (Bl. 410 d.A.) entließ das Amtsgericht
den bisherigen Betreuer und bestellte die Betreuungsbehörde der Stadt F zur
neuen Betreuerin des Betroffenen.
Mit Beschluss vom 02.02.2001 (Bl. 419 d.A.) wies das Landgericht die
Beschwerden des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom
05.08.1999 und 01.08.2000 zurück.
In seinem Abschlussbericht vom 10.01.2001 berichtete der ehemalige Betreuer
des Betroffenen, dass der letzte Betreuungszeitraum der intensivste und auch
schwierigste in den letzten Jahren gewesen sei. Die finanzielle Situation des
Betroffenen habe sich seit dem Auszug seiner Ehefrau aus dem gemeinsamen
Haushalt drastisch verschlechtert. Er habe ihr Unterhalt zu zahlen und müsse
auch die Kosten für die Mietwohnung tragen. Zu keiner Zeit sei es möglich
gewesen, den Betroffenen dazu zu bewegen, die Ausgaben zu reduzieren.
Unter dem 16.02.2002 berichtet die neue Betreuerin über das erste
Betreuungsjahr. In diesem Bericht schilderte sie den Betroffenen als sehr
stimmungsschwankend, teilweise sei er sehr freundlich und humorvoll, dann
komme es jedoch auch wieder zu heftigen Wutausbrüchen, bei denen er sich sogar
auf den Boden werfe oder Dinge hinschmeiße. Aufgrund der starken Labilität sei
eine Betreuung weiterhin erforderlich. Mit Schreiben vom 18.03.2002 beantragte
die neue Betreuerin die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis
Wohnungsangelegenheiten, nachdem der Betroffene im vergangenen Jahr ca.
zehnmal seine Wohnung gekündigt hatte. Es gehe darum, zu verhindern, dass der
Betroffene wohnungslos werde. Unter dem 10.06.2002 erstattete die ärztliche
Sachverständige Dr. K ein Gutachten, in dem sie eine weitgehende emotionale
Destabilisierung des Betroffenen beschrieb, die sie mit dem bevorstehenden
Scheidungstermin am 16.06.2002 in Zusammenhang brachte. Die ärztliche
Sachverständige empfahl die Erweiterung der Betreuung. Am 16.10.2002 hörte
das Amtsgericht den Betroffenen an, den es in einer emotional angespannten
Lage antraf. Der Betroffene zeigte sich erregt, laut polternd und nicht in der Lage,
auch nur einigermaßen einen Gedanken exakt zu Ende zu führen. Vordringlich ging
es dabei um die Thematik Geld. Der Betroffene äußerte seine Absicht, nach Berlin
ziehen zu wollen. Mit Beschluss vom 16.10.2002 erweiterte das Amtsgericht die
Betreuung um den Bereich Regelung der Wohnungsangelegenheiten und ordnete
für diesen Bereich einen Einwilligungsvorbehalt an. Eine gegen diesen Beschluss
eingelegte Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluss vom
06.12.2002 (Bl. 561 d.A.) zurück.
Unter dem 25.02.2003 (Bl. 608 d.A.) berichtete die neue Betreuerin über das
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Unter dem 25.02.2003 (Bl. 608 d.A.) berichtete die neue Betreuerin über das
zurückliegende Betreuungsjahr. Dabei beschrieb sie das Konfliktverhalten des
Betroffenen wie folgt:
Aus dem Bericht ergibt sich ferner, dass die Ehe des Betroffenen im September
2002 geschieden wurde. Mit Fax-Schreiben vom 07.08.2003 (Bl. 646 d.A.) wandte
sich das Universitätsklinikum H. an das Amtsgericht und teilte mit, der Betroffene
befinde sich in dortiger stationärer Behandlung, er sei psychisch krank und
benötige dringend Behandlung. Das Klinikum bat um Mitteilung der Adresse der
Betreuerin.
Im September 2003 beantragte der Betroffene einen Betreuerwechsel, dem auch
die Betreuerin, die Betreuungsbehörde der Stadt F, zustimmte. Mit Beschluss vom
25.11.2003 (Bl. 659 d.A.) entließ das Amtsgericht die Betreuungsbehörde der
Stadt F und bestellte an ihrer Statt den Beteiligten zum neuen Betreuer des
Betroffenen. Mit Vertrag vom 22.12.2003 kaufte der Betroffene eine
Eigentumswohnung im 1. Obergeschoss des Wohnhauses … in F.
Am 08.01.2004 heiratete der Betroffene in Dänemark. Seine zweite Ehefrau
stammt aus Kenia. Im Verlauf des Jahres 2004 beantragte der Betroffene
mehrfach und nachdrücklich die Aufhebung seiner Betreuung bzw. die
Übertragung der Betreuung auf seine Ehefrau. Dabei schaltete er - wie bereits in
den Jahren zuvor - Rechtsanwälte ein und bemühte sogar das amerikanische
Generalkonsulat in Hamburg, das sich mit einer Sachstandsanfrage vom
08.07.2004 (Bl. 806 d.A.) an das Amtsgericht wandte. Unter dem 12.08.2004
erstattete die ärztliche Sachverständige Dr. V ihr Gutachten zur Frage der
Fortdauer der Betreuung. Die Sachverständige diagnostizierte eine affektive
Störung mit manischer Ausprägung auf dem Boden eines hirnorganischen
Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma. Sie empfahl die Fortdauer der
Betreuung mit den bestehenden Aufgabenkreisen und den
Einwilligungsvorbehalten. Mit Beschluss vom 07.11.2004 (Bl. 844 d.A.) verlängerte
das Amtsgericht die bestehende Betreuung einschließlich der angeordneten
Einwilligungsvorbehalte mit einer Überprüfungsfrist zum 16.11.2009 (Bl. 844 d.A.).
Unter dem 16.12.2004 berichtete der Beteiligte, dass die Betreuung zur Zeit
wieder in ruhigeren Bahnen verlaufe. Die Ehefrau des Betroffenen sei eine gute
Hilfe für die Betreuung, sie sei in der Lage, das Geld einzuteilen und koche täglich
für die Familie.
Bereits unter dem 23.03.2005 berichtete der Beteiligte, dass sich der Betroffene
wieder einmal in einer schwierigeren Phase befinde. Nach monatelangen Querelen,
unterstützt von Nachbarn und seiner Großmutter, dass nicht seine Frau, sondern
er das Geld verwalten sollte, habe er für den Monat März das Wirtschaftsgeld
bekommen. Nach ca. 8 Tagen habe er angerufen, dass er angeblich sein
Portemonnaie mit Ausweis und Geld verloren hätte. Am 21.03.2005 habe seine
Frau die Polizei rufen müssen, weil er im Hausflur randalierte. In die eigene
Wohnungstür habe er große Löcher geschlagen und die Bodenvase vor der Tür des
Nachbarn zum dritten Mal zerschlagen. Auch in seinem Bericht vom 20.01.2006
(Bl. 986 d.A.) berichtete der Beteiligte über Schwierigkeiten, die daraus
resultierten, dass der Betroffene meinte, er erhalte von seiner Ehefrau zu wenig
Geld:
Unter dem 10.02.2006 regte der Beteiligte an, die Betreuung um den
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Unter dem 10.02.2006 regte der Beteiligte an, die Betreuung um den
Aufgabenkreis des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu erweitern. Zur Begründung
führte er aus, die Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und seiner
Ehefrau hätten sich im letzten Dreivierteljahr bedenklich gesteigert. In dem
Schreiben heißt es weiter:
Am 03.05.2006 sprach der Beteiligte bei dem Amtsgericht vor und schilderte
diesem die problematische häusliche Situation des Betroffenen. Immer wieder
komme es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Betroffenen und
seiner Ehefrau, wenn es um die Zuteilung des Taschengeldes bzw.
Wirtschaftsgeldes gehe. Dies gipfele dann darin, dass er sie aussperre bzw.
umgekehrt sie ihn. Die Nachbarn fühlten sich hierdurch belästigt und würden sich
an den Beteiligten bzw. die Polizei wenden, die aber, das sie die Eheleute
mittlerweile kenne, nicht immer erscheine. Zu tätlichen Übergriffen gegenüber
Nachbarn sei es bisher nicht gekommen, der Betroffene habe jedoch bereits
drohend mit erhobener Faust vor einem Nachbarn gestanden. Auch sei es häufig
kurz davor gewesen, dass er seine Ehefrau tätlich attackiert hätte. In dem
anlässlich des Gesprächs gefertigten Vermerk des Amtsgerichtes heißt es:
Im Juli 2006 kam es mehrfach zu Polizeieinsätzen, deren Anlass jeweils die
Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und seiner Ehefrau waren. Unter
dem 08.07.2006 fertigte die Polizei eine Strafanzeige, weil der Betroffene seine
Ehefrau mit der rechten Hand auf den Oberarm geschlagen hatte. Unter dem
28.07.2006 fertigte die Polizei eine Strafanzeige, weil der Betroffene mit dem Fuß
auf den linken Oberschenkel seiner Ehefrau getreten hatte. Mit Schreiben vom 13.
Juli 2006 wandte sich die Hausverwaltung der Wohnungseigentumsanlage an den
Betroffenen und teilte ihm mit, dass eine schriftliche Beschwerde der Mitbewohner
gegen ihn vorliege. In dieser werde mitgeteilt, dass der Betroffene den Hausfrieden
erheblich störe. In dem Anschreiben werden einzelne Vorfälle der letzten Monate
mit Datum und Uhrzeit wiedergegeben.
Am 19.07.2006 hörte das Amtsgericht den Betroffenen an. Dieser erklärte sich mit
einer Erweiterung der Befugnisse des Beteiligten nicht einverstanden und äußerte,
er halte dies nicht für erforderlich. Dabei räumte der Betroffene ein, dass es immer
wieder zu Streitereien mit seiner Ehefrau kommen würde und es deshalb auch
Schwierigkeiten mit den Mitbewohnern des Hauses gebe.
Am 13.09.2006 sprach die Polizei gegen den Betroffenen eine Wegweisung bis
zum 18.09.2006 aus, nachdem er sich wiederum mit seiner Ehefrau gestritten
hatte. Am 20.09.2006 eskalierte die Situation derart, dass eine Einweisung des
Betroffenen nach PsychKG erfolgte. Eines gerichtlichen Beschlusses bedurfte es
jedoch nicht, da der Betroffene am 21.09.2006 erklärte, er verbleibe freiwillig in der
Klinik.
Am 25.09.2006 erstattete die ärztliche Sachverständige Dr. V ihr Gutachten zur
Frage des „Fortbestehens und der Erweiterung der gesetzlichen Betreuung“, wobei
sie einleitend auf die Vorbegutachtung aus dem Jahre 2004 und die erneute
Einweisung der Betroffenen nach PsychKG verwies und darauf hinwies, dass sie
sich erlaube, das Gutachten „nach Aktenlage“ zu erstellen. Bezug nehmend auf
den Antrag des Beteiligten auf „Einrichtung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts“
führte die Sachverständige aus, dass aus ärztlicher Sicht diesem Antrag
zuzustimmen sei:
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Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl.1082 ff d.A.) Bezug genommen.
Am 04.10.2006 hörte das Amtsgericht den Betroffenen in der Klinik an und
versuchte ihm zu erläutern, dass es nach Ansicht des Gerichts durchaus sinnvoll
sei, die Betreuung auch auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur
Gesundheitsfürsorge zu erstrecken. Wegen der Einzelheiten wird auf das
Anhörungsprotokoll (Bl. 1091 d.A.) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 12.10.2006 hat das Amtsgericht die bestehende Betreuung um
die Bereiche Recht zur Aufenthaltsbestimmung einschließlich einer
freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 106 Abs. 1 und Abs. 4 BGB), sowie Recht zur
Gesundheitsfürsorge (Untersuchung des Gesundheitszustandes, Durchführung
einer Heilbehandlung oder eines ärztlichen Eingriffs) erweitert. In der Begründung
hat das Amtsgericht ausgeführt, es erscheine sinnvoll, in Situationen, in denen der
Betroffene Impulskontrolldurchbrüche erleide, dem Beteiligten, der den
Betroffenen am besten kenne, auch die Möglichkeit zu geben, notfalls eine
Einweisung in eine geeignete Klinik selbst veranlassen zu können.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene am 20.10.2006 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 17.11.2006 hat das Landgericht die Beschwerde
zurückgewiesen. Nach Schilderung der in der jüngeren Vergangenheit
aufgetretenen Impulsdurchbrüche und deren Folgen hat das Landgericht folgendes
ausgeführt:
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Bezug
genommen.
Gegen diesen ihm am 17.11.2006 zugestellten Beschluss hat der Betroffene durch
anwaltlichen Schriftsatz vom 27.11.2006 am gleichen Tage „sofortige
Beschwerde“ einlegen lassen. Eine Beschwerdebegründung erfolgte nicht, da der
Betroffene mehrere Monate in Kenia aufenthältlich war. Mit Schriftsatz vom
08.03.2007 teilten die Bevollmächtigten mit, dass sie den Betroffenen nicht mehr
vertreten.
II.
Die gemäß den §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde des Betroffene
hat in der Sache mit der Maßgabe Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung
aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Die
angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung, §§ 27 Abs. 1 FGG,
546 ZPO.
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Das bisher in den Akten dokumentierte Ergebnis der Ermittlungen rechtfertigt
nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 1896 BGB für die Erweiterung
der Betreuung um die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und
Aufenthaltsbestimmung derzeit gegeben sind.
Zwar leidet der Betroffene unter einer psychischen Erkrankung im Sinne des §
1896 Abs. 1 Satz 1 BGB, nämlich einem hirnorganischen Psychosyndrom, mit den
in den ärztlichen Sachverständigengutachten beschriebenen Folgeerscheinungen.
Das Landgericht hat aber nicht hinreichend geklärt, ob eine Betreuung mit den
Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung auch erforderlich
im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Anordnung einer Betreuung mit den
Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung mit der Befugnis
zur Unterbringung, die auf eine Unterbringung zur Heilbehandlung abzielt, nur
erforderlich, wenn eine Behandlung des Betroffenen in einer geschlossenen
Einrichtung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB überhaupt in Betracht kommt, d. h.
diese bei einer vorläufigen Einschätzung Erfolg versprechend und nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unumgänglich erscheint, um eine drohende
gewichtige gesundheitliche Schädigung abzuwenden (Senat Beschluss vom
23.05.2005, 2 W 11/05, OLGR Schleswig 2005, 546 = BtPrax 2005, 196).
Entsprechendes muss gelten, wenn die Erweiterung der Betreuung um den
Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung und Befugnis zur Unterbringung zum
Zwecke der Abwehr einer erheblichen Eigengefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1
BGB erfolgen soll. Es müssen dann konkrete krankheitsbedingte Ereignisse
feststehen, aus denen sich mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit auf die Gefahr
einer erheblichen Gesundheitsschädigung oder einer Selbsttötung schließen lässt
(Senat Beschluss vom 07.05.2003, 2 W 73/03, OLGR Schleswig 2003, 391 = BtPrax
2003, 223). Dabei ist zu beachten, dass die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr.
1 BGB nur diesen Zwecken dient und nicht etwa der Abwehr einer
Fremdgefährdung, die zwar zu einer Unterbringung nach PsychKG führen kann,
eine Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 BGB aber nicht zu rechtfertigten
vermag.
Die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen genügen
diesen Anforderungen nicht.
Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts als auch die angefochtene
Entscheidung begründen die Erforderlichkeit der Erweiterung der Betreuung damit,
dass dem Beteiligten zum Zwecke der Krisenintervention ein Instrument an die
Hand gegeben werden sollte, das es ermöglichen solle, den Betroffenen im Falle
eines Impulsdurchbruches kurzfristig geschlossen unterzubringen.
Inwiefern eine derartige Unterbringung, zu deren alleinigem Zweck im vorliegenden
Fall die Erweiterung der Betreuung um die Aufenthaltsbestimmung vorgenommen
wurde, zur Abwendung einer erheblichen Selbstgefährdung des Betroffenen im
Sinne des § 1906 Abs.1 Nr.1 BGB erforderlich sein soll, ergibt sich weder aus den
gerichtlichen Beschlüssen, noch aus dem ärztlichen Sachverständigengutachten
der Sachverständigen Dr. V.. Bei den von der Sachverständigen beschriebenen
und auch in der Akte hinreichend dokumentierten Impulsdurchbrüchen des
Betroffenen ist es zwar schon mehrfach zu Sachbeschädigungen und
bedauerlicher Weise auch zu Tätlichkeiten gegenüber der Ehefrau gekommen.
Dieses Verhalten für sich genommen kann eine Unterbringung nach BGB jedoch
nicht rechtfertigen, sondern bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
lediglich zu einer Unterbringung wegen Fremdgefährdung nach PsychKG führen.
Sofern der Betroffene im Rahmen der Impulsdurchbrüche keine
eigengefährdenden Handlungen begeht oder er infolge seines Verhaltens nicht
anderweitig Gefahr läuft, eine erhebliche Selbstschädigung zu erleiden, kommt
eine Unterbringung nach § 1906 Abs.1 Nr.1 BGB nicht in Betracht. Zu diesen
gesetzlichen Voraussetzungen einer Unterbringung nach BGB enthalten weder die
angefochtene Entscheidung noch die Entscheidung des Amtsgerichts tragfähige
Feststellungen. Da sich darüber hinaus weder aus dem
Sachverständigengutachten noch aus den Berichten des Beteiligten noch aus dem
übrigen Akteninhalt tragfähige Anhaltspunkte dafür ergeben, welcher Art die
Selbstgefährdung des Betroffenen sein könnte - von Suizidgedanken des
Betroffenen berichtete zuletzt die Vorbetreuerin im Jahre 2003 - kann der Senat
hierzu keine eigenen Feststellungen treffen. Unter diesen Umständen ist die
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hierzu keine eigenen Feststellungen treffen. Unter diesen Umständen ist die
Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung - zum
Zwecke der Unterbringung zur Abwehr der Eigengefährdung - nicht hinreichend
begründet.
Das Gleiche gilt für die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis
Gesundheitssorge - wiederum verbunden mit den Aufgabenkreisen
Aufenthaltsbestimmung und der Befugnis zur Unterbringung zum Zwecke der
Heilbehandlung. Warum der Aufgabenkreis der Gesundheitssorge zum
gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich geworden sein soll, nachdem der Betroffene,
der immerhin bereits seit 1993 einen Betreuer hat, bislang stets ohne Betreuung
in diesem Bereich ausgekommen ist, wird in der angefochtenen Entscheidung und
der Entscheidung des Amtsgerichts nicht näher ausgeführt. Auch in dem
Sachverständigengutachten finden sich hierzu keine tragfähigen Angaben. Die
Sachverständige, die die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis
Gesundheitssorge im Übrigen überhaupt nicht ausdrücklich empfohlen, sondern
lediglich im Zusammenhang mit Aufenthaltsbestimmung und BGB Unterbringung
erwähnt hat, dass diese eine Heilbehandlung des Betroffenen „ermöglichen“
könne, hat nicht dargelegt, in welcher Art und Weise eine Heilbehandlung der
Anlasserkrankung des Betroffenen durchgeführt werden könnte und ob die
Durchführung der Heilbehandlung die Erweiterung der Betreuung um den Bereich
der Gesundheitssorge aus ärztlicher Sicht notwendig machen würde. Die bloße
Beschreibung der während des Klinikaufenthaltes des Betroffenen zur Zeit der
Begutachtung verabreichten Medikation kann eine nachvollziehbare Darlegung
eines Therapiekonzepts nicht ersetzen. Damit fehlen der Erweiterung der
Betreuung um den Aufgabenkreis Gesundheitssorge schon unter
verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten - die Vorschriften der §§ 68b Abs.1 S.1 69i
Abs.1 S.1 FGG verlangen vor bei jeder nicht unwesentlichen Erweiterung der
Betreuung die Einholung eines Sachverständigen über deren Notwendigkeit - die
erforderlichen Grundlagen. Dieser wesentliche Mangel schlägt auch auf die
Erweiterung des Aufgabenkreises Aufenthaltsbestimmung - verbunden mit der
Befugnis der Unterbringung des Betroffenen zum Zwecke der Heilbehandlung -
durch, da ohne tragfähige Ausführungen zu einer Heilbehandlung naturgemäß
nicht festgestellt werden kann, dass eine solche Behandlung so dringend
erforderlich wäre, dass sie eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit erforderlich machen würde. Mit diesen Fragen
haben sich weder das Amtsgericht noch das Landgericht in ihren Beschlüssen im
Einzelnen auseinandergesetzt.
Da sich anhand des Akteninhalts zu den angesprochenen Fragen, insbesondere zu
der Frage der erheblichen Eigengefährdung und der Erforderlichkeit einer
Heilbehandlung keine Feststellungen treffen lassen, war der angefochtene
Beschluss aufzuheben und zur Durchführung weiterer Ermittlungen an das
Landgericht zurückzuverweisen.
Das Landgericht wird im Zuge der weiteren Ermittlungen ein ergänzendes
Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen haben, ob aus ärztlicher
Sicht die Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis Gesundheitssorge
erforderlich ist und ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des
Betroffenen nach § 1906 BGB vorliegen. Dabei genügt ein Gutachten, dass sich in
der Aufzählung der von dem Betroffenen begangenen fremdaggressiven
Handlungen und einem Hinweis auf seine Impulsdurchbrüche erschöpft, den
inhaltlichen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten nach § 68b FGG
nicht, darüber hinaus begegnet auch die Erstattung eines Gutachtens „nach
Aktenlage“ in diesem Zusammenhang durchgreifenden Bedenken (vgl. BayObLG
BtPrax 1999, 195; KG FamRZ 1995, 1379; Brandenburgisches OLG FamRZ 2001,
40).
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass sich weder das Amtsgericht, noch das
Landgericht mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob die Voraussetzungen für
die Erweiterung einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen nach § 1896
Abs.1a BGB vorliegen, auf diese weitere verfahrensfehlerhaft unterblieben
Tatsachenfeststellung kommt es nach dem oben Gesagten allerdings nicht mehr
an.