Urteil des OLG Saarbrücken vom 19.12.2006
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OLG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2006, 4 U 318/06 - 100
Verkehrsunfallklage: Anforderungen an den Nachweis einer Unfallmanipulation
Leitsätze
Zum Beweismaß an den Nachweis eines "gestellten" Verkehrsunfallereignisses.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des
Landgerichts Saarbrücken vom 25.4.2006 – 9 O 275/05 – unter Zurückweisung der
Berufung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 15.162,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.805,02 EUR seit dem 1.7.2005 und
aus weiteren 357,90 EUR seit dem 20.9.2005 zu zahlen. Weiterhin wird die Beklagte
verurteilt, an den Sachverständigen K., 1.109,93 EUR zu zahlen. Die weitergehende Klage
wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.914,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin Schadensersatz wegen der Beschädigung
eines Wohnmobils. Die Beklagte war zum behaupteten Unfalltag, dem 20.12.2004,
Haftpflichtversicherer des LKW der Marke Mercedes Benz mit dem Kennzeichen, dessen
Halter der Zeuge R. F. war. Der Lkw wurde am 4.6.1984 erstmalig zum Verkehr
zugelassen. Nach dem Unfallereignis wurde das Fahrzeug am 20.4.2005 „wie gesehen
und Probe gefahren und ohne jegliche Gewährleistung als Bastlerfahrzeug" zu einem Preis
von 1.550 EUR weiterverkauft (Bl. 62 d. A.).
Die Klägerin hat behauptet, sie sei Eigentümerin des Wohnmobils mit dem amtlichen
Kennzeichen gewesen. Dieses Wohnmobil sei über ein zinsloses Darlehen ihres Sohnes J. R.
finanziert worden.
Mit diesem Fahrzeug sei sie am 20.12.2004 zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem
Zeugen J. L., im A.-Markt in einkaufen gewesen. Während sie sich im Einkaufsmarkt
aufgehalten habe, habe der Zeuge R. F. mit seinem Lkw beim Wenden das Wohnmobil der
Klägerin beschädigt. Der Reparaturaufwand für die geltend gemachten Sachschäden
beträgt unstreitig 12.780,02 EUR.
Die Klägerin begehrt Erstattung dieses Reparaturaufwandes zuzüglich einer Wertminderung
in Höhe von 2.000 EUR, einer Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR sowie der Kosten für
die Einholung eines außergerichtlichen Schadensgutachtens, welches die Klägerin bei dem
Kfz-Sachverständigen K. in Auftrag gab. Sie hat hierzu die Auffassung vertreten, dass sie
trotz einer Sicherungsabtretung der Forderung an den Sachverständigen berechtigt sei,
den Rechnungsbetrag für die Erstattung des Gutachtens (1.109,91 EUR) auf eigene
Kosten einzuklagen. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Erstattung der nicht
anzurechnenden Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG in Höhe von
357,90 EUR (Gegenstandswert 5.914,93 EUR).
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15.914,93 EUR
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an die
Klägerin zu verurteilen;
2. die Beklagte zur Zahlung von weiteren 357,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die
Klägerin zu verurteilen;
3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag von 1.109,91 EUR an den
Sachverständigen K.,
4. äußerst hilfsweise an J. R. zu zahlen.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat bestritten, dass der Unfall
überhaupt stattgefunden habe. In jedem Fall werde die Unfreiwilligkeit des
Schadensereignisses bestritten. So seien die Schilderungen der Klägerin und des Zeugen F.
widersprüchlich. Der den Unfall verursachende Lkw des Zeugen F. sei alt gewesen. Zudem
könne nicht nachvollzogen werden, warum dieser Zeuge den Namen der Person nicht habe
nennen können, die er im Saarland aufgesucht habe. Die Zeugin M. habe unter einem
Vorwand bei der Klägerin und dem Zeugen F. angerufen und ihren jeweiligen
Gesprächspartner auf die weitere andere Person angesprochen. Während der Zeuge F. die
Klägerin als eine Bekannte bezeichnet habe, habe die Klägerin erklärt, den Zeugen gar
nicht zu kennen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, dass der Klägerin
die streitgegenständlichen Ansprüche bereits deshalb nicht zustünden, weil sie den ihr
obliegenden Nachweis dafür, Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs gewesen zu sein,
nicht habe führen können. Auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß
§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge
in vollem Umfang weiter. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und legt zum
Nachweis ihrer Sachbefugnis eine Abtretungserklärung ihres Sohnes J. R. R. vor, in welcher
der Zedent alle ihm etwaig aus dem Unfallereignis vom 20.12.2004 bereits entstandenen
und möglicherweise noch entstehenden Ansprüche an die Klägerin abtrat (Bl. 182 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Saarbrücken –
12 O 275/05 – nach Maßgabe ihrer erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 31.7.2006 (Bl. 163 ff. d. A.) und
der Berufungserwiderung vom 4.10.2006 (Bl. 170 ff. d. A.) wird ergänzend Bezug
genommen.
Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen R. F. Beweis erhoben. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
21.11.2006 (Bl. 183 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
A.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Der Klägerin stehen aus dem Unfallereignis
vom 20.12.2004 Schadensersatzansprüche in der beantragten Höhe zu, da die
Aktivlegitimation der Klägerin im zweiten Rechtszug nachgewiesen worden ist (1.) und
diese den ihr obliegenden Beweis für das schadensursächliche Unfallereignis führen konnte
(2.). Demgegenüber steht nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mit einer allen
vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietenden Sicherheit fest, dass es sich bei dem
Verkehrsunfall um ein so genanntes vorgetäuschtes Unfallereignis handelte, für dessen
Folgen die Beklagte nicht einzustehen hätte (3.).
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterliegt die Klage nicht bereits deshalb der
Abweisung, weil die Klägerin ihre Aktivlegitimation, die erstinstanzlich lediglich aus ihrer
eigenen Eigentümerstellung hergeleitet worden ist, nicht nachgewiesen hat. Das
Landgericht hat die Tragweite der gesetzlichen Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1
BGB verkannt:
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der
Beschädigung des Fahrzeugs Besitzerin des Wohnmobils war. Damit sind die tatsächlichen
Grundlagen für die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB bewiesen (vgl.
MünchKomm(BGB)/Medicus, 4. Aufl., § 1006 Rdnr. 10; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, §
1006 Rdnr. 1). Es war nunmehr Sache der Beklagten, die Vermutung gemäß § 292 ZPO
durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen. Dieser ist nach dem Beweismaß des §
286 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Lebenssachverhalts und
Einbeziehung des Ergebnisses einer eventuellen Beweisaufnahme zu führen (vgl. BGH, Urt.
vom 4.2.2002 - II ZR 37/00, NJW 2002, 2101, 2102).
Indessen hat das Landgericht offensichtlich die Auffassung vertreten, dass die
Eigentumsvermutung des § 1006 BGB bereits deshalb nicht greife, weil die Klägerin und
der vernommene Zeuge zu den maßgeblichen Aspekten des Eigentumserwerbs
widersprüchliche Angaben gemacht haben. Dieser rechtliche Schluss ist nicht statthaft.
Denn die Vorschrift des § 1006 BGB stellt den Besitzer im Grundsatz nicht nur von der
Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast frei, dass und auf welcher Grundlage er
zugleich mit dem Besitz das Eigentum erworben hat (BGHZ 156, 310, 319, NJW 2002,
2102; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1006 Rdnr. 3;Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl.,
§ 1006 Rdnr. 1). Ist der Besitzer jedoch nicht gehalten, Sachvortrag über seinen
Eigentumserwerb zu halten, so darf die Verwirklichung der gesetzlichen Vermutung nicht
daran scheitern, dass sich der Lebenssachverhalt zum Erwerb des Eigentums vor dem
Hintergrund einer zusammenhängenden Würdigung von Zeugenaussagen und
Parteivortrag als „verworren“ darstellt.
Der zur Entscheidung stehende Fall zwingt nicht dazu, die Rechtsfrage zu beantworten, ob
und unter welchen Voraussetzungen den Besitzer die sekundäre Darlegungslast für einen
sich in seiner Sphäre vollzogenen Eigentumserwerb trifft (zum Meinungsstand vgl.:
Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Auflage, § 1004 Rndr. 25, 27). In der
höchstrichterlichen Rechtsprechung ist diese Rechtsfrage bislang nicht entschieden: Der
Bundesgerichtshof hat die Frage nach sekundären Darlegungslasten des Eigentümers in
dem Urteil vom 4.2.2002 (NJW 2002, 2102) ausdrücklich offen gelassen; in der späteren,
für die amtliche Sammlung bestimmten Entscheidung BGHZ, 156, 310 fand der Gedanke
keine Erwähnung. Einer Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage bedarf es auch im
vorliegenden Fall nicht. Denn die Klägerin hat zu den Umständen des Eigentumserwerbs
hinreichend vorgetragen, indem sie dargelegt hat, das Fahrzeug sei ihr von ihrem Sohn
geschenkt worden. Aus den Widersprüchen im Sachvortrag der Klägerin dürfen keine
nachteiligen prozessualen Schlüsse gezogen werden: Nach dem unwidersprochenen
Vortrag des Klägervertreters (Bl. 131 d. A.) leidet die Klägerin nach einer Operation unter
Erinnerungslücken. Es widerspräche dem Gebot des fairen Verfahrens, Lücken im
Sachvortrag, die auf einem gesundheitlichen Defizit beruhen mögen, der betroffenen Partei
zum Nachteil anzurechnen.
Letztlich können die Erwägungen zum richtigen Verständnis der Eigentumsvermutung im
zweiten Rechtszug dahinstehen. Denn nach Vorlage der Abtretungserklärung vom
31.7.2006 (Bl. 182 d. A.), deren Echtheit die Beklagte nicht bestreitet, steht nunmehr
fest, dass der potentiell als Eigentümer in Betracht kommende Sohn der Klägerin, J. R. R.,
alle ihm etwaig aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.12.2004 bereits entstandenen und
möglicherweise noch entstehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat. Mithin ist die
Aktivlegitimation der Klägerin im zweiten Rechtszug nicht mehr zweifelhaft.
2. Die Beklagte haftet gem. § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG auf Erstattung der
durch das Unfallereignis entstandenen Schäden.
a) Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass das
Wohnmobil am fraglichen Tag und am von der Klägerin bezeichneten Ort durch das in
Betrieb befindliche Fahrzeug des Zeugen F. beschädigt wurde. Mithin steht die Nämlichkeit
des streitgegenständlichen Schadensereignisses fest.
aa) Das Prozessprogramm des Zivilprozesses wird durch den Streitgegenstand definiert,
indem der Kläger die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge aus einem
tatsächlichen Geschehen, dem sog. Lebenssachverhalt (Klagegrund) herleitet, dessen
Elemente auf der Ebene des Rechts die tatsächlichen Voraussetzungen der
anspruchsbegründenden Norm ausfüllen (zum sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff
vgl. BGHZ 154, 342, 348; BGHZ 153, 173, 175; BGHZ 117, 1, 5; BGH, Urt. v. 7.
Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. – Telefonkarte).
bb) Im vorliegend zu beurteilenden Fall hat die Klägerin den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch in tatsächlicher Hinsicht auf die Behauptung gestützt, ihr
Wohnmobil sei am 20.12.2004 gegen 19.15 Uhr auf dem Parkplatz des A.-Marktes in
gegen das Fahrzeug gestoßen sei. Nur dieser Lebenssachverhalt bildet den
Streitgegenstand der Klage und wird in die Erkenntnis des Senats gestellt. Mithin hat die
Klägerin den ihr obliegenden Beweis für die Nämlichkeit des Schadensereignisse dann
erbracht, wenn das Gericht nach Maßgabe des nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen
Beweismaßes mit allen vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietender Gewissheit von der
Wahrheit des konkreten Schadensfalles überzeugt ist (zum Beweismaß: BGHZ 53, 245,
256; 61, 169; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 286 Rdn. 17 ff.). Dazu genügt es nicht,
wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme zwar Zweifel an Ort und Zeit des
tatsächlichen Geschehens ergeben, gleichzeitig jedoch Anhaltspunkte dafür vorhanden sind,
dass beide Fahrzeuge eventuell an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen
miteinander zusammengestoßen sein mögen. Der Lebenssachverhalt des
Streitgegenstandes darf sich nicht auf die isolierte Darstellung des Schadenserfolgs
beschränken, solange die weiteren tatsächlichen Umstände in örtlicher und zeitlicher
Hinsicht nicht zumindest insoweit determiniert sind, dass alle zur Ausfüllung der
Haftungsnorm relevanten Tatbestandsmerkmale eindeutig beantwortet werden können.
cc) Im einzelnen beruht die Überzeugung des Senats auf folgenden Erwägungen:
Der Zeuge R. F. hat ausgesagt, er habe zur fraglichen Stunde den A.-Parkplatz aufgesucht,
um zu essen. Nachdem er im Lkw gegessen und getrunken gehabt habe, sei er im Bogen
rückwärts gefahren und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin zusammengestoßen.
Sodann sei er in den A.-Markt zurückgekehrt und habe die Kassiererin gebeten, den Fahrer
des Wohnmobils auszurufen. Ein Lehrling habe ihm dabei geholfen, die Scherben
aufzukehren. Auf den Aufruf habe sich dann die Klägerin bei ihm vorgestellt.
Wenngleich die Aussage dieses Zeugen nicht uneingeschränkt glaubhaft ist, so richten sich
die Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in erster Linie gegen das
Rahmengeschehen des Verkehrsunfalles. Wenig glaubhaft sind die Angaben des Zeugen
zum Anlass der Fahrt. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass sich der Zeuge lediglich
mit der vagen Vorstellung, „man könne im Saarland preiswerte Autos kaufen“, von M. mit
seinem Lkw auf die Fahrt ins Saarland aufmachte. Die Zweifel an der Wahrhaftigkeit der
vom Zeugen geschilderten Motivation werden dadurch verstärkt, dass es dem Zeugen
nicht gelungen ist, einen einzigen der von ihm besuchten Autohändler namhaft zu machen.
Auch der Versuch des Zeugen, den Gegenstand seiner Suche durch die Angabe zu
konkretisieren, er habe nach einem Fiat Ausschau gehalten, mutet konstruiert an: Der
Zeuge war nicht dazu in der Lage, den gesuchten Fahrzeugtyp näher zu beschreiben oder
gar die Höhe des zu Verfügung stehenden Kaufpreises zu benennen. Letzterem Aspekt
kommt eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, da der Zeuge nach dem unbestrittenen
Sachvortrag der Beklagten im Jahr 2003 mehrfach die eidesstattliche Versicherung über
seine Vermögensverhältnisse abgeben musste und offensichtlich bis heute in bescheidenen
finanziellen Verhältnissen lebt.
Wenngleich der Senat erhebliche Zweifel daran hegt, ob der Anlass für die Fahrt nach N.
tatsächlich in der Hoffnung bestand, einen Autokauf tätigen zu können, wiegen die Zweifel
nicht so schwer, als dass sie die Aussage des Zeugen zur Nämlichkeit des Unfallereignisses
in Zweifel ziehen. Dagegen spricht zum einen der Umstand, dass der von der Beklagten
beauftragte Schadensgutachter in dem von ihm erstellten Schadensgutachten vom
1.10.2005 nach Auswertung aller vorliegenden Informationen und Durchführung von
Besichtigungen zu der Einschätzung gelangte, dass die erkennbaren wesentlichen
Beschädigungen am rechten Abschnitt des Fahrzeughecks des Wohnmobils durch
kollisionäre Kontakte mit dem rechten Abschnitt des Fahrzeughecks des Lkw im Rahmen
des angegebenen Ereignisses möglich seien.
Darüber hinaus stimmt die Aussage des Zeugen F. im Kern mit der Aussage des Zeugen L.
überein.
Entscheidend ist jedoch folgende Überlegung: Der Zeuge hat dezidiert ausgesagt, er habe
die Kassiererin des A.-Marktes darum gebeten, den Halter des Wohnmobils auszurufen.
Dies sei auch geschehen. Anschließend habe der Lehrling beim Entfernen der Glasscherben
geholfen. Mithin zog der Zeuge nach seinem eigenen Bekunden weitere, nicht im Lager der
Klägerin stehende Personen in das Unfallereignis mit ein. Er musste damit rechnen, dass
diese Personen, deren Namen auch im Nachhinein durch Einsicht in die entsprechenden
Dienstpläne des A.-Marktes unschwer zu ermitteln waren, zeitnah zum Unfallereignis
befragt werden würden. Da das Unfallgeschehen und die anschließende Suche nach dem
Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs die tägliche Arbeitsroutine der Kassiererin und des
Lehrlings verließen, musste der Zeuge F. einkalkulieren, dass diese beiden Mitarbeiter des
A.-Marktes das geschilderte Unfallereignis leicht verifizieren würden. Ein solches Risiko geht
ein Täter, der in betrügerischer Absicht ein fiktives Unfallereignis „abrechnen“ will,
vernünftigerweise nicht ein. Im gleichen Zusammenhang ist anzumerken, dass sich aus der
unterlassenen Hinzuziehung der Verkehrspolizei gegen die Glaubhaftigkeit der
Zeugenaussage im vorliegenden Fall keine nachteiligen Schlüsse ziehen lassen: Die
Haftungsfrage stand nach der Schilderung des Zeugen zwischen den Parteien außer Streit.
Da sich der Unfall nicht im Bereich einer Straße, sondern auf einem Parkplatz ereignete,
stellte sich auch nicht die Notwendigkeit, zur Sicherung der Unfallstelle verkehrsregelnde
Maßnahmen zu ergreifen. In einer solchen Situation war die Hinzuziehung der
Verkehrspolizei nicht erforderlich.
2. Demgegenüber hat die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass es sich bei
dem Unfallereignis um einen so genannten „gestellten Unfall“ gehandelt habe, nicht
erbracht.
Auch im Bereich der Gefährdungshaftung ist es anerkannt, dass demjenigen, der in seine
Schädigung eingewilligt hat, kein ersatzfähiger Schaden entsteht. Hierbei trägt bei
nachgewiesenem äußeren Tatbestand der Rechtsgutverletzung der in Anspruch
genommene Halter (Versicherer) die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der den
Schadensersatz begehrende Gläubiger mit der Schadensverursachung einverstanden war.
Zwar können für die behauptete Einwilligung in die Schädigung Beweisanzeichen – mit
Einschränkungen auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises – herangezogen werden (zu
alldem: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 7 Rdnr. 48; BGHZ 71, 339, 340 ff.;
aus der Kasuistik: OLGR Koblenz 2006, 386; OLGR Celle 2004, 175; OLG Frankfurt ZfSch
2004, 501; OLGR Zweibrücken 2005, 98). Dennoch erreichen die Beweiserleichterungen
im vorliegenden Fall nicht aus, um den Senat nach Würdigung der Gesamtumstände des
Lebenssachverhalts davon zu überzeugen, dass der Unfall zwischen den Unfallbeteiligten
abgesprochen war.
Als Indiz für ein nur vorgetäuschtes Unfallereignis mag zu würdigen sein, dass der
unfallbeteiligte Lkw offensichtlich ein sehr altes Fahrzeug war, welches der Zeuge F. nur
wenige Monate nach dem Unfallgeschehen als Bastlerfahrzeug zu einem sehr geringen
Preisen veräußerte. Nimmt man die finanziellen Schwierigkeiten des Zeugen F. und die
ganz erheblichen Reparaturkosten am Wohnmobil der Klägerin hinzu, so zeigt der
Schadensfall durchaus Merkmale, in denen sich ein Versicherungsbetrug typischerweise
„rechnet“. Dennoch wiegen diese Erwägungen zur Typizität des Rahmengeschehens im
vorliegenden Fall nicht allzu schwer. Denn es fehlt ein belastbarer Hinweis dafür, dass sich
die Parteien vor dem Schadensfall tatsächlich kannten. Insbesondere können aus dem
Ergebnis der detektivischen Untersuchung keine sicheren Schlüsse gezogen werden. Es
liegt nicht völlig fern, dass der Zeuge F. seine Angabe, die Klägerin sei eine Bekannte,
tatsächlich so verstand, dass ihm die Klägerin vom Unfallereignis her bekannt war.
Zugunsten der Klägerin darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass im vorliegenden
Fall weitere anerkannte Beweiszeichen für ein vorgetäuschtes Unfallereignis fehlen: Es ist
nicht vorgetragen, dass der Zeugen F. oder die Klägerin vor dem streitgegenständlichen
Unfallereignis gehäuft als Unfallbeteiligte in Erscheinung traten.
Auch die unglaubhafte Darstellung der Zeugenaussage in Bezug auf den Anlass der Fahrt
nach N. deutet nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit darauf hin, dass sich der Zeuge mit
dem Vorsatz zu einem Versicherungsbetrug ins Saarland begab.
Mithin verbleibt als gewichtiges Indiz für die Unfreiwilligkeit des Schadensfalls lediglich die
Darstellung des Unfallverlaufs selbst. Es ist dem Beklagtenvertreter zuzugestehen, dass
das Maß an Sorgfalt, welches der Zeuge bei der Entstehung des Schadensfalles vermissen
ließ, in Anbetracht des erheblichen Gefährdungspotentials, das von dem bei Dunkelheit
rückwärts fahrenden LKW ausging, kaum nachvollzogen werden kann. Denn der Zeuge hat
ausgesagt, er sei eine nicht unbeträchtliche Strecke gewissermaßen blindlings rückwärts
gefahren. Dennoch zeigt die Lebenserfahrung, dass selbst ein an die Grenze des bedingten
Schädigungsvorsatzes reichender grober Sorgfaltsverstoß im Straßenverkehr nicht selten
angetroffen werden kann. Demgegenüber ist ein Erfahrungssatz, dass ein grobfahrlässiges
oder rücksichtsloses Verhalten des Schädigers auf ein Einverständnis der Geschädigten
hindeutet, nicht anerkannt.
3. Die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes steht außer Streit:
Zunächst ist die Beklagte gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausgleich der der Höhe nach
unstreitigen fiktiven Reparaturkosten verpflichtet, die die Klägerin in Einklang mit § 249 Abs.
2 Satz 2 BGB ohne Umsatzsteuer berechnet (12.780,02 EUR). Erstattungsfähig ist
weiterhin die geltend gemachte Wertminderung, die der Sachverständige K. ausgehend
von den Wertverhältnissen des Reparaturaufwands und des Wiederbeschaffungswertes
zutreffend und von der Beklagten unbeanstandet mit 2.000 EUR beziffert (vgl.
Palandt/Heinrichs, aaO., § 251 Rdnr. 12 ff.).
Auch der Aufwand für die Fertigung des Schadensgutachtens ist ein erforderlicher
Beseitigungsaufwand im Sinne des § 249 BGB. Nach der Sicherungsabtretung der
Schadensersatzforderung an den Gläubiger ist die Klägerin berechtigt, die Ansprüche im
Wege der gewillkürten Prozessstandschaft (dazu nur: Zöller/Vollkommer, aaO., vor § 50
Rdnr. 43 ff.) geltend zu machen. Allerdings muss der offene Prozessstandschafter auf
Leistung an den wahren Rechtsinhaber klagen, so dass auf den Hilfsantrag (Klageantrag zu
3)) zu erkennen war.
Weiterhin beansprucht die Klägerin mit Recht die gem. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3,
Vorbemerkung 3 Abs. 4 vom prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht erfassten
Honoraransprüche für die vorprozessuale Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten. Die
Aktivlegitimation der Klägerin steht nicht mehr im Streit, nachdem der
Rechtsschutzversicherer den auf ihn übergegangenen Anspruch mit Schreiben vom
24.2.2006 (Bl. 130 d. A.) an die Klägerin abtrat.
Schließlich umfasst der Schadensersatzanspruch die geltend gemachte Unkostenpauschale
(25 EUR).
4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Da die Klägerin den Beginn
des Verzugszeitraums nicht benannt hat und auch die Anspruchsbegründung keine
Ausführungen zum Zinsanspruch enthält, war der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit
maßgeblich, der hinsichtlich des Klageantrags zu 1) mit der Zustellung des Mahnbescheids
begann.
B.
Die Beklagte trägt gemäß §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits,
da mit der den Hauptantrag betreffenden Teilabweisung der Klage aufgrund der
wirtschaftlichen Identität von Haupt- und Hilfsantrag keine Kostennachteile verbunden sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung
des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).