Urteil des OLG Saarbrücken vom 08.12.2009

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OLG Saarbrücken Urteil vom 8.12.2009, 4 U 311/09 - 88
Formularmäßiger Bauvertrag: Inhaltskontrolle für eine Skonto-Klausel
Leitsätze
Einer in einem Bauvertrag enthaltenen Klausel, wonach der Besteller zur 6%igen
Skontierung berechtigt ist, falls er in einer - nach Eingang einer prüffähigen Rechnung - in
Lauf gesetzten Skontierungsfrist Zahlung leistet, begegnen am Maßstab der §§ 307, 310
BGB keine Wirksamkeitsbedenken.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. Juni
2009 – 8 KFH O 302/08 – abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abwiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Bauunternehmen die beklagte
Bauunternehmung auf Zahlung eines einbehaltenen Skontos in Anspruch.
Die Klägerin führte im Auftrag der Beklagten Trockenbauarbeiten am Bauvorhaben
Pflegeheim A. aus. Vertragsgegenstand war das Nachunternehmerverhandlungsprotokoll
vom 10.8.2007 (Anlage K 1, Bl. 5 ff. d. A.). Nr. 13 dieses Protokolls lautet im Auszug:
„Die Zahlungen werden wie folgt geleistet: Der HU ist berechtigt,
sowohl bei den Abschlags-/Tagelohnzahlungen als auch bei der
Schlusszahlung 6% Skonto abzuziehen, sofern er Zahlung nach
Eingang einer prüffähigen Rechnung innerhalb folgender Fristen
leistet: Schlusszahlung zu 95% der geprüften Schlussrechnung
innerhalb von 18 Werktagen oder ohne Skonto 30 Werktagen netto.“
In Gemäßheit dieser Abrede behielt die Beklagte von der Schlussrechnung einen Betrag von
17.008,41 EUR ein, dessen Erstattung die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend
macht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Skontoregelung um eine
Allgemeine Geschäftsbedingung handele. Die Regelung der Nr. 13 sei unwirksam, da nicht
nachvollzogen werden könne, was die Beklagte unter prüffähig verstehe. Jedenfalls sei eine
Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der der Werkunternehmer letztlich
nur 90% der ihm nach § 632 BGB zustehenden Forderungen verlangen könne, unwirksam.
Mit dem Klageantrag zu 2) hat die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
eingefordert.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.008,41 EUR nebst
Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 1.10.2008 zu zahlen;
2. Die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 807,80 EUR
nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, Nr. 13 des Nachverhandlungsprotokolls sei zwischen den
Parteien eingehend erörtert und ausgehandelt worden. Es handele sich nicht um eine
Allgemeine Geschäftsbedingung.
Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf
den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen
Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ZPO Bezug genommen. Mit ihrer hiergegen
gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem
Umfange weiter:
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Landgericht sei unter fehlerhafter Auslegung der
Vertragsklausel zu dem Ergebnis gelangt, dass die Skontierungsfrist von dem Zeitpunkt der
Rechnungsprüfung durch den Hauptunternehmer abhänge. Bei richtigem Verständnis der
Vertragsbestimmung laufe die Frist von 18 Werktagen bereits ab Eingang einer prüffähigen
Schlussrechnung. Selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausgehe, dass die
Skontoregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam wäre, sei das
Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Vertragsklausel zwischen den
Parteien nicht ausgehandelt worden sei: Dass in Vertragsverhandlungen ein Gerippe zur
Organisierung des Laufs der Verhandlungen gestellt werde und bestehen bleibe, sei in der
Vertragspraxis die Regel und für die Frage des Aushandelns einer Klausel unerheblich.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom
4.8.2009 (Bl. 128 ff. d. A.) und auf die Berufungserwiderung vom 24.8.2009 (Bl. 138 ff.
d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2009 (Bl. 150 ff. d. A.) verwiesen.
II.
A.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Klägerin steht aus § 631 Abs. 1 BGB kein Anspruch
auf Zahlung des geltend gemachten Restwerklohns zu. Entgegen der Auffassung der
Klägerin bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der
Skontoabrede.
1. Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, die Skontoabrede sei deshalb
unwirksam, weil der Beginn der Skontofrist von der Prüfung der Schlussrechnung abhängig
gemacht werde, ist dem Landgericht nicht zu folgen:
a) Zwar ist das Landgericht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen: Nach einer
in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung verstößt eine Skontoabrede gegen
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 310 Abs. 1 BGB, wenn der Beginn des Skontofrist von der
Prüfung der Schlussrechnung und deren Weiterleitung durch den Architekten an den
Auftraggeber abhängig gemacht wird. Das gleiche gilt von allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die den Beginn einer für den Skontoanspruch
maßgebenden Zahlungsfrist auf den Abschluss der Prüfung der Schlussrechnung durch den
Auftraggeber festlegen (OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.1988 – 17 U 191/87;
Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 16 Nr. 5 Rdnr. 14; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 9.
Aufl., B § 16 Rdnr. 113; Nicklisch/Weick, VOB, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 77; Kandel, in:
Beck’scher VOB- und Vergaberechtskommentar, 2. Aufl., § 16 Rdnr. 36; in OLGR Stuttgart
1998, 59 wurde die Skontoklausel deshalb beanstandet, weil die Skontofrist überhaupt
nicht geregelt wurde): Ein an den Beginn der Rechnungsprüfung geknüpfter Fristbeginn
würde den Auftragnehmer deshalb unangemessen benachteiligen, weil er den
Auftraggeber in der Lage versetzen würde, durch eine verzögerte Rechnungsprüfung den
Skontierungszeitraum hinauszuzögern. Dies rechtfertigt – pointiert formuliert – den
Schluss, dass sich der Auftragnehmer gewissermaßen in die Hände des Auftraggebers
begebe, da die Berechtigung der Skontogewährung „von der willkürlichen Handhabung
eines der Partner abhänge“ (OLG Frankfurt, aaO).
b) Allerdings liegen die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Wirksamkeitsausschlusses
nicht vor: Mit Recht wendet sich die Berufung gegen das vom Landgericht für zutreffend
erachtete Auslegungsergebnis: Nach dem Wortlaut der hier zu prüfenden
Vertragsbestimmung beginnt die Skontierungsfrist nicht erst nach Abschluss der
Rechnungsprüfung, sondern bereits mit Eingang einer prüffähigen Rechnung („sofern er
Zahlung nach Eingang einer prüffähigen Rechnung innerhalb folgender Fristen leistet“).
Mithin besitzt der Auftraggeber in der vorliegenden Vertragsgestaltung gerade keine
Möglichkeit, die Skontierungsfrist unangemessen lange hinauszuzögern. Hier kann keine
Rede davon sein, dass sich der Auftragnehmer freiwillig in die Willkür des Auftraggebers
begibt.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Klausel auch nicht gegen das
Transparenzgebot, weil sie hinsichtlich des Beginns der Skontofrist an der Prüffähigkeit der
Schlussrechnung anknüpft:
a) Das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB normierte Transparenzgebot verpflichtet den
Klauselverwender, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst
klar, einfach und präzise darzustellen. Eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners kann sich aus der Unklarheit oder Undurchschaubarkeit einer
Geschäftsbedingung ergeben. Allerdings dürfen die Anforderungen an das
Transparenzgebot nicht überspannt werden. So begegnet es keinen Bedenken, dass der
Verwender unbestimmte Rechtsbegriffe aus der Gesetzessprache übernehmen darf
(Palandt/Grüneberg, BGB, § 307 Rdnr. 16 ff.). Im Anwendungsbereich des § 310 Abs. 1 S.
1 BGB ist überdies zu berücksichtigen, dass der geschäftserfahrene Unternehmer nicht in
gleichem Maße schutzbedürftig ist wie ein Verbraucher. Denn der unternehmerische
Geschäftsverkehr ist regelmäßig mit den Risiken des Geschäfts besser vertraut. Das
Transparenzgebot ist im Rahmen der Inhaltskontrolle in der Anwendung gegenüber
Unternehmen eingeschränkt, da bei ihnen ein generell höherer Verständnishorizont
vorausgesetzt werden kann (BGHZ 140, 241, 247 Erman/Roloff, BGB, 12. Aufl., § 307
Rdnr. 35).
b) Angewandt auf den vorliegend zu entscheidenden Rechtsstreit bestehen gegen die
Verwendung des Begriffs der Prüffähigkeit in einem zwischen Baufachleuten geschlossenen
Vertrag keine Bedenken: Einem Bauunternehmer ist der Begriff der Prüffähigkeit
hinreichend geläufig. Denn er formuliert eine zentrale Anforderung an die
werkunternehmerische Rechnungslegung und ist überdies in leicht abgewandelter Form
auch als Terminus in der VOB/B (etwa § 14 Nr. 1) verwandt. Jedenfalls im kaufmännischen
Geschäftsverkehr unter Baufachleuten vermag die Verwendung des Begriffs der
Prüffähigkeit den Verständnishorizont des Vertragspartners nicht zu übersteigen. Eine die
Unwirksamkeit bedingende Intransparenz ist der Klausel nicht zu bescheinigen.
3. Schließlich teilt der Senat die Wirksamkeitsbedenken der Klägerin gegen die Höhe der
Skontierung nicht: Hinsichtlich der Höhe des aus Rabatt und Skontierung
zusammengesetzten Nachlasses ist das Vertragswerk einer AGB-rechtlichen Kontrolle
unterzogen, da zumindest die Höhe des Nachlasses und der Skontierung i.S. des § 305b
BGB individuell vereinbart wurden: Die von den Zeugen geschilderte Verhandlung betraf die
Ausfüllung der Lücken, somit gerade jenen Regelungsgehalt, den der Klauselverwender
nicht vorgegeben hat. Die Frage, ob mit der individuellen Verhandlung über die Ausfüllung
der Lücken zugleich das Regelungsgefüge als Ganzes individualvertraglich ausgehandelt
wurde, besitzt auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Rechtsaufassung für den
Ausgang des Rechtsstreits keine Relevanz.
4. Unterliegt die Hauptforderung der Abweisung, so steht der Klägerin auch kein Anspruch
auf Erstattung der als Nebenforderung geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten
zu.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).