Urteil des OLG Saarbrücken vom 23.11.2010

OLG Saarbrücken: vergabeverfahren, culpa in contrahendo, firma, adäquater kausalzusammenhang, positives interesse, vorteilsausgleichung, öffentliche ausschreibung, baukosten, wahrscheinlichkeit

OLG Saarbrücken Urteil vom 23.11.2010, 4 U 548/09 - 157
Leitsätze
Hebt die Vergabestelle, fehlerhaft beraten durch ein mitwirkendes Ingenieurbüro, eine
öffentliche Ausschreibung rechtswidrig auf und wird sie deshalb zu Schadensersatz an
einen zu Unrecht nicht berücksichtigten Bieter verurteilt, mindert sich ihr
Schadensersatzanspruch gegen das beratende Ingenieurbüro im Wege der
Vorteilsausgleichung um die Kostenersparnis einer günstigeren Zweitvergabe.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.10.2009 verkündete Urteil des Landgerichts
Saarbrücken – Az. 4 O 359/08 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 211.463,53 EUR festgesetzt.
Gründe
A.
Die Klägerin wirft den Beklagten mangelhaftes Vergabemanagement bei einer öffentlich
ausgeschriebenen Baumaßnahme vor und nimmt diese als Gesamtschuldner auf
Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die damals unter der Bezeichnung „Ingenieurbüro O. ebenfalls als
Außen-GbR firmierenden Beklagten durch Vertrag vom 21.11.1993/2.3.1994 (GA 11 f.)
mit Ingenieurleistungen für ihr öffentlich ausgeschriebenes Bauvorhaben „Ausbau der
Ortsdurchfahrt W.“. Der Ingenieurvertrag umfasste neben der Entwurfs- und
Ausführungsplanung auch die Vorbereitung der Vergabe und die Mitwirkung bei der
Vergabe.
Unter Mitwirkung der Beklagten schrieben die Klägerin und die Stadtwerke B. die
Baumaßnahme in verschiedenen Losen aus. Bei ihrer Kostenkalkulationen ermittelten die
Beklagten einen Auftragswert von 5.266.819,38 DM.
Zum Submissionstermin am 21.7.1998 lagen mehrere Angebote vor, wovon das Angebot
der Firma L. in Höhe von 4.548.607,08 DM das kostengünstigste war. Das
zweitgünstigste Angebot hatte die Bietergemeinschaft G.P. mit 5.995.388,40 DM
abgegeben. Die übrigen Angebote waren höher.
Nach Prüfung und Wertung der Angebote durch die Beklagten erklärte die Firma L., sie
habe sich bei verschiedenen Positionen verkalkuliert, so dass sie den Auftrag zu ihrem
Angebotspreis nicht ausführen könne, worauf die Bieterin aus der Wertung genommen
wurde.
Mit Schreiben vom 23.7.1998 zeigte die Klägerin der Bietergemeinschaft G.H. an, dass sie
die Ausschreibung für das Bauvorhaben gemäß § 26 Abs.1 lit. c VOB/A aufgehoben habe.
Als „schwerwiegender Grund“ wurde angeführt, dass nach dem Ergebnis der
Angebotsprüfung überhaupt kein angemessenes, unter Wirtschaftlichkeitsaspekten
annehmbares Angebot vorliege. Hintergrund war, dass das Angebot der Bietgemeinschaft
G.H. als günstigstes wertbares Angebot 13,9 % über dem von den Beklagten kalkulierten
Auftragswert lag.
Die Bietergemeinschaft G.H. war mit der Aufhebung der Ausschreibung nicht
einverstanden. Sie war der Auffassung, ein schwerwiegender Grund liege nicht vor, ihr
Angebot sei angemessen und annahmefähig, sie habe ein Recht auf Erteilung des
Zuschlages. Mit Schreiben vom 28.7.1998 widersprach sie der Aufhebung der
Ausschreibung und wandte sich mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums an die
Vergabeprüfstelle des Ministeriums des Innern. Die Vergabeprüfstelle teilte der Klägerin mit
Schreiben vom 27.8.1998 mit, dass rechtliche Bedenken gegen die Aufhebung des ersten
Vergabeverfahrens und die beabsichtigte Neuvergabe bestehen.
Bereits vor Erhalt des Schreibens hatte die Vergabestelle die Baumaßnahme unter
Mitwirkung der Beklagten erneut ausgeschrieben. Im zweiten Submissionstermin vom
18.8.1998 war die Firma L. mit einem Angebot über 5.581.801,68 DM die günstigste
Bieterin. Das Angebot der Bietergemeinschaft G.H. lag mit 5.807.756,50 DM höher. Nach
Prüfung und Wertung der Angebote wurde der Firma L. entsprechend dem
Vergabevorschlag der Beklagten der Zuschlag erteilt.
Mit Schreiben vom 24.9.1998 kündigte die Bietergemeinschaft G.H.
Schadensersatzansprüche an. Die Klägerin wies diese, beraten durch die Rechtsanwälte,
mit Anwaltsschreiben vom 7.10.1998 zurück.
In der Folge nahm die Bietergemeinschaft G.H. die Klägerin und die Stadtwerke B. im
Verfahren 4 O 89/99 des Landgerichts Saarbrücken als Gesamtschuldner auf
Schadensersatz in Höhe von 370.021,93 EUR (723.700 DM) in Anspruch.
Ein am 9.1.2003 ergangenes Grundurteil wurde durch Berufungsurteil des Saarländischen
Oberlandesgerichts vom 2.7.2003 (Az. 1 U 113/03-31-) einschließlich des zugrunde
liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Im zurückverwiesenen Verfahren verurteilte das Landgericht die Klägerin und die
Stadtwerke B. durch Urteil vom 26.7.2007 als Gesamtschuldner, an die
Bietergemeinschaft G.H. Schadensersatz in Höhe von 362.922,69 EUR nebst 4 % Zinsen
seit dem 26.4.1999 zu leisten. Außerdem wurden sie in die Kosten des Rechtsstreits
einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens 1 U 113/03 -31- des Saarländischen
Oberlandesgerichts verurteilt.
Die Beklagten waren der hiesigen Klägerin und der Stadtwerke B. in dem Rechtsstreit nach
Streitverkündung als Streithelfer beigetreten.
Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Vergabestelle der Bietergemeinschaft
G.H. unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo in erkanntem Umfang zu
Schadensersatz verpflichtet sei. Das inhaltlich und formal ordnungsgemäße Angebot der
Bietergemeinschaft sei nach den einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen R.
unter Berücksichtigung von Eventual- und Bedarfspositionen das wirtschaftlichste gewesen
und habe daher im Rahmen der Wertung den Zuschlag erhalten müssen. Die Aufhebung
der ersten Ausschreibung sei rechtswidrig und das Angebot der Bietergemeinschaft G.H.
annahmefähig gewesen. Soweit sich die Vergabestelle auf mangelnde
Finanzierungsmöglichkeiten und darauf berufe, dass das niedrigste Angebot deutlich höher
gelegen habe als die kalkulierten Kosten und die verfügbaren Mittel (§ 26 Abs.1 lit. C.
VOB/A), sei diese Einschätzung auf Fehler der Streithelfer bei der Ermittlung der Kosten
und des Finanzbedarfs zurückzuführen, die den Bietern nicht zum Nachteil gereichen
könnten. Die Streithelfer (Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits) hätten die Kosten
aufgrund von Rechenfehlern mit 5.266.8189,38 DM brutto zu niedrig kalkuliert. Der
kalkulatorische Finanzbedarf habe nach Berechnung des Sachverständigen R.
richtigerweise 5.550.959,90 DM betragen. Die Differenz von 284.140,52 DM sei auf
Rechenfehler der Streithelfer bei Los 3 und bei der Bildung der Bruttopreise
zurückzuführen. Die fehlerhafte Kostenkalkulation habe sich auch auf die für die
Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle ausschlaggebende angenommene
Überschreitung des kalkulierten Finanzbedarfs um mehr als 12 % ausgewirkt. Das Angebot
der Bietergemeinschaft G.H. habe bei zutreffender Kostenkalkulation lediglich 8 % und nicht
wie von der Vergabestelle angenommen 13,9 % über dem zu erwartenden Kostenbetrag
gelegen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Vergabestelle sei das Angebot der Bietergemeinschaft
T. aus vom Sachverständigen R. nachvollziehbar dargelegten Gründen nicht günstiger
gewesen als das der klagenden Bietergemeinschaft G.H.. Zudem habe die Vergabestelle,
handelnd durch die Streithelfer, unter Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot (§ 24
Abs.3 VOB/A) nachträgliche Preisänderungen am Angebot der Bietergemeinschaft T., und
zwar eine Korrektur der mit „DM 0,00“ angegebenen Position 08.01.0050.2
„Hausanschlusskosten des Versorgungsbetriebes“ vorgenommen. Eventual- und
Bedarfspositionen, von denen sich bei der Ausschreibung noch nicht definitiv sagen lasse,
ob sie zusätzlich erforderlich werden, dürften nicht willkürlich aus der Wertung genommen
werden. Die beteiligten Bieter hätten diese Positionen kalkulieren und anbieten müssen.
Das Urteil des Landgerichts vom 26.7.2007 ist rechtskräftig, nachdem die hiergegen
eingelegte Berufung durch Senatsurteil vom 24.6.2008 (Az. 4 U 478/07-162-)
zurückgewiesen wurde.
In Erfüllung ihrer gesamtschuldnerischen Verpflichtungen aus dem rechtskräftigen Urteil hat
die Klägerin (einschließlich Zinsen) Zahlungen in Gesamthöhe von 497.074,80 EUR an die
Bietergemeinschaft G.H. geleistet.
Da das Kostenfestsetzungsverfahren noch nicht endgültig abgeschlossen ist, muss mit
weiteren Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gerechnet werden.
Die Stadtwerke B. hat die ihr gegen die Beklagten zustehenden Ansprüche vorsorglich an
die Klägerin abgetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1. an die Klägerin 497.074,80 EUR nebst Zinsen von 5
Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 7.7.2008 zu zahlen,
2. die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht der
Stadtwerke B. von weiteren Zahlungsverpflichtungen aus dem Urteil
des Landgerichts Saarbrücken vom 26.7.2007 – Az. 4 O 89/99 –
bzw. des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 24.6.2008 – Az. 4
U 478/07-162- freizustellen,
3. an die Klägerin 4.658,61 EUR außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basissatz seit dem 7.7.2008 zu zahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Die Beklagten haben Fehler beim Vergabemanagement, die für den Schadenseintritt
ursächlich waren, bestritten. Der Rechenfehler bei der Kostenkalkulation sei ihnen nicht
anzulasten. Die Fehlkalkulation sei auf einen Programmfehler der benutzten Software
zurückzuführen. Da das entsprechende Programm vor und nach der streitgegenständlichen
Baumaßnahme mehrfach zum Einsatz gekommen sei, ohne dass der Programmfehler
davor oder danach wieder aufgetreten sei, könne den Beklagten auch nicht zum Vorwurf
gemacht werden, den Programmfehler leichtfertig nicht bemerkt zu haben. Die Klägerin
hat demgegenüber einen Bedienungsfehler behauptet. Der im Verfahren 4 O 89/99
festgestellte Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot habe sich, so die Sichtweise der
Beklagten, nicht schadensursächlich ausgewirkt. Selbst wenn die Beklagten das Angebot
der Bietergemeinschaft T. nicht nachträglich korrigiert hätten, habe die Bietergemeinschaft
G.H. unstreitig das günstigste wertbare Angebot abgegeben, weshalb ihr der Zuschlag
habe erteilt werden müssen. Im Übrigen seien die Beklagten von der Stadtwerke B.
angewiesen worden, bei Los 4 die Geltung der VOB/A auszuschließen, weil sich die
Stadtwerke an dem Nachverhandlungsverbot nicht hätten festhalten lassen wollen.
Die Beklagten haben schließlich die Auffassung vertreten, die unterstellten Fehler beim
Vergabemanagement seien jedenfalls im Ergebnis nicht für die Verurteilung der Klägerin zu
Schadensersatz in dem Vorprozess ursächlich geworden. Es sei zwar richtig, dass die
Beklagten die Aufhebung der ersten Ausschreibung und eine erneute Vergabe befürwortet
hätten, nachdem das günstigste wertbare Angebot 13,9% über den kalkulierten Baukosten
gelegen habe. Maßgeblich für die Entscheidung der Klägerin, das erste Vergabeverfahren
aufzuheben und eine zweite Vergabe durchzuführen, sei jedoch eine Empfehlung der
Rechtsanwälte gewesen, die die Klägerin und die Stadtwerke B. rechtlich hätten beraten
hätten, nachdem die Bietergemeinschaft G.H. gegen die Aufhebung der ersten
Ausschreibung Einwendungen erhoben und sich an die Vergabeprüfstelle des Ministeriums
des Inneren gewandt habe. Danach seien die Beklagten – insoweit unstreitig – mit der
weiteren Beratung der Klägerin nicht mehr befasst gewesen. Der Schaden sei – so die
Beklagten – mithin allein dadurch entstanden, dass die Vergabestelle auf den Rat der
Rechtsanwälte vertraut habe. Obwohl die Vergabeprüfstelle rechtliche Bedenken gegen die
Zulässigkeit der Neuausschreibung geäußert habe, hätten die Rechtsanwälte für die
Vergabestelle die von der Bietergemeinschaft G.H. angekündigten
Schadensersatzansprüchen zurückgewiesen.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten. Sie hat unwidersprochen vorgetragen, dass die
Rechtsanwälte erst nach Anrufung der Vergabeprüfstelle beim Innenministerium beauftragt
worden seien. Deren rechtlicher Beurteilung habe die auf der fehlerhaften Kostenkalkulation
der Beklagten beruhende Differenz von 13,9 % zwischen dem günstigsten Angebot der
Bietergemeinschaft G.H. und dem kalkulierten Finanzbedarf zugrunde gelegen. Wenn das
günstigste Angebot die Kostenkalkulation um mehr als 12 % überschreite, habe nach
damaliger Handhabung der Vergabestelle unter Wirtschaftlichkeitserwägungen kein
annahmefähiges Angebot vorgelegen.
Die Beklagten haben schließlich die Auffassung vertreten, die Klägerin müsse sich jedenfalls
den Kostenvorteil schadensmindernd anrechnen lassen, der eingetreten sei, weil das
Angebot der Firma L., die bei der zweiten Vergabe den Zuschlag erhalten habe, mit
5.581.801,68 DM deutlich niedriger gelegen habe als das Angebot der Bietergemeinschaft
G.H., die bei der ersten Vergabe zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Die der
Klägerin und der Stadtwerke B. entstandenen Kosten hätten damit um 413.586,72 DM
(bzw. 211.463,53 EUR) niedriger gelegen als das bei einer Zuschlagserteilung an die
Bietergemeinschaft G.H., deren Angebotspreis 5.995.388,40 DM betragen habe, der Fall
gewesen sei.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
285.611,27 EUR nebst Zinsen zu zahlen, sie außerdem verurteilt, die Klägerin von
weiteren Zahlungsverpflichtungen aus den im Klageantrag zu 2. näher bezeichneten
Urteilen freizustellen und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 3.745,88 EUR nebst
Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Das Landgericht hat die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten dem Grunde nach
bejaht und den Schaden im Wege der Differenzhypothese in der Weise ermittelt, dass den
wegen der (rechtswidrigen) Zweitvergabe tatsächlich entstandenen Kosten von insgesamt
3.351.004,68 EUR die Kosten von 3.065.393,41 EUR gegenübergestellt wurden, die ohne
das fehlerhafte Vergabemanagement der Beklagten bei ordnungsgemäßer
Auftragsvergabe an die Bietergemeinschaft G.H. entstanden wären.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs.1
S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin
verfolgt mit ihrem Rechtsmittel die erstinstanzlichen Klageanträge zu 1. und 3. in dem
Umfang weiter, in dem das Landgericht diese abgewiesen hat. Die Klägerin ist der
Auffassung, das Landgericht habe die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten dem
Grunde nach zwar zu Recht bejaht. Jedoch seien die Feststellungen zum Umfang des zu
leistenden Schadensersatzes nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht habe die
Klageforderung in Anwendung der Differenzmethode zu Unrecht um eine im zweiten
Vergabeverfahren entstandene Kostenersparnis von 211.463,53 EUR (nebst Zinsen)
gekürzt. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Kostenersparnis bei der
zweiten Ausschreibung nicht adäquat kausale Folge der mangelhaften Ingenieurleistungen
der Beklagten, sondern rein zufällig eingetreten sei. Die zweite Ausschreibung habe ohne
weiteres auch zu höheren Angebotspreisen führen können. Da die Klägerin das Preisrisiko
der zweiten Ausschreibung allein zu tragen gehabt habe, fehle es an dem von der
Rechtsprechung für eine Vorteilsausgleichung geforderten inneren Zusammenhang
zwischen dem eingetretenen Vermögensvorteil und dem durch das fehlerhafte
Vergabemanagement der Beklagten verursachten Schaden. Die Vorteilsausgleichung setze
voraus, dass die Vor- und Nachteile bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer
Rechnungseinheit verbunden seien, was vorliegend nicht der Fall sei. Ebenso wie sich
nachteilige Drittgeschäfte des Geschädigten grundsätzlich nicht zum Nachteil des
Schädigers auswirkten, hätten günstige Drittgeschäfte und die hieraus resultierenden
Vorteile des Geschädigten nach dem Schadenseintritt keinen Einfluss auf die
Schadensberechnung. So habe die Rechtsprechung beispielsweise entschieden, dass der
Gewinn, den der nicht belieferte Käufer aus einem Deckungskauf erziele, nicht
schadensmindernd zu berücksichtigen sei. Gleiches gelte, wenn der Verkäufer eines
Grundstücks seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf der Grundlage
eines Deckungsverkaufes berechne und er hierdurch einen Nettomehrerlös erziele.
Die Klägerin beantragt (Bl. 179, 180, 221 d.A.),
die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils als
Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 211.463,53
EUR sowie weitere 912,73 EUR außergerichtliche
Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen aus diesen Beträgen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem
7.7.2008 zu zahlen;
hilfsweise,
die Revision zum Zwecke der Rechtsfortbildung zuzulassen.
Die Beklagten beantragen (Bl. 175, 221 d.A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten wenden sich nicht dagegen, dass das Landgericht sie im erkannten Umfang
zu Schadensersatz verurteilt hat. Sie sind der Auffassung, das Landgericht habe die bei der
zweiten Ausschreibung eingetretene Kostenersparnis in Anwendung der
Differenzhypothese zu Recht schadensmindernd berücksichtigt. Denn nur aufgrund der
fehlerhaften Aufhebung der ersten Ausschreibung sei es zu dem zweiten Vergabeverfahren
gekommen. Es sei nicht möglich, beide Vorgänge gedanklich voneinander zu trennen. Den
in der Berufungsbegründung zitierten Gerichtsentscheidungen lägen andere
Lebenssachverhalte zugrunde. Zudem übersehe die Klägerin, dass das Risiko einer
Kostenerhöhung im Rahmen der zweiten Ausschreibung nicht bei ihr gelegen habe. Im
Übrigen gelte bei der Schadensberechnung ganz allgemein ein „Bereicherungsverbot“.
Wegen weiterer Einzelheiten des Prozessvorbringens der Parteien wird auf die in dieser
Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
9.11.2010 (Bl. 221, 222 d.A.) verwiesen.
Der Senat hat die Akten 4 U 478/07 – 162 – des Saarländischen Oberlandesgerichts und 4
O 89 / 99 des Landgerichts Saarbrücken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht.
B.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und in der verlängerten Frist des § 520
Abs. 1 S.3 ZPO ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 511,
513, 517, 519 und 520 ZPO).
Dem Rechtsmittel muss der Erfolg in der Sache indes versagt bleiben.
I.
Die Feststellungen des Landgerichts zur gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten (§§
421, 426, 398 BGB) dem Grunde nach gemäß § 635 BGB a.F. bzw. wegen positiver
Vertragsverletzung in Anwendung alten Rechts (Art 229 § 5 EGBGB) aufgrund einer
schuldhaft unrichtigen Kostenkalkulation und weiteren Fehlern beim Vergabemanagement
sowie zu deren Ursächlichkeit für die (rechtswidrige) Aufhebung des ersten
Vergabeverfahrens sind mangels Anfechtung berufungsgerichtlicher Kontrolle entzogen.
Gleiches gilt für die Feststellung, dass die Beklagten der Klägerin zumindest in Höhe von
285.611,27EUR zu Schadensersatz verpflichtet sind.
Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht von der Rechts- und Parteifähigkeit der erstbeklagten
Außen-GbR sowie weiter davon ausgegangen, dass die Beklagten zu 2. und 3. als
Gesellschafter neben der GbR in Anlehnung an § 128 HGB für
Gesellschaftsverbindlichkeiten akzessorisch mithaften (BGHZ 146, 341; Palandt-Sprau,
BGB, 68. Aufl. Rn. 11 zu § 714 mwNw.)
Insoweit sind die erstinstanzlichen Feststellungen bindend, denn die Beklagten haben gegen
das Urteil keine Berufung eingelegt und sie stellen die der Verurteilung zugrunde liegenden
Feststellungen auch sonst nicht in Frage. In dem Umfang, in dem das angefochtene Urteil
zur Berufung angefallen ist, beruht es weder auf unrichtiger oder unvollständiger
Tatsachengrundlage noch auf einer Rechtsverletzung (§§ 513, 546, 529 ZPO).
II.
Die Parteien streiten in dieser Instanz nur noch darüber, ob bei der Ermittlung des der
Klägerin aufgrund der mangelhaften Ingenieurleistungen der Beklagten entstandenen
Schadens ein Kostenvorteil in Höhe von 211.463,53 EUR (413.586,80 DM) nach der
Differenzhypothese zu berücksichtigen ist, der sich daraus ergibt, dass die Baukosten bei
ordnungsgemäßer Durchführung des rechtswidrig aufgehobenen ersten Vergabeverfahrens
höher gewesen wären, als sie es nach der zweiten Vergabe tatsächlich waren. Das
Angebot der Bieterin Firma L., die im zweiten Vergabeverfahren den Zuschlag erhielt, war
um 211.463,53 EUR niedriger als das Angebot der Bietergemeinschaft G.H., das im ersten
Vergabeverfahren zu Unrecht unberücksichtigt blieb.
1.
Bei einem Schadensersatzanspruch wegen vom Auftragnehmer zu vertretender
mangelhafter Werkleistung (§ 635 BGB a.F.) bzw. positiver Vertragsverletzung hat der
Auftraggeber einen Anspruch auf Erstattung der Schäden, die im Schutzbereich der Pflicht
des Unternehmers zur vertragsgemäßen Erfüllungsleistung liegen. Der Auftraggeber ist so
zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde (positives Interesse; BGH
NJW 1998, 2902). Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auf alle im Schutzbereich
der Norm liegenden unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens.
2.
Das Landgericht wählt bei der Schadensermittlung den richtigen rechtlichen Ansatz und
legt seiner Berechnung die Differenzhypothese zugrunde. Danach besteht der Schaden in
der Differenz zwischen der durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter
Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten Vermögenslage (vgl. hierzu Palandt-Heinrich,
a.a.O. Rn. 9 Vorb v § 249).
a. Das Landgericht hat zunächst die Kosten ermittelt, die der Klägerin bei Durchführung der
zweiten Vergabe tatsächlich entstanden sind. Der festgestellte Gesamtbetrag von
3.351.004,68 EUR ergibt sich aus Baukosten von 2.853.929,88 EUR (5.581.801,68 DM),
die bei der Auftragsdurchführung durch die Firma L. angefallen sind und dem nach
rechtswidriger Aufhebung der ersten Ausschreibung an die zu Unrecht nicht berücksichtigte
Bietergemeinschaft G.H. (bislang) geleisteten Schadensersatz von 497.074,80 EUR.
b. Dieser durch das Schadensereignis tatsächlich geschaffenen Güterlage hat das
Landgericht die Kosten von 3.065.393,41 EUR (5.995.388,40 DM) gegenübergestellt, die
der Klägerin entstanden wären, wenn das erste Vergabeverfahren nicht aufgrund des
fehlerhaften Vergabemanagements der Beklagten aufgehoben worden wäre und das
Angebot der Bietergemeinschaft G.H. den Zuschlag erhalten hätte.
Der Differenzbetrag, also Mehrkosten von 285.611,27 EUR, sind, so das Landgericht, der
Schaden, den die Beklagten der Klägerin nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzen haben.
c. Gegen die Richtigkeit der vom Landgericht in Ansatz gebrachten Kostenbeträge und
gegen die Feststellung, dass der Klägerin bei einem Vergleich der durch die schädigende
Handlung tatsächlich bewirkten Güterlage mit derjenigen, die sich ergeben würde, wenn
man die schädigende Handlung hinwegdenkt, nur Mehrkosten in Höhe von 285.611,27
EUR entstanden sind, erhebt die Berufung keine Einwendungen. Streit besteht allein
darüber, ob der aufgrund des günstigeren Angebots der Firma L. eingetretene
Kostenvorteil im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen ist.
III.
Die Frage der Vorteilsausgleichung stellt sich immer dann, wenn das zum Schadensersatz
verpflichtende Ereignis neben Nachteilen Vorteile gebracht hat. Im Werkvertragsrecht
besteht Einigkeit, dass, wenn die mangelhafte Vertragserfüllung neben Nachteilen auch zu
einem Vorteil des Auftraggebers geführt hat, der Schadensersatzanspruch nach § 635
BGB a.F. bzw. aus positiver Vertragsverletzung entsprechend zu kürzen sein kann
(Palandt-Sprau, BGB, 60. Aufl. Rn. 8 a zu § 635 a.F.).
Die Rechtsprechung und die überwiegende Kommentarliteratur machen die
Vorteilsausgleichung, bei der ausschließlich kongruente Vor- und Nachteile miteinander zu
verrechnen sind (BGH NJW 1987-RR 2004, 79, 80), von zwei Voraussetzungen abhängig:
In tatsächlicher Hinsicht muss zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein
adäquater Kausalzusammenhang bestehen (BGH NJW 1990, 1360). Das Erfordernis des
adäquaten Ursachenzusammenhangs soll gewährleisten, dass ungewöhnliche Vorteile, die
schon in den aleatorischen Bereich gehören, in spiegelbildlicher Anwendung des Gedankens
des allgemeinen Lebensrisikos dem Geschädigten und nicht dem Schädiger gutzubringen
sind (Bamberger/Roth-Schubert, BGB, 2.Aufl. Rn. 103 zu § 249; Palandt-Heinrichs, BGB,
68. Aufl. Rn. 121 Vorb v § 249).
In normativer Hinsicht muss die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des
Schadensersatzes bzw. der verletzten Norm entsprechen (Mü-Ko/Oetker, BGB, 5. Aufl. Rn.
229 zu § 249), die Anrechnung darf den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den
Schädiger nicht unbillig begünstigen (BGH NJW 2008, 2773; 2007, 3130, 2006, 499).
Im Rahmen der Überlegungen, ob die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes und
der Billigkeit entspricht, sind die für und gegen die Anrechnung sprechenden
Wertungsgesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei ein Patt, spricht die
Differenzhypothese im Zweifel für eine Anrechnung (BGH NJW 2007, 3037; Saarländisches
Oberlandesgericht ZfS 2007, 227). Die Entscheidung, ob ein Vorteil in Anwendung dieser
Rechtsgrundsätze anzurechnen ist oder nicht, lässt sich nicht auf einen einzigen
Grundgedanken zurückführen. Generell ist erforderlich, dass zwischen Nach- und Vorteil ein
innerer Zusammenhang dergestalt besteht, dass beide bei wertender Betrachtung
gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein müssen (BGH NJW 2007, 3130;
1997, 2378; Palandt a.a.O. Rn. 122). Besteht nach Art und Entstehung des Vorteils ein
unlösbarer innerer Zusammenhang mit dem entstandenen Nachteil, ist der Vorteil
regelmäßig anzurechnen (BGH NJW 1982, 326).
Angewandt auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:
1.
Zunächst bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme, dass der aus
dem schädigenden Ereignis resultierende Vorteil durch das mangelhafte
Vergabemanagement der Beklagten adäquat kausal verursacht worden ist. Zu der
zweiten, für die Vergabestelle kostengünstigeren Auftragsvergabe, ist es nur gekommen,
weil die Vergabestelle das erste Vergabeverfahren fehlgeleitet durch das
Vergabemanagement der Beklagten rechtswidrig aufgehoben hat. Dass sich bei der
erneuten Ausschreibung ein Bietinteressent findet, der ein kostengünstigeres Angebot
unterbreitet als die im aufgehobenen ersten Vergabeverfahren mit ihrem Angebot zu
Unrecht nicht berücksichtigte Bietergemeinschaft G.H., war kein mit der Aufhebung der
ersten Vergabe in keinem inneren Zusammenhang stehender reiner Zufall, sondern ein
Hergang, mit dem nach der Lebenserfahrung zumindest ebenso zu rechnen war wie
damit, dass es zu einer Verteuerung der Baukosten kommt, weil das wirtschaftlichste
Angebot bei der zweiten Vergabe über dem Angebot der Bietergemeinschaft G.H. aus dem
ersten Vergabeverfahren gelegen hätte.
Es liegt im Wesen öffentlicher Auftragsvergaben, dass Bietinteressenten in einen
Kostenwettbewerb treten. Wirtschaftlichkeitsaspekte stehen im Zentrum. Wird ein
Vergabeverfahren aufgehoben, kann es bei der erneuten Vergabe naturgemäß
vorkommen, dass Bieter wirtschaftlichere Angebote vorlegen. Die Wahrscheinlichkeit eines
solchen Hergangs war vorliegend sogar eher groß, nachdem die Vergabestelle das erste
Vergabeverfahren mit der Begründung aufgehoben hat, die Angebote, die deutlich über den
unter Mitwirkung der Beklagten kalkulierten Baukosten lagen, seien unangemessen hoch
und unter Wirtschaftlichkeitsaspekten nicht annahmefähig. Da sich – wie der Streitfall zeigt
– nicht selten Bietinteressenten aus dem aufgehobenen ersten Verfahren, denen die
Angebotspreise der Mitbieter und das sich hieraus ergebende „Ranking“ bekannt sind,
erneut beteiligen, bestand die nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Bieter ihre
Angebote im zweiten Vergabeverfahren überarbeiten und knapper kalkulieren mit der
Folge, dass sie kostengünstiger werden.
2.
Handelt es sich daher nicht um einen rein zufälligen, sondern um einen durch das
fehlerhafte Vergabemanagement der Beklagten adäquat kausal verursachten
Kostenvorteil, stellt sich die weitere Frage, ob die Anrechnung des Vorteils dem Zweck der
Ersatzpflicht unter Billigkeitsaspekten entspricht, wovon im Ergebnis auszugehen ist.
a. Im Allgemeinen sind die durch das schädigende Verhalten adäquat kausal ersparten
Aufwendungen schon wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem entstandenen
Nachteil nach der Differenzhypothese anzurechnen, es sei denn, die Ersparnisse beruhen
auf einem überpflichtgemäßen Verzicht oder auf überobligationsmäßigen Leistungen des
Geschädigten (Palandt a.a.O. Rn. 141).
b. Ein Fall der Schadensgeringhaltung durch überobligationsmäßige Anstrengungen der
Vergabestelle, die einer Vorteilsausgleichung nach der Rechtsprechung entgegenstehen
könnten, liegt nicht vor. Der durch die Auftragsvergabe an die günstigste Bieterin im
zweiten Vergabeverfahren zustande gekommene Vertrag war (zwangsläufige) Folge der
durch Fehler der Beklagten verursachten rechtswidrigen Aufhebung des ersten
Vergabeverfahrens. Es hat sich wie dargelegt ein Umstand verwirklicht, mit dem nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit zu rechnen war, ohne
dass es hierzu besonderer Maßnahmen oder Anstrengungen der Vergabestelle bedurfte.
c. Der Berufung ist einzuräumen, dass die Rechtsprechung Vorteile, die der Geschädigte
aus günstigen Vertragsabschlüssen erlangt, in der Regel jedenfalls dann nicht anzurechnen
pflegt, wenn den Geschädigten keine entsprechende Schadensminderungspflicht trifft. So
sollen etwa Gewinne, die der nicht belieferte Käufer aus einem Deckungskauf erzielt, die
Ersatzpflicht des Schädigers jedenfalls dann nicht mindern, wenn der Geschädigte den
neuen Käufer oder Abnehmer ohnehin hätte beliefern können (BGH NJW 1994, 2478).
Entsprechendes gilt für den Weiterverkaufserlös bei einem Schadensersatzanspruch aus §
437 Nr.3 iVm § 281 Abs.1 S.1 BGB, auch wenn dabei ein Preis erzielt worden ist, der bei
Vorhandensein der zugesicherten Eigenschaft dem Wert der Sache entsprechen würde
(BGH NJW 1981, 45, 47). Weitere Beispiele zu der umfangreichen
Rechtsprechungskasuistik finden sich bei Staudinger-Schiemann (BGB, II 2005 Rn. 147 zu §
249).
d. Die Beklagten weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass die von der Klägerin
angeführten Rechtsprechungsbeispiele Lebenssachverhalte betreffen, die mit dem Streitfall
nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Den Entscheidungen zur Nichtanrechenbarkeit liegt
zumeist die Überlegung zugrunde, dass der Schädiger nicht von überobligationsmäßigen
Leistungen oder Anstrengungen des Geschädigten sowie von dessen zufälliger
Begünstigung profitieren soll, weil dies zu einer unbilligen Schadensentlastung führen würde
(Bamberger/Roth a.a.O. Rn. 113 zu § 249 mwNw.).
Die Auftragsvergabe an die Firma L. als wirtschaftlichste Bieterin im zweiten
Vergabeverfahren ist aber kein auf einer privatautonomen Entscheidung der Vergabestelle
beruhendes, durch überpflichtgemäße Bemühungen um Schadensgeringhaltung oder
zufällig zustande gekommenes „Deckungsgeschäft“, sondern unmittelbare Folge des
rechtswidrig aufgehobenen ersten Vergabeverfahrens. Der Kostenvorteil ist ohne jedes
Zutun der Vergabestelle eingetreten und es handelt sich um einen Hergang, mit dem mit
einiger Wahrscheinlichkeit zu rechnen war.
e. Der Berücksichtigung und Anrechnung des Kostenvorteils stehen auch Billigkeits- und
Zumutbarkeitserwägungen nicht entgegen. Die Anrechnung hätte, darin ist der Berufung
zuzustimmen, zu unterbleiben, wenn die Vergabestelle das Risiko von Baumehrkosten im
zweiten Vergabeverfahren im Ergebnis zu tragen gehabt hätte. Letzteres ist entgegen der
Rechtsauffassung der Klägerin jedoch nicht der Fall.
aa. Soweit die Berufung zur Stützung der angenommenen Risikozuweisung auf einen
Aufsatz von Müller-Laube in JZ 91, 162 f. Bezug nimmt, aus dem sich ergebe, dass
nachteilige Drittgeschäfte prinzipiell nicht zu Lasten des Schädigers gehen und wonach für
günstige Drittgeschäfte nichts anders gelten könne, greift ihre Argumentation zu kurz und
geht an dem hier zu beurteilenden Lebenssachverhalt vorbei.
bb. Der Rechtsbehauptung, nachteilige Drittgeschäfte gingen grundsätzlich nicht zu Lasten
des Schädigers, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass der
Schädiger Mehrbelastungen aus Drittgeschäften des Geschädigten zurückweisen kann,
soweit es sich um Kosten handelt, denen die Erforderlichkeit nach § 249 BGB fehlt oder
durch die der Geschädigte gegen die Schadensgeringhaltungspflicht (§ 254 BGB) verstoßen
hat.
Das bedeutet bezogen auf den Streitfall aber nicht, dass das Risiko eventueller Mehrkosten
bei der zweiten Vergabe letztlich von der Vergabestelle zu tragen gewesen wäre und dass
die Beklagten einen Schaden in Form von Mehrkosten als „Mehrbelastung aus einem
nachteiligen Drittgeschäft“ hätten von sich wenden können. Das Risiko von Mehrkosten im
zweiten Vergabeverfahren lag im Endergebnis bei den Beklagten, da es sich um einen
(weiteren) durch deren fehlerhaftes Vergabemanagement adäquat verursachten, vom
Schutzzweck der verletzten Norm erfassten Schaden handeln würde, den die Beklagten
der Vergabestelle in Anwendung der Differenzhypothese nach den §§ 249 ff. BGB hätten
ersetzen müssen.
Dann kann es im Umkehrschluss aber nicht dem Zweck des Schadensersatzes und der
Billigkeit widersprechen und der Vergabestelle unzumutbar sein, sich eine bei der zweiten
Vergabe ohne ihr Zutun eingetretene Kostenersparnis schadensmindernd anrechnen zu
lassen.
IV.
Ist das (bezifferte) Schadensersatzverlangen der Klägerin somit nur in Höhe von
285.611,27 EUR begründet, ergeben sich nach nicht zu beanstandender Berechnung des
Landgerichts, auf die Bezug genommen wird (LGU 14, 15; Bl. 165, 166 d.A.), auch nur
erstattungsfähige außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 3.745,88 EUR.
Die Berufung der Klägerin war demnach mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs.1, 100 Abs.4
ZPO und Vollstreckbarkeitserklärung gemäß den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision hatte zu unterbleiben, weil Zulassungsgründe im Sinne des §
543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen:
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs.2 Nr.1 ZPO). Die
Zulassungskriterien der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung sind ebenfalls nicht erfüllt (§ 543 Abs.2 Nr. Nr.2 ZPO). Der Senat weicht in
seinen die Entscheidung tragenden Erwägungen nicht von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung ab. Nur weil eine bestimmte Rechtsfrage - hier die, ob sich der
Schadensersatzanspruch der Vergabestelle gegen ein an der Vergabe beteiligtes
Ingenieurbüro, dessen Fehler für die rechtswidrige Aufhebung der Erstvergabe ursächlich
waren, bei kostengünstigerer Zweitvergabe im Wege der Vorteilsausgleichung mindert -
soweit ersichtlich noch nicht entschieden worden ist, ist keine Zulassung der Revision
geboten.