Urteil des OLG Saarbrücken vom 04.04.2008
OLG Saarbrücken: vergleich, vergütung, güterrecht, begriff, protokollierung, hausrat, unterhalt, scheidungsurteil, erstreckung, scheidungsverfahren
OLG Saarbrücken Beschluß vom 4.4.2008, 6 WF 19/08
Rechtsanwaltsvergütung: Terminsgebühr für den PKH-Anwalt bei einer
Scheidungsfolgenvereinbarung
Leitsätze
Die Erstreckung der Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache auf den Abschluss
eines Vergleichs in bestimmten Folgesachen nach § 48 Abs. 3 S. 1 RVG kann auch dazu
führen, dass dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse eine Terminsgebühr zu erstatten ist.
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In dem vorliegenden Scheidungsverfahren war Termin zur mündlichen Verhandlung auf den
4. Juli 2007 anberaumt. Zwei Tage zuvor hat die Verfahrensbevollmächtigte des
Antragsgegners eine Scheidungsfolgenverein-barung eingereicht und mitgeteilt, dass diese
protokolliert werden solle. In dem Verhandlungstermin hat das Familiengericht dem
Antragsgegner Prozesskostenhilfe, „ausgedehnt auf den Vergleich vom 4. Juli 2007“, mit
Ratenanordnung bewilligt und ihm seine Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Zudem
haben die Parteien über den Vergleich verhandelt und ihn in seine endgültige Fassung
gebracht; schließlich ist er protokolliert worden. Sodann hat das Familiengericht ein -
zwischenzeitlich rechtskräftiges - Scheidungsurteil verkündet, in dem auch der
Versorgungsausgleich geregelt worden ist. Außerdem wurden die Streitwerte für die
Scheidung auf 7.500 EUR, den Versorgungsausgleich auf 2.000 EUR und den Vergleich auf
81.000 EUR festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2007 hat die dem Antragsgegner beigeordnete Rechtsanwältin
die Festsetzung ihrer Vergütung gegen die Landeskasse in Höhe von 1.884,96 EUR
beantragt; hierin enthalten ist auch eine 1,2 Terminsgebühr aus einem Gegenstandswert
von 90.500 EUR. Mit Beschluss vom 16. Juli 2007 hat die Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat die Landeskasse,
vertreten durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht Saarbrücken, Erinnerung eingelegt
mit dem Ziel, die zu erstattende Vergütung auf 1.672,19 EUR herabzusetzen. Die
Landeskasse hat die Auffassung vertreten, dass die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG
nur aus einem Streitwert in Höhe von 9.500 EUR erstattungsfähig sei, wohingegen der
Gegenstandswert des Vergleichs insoweit nicht berücksichtigt werden könne. In dem
angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die
Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Landeskasse mit ihrer Beschwerde,
mit der sie weiterhin die Herabsetzung der zu erstattenden Vergütung erstrebt und der
das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde der Landeskasse gegen die Zurückweisung ihrer Erinnerung gegen den
Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Familiengerichts vom 16. Juli 2007
ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit § 33 Abs. 3, 4, 7 RVG statthaft und auch im
Übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Familiengericht zu Recht die 1,2
Terminsgebühr aus einem Streitwert von 90.500 EUR als erstattungsfähig angesehen hat.
Maßgebend für die aus der Landeskasse nach §§ 45 ff RVG zu zahlende Vergütung ist
allein, in welchem Umfang die Beiordnung erfolgt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März
2006 – 6 WF 62/05 - ). Insofern besteht vorliegend die
Besonderheit, dass sich der Umfang der Beiordnung nicht aus dem Beiordnungsbeschluss
des Familiengerichts ergibt, sondern aus § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG. Danach erstreckt sich
die Beiordnung in einer Ehesache, wie sie hier erfolgt ist, auf den Abschluss eines
die Beiordnung in einer Ehesache, wie sie hier erfolgt ist, auf den Abschluss eines
Vergleichs in bestimmten Folgesachen. Um einen solchen Vergleich handelt es sich
vorliegend, da die Parteien den gegenseitigen Unterhalt, die Rechtsverhältnisse am Hausrat
und der Ehewohnung, sowie Ansprüche aus dem eheliche Güterrecht geregelt haben.
Für diese Fälle wird die Auffassung vertreten, dass der Begriff „Abschluss eines Vertrages“
weit auszulegen sei und nicht nur die Protokollierung einer bereits getroffenen Vereinbarung
umfasse, sondern auch Verhandlungen und Erörterungen, die dem Vergleichsabschluss
vorausgegangen seien. Begründet wird dies damit, dass eine Einigung über Folgesachen in
aller Regel erst nach diesbezüglichen Besprechungen zu erzielen sei, die nach der
Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG die Terminsgebühr auslösten. Mit der Erweiterung der
Prozesskostenhilfe auch für die Vereinbarung über Folgesachen solle vermieden werden,
dass diese gesondert anhängig gemacht werden müssten, um hierfür Prozesskostenhilfe
zu erhalten und das Gericht zu zwingen, im Prozesskostenhilfeverfahren die
Erfolgsaussichten zu prüfen. Diesem Bestreben würde es zuwiderlaufen, wenn die
Prozesskostenhilfe nicht auch die Terminsgebühr erfasste, da diese - in Bezug auf nicht
anhängige Folgesachen - sonst von der bedürftigen Partei selbst aufgebracht werden
müsste (OLG Stuttgart, AnwBl. 2008, 303; OLG Köln, AGS 2007, 547; Schneider, AGS
2004, 380; RVG-professionell, 2006, 60; Volpert, RVG-professionell 2007, 8; vgl. auch
OLG Koblenz, Jur Büro 2006, 473). Der Senat schließt sich dem an.
Nachdem unstreitig zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien Besprechungen
stattgefunden hatten, die zum Abschluss des Vergleichs geführt haben, ist somit zu Recht
eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG, Vorbemerkung 3, Abs. 3 VV-RVG aus dem
vollen Streitwert angesetzt worden. Da im Übrigen gegen die hier in Rede stehende
Gebührenfestsetzung weitere Einwände nicht erhoben worden sind und insoweit auch
keine Bedenken bestehen, erweist sich die Beschwerde der Landeskasse als unbegründet.
Der Kostenausspruch beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.