Urteil des OLG Saarbrücken vom 17.01.2007
OLG Saarbrücken: internationale zuständigkeit, verpackung, cisg, gerichtliche zuständigkeit, treu und glauben, internationaler warenkauf, funktionelle zuständigkeit, frachtführer, widerklage
OLG Saarbrücken Urteil vom 17.1.2007, 5 U 426/06; 5 U 426/06-54; 5 U 426/06 -
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EU-Zivilprozess: Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung bei halber Schriftlichkeit;
internationaler Warenkauf: angemessene Verpackung von Marmorplatten; Entschuldigung
einer unterlassenen Mängelanzeige
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung in einem
Transportvertrag.
2. Zu den Anforderungen an eine ausreichende Verpackung von Marmorplatten.
Tenor
1. Die Berufung der Drittwiderbeklagten gegen das am 16.6.2006 verkündete
Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 14 O 364/99, wird zurückgewiesen.
2. Die Drittwiderbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Drittwiderbeklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 23.606,80 Euro
festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine Spediteurin. Die Beklagte führt Natursteinarbeiten aus. Mit der Klage
hat die Klägerin ursprünglich von der Beklagten die Zahlung von Frachtkosten verlangt.
Über die Klageforderung haben sich die Parteien vergleichsweise geeinigt (Bl. 655) und
vereinbart, dass darüber hinaus keine wechselseitigen Forderungen aus Klage und
Widerklage mehr bestehen. Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch die Widerklage, mit
der die Beklagte gegen die Drittwiderbeklagte Schadensersatzansprüche wegen eines
Transportschadens geltend macht.
Bei einem Transport von ca. 300 qm Marmornatursteinplatten, den die Klägerin am
24.2.1999 für die Beklagte durchführte, kam es zu einem Unfall. Als Frachtführerin war
von der Klägerin die Streithelferin eingesetzt worden. Die Platten hatte die Beklagte von der
Drittwiderbeklagten aufgrund eines Werklieferungsvertrages erworben. Besondere
Vereinbarungen über die Verpackung waren nicht getroffen worden.
Mit Schreiben vom 26.2.1999 forderte die Beklagte die Klägerin zur Schadensfeststellung
auf. Die Transportversicherung der Streitverkündeten beauftragte den Sachverständigen G.
von der Firma C. G. GmbH mit der Erstellung eines Gutachtens über die Höhe des
Transportschadens. Am 2.3.1999 fand eine Besichtigung der beschädigten Ware statt, mit
Schreiben vom 10.3.1999 wurden Regressansprüche gegenüber der Klägerin geltend
gemacht, die mit Schreiben vom 24.3.1999 im Einzelnen beziffert wurden. Die
Transportversicherung der Streithelferin lehnte die Schadensersatzansprüche mit
Schreiben vom 3.5.1999 ab. Gleiches tat die Klägerin.
Mit Schreiben vom 8.5.1999 nahm die Beklagte die Drittwiderbeklagte wegen des
Schadens in Anspruch und setzte sie von dem Gutachten und seinem Ergebnis in Kenntnis.
Die Beklagte hält das Landgericht Saarbrücken nach Art. 6 Nr. 1, Nr. 3 EuGVÜ und Art. 17
Nr. 1 EuGVÜ für zuständig. Durch die Notbremsung des LKW sei an der für sie bestimmten
Ware ein Schaden entstanden. Die Art der Verladung und die konkrete Art der Verpackung
der Ladung seien nicht angemessen, die Ware daher im Sinne von Art. 35 CISG
vertragswidrig gewesen. Die Drittwiderbeklagte hafte nach Art. 45, 74 CISG. Ihren
Schaden bezifferte die Beklagte auf 47.876,10 EUR. Die Drittwiderbeklagte hafte neben
der Klägerin als Absenderin, da sie den Schaden mitverursacht habe. Die Rügefrist sei
eingehalten.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte und
Widerklägerin 15.520,07 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 24.3.1999
zu zahlen;
2. die Drittwiderbeklagte weiter zu verurteilen, an die Beklagte
32.356,03 EUR nebst 5% Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Drittwiderbeklagte hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Mit Urteil vom 16.6.2006 hat das Landgericht die Drittwiderbeklagte zur Zahlung von
23.606,80 EUR verurteilt und die Widerklage im Übrigen abgewiesen. Es hat seine
Zuständigkeit auch für die Widerklage bejaht und einen Schadensersatzanspruch wegen
mangelhafter Verpackung der Marmorplatten nach Art. 35 CISG zugesprochen. Abzüge hat
das Landgericht hinsichtlich der Schadenshöhe gemacht.
Gegen dieses der Drittwiderbeklagten am 22.6.2006 zugestellte Urteil hat sie mit am
21.7.2006 per Fax beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz
Berufung eingelegt. Die Berufung rügt die Zuständigkeit des Landgerichts. Das Landgericht
habe fehlerhaft eine Entschuldigung für die verspätete Rüge bejaht. Die Widerbeklagte sei
nicht für die Ladungssicherung verantwortlich gewesen.
Die Drittwiderbeklagte beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Drittwiderbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das
Landgericht hat seine Zuständigkeit und einen Schadensersatzanspruch der Beklagten
gegen die Drittwiderbeklagte zu Recht bejaht.
1. Das Landgericht Saarbrücken war für die Widerklage örtlich zuständig.
a) Auf die Verletzung internationaler Zuständigkeit kann nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2004 1456) die Berufung gestützt werden. Danach ist
das Berufungsgericht - wie das Revisionsgericht - auch nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die
internationale Zuständigkeit zu prüfen. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO , nach der die
Berufung nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs
seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, bezieht sich - wie § 545 Abs. 2 ZPO im
Revisionsverfahren - nicht auf die internationale Zuständigkeit (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO
25. Aufl. § 513 Rdn. 8; Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. §
513 Rdn. 5).Begründet wird das damit, dass die internationale Zuständigkeit ein ungleich
höheres Gewicht als die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit hat. Sie betrifft
die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten und sie entscheidet über das
anzuwendende internationale Privatrecht - und damit nicht selten mittelbar über das
anzuwendende materielle Recht - sowie das Verfahrensrecht, das Anwendung findet. Die
Entscheidung über die internationale Zuständigkeit kann demgemäß im Gegensatz zu der
Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten die sachliche Entscheidung des
Prozesses vorwegnehmen ( BGH a.a.O. m.w.N.).
b) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, hier des Landgerichts
Saarbrücken, ergibt sich aus Art. 17 EuGVÜ des Brüsseler Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (EuGVÜ).
Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich im vorliegenden Rechtsstreit einer
deutschen Käuferin gegen eine italienische Verkäuferin nach den Bestimmungen des
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.9.1968 (BGBl. 1972 II, 773;
1973 II 60), welches nach Ratifizierung durch die Unterzeichnerstaaten, darunter die
Bundesrepublik Deutschland und Italien am 1.2.1973 in Kraft getreten ist (Kropholler,
Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl. 1996, Einl. Rdnr. 1 und 5). Liegt, wie hier, der
Wohnsitz des Beklagten in einem anderen Staat als dem Gerichtsstaat, ist die
internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaats nach Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ nur dann
begründet, wenn sich dies aus den besonderen Zuständigkeitsbestimmungen des 2. bis 6.
Abschnitts des Abkommens ergibt. Liegen die Voraussetzungen einer derartigen
Sonderzuständigkeit nicht vor, so bleibt es bei der Grundregel des Art. 2 EuGVÜ, wonach
jede Partei nur vor den Gerichten des Staates verklagt werden darf, in dem sie ihren
Wohnsitz hat.
aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer Gerichtsstandsvereinbarung der
Parteien nach Art. 17 EuGVÜ ausgegangen.
(1.) Das Landgericht hat offen gelassen, auf welchen Auftrag es abstellt und allgemein von
„Vertrag“ gesprochen. Die Drittwiderbeklagte selbst hat mit Schriftsatz vom 29.1.2001
den Liefervertrag vom 16.7.1998 (Bl. 173) in dem der Gerichtsstand Saarbrücken
aufgeführt ist, als maßgeblichen Vertrag vorgelegt. Legt man diesen Auftrag zugrunde, der
von beiden Seiten unterschrieben ist und eine ausdrückliche Bestimmung des
Gerichtsstandes Saarbrücken beinhaltet, ist von einer entsprechenden
Gerichtstandsvereinbarung auszugehen. Die Drittwiderbeklagte hat daher nachzuweisen,
dass eine solche Vereinbarung trotz ihrer Aufnahme in die Auftragsurkunde nicht getroffen
wurde, wozu sie weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch ein Beweisangebot
gemacht hat (Bl. 722). Die von der Drittwiderbeklagten lediglich vorgebrachten formellen
Bedenken stehen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegen. Soweit es
um die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung geht
(Schriftlichkeit der Vereinbarung), enthält Art. 17 EuGVÜ eine abschließende Regelung, die
den Rückgriff auf die nationalen Rechtsordnungen verbietet und aus sich heraus einheitlich
auszulegen ist. Damit verbietet es sich, der hier in Rede stehenden Vereinbarung schon
deshalb die Wirksamkeit zu versagen, weil die Beklagte die Gerichtsstandsklausel als
sogenannte gefährliche Klausel (clausole onerose o vessatorie) nicht ausdrücklich und
durch gesonderte Unterschrift bestätigt hat, was nach Art. 1341 Abs. 2 CC erforderlich
gewesen wäre. Auch ist Art. 2 der italienischen Zivilprozeßordnung (Codice di Procedura
Civile), der den Ausschluss der italienischen Gerichtsbarkeit durch Vereinbarung mit
Ausländern generell verbietet, durch die nach seiner Ratifizierung auch für Italien
völkerrechtlich verbindliche Regelung in Art. 17 EuGVÜ in dessen Anwendungsbereich
überholt und daher verdrängt worden (vgl. dazu OLG Düsseldorf Urteil vom 6.1.1989, 16
U 77/88, NJW-RR 1989, 1330 ff m.w.N.; zum Vorrang des Übereinkommens vor dem
nationalen Recht vgl. Kropholler a.a.O., Einl. Rdnr. 13, Art. 2 Rdnr. 15 und Art. 17 Rdnr. 18
und 19; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 17, Rz. 71, 72).
Die Rügen der Drittwiderbeklagten im Hinblick auf die fehlende Schriftform greifen mithin
nicht.
(2.) Aber auch dann, wenn man den Auftrag vom 16.7.1998 nicht zugrunde legt, weil er
nicht die streitgegenständliche Lieferung für den Flughafen Frankfurt am Main sondern die
Lieferung von Material für ein Bauvorhaben in München, L. Straße betrifft, ist von einer
wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen.
Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 a EuGVÜ genügt im Interesse der Erleichterung des
internationalen Handelsverkehrs eine Zuständigkeitsvereinbarung, die in schriftlicher Form
nur von Seiten einer der Vertragsparteien vorliegt. Diese sog. „halbe Schriftlichkeit“ setzt
voraus, dass sich die Parteien erkennbar gerade auch über die Zuständigkeitsregelung
geeinigt haben. Dabei bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung, sie kann auch
stillschweigend erfolgen. Sie muss allerdings klar und deutlich zum Ausdruck gekommen
sein (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, a.a.O. Art. 17 Rz. 23 und 8. Auflage,
2005, Art. 23, Rz. 33), damit eine Zuständigkeitsvereinbarung, die weitreichende Folgen
haben kann, nicht unbemerkt Inhalt des Vertrages wird.
Aus den Vertragsunterlagen sowie den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich für
den Senat mit der erforderlichen Sicherheit, dass die Parteien den Gerichtsstand
Saarbrücken für den Vertrag über die Materiallieferung für das Bauvorhaben auf dem
Frankfurter Flughafen vereinbart haben. Diesem Vertrag ging die Anfrage der Beklagten
vom 20.4.1998 voraus (Bl. 482 d. A.). Darin wurde die Drittwiderbeklagte um Abgabe
eines verbindlichen Angebotes für konkrete Natursteinarbeiten gebeten. Grundlage für
einen Vertragsabschluss sollte unter anderem gemäß Ziffer 8 der Anfrage der
„Gerichtstand Saarbrücken“ sein. Dem Anschreiben der Beklagten war deutlich zu
entnehmen, dass sie zu einem Vertragsschluss nur unter Anerkennung der von ihr
formulierten und den konkret beschriebenen Leistungen vorangestellten „Grundlagen“
bereit war. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese konkrete Anfrage gab die
Drittwiderbeklagte ihr Angebot vom 24.4.1998 ab ohne auf die in der Anfrage aufgeführten
„Grundlagen“ einzugehen. Nach einer mündlichen Vertragsverhandlung der Parteien am
13.10.1998, deren Inhalt sich allerdings lediglich hinsichtlich der zu liefernden Ware und der
Zahlungsmodalitäten aus einem von beiden Parteien unterzeichneten Vermerk ergibt (Bl.
487), erteilte die Beklagte der Drittwiderbeklagten unter dem 14.10.1998 den Auftrag
über die Lieferung unter Wiederholung der Bestimmung des Gerichtsstandes Saarbrücken.
Die Gerichtsstandsbestimmung war damit für die Drittwiderbeklagte deutlich erkennbar.
Sie hat ihr nicht widersprochen. Dies allein reicht zwar nicht zum Nachweis, dass die
Parteien sich darüber ebenso geeinigt haben wie über die anderen in dem Auftrag
aufgeführten Einzelheiten der von den Parteien zu erbringenden Leistungen. Im
Zusammenhang mit den weiteren im zeitlichen Zusammenhang zwischen den Parteien
geschlossenen Verträgen über Warenlieferungen lässt der fehlende Widerspruch jedoch nur
den Schluss darauf zu, dass die Parteien auch für den streitgegenständlichen Vertrag den
Gerichtsstand Saarbrücken vereinbart haben.
So kann bei der Prüfung, ob sich die Parteien konkludent über den Gerichtsstand
Saarbrücken geeinigt haben, nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie zu diesem Zeitpunkt
bereits einen weiteren Vertrag über die Lieferung von Natursteinmaterial für ein
Bauvorhaben in München unter dem 16.7.1998, also vor dem streitgegenständlichen
Vertrag, geschlossen hatten (den die Drittwiderbeklagte ursprünglich selbst als den
maßgeblichen Vertrag vorgelegt hat s.o.), der als Gerichtsstand Saarbrücken vorsieht und
von beiden Seiten unterzeichnet ist. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit
nachgelassenem Schriftsatz der Beklagten vom 20.12.2000 vorgelegte Schriftverkehr bis
zur Auftragserteilung am 16.7.1998 belegt, dass die Drittwiderbeklagte den Gerichtsstand
Saarbrücken für Verträge mit der Beklagten generell akzeptiert hat. In der Preisanfrage der
Beklagten vom 2.6.1998 wird ausdrücklich der Gerichtsstand Saarbrücken genannt. Das
darauf erfolgte Angebot der Drittwiderbeklagten vom 10.6.1998 nimmt auf die Anfrage
Bezug und enthält im Übrigen nur Preisangaben. Unter dem 16.6.1998 übermittelte die
Beklagte der Drittwiderbeklagten ein geändertes Angebot in dem wiederum ausdrücklich
als Gerichtsstand Saarbrücken genannt ist. Dieses Angebot wird von der
Drittwiderbeklagten lediglich hinsichtlich der eingesetzten Preise und Zahlungsmodalitäten
abgeändert, der Gerichtsstand Saarbrücken wird in keinen der Schreiben von ihr
gestrichen. Der Auftrag vom 16.7.1998, der wie alle anderen Aufträge den Gerichtsstand
Saarbrücken nennt, wird von beiden Seiten unterzeichnet.
Das sich aus dem Schriftwechsel zwischen den Parteien ergebende Verhalten der
Drittwiderbeklagten bringt daher deutlich zum Ausdruck, dass sie den Gerichtsstand
Saarbrücken für die Lieferbeziehungen der Parteien allgemein akzeptiert hat und sich daher
nach Treu und Glauben daran festhalten lassen muss. Damit in Einklang steht, dass die
Drittwiderbeklagte nur die formelle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gerügt
hat.
2. Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch gegen die
Drittwiderbeklagte nach Art. 35 CISG bejaht. Die Angriffe der Berufung, das Landgericht
habe den Haftungsausschluss nach Art. 35 Abs. 3 CISG und die
Entschuldigungsvoraussetzungen für die nicht fristgemäße Rüge gemäß Art 44 CISG
fehlerhaft beurteilt, greifen nicht.
a) Nach Art. 35 Abs 1 CISG hat der Verkäufer Sachen der vertraglich vereinbarten
Quantität, Qualität und Art in der vertraglich vereinbarten Verpackung oder in dem
vertraglich vereinbarten Behältnis zu liefern. Wenn aber die Parteien eines internationalen
Werklieferungsvertrages, auf den Kaufrecht Anwendung findet, es verabsäumt haben, die
Anforderungen an die Beschaffenheit der Verpackung wie hier vertraglich festzulegen,
erlangt der in Art. 35 Abs. 2 vorgegebene objektive Mindeststandard Relevanz: Ob eine
Verletzung der Lieferpflicht vorliegt, bemisst sich dann danach, ob die kaufgegenständliche
Ware in üblicher und angemessener Weise verpackt ist. Über die Eignung für gewöhnliche
Zwecke bestimmen grundsätzlich die Standards im Lande des Verkäufers (Oberster
Gerichtshof Wien, Entscheidung vom 13.4.2000, 2 Ob 100/00w, IPrax 2001, 149-152).
Eine Vereinbarung über die Art der Verpackung ist zwischen den Parteien nicht getroffen
worden. Allein der – unterstellte- Umstand, dass die vorangegangenen Lieferungen der
Drittwiderbeklagten in gleicher Art und Weise verpackt gewesen sind, stellt keine
konkludente Vereinbarung einer derartigen – beförderungsunsicheren – Verpackung dar. Da
diese Lieferungen unbeschadet die Klägerin erreicht hatten, hatte sie keinen Grund sich
damit auseinanderzusetzen. Es handelte sich auch nicht in allen Fällen um Marmorplatten
sondern um andere Platten und Unmaßtafeln wie sich den von der Drittwiderbeklagten
vorgelegten Unterlagen entnehmen lässt (Bl. 173 f).
Die Verpackung der Drittwiderbeklagten stellte keine angemessene Verpackung für
Marmorplatten der vorliegenden Art dar. Angemessen ist eine Verpackung, wenn sie
ausreicht, die Ware auf dem voraussehbaren Weg bis zu ihrem Verwendungsort vor
Schäden zu bewahren (Staudinger, Art. 35 CISG, Rz. 42). Die übliche und angemessene
Verpackung von Marmorplatten ist die Lagerung und Befestigung auf Paletten. Sie hat so
zu erfolgen, dass sie auf dem Transport vor Beschädigungen hinreichend schützt. Nach
dem Gutachten des Sachverständigen E. war die von der Drittwiderbeklagten
vorgenommene Palettenverpackung nicht angemessen, jedenfalls hätte sie eine zusätzliche
Ladungssicherung durch Abstützhölzer erforderlich gemacht.
In seinem schriftlichen Gutachten führt der Sachverständigen E. (Bl. 431) aus, dass die
Beschädigung der Platten auf die nicht ordnungsgemäße Verpackung und die fehlende
Ladungssicherung zurückgehe. Hinsichtlich der Ladungssicherung fehle es nach den der
Begutachtung zugrunde gelegten Fotos an einer Verzurrung der einzelnen Paletten sowie
einer Fixierung in Längsrichtung durch Festlegehölzer, die der Sachverständige für die
Ladungssicherung als erforderlich ansieht (Bl. 430). Weiter stellt der Sachverständige fest,
dass eine sachgerechte Verpackung- andere Gestaltung der Paletten, Querhölzer unter den
Paletten, Ummantelung mit 2 Stahlbändern, Kantenschutz aus Plastik- die Auslösung des
Schaden nicht verhindert hätte, da dann wohl nur eine andere Art der Verzurrung hätte
erfolgen müssen (Bl. 431). In der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens (Bl. 489)
beschreibt der Sachverständige noch einmal die auf die Konstruktion der Paletten
zurückgehende große Kippgefahr und die Überstände der auf ihnen gelagerten Platten und
erklärt, auch wenn sie ordnungsgemäß verzurrt worden wären, hätte sich die Verzurrung
gelöst, wenn sich die Paletten mit den Platten in Bewegung setzen. Die besondere
Konstruktion der Paletten hätte eine besondere Art der Ladungssicherung erfordert,
nämlich eine Abstützung durch Querhölzer, die ein Verschieben der Paletten verhindert
hätte; durch eine Verzurrung allein wäre dies nicht zu erreichen gewesen. Die andere
Alternative wäre die Verwendung größerer Paletten gewesen, bei denen es nicht zu einem
Überstehen der Platten gekommen wäre. Nach diesen Feststellungen des
Sachverständigen steht für den Senat fest, dass die Konstruktion der Paletten und damit
die Verpackung eine wesentliche Ursache für den Schaden gewesen.
Die Verpackung liegt im Verantwortungsbereich der Drittwiderbeklagten und obliegt nicht
dem Frachtführer, wie die Drittwiderbeklagte meint. Von dem Frachtführer ist die
Verpackung nach Art. 8 CMR nur auf ihren äußeren Zustand zu überprüfen. Er hat keine
Untersuchungspflicht auf die „Beförderungstauglichkeit“ hin sondern hat nur zu prüfen, ob
der Istzustand vom Normalzustand der konkreten Verpackungsart abweicht (z.B. Löcher,
Beulen, Risse). Grundsätzlich kann man von dem Frachtführer keine speziellen
Warenkenntnisse oder Prüfungsinstrumente erwarten, wohl aber Grundkenntnisse der
Verpackungstechnik und der Waren die er üblicherweise transportiert (Koller,
Transportrecht, 5. Auflage, CMR Art. 8 Rz. 3). Die äußerste Sorgfalt i.S.d. Art 17 Abs. 2
CMR erfordert allerdings vom Frachtführer auch, dass er die Verpackung äußerlich auf ihre
Beförderungstauglichkeit überprüft. Diese Kontrolle braucht natürlich im Hinblick auf die
Transportsicherheit nur mit den Fähigkeiten eines Laien zu erfolgen, so dass dem
Frachtführer grundsätzlich mangelnde Kontrolle nur vorgeworfen werden kann, wenn der
Verpackungsmangel auf der Hand liegt (Koller a.a.O.Art. 17 Rz. 37). Dass der Frachtführer
hier die unsachgemäße Verpackung erkannt hat, steht nicht fest.
Soweit der Sachverständige meint, es sei offensichtlich klar gewesen, dass die Paletten
nicht ordnungsgemäß gewesen seien, kann dies aber ohnehin dahinstehen. Denn es würde
lediglich zu einer Mithaftung des Frachtführers führen, schlösse die Verantwortlichkeit der
Drittwiderbeklagten nicht aus und stünde daher ihrer Haftung hier nicht entgegen.
Gleiches gilt für die Ladungssicherung. Die Ordnungsgemäßheit der Verladung braucht der
Frachtführer über die Betriebssicherheit hinaus nicht zu prüfen (BGH Urt. V. 24.9.1987, I
ZR 197/85, VersR 1988, 244 ff; Koller a.a.O.). Ihn trifft lediglich die allgemeine
Rechtspflicht, auf eine ordnungsgemäße, das Gut vor Schaden bewahrende Verladung
hinzuwirken, wenn er erkennt, dass das Gut nicht beförderungssicher verpackt ist, oder
wenn die Gefahr eines Schadenseintritts nach den Umständen für ihn ohne weiteres
ersichtlich ist, wovon hier nicht ausgegangen werden kann.
3. Die Haftung der Drittwiderbeklagten ist nicht nach Art. 35 Abs.3 CISG ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen für den Haftungsausschluss hat die Drittwiderbeklagte als Verkäuferin
dazulegen und zu beweisen, wenn sie sich auf diese Ausnahmevorschrift beruft (Soergel,
13. Auflage, Art 35 CISG, Rz. 24). Die Drittwiderbeklagte hat dies nicht getan. Allein der
pauschale Vortrag, es sei immer so verpackt worden, was der Klägerin bekannt gewesen
sei reicht nicht. Die Drittwiderbeklagte hätte die konkreten gleichermaßen verpackten und
insoweit unbeanstandeten Lieferungen darlegen müssen, zumal sich aus den vorgelegten
Unterlagen nicht ergibt, dass es sich bei den vorangegangenen Lieferungen um identisches
Material gehandelt hat.
4. Die Drittwiderbeklagte hat zwar nicht gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG innerhalb einer
angemessenen Frist die Vertragswidrigkeit gegenüber der Klägerin angezeigt und genau
bezeichnet. Die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge ist hier aber entschuldigt (Art. 44
CISG).
a) Die Mängelanzeige muss einen Beanstandungswillen erkennen lassen und die Art der
Vertragswidrigkeit genau bezeichnen, um den Verkäufer über die vom Käufer geltend
gemachte Vertragswidrigkeit ins Bild zu setzen (vgl. Münchener Kommentar/Gruber, BGB,
4. Aufl., Art. 39 CISG Rn. 7) Diese Voraussetzungen sind hier mit dem Telefonat vom
25.2.1999, in dem die Klägerin lediglich neue Ware bestellt hat, nicht erfüllt, selbst wenn
der Grund dafür mitgeteilt worden ist. Darin lag keine konkrete Mängelrüge, die
Drittwiderbeklagte konnte diesen Anruf mit dem ihr lediglich der Schadensvorfall im
Zusammenhang mit einer dadurch bedingten Neubestellung zur Kenntnis gebracht wurde,
nicht als eine Mangelrüge verstehen.
Die Rüge mit Schreiben vom 8.5.1999 war nicht mehr rechtzeitig. Bei der Anwendung der
Vorschrift des Art. 39 CISG ist zum einen dem Interesse des Verkäufers Rechnung zu
tragen, nicht längere Zeit nach der Lieferung mit Mängelansprüchen überzogen zu werden,
andererseits sollen berechtigte Ansprüche des Käufers nicht an übertriebenen
Förmlichkeiten der Mängelrüge scheitern. Die Konkretisierung des unbestimmten Begriffs
„angemessen“ hat diesen Interessen Rechnung zu tragen.
Der Unfall ereignete sich am 24.2.1999. Die Schadensmeldung an die Klägerin (Spedition)
erfolgte bereits am 26.2.1999. Die Beschädigung teilte die Widerklägerin der
Drittwiderbeklagten am 25.2.1999 mit, als sie neue Marmorplatten bestellte, was jedoch,
wie dargelegt, keine Mängelrüge darstellt. Eine Inanspruchnahme der Drittwiderbeklagten
erfolgte erst am 8.5.1999 nachdem die Versicherung der Frachtführerin am 3.5.1999 die
Haftung abgelehnt und der Widerklägerin das Gutachten G. übermittelt hatte (Bl. 180),
also über 2 Monate später, was auch bei großzügiger Auslegung der Frist verspätet ist,
insbesondere wenn am 25.2.1999 der Vertreter der Beklagten, der Zeuge Moser, der vor
Ort war (Bl. 656), hätte erkennen können, dass die Ware auf nicht ordnungsgemäßen
Paletten geliefert worden ist.
b) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler eine Entschuldigung der Verletzung der
Rügepflicht nach Art. 44 CISG bejaht.
Nach Art. 44 CISG kann der Käufer ungeachtet der Nichteinhaltung der Rügefrist
Schadensersatz verlangen, wenn er eine vernünftige Entschuldigung dafür hat, dass er die
erforderliche Anzeige eines Sach- oder Rechtsmangels unterlassen hat. Entschuldigt in
diesem Sinne ist ein Verhalten des Käufers, das nach den Umständen des Einzelfalls
billigerweise ein gewisses Verständnis und eine gewisse Nachsicht verdient. Dies ist
namentlich dann der Fall, wenn der Verstoß gegen die Rügepflicht - insbesondere auch im
Hinblick auf persönliche Umstände des Käufers - im Ergebnis so leicht wiegt, dass er einem
Käufer im redlichen Geschäftsverkehr üblicherweise nachgesehen wird und deshalb
billigerweise nicht die schwerwiegende Folge eines vollständigen
Gewährleistungsausschlusses rechtfertigt (Staudinger/Magnus, Art. 44 CISG Rdnr. 10).
Dabei ist jedoch Zurückhaltung geboten; eine weite Auslegung des Art. 44 CISG verbietet
sich schon im Hinblick auf seinen Charakter als Ausnahmevorschrift (BGH Urt. V.
11.1.2006, VIII ZR 268/04, VersR 2006, 1554 ff).
Die Drittwiderbeklagte verkennt mit ihrer Berufungsbegründung, dass es für das Merkmal
„vernünftige Entschuldigung“ nicht auf ein Verschulden im technischen Sinne ankommt. Im
Rahmen dieser Vorschrift ist danach eine allgemeine Abwägung nach
Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmen. In dieser Abwägung zu berücksichtigende
Gesichtspunkte sind insbesondere der Schweregrad des Pflichtverstoßes, die Folgen eines
kompletten Gewährleistungsausschlusses, die durch das Fehlen der Anzeige eingetretenen
Nachteil für den Verkäufer sowie die Bemühungen des Käufers um ein Erreichen der
Rügeanforderungen (Münchener Kommentar/ Gruber, 4. Auflage, Art. 44 CISG Rz. 5;
Huber / Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum einheitlichen UN
Kaufrecht – CISG- 4. Auflage, Art. 44 Rz. 4, 5 ).
Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift hat das Landgericht zutreffend bejaht. Die
Mitverursachung der Drittwiderbeklagten an der Entstehung des Schadens durch die
mangelhafte Verpackung wurde erst durch das Gutachten des Sachverständigenbüro G.
festgestellt. Dieses wurde der Beklagten erst mit Schreiben der Versicherung des
Transportunternehmens vom 3.5.1999 übermittelt. Am 8.5.1999 hat die Beklagte unter
Übersendung dieses Gutachtens Ansprüche gegenüber der Drittwiderbeklagten geltend
gemacht und damit unverzüglich nachdem sie Kenntnis davon hatte der
Drittwiderbeklagten den Verpackungsmangel angezeigt. Eine frühere Inanspruchnahme der
Drittwiderbeklagten „ins Blaue hinein“ mit dem Risiko, einem Rechtsstreit ausgesetzt zu
werden, war der Beklagten nicht zumutbar. Dass es bei dem Transport zu einer
umfangreichen Beschädigung der von ihr versandten Ware gekommen war, war der
Drittwiderklagten aufgrund der unverzüglich bei ihr erfolgten Bestellung von Ersatzmaterial
im Februar 1999 bekannt, auch wenn sie dafür zu diesem Zeitpunkt noch nicht
verantwortlich gemacht worden war. Durch die erst über zwei Monate später erfolgte
Inanspruchnahme sind der Drittwiderbeklagten keine unzumutbaren Nachteile entstanden,
denn der Schaden wurde unmittelbar nach dem Unfall ordnungsgemäß dokumentiert und
begutachtet. Es entspricht damit der Billigkeit hier von einer hinreichenden Entschuldigung
der verspäteten Inanspruchnahme auszugehen.
4. Soweit die Berufung die vom Landgericht festgestellte Schadenshöhe angreift, fehlt es
schon an einer zureichenden Berufungsbegründung. Die Drittwiderklage setzt sich mit den
Argumenten des Urteils, die keinen Rechtsfehler erkennen lassen und auf die Bezug
genommen wird, überhaupt nicht auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.