Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: internationale zuständigkeit, europäisches recht, abfindung, aussetzung, verfassungsrecht, zivilgericht, hauptsache, aktienrecht, meinung, verminderung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 65/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 15 Abs 1 S 2 SpruchG, § 305
AktG
Gesellschaftsrechtliches Spruchverfahren: Festsetzung des
Mindestgeschäftswerts bei unzulässigem Antrag
Leitsatz
Der Mindestgeschäftswert von 200.000,00 Euro nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG gilt
auch dann, wenn der Antrag auf Bestimmung der Abfindung für außenstehende
Aktionäre (§ 305 AktG) als unzulässig - weil unstatthaft - abgewiesen wird (hier: auf der
Grundlage eines „verdeckten“ Beherrschungsvertrages nach den Grundsätzen der
fehlerhaften Gesellschaft, hilfsweise auf der Grundlage der qualifiziert faktischen
Beherrschung / existenzvernichtenden bzw. existenzgefährdenden Nachteilszufügung).
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
Der Geschäftswert für den ersten Rechtszug wird
a) hinsichtlich des Hauptantrags auf 200.000,00 Euro,
b ) hinsichtlich des Hilfsantrags auf 200.000,00 Euro,
mithin insgesamt auf 400.000,00 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht
zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Aktionäre der A AG (im folgenden A), eines börsennotierten
Unternehmens, das auf den Geschäftsfeldern Mobilfunk, Festnetz und Internet
Telekommunikationsleistungen anbietet. Vorstandsvorsitzender der A war bis zum
21.06.2002 B,. Er war außerdem mit ca. 60% des Aktienkapitals an der A beteiligt.
Am 23.03.2000 schlossen die A, B und die Antragsgegnerin einen notariell
beurkundeten Kooperationsrahmenvertrag (Cooperation Framework Agreement -
CFA). In diesem Vertrag kamen die Vertragsparteien überein, gemeinsam eine
UMTS-Lizenz zu ersteigern und in Deutschland auf dem Gebiet der Festnetz- und
Mobiltelekommunikation zu kooperieren. Die Antragsgegnerin sollte nach B
zweitgrößter Aktionär der A werden. In Abschnitt 4 des CFA wurde im Einzelnen
eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur von A vereinbart. Insoweit ist zwischen den
Beteiligten streitig, ob es sich um eine reine Vereinbarung zwischen den
Aktionären B und der Antragsgegnerin handelt oder ob sich die A vertraglich der
Leitung durch die Antragsgegnerin unterworfen hat und damit das CAF einen
Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG darstellt. Der Vertrag wurde
nicht der Hauptversammlung der A zur Beschlussfassung über die Zustimmung
unterbreitet. Er wurde auch nicht in das Handelsregister eingetragen. Im
November 2000 erwarb die Antragsgegnerin einen Aktienkapitalanteil von 28,3%
an der A (18,6 Millionen Aktien zum Gesamtpreis von 3,72 Milliarden Euro), B hielt
fortan einen Anteil von 40%. Die Vertragsparteien nahmen die Kooperation auf. Im
Herbst 2001 kam es zwischen der A und B einerseits und der Antragsgegnerin
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Herbst 2001 kam es zwischen der A und B einerseits und der Antragsgegnerin
andererseits zu Differenzen über das weitere Vorgehen in Verfolg des
Kooperationsziels. Die Antragsgegnerin kündigte das CFA am 11.06.2002 und
stellte die Finanzierung ein.
Die Antragsteller haben am 15.12.2003/12.05.2005 beim Landgericht beantragt,
1. gemäß § 305 AktG i.V.m. dem SpruchG die angemessene Barabfindung
zugunsten der außenstehenden Aktionäre der A auf Grund des mit der
Antragsgegnerin am 23.03.2000 geschlossenen Beherrschungsvertrages
festzusetzen,
2. hilfsweise,
gemäß analog § 305 AktG i.V.m. dem SpruchG die angemessene Barabfindung
zugunsten der außenstehenden Aktionäre der A im Hinblick auf die qualifizierte
faktische Beherrschung/-existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende
Nachteilszufügung zu Lasten der A in der Zeit von März 2000 bis Januar 2003
festzusetzen,
3. weiter hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts
Kiel im Verfahren 14 O 195/03 über den am 1.07.2005 gestellten Klageantrag der
… GmbH auf Feststellung, dass zwischen der Antragsgegnerin und der A in der
Zeit vom 22.03.2000 bis zum 28.01.2003 ein qualifiziert faktischer Konzern
bestanden hat, bzw. im Sinne der neueren Rechtsprechung des BGH seit BGHZ
149, 10 eine existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende Nachteilszufügung
durch die Antragsgegnerin zu Lasten der A in der vorgenannten Zeit
stattgefunden hat.
Die Antragsteller bewerten die Untergrenze der Abfindung mit 200,00 Euro je
Stückaktie.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge als unzulässig, jedenfalls als unbegründet abzuweisen.
Das Landgericht hat die Anträge als unzulässig abgewiesen mit der Begründung,
dass im Hinblick auf den Hauptantrag ein Beherrschungsvertrag nicht vorliege und
im Hinblick auf den Hilfsantrag die internationale Zuständigkeit fehle. Im Übrigen
sei dieser Antrag auch deshalb unzulässig, weil Ansprüche aus faktischer
Beherrschung bzw. einer Ausfallhaftung wegen
existenzvernichtenden/existenzgefährdenden Eingriffs nicht im Spruchverfahren
geltend zu machen seien, sondern nach § 317 AktG im ordentlichen Zivilverfahren.
Eine Aussetzung des Verfahrens komme aus diesen Gründen nicht in Betracht. Im
Übrigen sei das Verfahren vor dem Landgericht Kiel nicht vorgreiflich, weil es sich
nicht um dieselben Parteien handele.
Das Landgericht hat den Geschäftswert für den Hauptantrag nach § 15 Abs. 1 Satz
2 Hs. 2 SpruchG n. F. auf 7,5 Millionen Euro (Höchstwert) und für den Hilfsantrag
nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KostO n. F. auf 60 Millionen Euro festgesetzt. Gegen
diesen Beschluss, auf den zur weitergehenden Sachdarstellung Bezug genommen
wird (Bl. 790 bis 793 d. A.), richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie
erstreben die Herabsetzung des Geschäftswerts pro Antrag auf 200.000 Euro
(Mindestwert nach § 15 Abs. 1 Satz 2. Hs. 2 SpruchG). Die Antragsgegnerin hat
dem widersprochen. Nach ihrer Vorstellung ist nach § 18, 30 Abs. 1 KostO a. F. pro
Antrag ein Geschäftswert von ca. 8,6 Milliarden Euro (47.103.160 außenstehende
Aktionäre bzw. Anzahl der Aktien, für die eine Abfindung verlangt wird, X
Börsenkurs der Aktie von 183,00 Euro) festzusetzen. Dies ergibt nach ihrer
Berechnung Gerichtskosten der Instanz pro Antrag von ca. 139,5 Millionen Euro.
An anderer Stelle berechnet sie einen Geschäftswert von 9.420.632.000,00 Euro,
wobei sie von der Bewertung der Antragsteller von 200,00 Euro pro Aktie ausgeht.
Die Anträge unterfielen schon deshalb nicht den Vorschriften des SpruchG - mithin
auch nicht § 15 SpruchG - , weil sie nicht statthaft seien.
Der Senat hat die Beschwerde in der Hauptsache im Verfahren 2 W 160/05 durch
Beschluss selbigen Datums zurückgewiesen.
II.
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Die Beschwerde ist nach §§ 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG n. F.; § 31 Abs. 3 Satz 1
KostO n. F. zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe des Ausspruchs auch
begründet.
1. Für die Festsetzung des Geschäftswerts hinsichtlich des Hauptantrages ist § 15
Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 SpruchG und nicht - unmittelbar oder über § 15 Abs. 1 Satz 1
SpruchG - die KostO .a. F. oder n. F. anwendbar.
a) Für die gerichtliche Beurteilung des Hauptantrags sind nach Auffassung des
Senats die Vorschriften des SpruchG einschlägig. Nach seinem § 1 Nr. 1 ist es
anzuwenden auf das gerichtliche Verfahren für die Bestimmung u. a. der
Abfindung außenstehender Aktionäre bei (§ 305 AktG).
Ein solches Verfahren haben die Antragsteller hier am 15.12.2003 ausdrücklich mit
ihrem Antrag eingeleitet. Das Landgericht hat den Antrag verfahrensmäßig auch
nach dem SpruchG geprüft. Es hat u. a. seine internationale Zuständigkeit hierfür
bejaht, eine Verfristung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SpruchG verneint und - nach
Verneinung eines Beherrschungsvertrages - offen gelassen, ob das
Spruchverfahren deshalb unzulässig ist, weil das CFA vor seiner Einleitung
aufgehoben worden war. Zu allem hat es gemäß § 8 SpruchG mündlich verhandelt
und nach § 11 SpruchG durch einen mit Gründen versehenen Beschluss
entschieden. Dementsprechend haben die Antragsteller nach § 12 SpruchG das
statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt, worauf die
Antragsgegnerin sich - ebenfalls nach den Vorschriften des SpruchG - eingelassen
hat. Im Zusammenhang mit dem vom Landgericht anzustellenden
Untersuchungen stand vor allem die Frage, ob nach dem ihm unterbreiteten
Sachverhalt mit dem CAF ein wirksamer Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291
AktG gegeben war, in dessen Folge - da das CFA selbst keine angemessene
Abfindung vorsah - nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG eine solche im Spruchverfahren
festzusetzen gewesen wäre. Da ein eventuell anzunehmender
Beherrschungsvertrag schon wegen Verstoßes gegen § 293 AktG und § 294 Abs. 1
AktG nichtig gewesen wäre, hätte es nach Auffassung des Senats auch ohne die
klaren Vorgaben durch Hauptversammlungsbeschluss und Eintragung noch zum
Prüfungsumfang des Gerichts gehört, ob auf einen "verdeckten" nichtigen
Beherrschungsvertrag die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden
gewesen wären, da bei Anwendbarkeit dieser Grundsätze der nichtige einem
wirksamen Beherrschungsvertrag gleichzustellen gewesen wäre. Dies hätte
möglicherweise zu einer direkten oder entsprechenden Anwendung des
Spruchverfahrens geführt. Diese Frage wird für das GmbH- und Aktienrecht vom
Bundesgerichtshof grundsätzlich bejaht (vgl. BGH NJW 1988, 1326; NJW 1992, 505;
NZG 2005, 261; NZG 2005, 472) und ist für das Aktienrecht in Rechtsprechung
und Literatur Gegenstand widerstreitender Meinungen (vgl. OLG München ZIP
2008, 1330 m.w.Nw. zum Meinungsstand), so dass ihre Prüfung von den
Antragstellern und gegebenenfalls vom Spruchgericht ernsthaft in Erwägung zu
ziehen war. Deshalb muss es sich die Antragsgegnerin auch gefallen lassen, im
Sinne des § 15 Abs. 2 und 3 SpruchG Veranlasserin des Verfahrens zu sein. Dabei
kann es für die Anwendbarkeit des SpruchG in diesem Zusammenhang keine Rolle
spielen, ob die Prüfung des Vorliegens eines Beherrschungsvertrages und der
Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft im Einzelfall
aufwändig ist oder nicht.
b) Wird - wie hier geschehen - das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages
verneint, ist der Antrag unzulässig, weil er in Anlehnung an die Begriffsbildung im
Rechtsmittelrecht (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rn. 6:
wenn eine mit diesem Rechtsmittel nicht anfechtbare Entscheidung vorliegt) "nicht
statthaft" ist, d. h. entsprechend, weil die Antragsteller mit ihrem Antrag nicht die
Bestimmung einer Abfindung verlangen können. Dabei ist die "Statthaftigkeit" nur
Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags neben anderen, wie zum Beispiel
die Zuständigkeit, die Einhaltung von Fristen und die Antragsberechtigung (vgl.
OLG Stuttgart NZG 2004, 1162). Inzwischen entspricht es einhelliger Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, dass der Mindestwert
von 200.000,00 Euro dann festzusetzen ist, wenn im Ergebnis die Erhöhung
der Kompensation ausbleibt, also - neben dem Fall der Unbegründetheit des
Antrags - auch bei seiner Unzulässigkeit und seiner Rücknahme (OLG Frankfurt AG
2005, 890; OLG Stuttgart NZG 2004, 97; NZG 2004, 625; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 10.08.2004 - 19 W 6/04 - bei Juris; für einen vergleichbaren Fall der
Unstatthaftigkeit jedenfalls im Ergebnis OLG München ZIP 2008, 1330; Hüffer,
AktG, 8. Aufl., 2008, Anh zu § 305 § 15 SpruchG Rn. 3; Bürgers/Körber/Simmler,
AktG, 2008, Anh § 306 § 15 SpruchG Rn. 2; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 15
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AktG, 2008, Anh § 306 § 15 SpruchG Rn. 2; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 15
Rn. 4; Fritzsche/Dreier, SpruchG, § 15 Rn. 11; Emmerich/Habersack, Aktien- und
GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., 2005, § 15 SpruchG, S. 839 - jeweils mit weiteren
Nachweisen). Begründet wird diese Auffassung zutreffend u. a. damit, dass das
SpruchG nicht danach unterscheide, aus welchen Gründen die Kompensation
ausbleibe. Dafür sei gerade der Mindestwert eingeführt worden. Gegenüber einer
Festsetzung nach § 30 KostO habe dieser den Vorteil, klar und eindeutig zu sein.
Er führe ferner zu einer Verminderung des Kostenrisikos des Antragstellers. Dem
Umstand, dass das Spruchverfahren in der Hauptsache zu keiner gerichtlichen
Entscheidung komme, habe der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 Satz 5 und 6 SpruchG
durch die Zahl der anzusetzenden Gebühren Rechnung getragen. Für ein
Ermessen, den Geschäftswert im Falle der Unzulässigkeit des Antrags niedriger
oder höher - etwa wie das Landgericht auf den Höchstwert von 7,5 Millionen Euro -
festzusetzen ist demnach kein Raum. Die Literatur, auf die sich das Landgericht
insoweit zum Beleg seiner abweichenden Auffassung bezieht, ist inzwischen - von
den Kommentatoren ausdrücklich eingeräumt - überholt.
2. Für die Festsetzung des Geschäftswertes für den Hilfsantrag gilt im Ergebnis
nichts Anderes.
Allerdings ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass - anders als zum
Hauptantrag - der von den Antragstellern hilfsweise vorgetragene Grund des
Abfindungsanspruchs entsprechend § 305 AktG "qualifiziert faktische
Beherrschung/ existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende
Nachteilszufügung" nicht im Katalog des § 1 SpruchG enthalten ist.
Gesetzesverfasser und die nahezu einhellige Meinung in Rechtsprechung und
Literatur gehen jedoch davon aus, dass dieser Katalog nicht abschließend, und das
Spruchverfahren für vergleichbare Fälle wegen der bewertungsabhängigen Höhe
von Ansprüchen zugänglich ist (z. B. Ausschussbericht BT-Drs 15/838 unter
Hinweis auf BGH NJW 2003, 1032 - reguläres Delisting; BVerfG NJW 2001, 279 -
übertragende Auflösung; OLG Düsseldorf NZG 2005, 317 - kaltes Delisting;
Emmerich/Habersack a.a.O. § 1 SpruchG Rn. 3 und 4; Hüffer a.a.O. § 1 SpruchG
Rn. 6 - jeweils m.w.Nw.). Zwar bestehen bei der vorliegenden dem
Schadensersatzrecht zumindest verwandten Anspruchsgrundlage (vgl. hierzu zum
GmbH-Recht BGH NJW 2007, 2689; DStR 2008, 1293; WM 2008, 1293) gegen die
Vergleichbarkeit Bedenken, weil die Anspruchsgrundlage rechtlich problematisch
und hinsichtlich der Tatsachenfeststellung schwierig ist, was dem Sinn und Zweck
des Spruchverfahrens zuwiderläuft. Diesen Bedenken haben Literatur und
Rechtsprechung, die den Anspruchsgrund der qualifiziert faktischen
Beherrschung/existenzvernichtenden bzw. existenzgefährdenden
Nachteilszufügung bejahen oder in Erwägung ziehen, dadurch Rechnung getragen,
dass sie die rechtskräftige Feststellung des Anspruchsgrundes dem ordentlichen
Zivilgericht zuweisen und im Anschluss daran die Bestimmung der Höhe dem
Spruchgericht (OLG Stuttgart DB 2000, 709; OLG Zweibrücken NZG 2005, 935;
Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 317 Rn. 64; Emmerich/Habersack a.a.O. Anh. § 17
Rn. 29 - jew. m.w.Nw.). Dadurch wird die Vergleichbarkeit hergestellt, weil das
Spruchgericht sich nunmehr auf eine eindeutige Grundlage stützen kann und nur
noch über die Höhe zu entscheiden hat. Daraus folgt, dass sich im Falle einer
Aussetzung des Spruchverfahrens und einem negativen Ausgang des
Feststellungsverfahrens vor dem ordentlichen Zivilgericht, die Festsetzung des
Geschäftswerts durch das Spruchgericht nach Abweisung des Antrags als
unzulässig - weil unstatthaft - nicht abweichend von dem unter Nr. 1. behandelten
Fall beurteilt. Allerdings hat vorliegend der Senat die von den Antragstellern
hilfsweise beantragte - bereits von Amts wegen zu prüfende - Aussetzung des
Spruchverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Landgericht
Kiel rechtshängige Feststellungsklage als Vorfrage im Rahmen seines Ermessens
u. a. wegen der langen Dauer der Verfahren abgelehnt und - bei Offenlassen des
Anspruchsgrundes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht - das Spruchgericht für
dessen Feststellung als (zur Zeit) nicht "zuständig" gehalten. Schon mit Rücksicht
auf das Kostenrisiko der Antragsteller kann jedoch die Höhe des Geschäftswerts
nicht von dieser Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden.
3. Die gegen die Ergebnisse nach Nr. 1. und 2. gerichteten Argumente der
Antragsgegnerin sind, soweit sie darin nicht schon widerlegt sind, nicht
überzeugend.
a) Ihr Hinweis auf die Rechtsprechung, wonach in Kostensachen vom Gesetz an
sich gebühren- und erstattungsfrei gestellte Beschwerden (§§ 5 Abs. 6, 25 Abs. 4
GKG a. F.) dann kostenpflichtig sind, wenn das Rechtsmittel ausgeschlossen (§ 5
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GKG a. F.) dann kostenpflichtig sind, wenn das Rechtsmittel ausgeschlossen (§ 5
Abs. 2 S. 2 und 3, 25 Abs. 3 S. 2 GKG a. F.), also nicht statthaft ist, liegt neben der
Sache, weil es sich schon nach der ausdrücklichen Bekundung dieser
Rechtsprechung selbst um eindeutige Fälle des eindeutigen (gesetzlichen)
Ausschlusses handelt (BGH NJW 2003, 69; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1239).
Daran fehlt es hier.
b) Der Senat sieht sich ferner im Einklang mit der unter Nr. 1 b) schon erwähnten
Entscheidung des OLG München vom 24.06.2008 - 31 Wx 83/07 - ZIP 2008, 1330
(ungekürzter Text bei Juris) in Verbindung mit der erstinstanzlichen Entscheidung
des LG München vom 19.10.2007 - 5 HKO 13298/07 - WM 2008, 30 (ungekürzter
Text ebenfalls bei Juris). Beide Gerichte haben den Antrag außenstehender
Aktionäre „auf Feststellung u .a. der angemessenen Barabfindung“ in direkter
oder entsprechender Anwendung des § 305 AktG in Verbindung mit § 1 SpruchG
als unzulässig - - angesehen mit der Begründung, § 1 SpruchG sei
nicht (entsprechend) anwendbar, und haben den Geschäftswert jeweils nach § 15
Abs. 1 Satz 2 SpruchG auf 200.000,00 Euro (Mindestwert) festgesetzt. Das
Landgericht hat dazu ausgeführt, da der Antrag auf Durchführung eines
Spruchverfahrens gerichtet sei und sich das Gericht mit der Anwendbarkeit dieser
Vorschriften eingehend auseinandergesetzt habe, sei es „sachgerecht“, wenn die
Nebenentscheidungen ihre rechtliche Grundlage in dem Gesetz haben, über
dessen Anwendbarkeit die rechtliche Auseinandersetzung gehe. Das
Oberlandesgericht hat sich dem „in Übereinstimmung mit dem Landgericht und
unter Berücksichtigung der Wertung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG“
angeschlossen. Dieser Auffassung ist auch - wie unter Nr. 1. im Einzelnen
dargelegt - der Senat. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom
30.07.2008 unter Hinweis auf „in Erfahrung gebrachte Hintergründe zur
Sachgerechtigkeit“ der genannten Entscheidungen Abweichungen zum hier zu
entscheidenden Fall sieht, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Die danach
intern gebliebene angebliche Überlegung, mangels greifbarer Anhaltspunkte zur
Höhe eine unangemessene Festsetzung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO auf
3.000,00 Euro durch eine Festsetzung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG vermeiden
zu müssen, belegt lediglich das vom Senat unter Nr. 1. schon erwähnte Argument
der Rechtssicherheit. Einen entscheidungs-erheblichen Unterschied wegen der
vorgenannten Begründung des vorliegenden Sachverhalts zum „Münchener Fall“
erkennt der Senat im Gegensatz zur Antragsgegnerin nicht. Diese übersieht, dass
auch hier die Antragsteller „keinen quantifizierten Antrag gestellt, sondern schlicht
die Durchführung eines Spruchverfahrens zur Festsetzung einer angemessen
Abfindung“ beantragt haben. Die auch im „Münchener Fall“ ausdrücklich
vorgenommene Wahl der Rechtsgrundlage für die
Geschäftswertfestsetzung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG kann nicht davon
abhängen, ob in der Antragsbegründung der ohne weiteres zu ermittelnde
Aktienkurs im maßgeblichen Zeitpunkt als Untergrenze der Abfindung erwähnt
wird oder nicht.
c) Anhaltspunkte für einen Mißbrauch oder einen „Etikettenschwindel“ durch die
Antragstellung der Antragsteller, um unter Umgehung kostenträchtiger Verfahren
vor dem ordentlichen Gericht als Abfindungsansprüche getarnte
Schadensersatzansprüche günstig vor dem Spruchgericht geltend zu machen,
sieht der Senat nicht. Es handelt sich vielmehr um die legitime Ausschöpfung
überwiegend noch ungeklärter verfahrensrechtlicher Möglichkeiten, welche die
Diskussion in Rechtsprechung und Literatur nahelegt oder zumindest
erwägenswert erscheinen lässt. Das zeigt auch der in längeren Zeitabständen von
den Beteiligten unterbreitete Prozessstoff im Aktenumfang von nunmehr ca. 1300
Blatt Papier einschließlich zweier kontroverser Rechtsgutachten von spezialisierten
Hochschullehrern.
d) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Antragsgegnerin, dass die
Geschäftswertkappung in § 15 SpruchG gegen Verfassungsrecht oder
europäisches Recht verstößt. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug auf die inzwischen vorliegende Entscheidung des BVerfG
vom 13.02.2007 zur Gebührenbegrenzung bei Streitigkeiten mit besonders hohen
Gegenstandswerten (§§ 22 Abs. 2 RVG und § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2
GKG) in NJW 2007, 2098 (zusammenfassende Orientierungssätze bei Juris).
Desgleichen sieht der Senat nicht den "Grundsatz der Waffengleichheit" verletzt.
Das Kostenrisiko trifft vorliegend im Ergebnis beide Beteiligte gleichermaßen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG; 31 Abs. 5
KostO.