Urteil des OLG Saarbrücken vom 21.12.2009

OLG Saarbrücken: vertretung, gerichtsbarkeit, absicht, waffengleichheit, anhörung, abgabe, einzelrichter

OLG Saarbrücken Beschluß vom 21.12.2009, 6 WF 128/09
Abstammungsverfahren: Beiordnung eines Prozesskostenhilfeanwalts nach gesetzlicher
Neuregelung
Leitsätze
a. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Abstammungsverfahren kommt nach der durch
das FamFG geänderten Rechtslage mangels bestehenden Anwaltszwangs nur bei
schwieriger Sach- und Rechtslage in Betracht. Diesbezüglich ist ein enger Maßstab
anzulegen, wobei es gegen eine Beiordnung spricht, wenn die Beteiligten gleichgerichtete
Interessen verfolgen (vgl. BGH FamRZ 2009, 857).
b. Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der um Beiordnung nachsuchende
Beteiligte mündlich und schriftlich nicht ausreichend auszudrücken vermag, so kann
dahinstehen, ob entgegen der gesetzgeberischen Absicht aus verfassungsrechtlichen
Gründen (BVerfG FamRZ 2002, 531; NJW-RR 2007, 713) im Einzelfall auch die subjektiven
Fähigkeiten dieses Beteiligten berücksichtigt werden müssen.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht in Saarlouis vom 12. November 2009 – 23 F 270/09 KI – wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Artikel 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem seit
dem 1. September 2009 geltenden Recht.
Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO vom Einzelrichter
zu bescheidende, nach § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569
Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Familiengericht es abgelehnt, der Antragsgegnerin Rechtsanwältin ... als
Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen.
Das vorliegende, isoliert anhängige Abstammungsverfahren gemäß § 169 Nr. 4 FamFG
unterfällt nicht den in § 112 FamFG abschließend aufgezählten Familienstreitsachen,
weshalb nach § 114 Abs. 1 FamFG kein Anwaltszwang besteht.
Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, so wird den Beteiligten
ein Rechtsanwalt nur beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und
Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 78 Abs. 2
FamFG.
Bei der Schaffung dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber bewusst ausschließlich auf die
Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abgestellt und wollte die Erforderlichkeit einer
Anwaltsbeiordnung nach objektiven Kriterien beurteilt sehen. Die Schwere des Eingriffs in
die Rechte eines Beteiligten rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers die Beiordnung
eines Rechtsanwalts auf der Grundlage bewilligter Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht.
Auch den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der nach dem bis zum 31. August
2009 anzuwendenden Recht die Beiordnung eines Rechtsanwalts dann zwingend vorsah,
wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten war – § 121 Abs. 2 Fall 2 ZPO – hat
der Gesetzgeber bewusst für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen
nunmehr alle Abstammungssachen gehören, aufgegeben (siehe BT-Drucks. 16/6308, S.
167 r.Sp. bis 168 l.Sp. und S. 213 r.Sp. bis 214). Aufgrund der gesetzgeberischen Absicht,
die Beiordnung von Rechtsanwälten zu beschränken, ist die Erforderlichkeit der Beiordnung
an einem engen Maßstab zu messen (Götsche, FamRZ 2009, 383, 386 r.Sp.u. und 387
l.Sp.o.).
Der Senat teilt vollumfänglich die Auffassung des Familiengerichts, dass vorliegend die
Sach- und Rechtslage nicht schwierig ist. Wie das Familiengericht in seinem
Nichtabhilfebeschluss vom 2. Dezember 2009 zutreffend ausführt, hat die Kindesmutter
selbst als gesetzliche Vertreterin der Antragsgegnerin in ihrer schriftsätzlichen
Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers beantragt, dessen
Feststellungsantrag stattzugeben und eingeräumt, dass der Antragsteller nicht der leibliche
Vater der Antragsgegnerin sei.
Für die Abgabe dieser Erklärung, die die Kindesmutter im Anhörungstermin des
Familiengerichts vom 2. Dezember 2009 aufrecht erhalten und vertieft hat, bedurfte sie
keiner anwaltlichen Vertretung.
Allerdings werden gegen § 78 Abs. 2 FamFG teilweise verfassungsrechtliche Bedenken
erhoben, weil die subjektiven Fähigkeiten des um Beiordnung eines Rechtsanwalts
nachsuchenden Beteiligten nicht mehr berücksichtigt würden und außerdem jedenfalls im
kontradiktorischen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeschadet des darin nach §
26 FamFG geltenden Amtsermittlungsprinzips der Grundsatz der Waffengleichheit die
Beiordnung verfassungsrechtlich gebiete, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten sei (vgl.
etwa Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., § 78 FamFG, Rz. 3 ff.;
Friederici/Kemper/Harms, Familienverfahrensrecht, 1. Aufl., § 78 FamFG, Rz. 5 m.w.N.).
Ob diesen Bedenken im Einzelfall Folge zu geben sein mag, kann hier dahinstehen. Die
Beteiligten haben (anders etwa als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall
FamRZ 2007, 1968) in diesem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfachen
Verfahren von Beginn an gleichgerichtete Interessen verfolgt (siehe zum Aspekt des
Grades der Streitigkeit des Verfahrens auch BGH FamRZ 2009, 857). Soweit das
Bundesverfassungsgericht aufgrund der durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs.
3 GG verbrieften Rechtsschutzgleichheit (BVerfGE 81, 347) bei der Prüfung der Frage, ob
ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, auch die Berücksichtigung der Fähigkeit des Beteiligten,
sich mündlich und schriftlich auszudrücken anmahnt (BVerfG FamRZ 2002, 531; NJW-RR
2007, 713), führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn die sofortige Beschwerde
zeigt keine Gesichtspunkte auf, die die Annahme nahe legen könnten, die Kindesmutter sei
nicht in der Lage, sich ausreichend verständlich zu äußern, zumal diesbezüglich hier keine
besonderen Anforderungen an sie gestellt werden. Auch aus dem Protokoll der mündlichen
Anhörung des Familiengerichts vom 2. Dezember 2009 gehen keine gegenteiligen
Anhaltspunkte hervor.
Nach alledem hat der angefochtene Beschluss Bestand.
Der Kostenausspruch beruht auf § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 70
Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FamFG).