Urteil des OLG Saarbrücken vom 19.07.2005

OLG Saarbrücken: treu und glauben, einstweilige verfügung, einstellung der bauarbeiten, aufschiebende wirkung, sicherheitszone, unterlassen, kaufvertrag, grundstück, wiederaufnahme, verjährungsfrist

OLG Saarbrücken Urteil vom 19.7.2005, 4 U 122/04 - 24
(Inhalt und Umfang nachvertraglicher Leistungstreuepflichten; Haftung der Baubehörde bei
Unterlassen der gebotenen Beteiligung des Betreibers eines Gasometers am
Baugenehmigungsverfahren für das Nachbargrundstück) 1. Die vertragliche
Leistungstreuepflicht kann auch über die Beendigung des Schuldverhältnisses hinaus
fortbestehen. Auch nach Herbeiführung des primären Leistungserfolgs sind die Parteien
nach Treu und Glauben zumindest für eine Übergangszeit gehalten, alles zu unterlassen,
was den Vertragszweck des anderen Teils nachträglich vereiteln oder ernsthaft gefährden
würde. Insbesondere müssen sich die Vertragspartner solcher Handlungen enthalten, durch
die der dem Vertragspartner gewährte Vorteil wieder entzogen oder wesentlich
geschmälert würde. 2. 44 Jahre nach dem Vollzug eines schuldrechtlichen Vertrages, also
erhebliche Zeit nach Ablauf der längstens anzuerkennenden dreißigjährigen
Verjährungsfrist, kann eine nachvertragliche Bindung nicht mehr anerkannt werden. 3. Hat
die Baubehörde für den Betrieb eines Gasometers die Betriebsauflage erteilt, einen
Sicherheitsabstand von 25 m zu betriebsfremden Grundstücken zu wahren, der 7 m über
die Grenze des Nachbargrundstücks hinausgreift, ist sie verpflichtet, den Betreiber des
Gasometers am Verfahren zu beteiligen, wenn sie den Bau eines Automarkts innerhalb der
Abstandsfläche genehmigen will. Erteilt sie die Baugenehmigung ohne Beteiligung des
Betreibers des Gasometers, so haftet sie diesem auf Schadensersatz, wenn der Betrieb
des Gasometers bei Beginn des Baus des Automarkts vorübergehend untersagt wird.
Leitsätze
Zu Inhalt und Umfang nachvertraglicher Leistungstreuepflichten
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom
26.1.2004 - 4 O 255/01 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der
Streithilfe.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.699,80 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die beklagte Stadt auf Zahlung von
Schadensersatz wegen des Betriebsausfalls eines Gasometers in Anspruch.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in der ... Straße und betreibt dort einen
Schraubgasbehälter (Gasometer) mit einem Fassungsvermögen von rund 82.000
Kubikmetern Gas. Das Grundstück wurde eigens zum Zwecke der Errichtung dieses
Gasometers im Jahr 1955 von der Beklagten an die A. S.A., die Rechtsvorgängerin der
Klägerin, veräußert. Für den Betrieb des Gasometers erteilte die Beklagte die
Betriebsauflage, einen Sicherheitsabstand von 25 Metern zu betriebsfremden
Grundstücken zu wahren, der sieben Meter über die Grenze des Nachbargrundstücks
hinausgreift (GA I Bl. 14 ff.). Die Lage des Gasometers wurde im Einvernehmen mit der
Beklagten festgelegt. Darüber hinaus sollte innerhalb der Zone eine Beschilderung errichtet
werden, die ein Verbot des Rauchens aussprechen und auf die Gefahren des Umgangs mit
offenem Feuer hinweisen sollte.
Damit der Sicherheitsabstand gewährleistet werden konnte, bemühte sich die Beklagte um
den Erwerb der Nachbargrundstücke. Auf einem dieser Grundstücke hatte die Beklagte ein
den Erwerb der Nachbargrundstücke. Auf einem dieser Grundstücke hatte die Beklagte ein
- zwischenzeitlich wieder abgerissenes - Betriebsgebäude der S. errichtet.
Ab Mai 2000 wurde der Gasometer wegen Sanierungsarbeiten nicht betrieben.
Mit notarieller Urkunde des Notars K. aus W. (Urkundenrolle; GA II Bl. 280 ff.) erwarb der
Streithelfer der Klägerin am 25.10.1999 das Nachbargrundstück von der Beklagten und
der S. AG. Er erhielt am 24.5.2000 einen Bauschein, in dem ihm der Bau eines
Automarktes in einem Abstand von nur drei Metern zur Grenze des Grundstücks ohne
besondere Sicherheitsvorkehrungen genehmigt wurde. Am 30.7.2000 begann der
Streithelfer mit den Erdarbeiten, an die sich Ende August 2000 die Arbeiten an den
aufstehenden Gebäudeteilen anschlossen. Am 1.9.2000 wandte sich die Klägerin schriftlich
an die Beklagte, um Bedenken wegen des nicht eingehaltenen Sicherheitsabstandes
anzumelden. Auf Veranlassung des Landesamtes für Arbeitssicherheit, Immissionsschutz
und Gesundheit (im Folgenden: Landesamt) fand am 27.9.2000 ein Ortstermin statt, als
dessen Ergebnis die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegte. Am
2.10.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen
werden würde. Daraufhin beauftragte die Klägerin die Firma S1 mit der Einholung eines
Gutachtens zur Frage, welches Gefährdungspotenzial vom Betrieb eines Automarktes für
den Gasometer ausgehe und welche notwendigen Abwehrmaßnahmen zu ergreifen seien.
Das Gutachten lag am 15.11.2000 vor; es gelangte zu dem Ergebnis, dass die
Baumaßnahme die brandschutztechnischen Anforderungen nicht erfülle. Hierauf beantragte
die Klägerin am gleichen Tag bei dem Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen die Erteilung der Baugenehmigung anzuordnen. Der Antrag wurde am
18.12.2000 antragsgemäß beschieden (GA I Bl. 77 ff.).
Die Klägerin beabsichtigte, den Gasometer ab dem 4.12.2000 erneut zu betreiben. Im
Bescheid vom 28.11.2000 untersagte das Landesamt den Neubetrieb. Nach erneuter
Antragstellung vom 20.12.2000 erteilte das Landesamt am 16.1.2000 die erforderliche
Genehmigung. Dennoch konnte der Gasometer letztlich erst am 26.1.2001 wieder befüllt
werden.
Am 22.1.2001 erließ die Beklagte einen Nachtrag zum Bauschein, der zusätzliche
brandschutztechnische Maßnahmen am Gebäude des Streithelfers anordnete (GA II Bl.
277).
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage den Ausfallschaden, der ihr dadurch
entstanden ist, dass der Gasometer statt am 4.12.2000 erst am 26.1.2001 in Betrieb
genommen werden konnte. Im Berufungsverfahren ist nunmehr unstreitig, dass sich der
Schaden rechnerisch auf 39.699,80 Euro beläuft.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Untere Bauaufsichtsbehörde der Beklagten
hätte dem Streithelfer die Genehmigung nicht erteilen dürfen. Sogar ein verständlicher Laie
- umso mehr das Fachpersonal der Unteren Bauaufsichtsbehörde - hätte erkennen können,
dass der Betrieb des Autofachmarktes neben dem Gasometer zu einem Sicherheitskonflikt
führen würde. Darüber hinaus sei die Beklagte wegen ihrer Einbindung in den Bau des
Gasometers zu besonderer Prüfung und Rücksicht verpflichtet gewesen. Der Streithelfer
hat die Auffassung vertreten, er selbst sei der Klägerin gegenüber nicht zum
Schadensersatz verpflichtet, da ihm kein Schuldvorwurf zu machen sei. In jedem Fall sei ein
etwaiger Schadensersatzanspruch kein Grund, die Haftung der Beklagten auszuschließen,
da der Streithelfer im Falle seiner Inanspruchnahme einen entsprechenden Anspruch auf
Freistellung habe.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40.989,57 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung gegen
mögliche Ansprüche der Klägerin aus dem Kaufvertrag des Jahres 1955 erhoben.
Schadensersatzansprüche schieden weiterhin deshalb aus, weil die Klägerin in zweifacher
Hinsicht gegen ihre eigenen Interessen verstoßen habe: So habe sie es zum einen
unterlassen, die nach der Genehmigung des Jahres 1957 erforderliche Beschilderung
aufzustellen. Zum andern habe sie davon Abstand genommen, sich die Sicherheitszone auf
dem Nachbargrundstück dinglich sichern zu lassen. Weiterhin habe die Klägerin zu spät
gegen den Bau des Autofachmarktes interveniert, da die Mitarbeiter der Klägerin bereits
Ende Juli 2000 Kenntnis vom Bau gehabt hätten. In diesem Falle wäre ein Einlenken des
Streithelfers früher erfolgt und ein Ausfallschaden bei der Klägerin gar nicht erst
entstanden. Schließlich hätte die Klägerin ihren Schaden durch den Gebrauch eines
Rechtsmittels abwenden können, sofern sie unmittelbar bei Kenntnis der Bautätigkeit ihres
Streithelfers im Zivilrechtsweg eine einstweilige Verfügung auf Unterlassen des Baus
erwirkt hätte. Selbst wenn den Mitarbeitern der Unteren Bauaufsichtsbehörde eine
Pflichtverletzung anzulasten wäre, so sei dies keineswegs schuldhaft geschehen. Denn die
Mitarbeiter der Beklagten hätten auf eine ordnungsgemäße Prüfung durch das Landesamt
als zuständige Fachbehörde betreffend die relevanten Sicherheitsvorschriften wegen des
Gasometers vertrauen dürfen. Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung seien
bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin ihren eigenen Schaden von dem
Streithelfer ersetzt verlangen könne: Zumindest dessen Architekt hätte den Gasometer bei
der Planung beachten müssen, so dass eine Ersatzpflicht des Streithelfers aus dem
Gesichtspunkt des Nachbarrechts bestehe.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 39.699,80 EUR stattgegeben
und hierzu ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch in erkannter Höhe
zu, da die Beklagte nebenvertragliche Pflichten aus dem im Jahr 1955 geschlossenen
Kaufvertrag über das Grundstück verletzt habe. Sie hätte den Betrieb des Gasometers im
Rahmen der zumutbaren nachvertraglichen Leistungstreuepflicht aus dem Kaufvertrag
nicht gefährden dürfen und nach der Veräußerung des Grundstücks sicherstellen müssen,
dass in der Sicherheitszone keine beeinträchtigende Bebauung stattfinden würde. Auf den
Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO Bezug
genommen.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie
trägt vor, das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass die Beklagte in eigener
Rechtsperson nur eine Parzelle an den Streithelfer verkauft habe. Die von ihr übertragene
Parzelle sei nicht mit einer Baulast versehen. Demgegenüber stehe der Baumarkt
ausschließlich auf der Grundstücksparzelle, die der Streithelfer von der S. AG erworben
habe. Auch habe das Landgericht die Anforderungen an die Leistungstreuepflicht
überspannt, da die Beklagte nicht gehalten gewesen sei, im Kaufvertrag
Sicherheitsklauseln zum Schutz der Klägerin einzubauen. In jedem Fall seien
nebenvertragliche Pflichten aus dem bereits seit 1955 vollständig abgewickelten
Grundstückskaufvertrag 44 Jahre danach nicht mehr anzuerkennen.
Amtshaftungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, da die Klägerin einen
durchsetzbaren Anspruch gegen ihren Streithelfer besitze. Dieser habe seinerseits keine
Möglichkeit, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, da der Streithelfer einen
vorrangig geltend zu machenden Schadensersatzanspruch gegenüber seinem Architekten
habe, der die sich ihm aufdrängenden Erkundigungspflichten nach den
Brandschutzvorschriften bei der Planung gröblich vernachlässigt habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom
26.1.2004 - 4 O 255/01 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass sich auf dem von ihr an den Streithelfer
veräußerten kleineren Grundstück entlang der ...Straße keine von dem Streithelfer
errichteten Anlagen befänden, die gemäß dem Genehmigungsbescheid für den Gasometer
unzulässig seien. Aus Rechtsgründen könne dies jedoch dahinstehen. Maßgeblich sei
vielmehr, dass die gesamte Grundfläche für den Autofachmarkt von der Beklagten und der
von ihr beherrschten S. AG gemeinsam in einem einheitlichen Vertrag verkauft worden sei.
Die gesamte Fläche habe ursprünglich im Eigentum der Beklagten gestanden und sei
lediglich wirtschaftlich teilweise dem Eigenbetrieb der S. AG zugeordnet gewesen. Die
Beklagte wäre daher gehalten gewesen, die Einhaltung der Sicherheitsabstände durch
förmliche schuldrechtliche Übertragung weiterzugeben. Entgegen der Auffassung der
Beklagten sei den Mitarbeitern des Liegenschaftsamtes die Lage des Automarktes
durchaus bekannt gewesen, da dem Kaufvertrag mit dem Streithelfer Entwurfspläne als
Anlage Nr. 1, 2 und 3 beigefügt gewesen seien.
Vertragliche Ansprüche seien nicht verjährt: Die Beklagte habe am Bau des Gasometers ein
erhebliches Eigeninteresse besessen. Aus diesem Grunde habe sie nicht nur im
Dritteigentum stehende Grundstücke erworben. Vielmehr habe die Beklagte die
Realisierung der Investition „Gasometer“ in der Weise unterstützt, dass sie gemäß
Gestattungsvertrag vom 29.4.1958 die Verlegung der abführenden Gasleitungen entlang
der neuen Grundstücksgrenze U. in das Werksgelände der Klägerin gestattete. Der
gesamte Sachverhalt zeige, dass sich die Klägerin und die Beklagte über die Umstände bei
der Errichtung des Gasometers einig gewesen seien. Dies habe auch die Zustimmung der
Beklagten zu dem zwangsläufig notwendigen Sicherheitsabstand und dessen teilweiser
Erstreckung über das Grundstück der Beklagten eingeschlossen. Da die Verpflichtung der
Beklagten zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes bis zum Baubeginn durch den
Streithelfer von dieser bzw. von der S. AG auch dauernd eingehalten worden sei, liege ein
Anerkenntnis vor, welches die Verjährung unterbrochen habe.
Die Klägerin vertieft ihre Rechtsauffassung, wonach die Klageforderung auch unter dem
rechtlichen Aspekt des Amtshaftungsanspruchs begründet sei.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2004 hat die Beklagte dem Saarland, vertreten durch den
Minister, den Streit verkündet. Das Saarland ist nicht beigetreten. Bezüglich der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen, hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2005 Bezug genommen.
II.
A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da die Entscheidung im Ergebnis weder auf
einem Rechtsfehler beruht, noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine
andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Zwar ist die Beklagte nicht wegen
Verletzung vertraglicher Schutzpflichten zum Schadensersatz verpflichtet (1). Jedoch steht
der Klägerin gem. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG ein Anspruch auf Ersatz des
Ausfallschadens in unstreitiger Höhe von 39.669,80 EUR zu (2).
1. Mit Recht rügt die Berufung, dass die Beklagte nicht aus der vertraglichen
Anspruchsgrundlage heraus zum Schadensersatz verpflichtet ist.
a) Die Beklagte konnte bereits deshalb im Jahr 1999 ihrer vertraglichen Schutzpflicht nicht
mehr in Schadensersatzansprüche begründender Weise zuwiderhandeln, weil die Pflicht zur
Leistungstreue hinsichtlich des im Jahr 1955 abgeschlossenen Kaufvertrags zum Zeitpunkt
der Grundstücksübertragung auf den Streithelfer in zeitlicher Hinsicht nicht mehr bestand.
aa) Zu den vertraglichen Pflichten gehören nicht nur die das Rechtsgeschäft prägenden
Hauptpflichten, sondern auch Nebenpflichten, die sich etwa aus besonderen gesetzlichen
Vorschriften, aus dem Inhalt der Vereinbarung oder auch aus der Natur der vertraglichen
Vereinbarung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ergeben. Zu
den letztgenannten Nebenpflichten zählt die Leistungstreuepflicht, die die Vertragspartner
dazu verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck oder den Leistungserfolg
beeinträchtigen oder gefährden könnte (st. Rspr. BGH, Urt. v. 24.10.1999 - XI ZR 8/89,
NJW-RR 1990, 141; Urt. v. 28.4.1982 - IVa ZR 8/81, NJW 1983, 998; Urt. v. 19.10.1977 -
VIII ZR 42/76, NJW 1978, 422; Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 15. Aufl., Rdnr. 5;
Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl., S. 9 ff.).
bb) Die zeitliche Dauer der Leistungstreuepflicht hängt maßgeblich vom Inhalt der
konkreten vertraglichen Regelung ab. Im Grundsatz ist es anerkannt, dass die
Leistungstreuepflicht über die Beendigung des Schuldverhältnisses hinaus nachwirkend
fortbestehen kann: Auch nach Herbeiführung des primären Leistungserfolgs sind die
Parteien nach Treu und Glauben zumindest für eine Übergangszeit gehalten, alles zu
unterlassen, was den Vertragszweck des anderen Teils nachträglich geradezu vereiteln
oder ernsthaft gefährden würde. Insbesondere müssen sich die Vertragspartner solchen
Handlungen enthalten, durch die der dem Vertragspartner gewährte Vorteil wieder
entzogen oder wesentlich geschmälert würde (MünchKomm(BGB)/Ernst, 4. Aufl., § 280
Rdn. 109 f.; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 241 Rdnr. 42 ff.; Erman/O. Werner, BGB,
10. Aufl., § 242 Rdnr. 58; BGHZ 16, 4, 11).
Gleichwohl kann die Nebenpflicht die Parteien eines schuldrechtlichen Vertrages zeitlich
nicht solange binden, solange der Vertragserfolg nur in irgendeiner Weise durch eine
Handlung des Vertragspartners tangiert werden kann. Dem läge die Vorstellung zugrunde,
dass die in Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung geschaffene Rechtsposition
gewissermaßen für die weitere Dauer ihres Bestandes den nachsorgenden Schutz der
schuldrechtlichen Bindung genießt.
Eine derart ausufernde Bestimmung des zeitlichen Rahmens einer schuldrechtlichen
Nebenpflicht, die - würde man sie im vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt
anerkennen - geradezu den Vorwurf der Versteinerung schuldrechtlicher Rechtspositionen
rechtfertigen würde, widerspricht dem Interesse der Vertragspartner jedenfalls bei
Schuldverhältnissen der vorliegend zu beurteilenden Art, bei denen sich das
Leistungsinteresse der Vertragspartner in der Abwicklung einer einmaligen Leistung
erschöpft. Das schuldrechtliche Band wird im Regelfall nur auf bestimmte Zeit geknüpft. Es
ist gerade das Wesen des schuldrechtlichen Anspruchs, dass seine Durchsetzbarkeit in
zeitlicher Hinsicht begrenzt ist. So muss es der Gläubiger etwa hinnehmen, seinen
primären Leistungsanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist kompensationslos zu
verlieren. Es erschiene daher ungereimt, den Schuldner im Fall der Erfüllung stärker an den
Gläubiger zu binden, indem ihm hinsichtlich der geschaffenen Rechtsposition langfristige
schadensersatzbewehrte Schutzpflichten auferlegt werden.
Die zeitliche Begrenzung der schuldrechtlichen Nebenpflicht ist mit Treu und Glauben zu
vereinbaren: Es ist interessengerecht, den Rechtskonflikt der früheren Vertragspartner
nach Ablauf einer gewissen Zeit ohne Berücksichtigung der vertraglichen Bindung zu lösen.
Wirkt demnach einer der beiden Vertragspartner nach Ablauf der für eine nachvertragliche
Leistungspflicht äußerstenfalls anzuerkennenden Frist zum Nachteil des anderen
Vertragspartners auf die durch den Vertrag geschaffene Rechtsposition ein, so ist der
Rechtskonflikt ausschließlich nach Maßgabe des Regelungsgefüges zu lösen, welches das
Gesetz insbesondere in Gestalt des sachen- und deliktsrechtlichen Haftungssystems zum
Schutz der geschaffenen Rechtsposition bereitstellt. Hierbei kommt es auf die Frage, auf
welche Weise sich der Rechtserwerb vollzogen haben mag, nicht mehr an. Der
Rechtsinhaber kann aus der früheren, erloschenen vertraglichen Bindung keine
weitergehenden Rechte herleiten.
cc) Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt
an, so bietet der Rechtsstreit keine Veranlassung, die zeitliche Dauer der nachvertraglichen
Leistungstreuepflicht näher einzugrenzen: Denn 44 Jahre nach dem Vollzug des
schuldrechtlichen Vertrages, mithin erheblich nach Ablauf der längstens anzuerkennenden
dreißigjährigen Verjährungsfrist, kann eine nachvertragliche Bindung nicht mehr anerkannt
werden.
b) Im Ergebnis kann die Frage nach der zeitlichen Begrenzung der Leistungstreuepflicht
sogar offen bleiben, da die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts bei der
Übertragung des Grundstücks auf den Streithelfer keine nachvertraglichen
Leistungstreuepflichten verletzt hat:
Die Interessenabwägung des Landgerichts vermag auch in der Sache nicht zu überzeugen:
Es kann auch unter dem weiten Blickwinkel des § 242 BGB nicht Sache des Eigentümers
eines unbelasteten Grundstücks sein, beim Verkauf dieses Grundstücks darauf
hinzuwirken, dass der Grundstücksnachbar eine dingliche Sicherung der ihm zustehenden
Rechte erlangt. Im Grundsatz muss es Sache des Rechtsinhabers bleiben, die ihm
zustehenden Rechte selbst zu wahren. Diese letztlich in der Privatautonomie wurzelnde
Wertung beansprucht auch im vorliegenden Fall Geltung: Eine nachsorgende Pflicht des
Verkäufers zu einer Optimierung der durch den Kaufvertrag geschaffenen Rechtsposition
bestand selbst zeitnah zu dem Grundstückskaufvertrag des Jahres 1955 nicht.
Zudem war eine dingliche Sicherung des Sicherheitsabstands zur Wahrung der Interessen
der Klägerin gar nicht erforderlich: Denn unstreitig wurde der Automarkt zwischenzeitlich
innerhalb der Sicherheitszone gebaut, nachdem die Beklagte durch einen Nachtrag zum
Bauschein durch zusätzliche brandschutztechnische Maßnahmen die
brandschutztechnische Verträglichkeit des Bauvorhabens innerhalb der Sicherheitszone
gewährleistete. Mithin war die Sicherstellung einer gewerblichen Nutzung des
Nachbargrundstücks keineswegs auf eine dingliche Sicherung der Zone angewiesen.
c) Schließlich ist der auf die vertragliche Anspruchsgrundlage gestützten Klage auch
deshalb ein Erfolg zu versagen, weil die vom Landgericht angenommene Pflichtverletzung
für den eingetretenen Schaden nicht kausal wurde.
aa) Nach allgemeiner Meinung haftet der Schädiger nicht für alle im
naturwissenschaftlichen Sinne durch das schadensbegründende Ereignis verursachten
Folgen. Vielmehr wird die Verantwortlichkeit des Schädigers durch normative
Zurechnungskriterien eingeschränkt. Zwar ist es im Grundsatz anerkannt, dass ein in den
Kausalverlauf eingreifendes Zweitereignis den Zurechnungszusammenhang regelmäßig
nicht unterbricht (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., vor § 249 Rdnr. 73 f.). Anders ist es
jedoch dann, wenn nur ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht und
dem Erstschädiger ein Einstehenmüssen auch für diese Folgen billigerweise nicht mehr
zugemutet werden kann (BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947 f.).
bb) Diese Überlegung steht einer Inanspruchnahme der Beklagten aus der vertraglichen
Anspruchsgrundlage entgegen:
Die Versagung des Neubetriebs beruhte bei normativer Betrachtung nicht auf der
Übertragung der Grundstücksfläche, sondern darauf, dass die Beklagte unter Verstoß
gegen die geltenden Bauvorschriften eine rechtswidrige Baugenehmigung erteilt hat. Durch
diese selbstständige Handlung wurde der Kausalverlauf unterbrochen. Denn die Annahme
liegt fern, dass die Beklagte - handelnd durch das Liegenschaftsamt - bei Abschluss des
Kaufvertrages das Risiko einer baurechtswidrigen Genehmigung durch die Untere
Bauaufsichtsbehörde herausgefordert hätte.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein dazwischentretendes Fehlverhalten des
Dritten bei der Schadensbeseitigung den Zurechnungszusammenhang im Regelfall erst
dann unterbricht, wenn der weitere Schaden durch ein völlig ungewöhnliches und
unsachgemäßes Verhalten des Dritten ausgelöst worden ist (BGH, NJW 2000, 948). Denn
diese Rechtsprechung trägt augenscheinlich dem Umstand Rechnung, dass der
Erstschädiger wegen der Verwirklichung des Haftungstatbestands das von ihm geschaffene
Risiko einer fehlerhaften Schadensbeseitigung tragen muss. Dieser Vorwurf trifft die
Beklagte, handelnd durch das Liegenschaftsamt, nicht: Es ist nicht zu erkennen, dass die
Beklagte bereits bei Abschluss des Kaufvertrags in haftungsrechtlich relevanter Weise
Rechtspositionen der Klägerin verletzte. Vielmehr liegt das schadensstiftende Fehlverhalten
allein in der Erteilung der fehlerhaften Baugenehmigung.
2. Dennoch hat die Berufung im Ergebnis keinen Erfolg, da die Beklagte durch die Erteilung
der rechtswidrigen Baugenehmigung gem. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG
schadensersatzpflichtig ist.
a) Die Amtsträgereigenschaft der Beamten der Unteren Bauaufsichtsbehörde steht außer
Zweifel. Auch steht fest, dass die Unter Bauaufsichtsbehörde ihre Amtspflichten verletzt
hat, indem sie bei der Erteilung der Baugenehmigung gegen das im
Genehmigungsverfahren zu beachtende nachbarrechtliche Gebot der Rücksichtnahme
verstoßen hat, da die Zulassung des Gebäudes in den legal genutzten vorhandenen
Bestand des Gasometers eingegriffen hätte (vgl. BGHZ 60, 112, 105, 52, 54): Die
Genehmigung für den Betrieb des Gasometers wurde unter der Auflage erteilt, dass sich
innerhalb einer Sicherheitszone von 25 Metern keine betriebsfremden Gebäude befinden
dürfen. Diese Zone hätte die genehmigte Planung des Automarktes zumindest in ihrer
ursprünglichen Form nicht gewahrt, da die brandschutztechnischen Auflagen der
ursprünglichen Baugenehmigung nach den Feststellungen des Privatgutachters S1, dessen
Vorschläge in den geänderten Bauschein vom 22.1.2001 einflossen, einen gefahrlosen
Betrieb des Gasometers in der Nähe des Automarktes nicht gewährleistet hätten.
b) Die verletzte Amtspflicht des zu beachteten Rücksichtnahmegebots war drittschützend
i. S. des § 839 Abs. 1 BGB, da sie gerade den Interessen des Nachbarn, vorliegend also
den Interessen der Klägerin, dienen sollte.
c) Auch das erforderliche Verschulden der Beklagten ist nachgewiesen.
Zwar hat die Beklagte eingewandt, ihre Untere Bauaufsichtsbehörde habe alle zu
beteiligenden öffentlichen Stellen einschließlich des Landesamtes angehört und alle
vorgebrachten Hinweise der beteiligten Fachbehörden in ihren Auflagen zur
Baugenehmigung berücksichtigt. Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass die
beteiligten Fachbehörden das Baugesuch mit allen Bauzeichnungen und Lageplänen geprüft
habe. Für ein Verschulden des Landesamtes habe die Beklagte nicht einzustehen.
Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob sich die Beklagte als Baugenehmigungsbehörde ein
etwaiges Verschulden der Mitarbeiter des Landesamtes haftungsrechtlich deshalb
zurechnen muss, weil das Landesamt im Genehmigungsverfahren gegenüber der Klägerin
nicht in Erscheinung trat (so der Einwand der Klägerin GA I Bl. 142). Auch kann es
dahinstehen, ob das Fachpersonal der Unteren Bauaufsichtsbehörde die Mängel der
brandschutztechnischen Auflagen hätte erkennen können.
Trotz der immissionsrechtlichen Prüfung durch die Mitarbeiter des Landesamtes lag ein
eigenständiger Rechtsverstoß der Beklagten darin, dass diese in einer den
Fahrlässigkeitsvorwurf begründenden Weise unter Verstoß gegen § 73 Abs. 2 LBO in der
bis zum 31.5.2004 geltenden Fassung von einer Beteiligung der Klägerin im
Genehmigungsverfahren Abstand nahm. Nach dieser Vorschrift benachrichtigt die
Bauaufsichtsbehörde vor Erteilung von Befreiungen die Nachbarschaft, wenn zu erwarten
ist, dass öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Interessen berührt werden. Die
Vorschrift ist ebenso wie § 28 Abs. 1 VwVfG Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, welche
eine Beteiligung immer dann gebietet, wenn der beabsichtigte Verwaltungsakt in die
Rechte eines Beteiligten eingreifen wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 28 Rdnr.
4). Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Klägerin lagen vor, da die Beklagte eine
Bebauung innerhalb der Abstandsfläche erlauben wollte, die sie selbst zum Schutz des
Gasometerbetriebs in der Betriebserlaubnis des Jahres 1957 festgesetzt hatte. Mithin lag
es nahe, dass die Befreiung des Streithelfers von der Einhaltung der Abstandsfläche das
öffentlichrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzen könnte. Die mögliche Beeinträchtigung
der nachbarrechtlichen Interessen verlangte mithin eine förmliche Beteiligung der Klägerin
im Baugenehmigungsverfahren.
Dieser in der unterlassenen Beteiligung der Klägerin liegende Rechtsverstoß wurde für den
Schaden auch kausal. Denn es ist davon auszugehen, dass eine unmittelbare Beteiligung
der Klägerin zu einer früheren Einholung des brandschutztechnischen Gutachtens geführt
hätte, welches letztlich den entscheidenden Hinweis dafür lieferte, auf welche Weise die
widerstreitenden Interessen zum Ausgleich zu bringen waren. In Anbetracht des
Umstandes, dass es der Klägerin trotz der verspäteten Kenntnis vom Inhalt der erteilten
Baugenehmigung gelang, den Gasometerbetrieb bereits am 26.1.2001 wieder
aufzunehmen, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass eine rechtzeitige Beteiligung
der Klägerin einen Ausfall vollständig vermieden hätte: Die Klägerin hätte im Fall einer
früheren Beteiligung hinreichend Gelegenheit besessen, die im Privatgutachten formulierten
brandschutztechnischen Vorgaben noch vor der geplanten Wiederaufnahme des
Gasometerbetriebs am 4.12.2000 erfolgreich in die Verwaltungsverfahren zur Erteilung
der Baugenehmigung und zur Genehmigung der Wiederaufnahme des Gasometerbetriebs
einzuführen.
d) Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Haftung der Beklagten nicht deshalb
ausgeschlossen, weil die Klägerin in der Person des Streithelfers eine anderweitige
Ersatzmöglichkeit besitzt. Eine Schadensersatzverpflichtung des Streithelfers ist nicht
erkennbar:
aa) Zunächst kommt eine Haftung unter dem deliktsrechtlichen Aspekt eines Eingriffs in
den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in Betracht. Ein solcher Anspruch
setzt einen betriebsbezogenen Eingriff voraus, der sich nach seiner objektiven Stoßrichtung
gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit
richtet. Demgegenüber lösen mittelbare Beeinträchtigungen der betrieblichen Organisation
keine Haftung aus (BGHZ 138, 311, 317; Urt. v. 29.01.1985 - VI ZR 130/83, NJW 1985,
1620; Urt. v. 26.6.2001 - X ZR 231/99, BGHR BGB § 823 Abs. 1 Gewerbebetrieb 11;
MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 185 ff.; Bamberger/Roth/Spindler, BGB,
§ 823 Rdnr. 108; Palandt/Sprau, aaO., § 823 Rdnr. 127 f.).
In Anbetracht der Größe des klägerischen Unternehmens wird man bereits daran zweifeln
müssen, ob sich eine Behinderung des Gasometerbetriebs gegen den klägerischen Betrieb
als solchen richten konnte. Darüber hinaus fehlt die Betriebsbezogenheit jedenfalls deshalb,
weil der Streithelfer mit dem geplanten Bau ersichtlich nicht auf den Betrieb des
Gasometers abzielte. Vielmehr handelt es sich bei den nachteiligen Wirkungen der
Baugenehmigung um mittelbare Folgewirkungen des geplanten Automarktes, die der
Streithelfer nicht bedachte.
bb) Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs unter
dem rechtlichen Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs liegen nicht
vor: Die Berufung verkennt, dass die Beeinträchtigung nicht von dem Betrieb, in der
Terminologie des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs: nicht von Grundstück des
Streithelfers, sondern von der rechtswidrigen Baugenehmigung ausging. Der Umstand,
dass der Streithelfer durch seinen Bauantrag im Sinne der Äquivalenztheorie eine
Bedingung für die rechtswidrige Baugenehmigung setzte, stellt keine nachbarrechtliche
Einwirkung i. S. des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs dar.
e) Schließlich scheitert der Amtshandlungsanspruch nicht an § 839 Abs. 3 BGB: Es
erscheint bereits fraglich, ob es der Klägerin vor dem Abschluss des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gelungen wäre, im Zivilrechtsweg eine Einstellung der
Bauarbeiten zu erwirken. Letztlich können die Erfolgsaussichten des einstweiligen
Zivilrechtsschutzes dahinstehen. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass einer
Wiederaufnahme des Gasometerbetriebs nicht der tatsächliche Fortgang der Bauarbeiten,
sondern die rechtswidrige Baugenehmigung entgegenstand, deren Abänderung durch eine
einstweilige Verfügung gegen den tatsächlichen Fortgang der Bauarbeiten nicht erreicht
werden konnte.
Auch der Vorwurf, die Klägerin habe zu spät, nämlich nicht bereits beim ersten Spatenstich
rechtliche Wege beschritten, um die Baugenehmigung zu beseitigen, ist nicht begründet:
Die Beklagte verkennt, dass sich der Klägerin nicht bereits bei Beginn der
Ausschachtungsarbeiten das ganze Ausmaß des Bauvorhabens offenbarte. Erst mit dem
Beginn der Arbeiten an den aufstehenden Gebäudeteilen (Ende August 2000) hatte die
Klägerin Veranlassung, ihre Interessen zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu wahren.
Dieser Obliegenheit kam die Klägerin nach, indem sie sich bereits am 1.9.2000 an die
Beklagte wandte, um die Bedenken anzumelden.
f) Mit zutreffenden Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht in der
unterlassenen Beschilderung der Sicherheitszone keinen Umstand erblickt, welcher der
Klägerin gem. § 254 BGB als Mitverschulden an der Schadensentstehung anzulasten wäre.
Mit den Argumenten des Landgerichts ist der Klägerin ebenso wenig die unterlassene
dingliche Absicherung des Sicherheitsabstandes vorzuwerfen.
g) Die Schadenshöhe steht im Berufungsverfahren außer Streit. Die Zinsforderung folgt aus
§§ 291, 288 BGB.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 I ZPO, die Entscheidung übe die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht
zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung
des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).