Urteil des OLG Saarbrücken vom 08.02.2011

OLG Saarbrücken: spesen, fahrtkosten, quote, nebentätigkeit, vollzeitbeschäftigung, unterhalt, ersparnis, aufwand, lebenshaltungskosten, verpflegung

OLG Saarbrücken Beschluß vom 8.2.2011, 9 WF 123/10
Leitsätze
Übt der Unterhaltsverpflichtete eine Vollzeitbeschäftigung aus, kann ihm die Ausübung
einer zusätzlichen Nebentätigkeit nicht angesonnen werden.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – Saarlouis vom 18. November 2010 - 22 F 277/10 UK - teilweise
dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller unter Zurückweisung der
weitergehenden sofortigen Beschwerde Verfahrenskostenhilfe für die 1. Instanz bewilligt,
soweit er ab Januar 2011 eine Abänderung des gerichtlichen Vergleichs auf 147 EUR
erstrebt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist der Vater der Antragsgegner, die aus der rechtskräftig geschiedenen
Ehe des Antragstellers mit der gesetzlichen Vertreterin der Antragsgegner hervorgegangen
sind. In dem Verfahren 27 F 73/06 UEUK des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig
verpflichtete sich der Antragsteller in einem am 22. Februar 2007 abgeschlossenen
Vergleich, an die Antragsgegner ab März 2007 laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe
von je 199 EUR zu zahlen.
Mit seinem am 23. September 2010 eingegangenen Antrag erstrebt der Antragsteller eine
Abänderung dieses Titels und eine Herabsetzung des monatlich zu zahlenden
Kindesunterhalts ab September 2010 auf je 133,49 EUR, hilfsweise auf je 161,42 EUR, für
den er um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nachgesucht hat. Zur Begründung
verweist er auf eine erhebliche Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse, u.a. die Geburt eines weiteren Kindes am 4. Januar 2007, dem er zum
Unterhalt verpflichtet sei, sowie sein tatsächlich für Unterhaltszwecke zur Verfügung
stehendes Einkommen nach Abzug der unterhaltsrelevanten Belastungen.
Die Antragsgegner sind dem in vollem Umfang entgegen getreten.
Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. November 2010, auf
den Bezug genommen wird (Bl. 58/61 ff d.A.), dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für
die 1. Instanz bewilligt, soweit er ab September 2010 eine Abänderung des gerichtlichen
Vergleichs vom 22. Februar 2007 auf 163 EUR erstrebt.
Gegen den ihm am 11. November 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20.
November 2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der rügt, dass
das von dem Familiengericht zu Grunde gelegte Nettoeinkommen nicht nachvollziehbar sei,
ein höherer Arbeitskammerbeitrag in Abzug zu bringen sei, und die Spesen nur anteilig und
nicht in voller Höhe seinem Einkommen zuzurechnen seien, so dass bei der
Mangelfallberechnung von einer Quote von 52 % und einem Kindesunterhalt in Höhe von je
141,44 EUR auszugehen sei .
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 22. November 2010 der sofortigen
Beschwerde unter Hinweis darauf, dass der Antragsteller hinsichtlich der Spesen erhöhte
Aufwendungen nicht hinreichend dargetan habe und auf einem Lohnverzicht beruhende
weitere Altersvorsorgebeiträge bei gegebener betrieblicher Altersvorsorge im Mangelfall
keine Berücksichtigung finden könnten, nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Parteien haben im Beschwerdeverfahren weiter Stellung genommen. Zur Ergänzung
des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
II.
Die gemäß §§ 113 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in
der Sache einen Teilerfolg.
1) Durch das von dem Familiengericht in die Berechnung eingestellte Einkommen wird der
Antragsteller nicht zu seinem Nachteil beschwert.
Zu Recht hat das Familiengericht Aufwendungen für eine zusätzliche Altersvorsorge, die in
Form einer betrieblichen Altersvorsorge besteht, nur in Höhe eines Betrages von monatlich
36,60 EUR, der den Höchstbetrag von 4 % des Jahresbruttoeinkommens selbst ohne
Hinzurechnung von Spesen nicht übersteigt, berücksichtigt. Ausweislich der zu den Akten
gereichten Lohnbelege stellen die weiteren Beiträge ein Äquivalent für einen
entsprechenden Lohnverzicht dar. Ein derartiger Lohnverzicht, selbst wenn er für Zwecke
der Altersvorsorge eingesetzt wird, kann indes bei der Berechnung des Kindesunterhalts als
Abzugsposten unter den obwaltenden Umständen bereits deshalb keine Berücksichtigung
finden, weil angesichts der Einkommensverhältnisse des Antragstellers der
Mindestunterhalt für die minderjährigen Kinder nicht gewährleistet ist (vgl. Gerhardt in:
Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 7. Auflage, § 1, Rz. 597 b, m.w.N., sowie st. Rspr. des
Senats).
Zu Recht hat das Familiengericht die dem Antragsteller von seinem Arbeitgeber gezahlten
Spesen in voller Höhe und nicht nur anteilig einkommenserhöhend berücksichtigt. Zwar ist
nach Rechtsprechung der Familiensenate des Saarländischen Oberlandesgerichts in der
Regel nur 1/3 der gewährten Verpflegungs- und Übernachtungspauschale dem Einkommen
hinzuzurechnen. Diese Handhabung beruht auf der Erwägung, dass einerseits zwar ein
effektiver Aufwand, andererseits aber auch eine gemäß § 287 ZPO zu schätzende
häusliche Ersparnis bei den privaten Lebenshaltungskosten eintritt. Indes hat der insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller, der im Saarland wohnt und nicht auf
außerhäusige Übernachtungen angewiesen ist, weder nachvollziehbar dargelegt noch
belegt, dass er überhaupt zusätzliche – über die häusliche Verpflegung hinausgehende -
Mehraufwendungen hat.
Die berufsbedingten Fahrtkosten des Antragstellers sind in Höhe von (gerundet) 151 EUR,
wie vom Familiengericht unangefochten in die Berechnung eingestellt, abzugsfähig; sie
übersteigen die nach Handhabung der Familiensenate des Saarländischen
Oberlandesgerichts erstattungsfähigen Fahrtkosten nicht.
Die Ausübung einer Nebentätigkeit kann dem Antragsteller entgegen der Auffassung der
Antragsgegner in Ansehung der von diesem ausgeübten Vollzeitbeschäftigung, die zudem
in Wechselschicht erfolgt, selbst unter Berücksichtigung diskontinuierlich und in moderatem
Umfang angefallener und nach dem unwidersprochenen Vorbringen immer erst äußerst
kurzfristig anberaumter Kurzarbeitszeiten in den Monaten August und Dezember 2009
sowie Januar, Juni und Juli 2010 nicht angesonnen werden (vgl. Viefhues in: jurisPK-BGB, 5.
Aufl., § 1603 BGB, Rz. 482 ff; st. Rspr. des Saarländischen Oberlandesgerichts, zuletzt
Beschl. des 6. Zivilsenats v. 7. August 2009, 6 UFH 58/09, FuR 2010, 327, m.w.N.).
Soweit das Familiengericht in Ansehung des ausgewiesenen monatlichen Nettolohns, der
durchschnittlichen monatlichen Steuerrückerstattung (gerundet 19 EUR) sowie der Spesen
für den in Rede stehenden Zeitraum von einem unterhaltsrelevanten Einkommen des
Antragstellers in Höhe von monatlich 1.552 EUR ausgeht, ist der Antragsteller hierdurch
nicht beschwert. Nach Abzug der Altersvorsorge in Höhe von monatlich 36,60 EUR, der
Fahrtkosten in Höhe von monatlich 151 EUR sowie einem Arbeitskammerbeitrag von
monatlich durchschnittlich 2,53 EUR – vom Antragsteller mit 2,33 EUR angegeben -
errechnet sich ein unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragstellers in Höhe von
monatlich (gerundet) 1.362 EUR. Unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts gegenüber
minderjährigen Kindern, der sich nach der Handhabung der Familiensenate des
Saarländischen Oberlandesgerichts für das Jahr 2010 auf 900 EUR beläuft, verbleibt ein für
Unterhaltszwecke einzusetzendes Einkommen in Höhe von 462 EUR. Bei der gebotenen
Mangelfallberechnung ergibt sich nach den zutreffenden und im Übrigen unangefochten
gebliebenen Berechnungen des Familiengerichts für die Kinder D. und A. eine Quote von 60
%, was einem Unterhaltsanspruch in Höhe von 163 EUR entspricht.
Eine weitergehende Abänderung des Unterhaltstitels kann der Antragsteller nach dem sich
im Beschwerdeverfahren darstellenden Sach- und Streitstand für 2010 nicht geltend
machen.
2) Indes ist zu berücksichtigen, dass der Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten
gegenüber minderjährigen Kindern nach der Handhabung der Familiensenate des
Saarländischen Oberlandesgerichts ab Januar 2011 950 EUR beträgt. Dies führt zu einer
Quote von (rund) 54 % und einem Kindesunterhalt für D. und A. in Höhe von je 147 EUR.
Nach Maßgabe dessen hat das Rechtsmittel des Antragstellers einen Teilerfolg.
Der Kostenausspruch folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht
zugelassen.