Urteil des OLG Saarbrücken vom 23.11.2005

OLG Saarbrücken: ausschreibung, ausschluss, kläranlage, ausführung, grundwasser, rüge, anfang, konzept, erfüllung, verhinderung

OLG Saarbrücken Beschluß vom 23.11.2005, 1 Verg 3/05
Vergabeverfahren: Wertungsfähigkeit eines geringfügig unvollständigen Angebots und
Zulässigkeitsumfang von Aufklärungsverhandlungen
Leitsätze
Zur zulässigen Ergänzung eines in Detailfragen änderungswürdigen Angebots.
Tenor
I. Auf die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der
Beschluss der 3. Vergabekammer des Saarlandes vom 27. Mai 2005 - Az. 3 VK 02/2005 –
dahin abgeändert, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt
zurückgewiesen wird. Die von der Vergabekammer getroffenen Anordnungen werden
aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts durch
den Antragsgegner und die Beigeladene im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren
notwendig war.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer
vom 27. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Kosten des
Verfahrens vor der Vergabekammer, jeweils einschließlich der zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der Beigeladenen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Vergabe eines Auftrags
zur Planung und zum Neubau der Kläranlage in.
Der Antragsgegner, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, schrieb als Vergabestelle das
Projekt schlüsselfertige Erstellung einer Kläranlage im April 2004 im nichtoffenen Verfahren
aus; also in einer beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb (§
3a Nr. 1 lit. b, Nr. 3 VOB/A). Die Ausschreibung erfolgte in Form einer
Leistungsbeschreibung mit einem ca. 400 Textseiten umfassenden Leistungsprogramm (§
9 Nr. 10 VOB/A), in das auch Elemente eines Leistungsverzeichnisses aufgenommen
waren.
Von den fünf zur Angebotsabgabe aufgeforderten Teilnehmern des Leistungswettbewerbs
haben vier Bieter fristgerecht zum 16.11.2004 ein Angebot abgegeben, darunter die
Antragstellerin und die Beigeladene.
Nach Eröffnung der Angebote am 16.11.2004 wurde das Angebot der günstigsten
Bieterin, der Fa. U. Anlagenbau, gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A ausgeschlossen.
Danach wandte sich der Antragsgegner mit Schreiben vom 20.12.2004 zwecks Aufklärung
von Unklarheiten in deren Angeboten an die drei verbliebenen Bieter, die Beigeladene, die
Antragstellerin und die Bietergemeinschaft M./P.
Die Antragstellerin wurde zu insgesamt 9 Punkten um Klarstellung bzw. ergänzende
Stellungnahmen gebeten (vgl. Schreiben Bl. 316-343 der Vergabeakte). Auch die
Beigeladene wurde unter Übersendung einer Defizitliste vom 1.12.2004 um Erläuterung
ihres Angebots gebeten. Für vorliegendes Vergabenachprüfungsverfahren sind hierzu nur
die Punkte Messeinrichtungen/Messverfahren (4.8 S. 358-367 LP);
Schlammbehandlungskonzept (Punkt 4.2 sowie 4.6.6.3 ; S. 80,81;97 ; 231 f., 267 LP)
und Wasserhaltungs-, Baugruben- sowie Gründungskonzept (4.4.2 ; S. 147,148 u. 4.5.3.
S. 175 LP) von Bedeutung.
Da das Angebot der Bietergemeinschaft M./P. unter Wirtschaftlichkeitsaspekten deutlich
hinter denen der beiden anderen Bieter zurückblieb und die Bietergemeinschaft mit
Schreiben vom 10.1.2005 auf Probleme bei der Einhaltung der Fristen zur
Leistungserbringung hinwies, wurden deren Angebot im Rahmen der Aufklärung nicht
weiter hinterfragt.
Nachdem die Beigeladene die Bedenken der Vergabestelle durch ihre schriftlichen
Stellungnahmen nicht gänzlich ausräumen konnte, wurde sie mit Schreiben vom
24.1.2005 zu einem Aufklärungsgespräch gebeten, das am 28.1.2005 stattfand.
Mit dem Einladungsschreiben übersandte die Vergabestelle einen 8 Punkte umfassenden
Fragenkatalog. Zu diesen Fragen nahm die Beigeladene am 28.1.2005 schriftlich Stellung.
Der Protokollvermerk über das Aufklärungsgespräch (Bl. 3 - 5 der Vergabeakte 2) enthält
folgende Feststellungen:
Baugrubenkonzeption
Die Erfüllung der Forderung wurde hinreichend erläutert.
Messtechnik
Die Bietergemeinschaft bietet alternativ zu den STIP scan - Messungen zur jeweiligen
Bestimmung von NO3 und CSB sowie für die einzelnen SBR-Becken kostenneutral den
Einsatz von Messungen des Herstellers E. & H. jeweils für die Parameter NO3 und NH4N
an.
Schlammbehandlungskonzept
Die Erfüllung der Forderung wurde hinreichend erläutert.
Am 4.2.2005 unterbreitete das vom Antragsgegner mit der Projektsteuerung "Vergabe"
beauftragte Ingenieurbüro U. K.+ S. GmbH einen Vergabevorschlag . Vorab wurde darauf
hingewiesen, dass alle Angebote in ähnlichem Umfang sachliche Lücken aufweisen, was
wegen der Komplexität der zu erbringenden Leistungen jedoch kaum vermeidbar sei.
Daher seien auch im Detail unvollständige Angebote als wertungsfähig anzusehen.
Nach den Aufklärungsverhandlungen, die auf Seiten der Beigeladenen zu kostenneutralen
Angebotsergänzungen führten, wertete die Vergabestelle deren Angebot mit einer
Angebotssumme von 8.312.328 Euro brutto als das Günstigste. Die Antragstellerin war
mit einer Angebotssumme von 9.143.265,03 Euro brutto zweitgünstigste Bieterin. Bei
Wertung aller Minderpreisangebote aus drei Optionen, welche die Antragstellerin ihrem
Angebot beigefügt hatte, ermäßigte sich deren Angebot auf 9.082.945,03 Euro brutto.
Daraufhin teilte die Vergabestelle den Bietern, die nicht berücksichtigt werden sollten,
gemäß § 13 VgV mit Schreiben vom 9.2.2005 mit, dass sie beabsichtige, der
Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, weil deren Angebot das Wirtschaftlichste sei.
Mit Schreiben vom 14.2.2005 beanstandete die Antragstellerin gegenüber der
Vergabestelle, dass die Beigeladene in den Punkten Gründungs-Wasserhaltungs- und
Baugrubenkonzept sowie im maschinentechnischen Teil ein unvollständiges und nicht in
allen Punkten eindeutiges Angebot vorgelegt habe und sie daher gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1
lit. b VOB/A aus der Wertung auszuschließen sei.
Die Vergabestelle wies die Beanstandungen zurück und teilte der Antragstellerin mit, dass
sie an der Absicht festhalte, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.
Mit Telefax vom 28.2.2005 beantragte die Antragstellerin die Durchführung eines
Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer des Saarlandes mit dem Ziel, dem
Antragsgegner aufzugeben, die Beigeladene von der Wertung auszuschließen.
Zur Begründung ihres Antrages führte die Antragstellerin aus, das ursprüngliche Angebot
der Beigeladenen sei in wesentlichen Teilen unvollständig und nicht eindeutig gewesen,
weshalb es gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A von der Wertung habe ausgeschlossen
werden müssen. Das Wasserhaltungs-Gründungs-Baugrubenkonzept der Beigeladenen
erfülle nicht die Anforderungen des Leistungsprogramms. Die Beigeladene wolle die tief
liegenden Baugruben abgeböscht herstellen. Hierdurch werde in einer nach dem
Leistungsprogramm unzulässigen Weise das Grundwasser in dem durch § 25 SNG
geschützten Bereich abgesenkt. Die unzureichenden Vorkehrungen gegen ein Absenken
des Grundwasserspiegels hätten zur Folge, dass die Beigeladene mit erheblichen
Preisvorteilen habe kalkulieren können. Während das Angebot der Beigeladenen zunächst
keinerlei Verspundung vorgesehen habe, sehe ihr eigenes Angebot eine Sicherung der
gesamten Baugrube durch wasserdichte Spundwände vor. Die Defizite im ursprünglichen
Angebot der Beigeladenen seien so gravierend, dass sie zwingend einen Ausschluss aus
der Wertung zur Folge haben mussten. Es habe sich nicht um technisch unumgängliche
Änderungen der Ausführung geringen Umfangs i.S.v. § 24 Nr. VOB/A gehandelt. Die
Wertung des Angebotes verstoße außerdem gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller
Bieter. Wäre der Antragstellerin bewusst gewesen, dass jede technische Möglichkeit zur
Verhinderung eines Absinkens des Grundwasserspiegels im Rahmen der Wertung
berücksichtigungsfähig ist und dass die Sicherungsvorkehrungen nur so beschaffen sein
mussten, dass die nach § 25 SNG geschützten Flächen nicht beeinträchtigt werden, habe
sie wesentlich günstiger kalkulieren können. Auch in anderen Punkten wie etwa der
Redundanz der Pumpen, dem vorgesehenen Schlammbehandlungskonzept und hinsichtlich
der Messtechnik bleibe das Angebot der Beigeladenen hinter dem Leistungsprogramm
zurück.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. das Vergabeverfahren betreffend die Baumaßnahme Planung und
Bau der Kläranlage nachzuprüfen
2. den Antragsgegner zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen
von der Wertung auszuschließen
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich diesem Antrag angeschlossen und weiter beantragt,
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären.
Die Beigeladene hat argumentiert, ihr Angebot habe in den von der Antragstellerin
beanstandeten Punkten die Vorgaben des Leistungsprogramms erfüllt. Der Antragsgegner
hat die Ansicht vertreten, es habe sich um zulässige Aufklärungsverhandlungen gehandelt,
nach deren Ergebnis das Angebot der Beigeladenen dem Leistungsprogramm genügt habe.
Was die Messeinrichtungen anbelange, habe es zwar gewisser Änderungen gegenüber
dem ursprünglichen Angebot der Beigeladenen bedurft. Diese seien aber technisch
unumgänglich und wegen ihres geringen Umfangs nach § 24 Nr. 3 VOB/A zulässig
gewesen. Aus dem Leistungsprogramm gehe im Übrigen klar hervor, dass nur eine
Beeinträchtigung der grundwassersensiblen, nach § 25 SNG geschützten Flächen durch
geeignete Maßnahmen wie z.B. den wasserdichten Verbau von tief gründenden Bauwerken
zu vermeiden war. Eine entsprechende Sicherung der gesamten Baugrube werde im
Leistungsprogramm nicht gefordert. Die Herstellung einer abgeböschten Baugrube sei nach
dem Leistungsprogramm nicht untersagt. Die Beigeladene hat weiter darauf hingewiesen,
dass eine Grundwasserabsenkung innerhalb der Baugrube schon aus bautechnischen
Gründen erlaubt sein müsse, da ansonsten die Bauwerke nicht herzustellen seien. Die
Beigeladene hat weiter moniert, die Vergaberüge der Antragstellerin vom 14.2.2005 sei
nicht rechtzeitig erfolgt, da ihr die beanstandeten Tatsachen schon länger bekannt
gewesen seien.
Durch Beschluss vom 27. Mai 2005 hat die Vergabekammer dem Antragsgegner unter
Zurückweisung des weiter gehenden Nachprüfungsantrages aufgegeben, die Wertung zur
Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots unter Berücksichtigung ihrer Rechtsauffassung
zu wiederholen und dabei das Angebot der Beigeladenen ohne die unzulässigerweise nach
verhandelte Position "Wasserhaltung, Baugruben- und Gründungskonzept" der Beurteilung
zugrunde zu legen. Die Vergabekammer hat die Entscheidung im Wesentlichen damit
begründet, die Beigeladene habe ihr Wasserhaltungs-, Baugruben- und Gründungskonzept
im Rahmen der Nachverhandlungen insoweit grundlegend geändert, als es nunmehr
Spundwände vorsehe, deren Errichtung Kosten von 300.000 bis 500.000 Euro verursache.
Dies sei für die Antragstellerin insofern von Nachteil, als diese ihrem Angebot einen nach
dem Leistungsprogramm nicht erforderlichen Schutz des gesamten Baufeldes durch
Spundung zugrunde gelegt habe, was Kosten von ca. 800.000 Euro verursache.
Denke man diese Mehrkosten hinweg und berücksichtige man weiter die Kosten der
Angebotsergänzung der Beigeladenen, sei nicht ausgeschlossen, dass das Angebot der
Antragstellerin eine Chance habe, den Zuschlag zu erhalten. Daher sei in diesem Punkt eine
Neubewertung erforderlich. Allerdings habe nur das nach verhandelte und ergänzte
Angebot der Beigeladenen unberücksichtigt zu bleiben. Das Angebot könne in seiner
"Urfassung" in der Wertung verbleiben. Der Antragsgegner müsse daher eine
Neubewertung vornehmen, ob er das Angebot der Beigeladenen auch ohne die
kostenneutral angebotenen Spundwände als dem Leistungsprogramm konform und
zuschlagsfähig ansehe.
Der Beschluss der Vergabekammer ist der Antragstellerin und der Beigeladenen am
30.5.2005 und dem Antragsgegner am 27.5.2005 zugestellt worden. Gegen diesen
Beschluss wenden sich sowohl der Antragsgegner mit seiner am 10.6.2005, als auch die
Antragstellerin und die Beigeladene mit ihren jeweils am 13.6.2005 beim Vergabesenat
eingereichten sofortigen Beschwerden.
Während die Antragstellerin eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin
anstrebt, dass die Beigeladene mit ihrem Angebot ausgeschlossen und dass ihr statt deren
der Zuschlag erteilt wird, verfolgen der Antragsgegner und die Beigeladene mit ihren
Rechtsmitteln das Ziel einer Abänderung der Entscheidung dahin, dass der
Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen wird.
Die Antragstellerin trägt zur Rechtfertigung ihres Rechtsmittels vor, der Vergabekammer
sei zwar zuzustimmen, dass das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen hinsichtlich des
Wasserhaltungskonzepts und der hierzu vorgesehenen technischen Realisierung den
Anforderungen des Leistungsprogramms nicht gerecht werde. Die aus dem zu Recht
bejahten Vergabeverstoß im Hinblick auf den Leistungsprogrammpunkt Wasserhaltung-
/Baugruben-/Gründungskonzept gezogen rechtlichen Schlussfolgerungen seien jedoch
inkonsequent.
Nach dem Leistungsprogramm hätten die SRB - Becken, die Bauwerke 4.5 und 6 die
Fertigteilschachtgruppen, die Bauwerke 7-10 und des Langsandfangs mit
Zwischenpumpwerk sowie die Bauwerke 2 und 3 mit einem wasserdichten Umbau
versehen werden müssen. Dies verursache Kosten, die den in der mündlichen Verhandlung
vor der Vergabekammer genannten Betrag von 300.000 bis 500.000 Euro deutlich
übersteigen. Die Abweichungen des ursprünglichen Angebots der Beigeladenen gegenüber
dem Leistungsprogramm seien so groß, dass deren Angebot infolge Unvollständigkeit
gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 a und b VOB/A von vorne herein von der Wertung auszuschließen
gewesen sei.
Zu Unrecht nehme die Vergabekammer an, dass es sich bei den Ergänzungen des
Angebots der Beigeladenen im Übrigen um nach § 24 Nr. 3 VOB/A zulässige technische
Änderungen geringen Umfangs gehandelt habe. Das Angebot der Beigeladenen sei auch
bezüglich der Messtechnik erheblich hinter den Mindestanforderungen des
Leistungsprogramms zurück geblieben. Während das Leistungsprogramm je Becken drei
kontinuierliche Messeinrichtungen ganz bestimmter Fabrikate für NO 3, CSB und PO4
vorsehe, habe das Angebot der Beigeladenen zunächst für jedes Becken nur eine
gemeinsame Messung mit einem nicht kontinuierlichen Verfahren vorgesehen. Dass die
Beigeladene im Zuge der Nachverhandlungen alternativ die geforderte Messtechnik
entsprechend dem Leistungsprogramm kostenlos anbiete, müsse außer Betracht bleiben,
da die Nachverhandlungen als solche schon nicht zulässig gewesen seien. Die Kammer
habe sich zudem nicht mit der Rüge der Antragstellerin auseinandergesetzt, wonach das
Angebot der Beigeladenen kein vollständiges Gründungskonzept vorsehe und auch aus
diesem Grund nicht wertungsfähig sei.
Die Vergabestelle habe in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer
eingeräumt, dass die Bauteile der Beigeladenen nicht durch Fugen getrennt sind. Dies sei
nach dem Inhalt des Bodengutachtens aber erforderlich, wenn Bauteile in unterschiedlichen
Schichten gegründet werden. Fehle eine Trennung durch Fugen, habe die Beigeladene in
ihrem Angebot alternativ einen umfangreichen und kostenintensiven Bodenaustausch oder
ein Durchgründen der Lockerböden für die SRB - Reaktoren vorsehen müssen, um die
Bauwerke in Schichten annähernd gleicher Tragfähigkeit gründen zu können . Daher könne
der Vergabekammer nicht gefolgt werden, dass nur das im Punkt Wasserhaltungs- und
Baugrubenkonzeption nach verhandelte und ergänzte Angebote der Beigeladenen nicht
berücksichtigungsfähig sei.
Die Antragstellerin beantragt (Bl. 178, 67 d.A.),
1. den Beschluss der Vergabekammer vom 27. Mai 2005
aufzuheben,
2. dem Antragsgegner aufzugeben,
die Beigeladene von der Wertung auszuschließen und der
Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen,
hilfsweise:
dem Antragsgegner aufzugeben über die Vergabe unter Ausschluss
des Angebots der Beigeladenen neu zu entscheiden,
höchst hilfsweise:
dem Antragsgegner aufzugeben, über die Vergabe unter
Aufrechterhaltung der Vorgaben des Spruchs der Vergabekammer
hinaus unter Berücksichtigung der Urfassung des Angebots der
Beigeladenen hinsichtlich der Messeinrichtungen und des
Gründungskonzepts neu zu entscheiden.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen (Bl. 178, 80 d.A.), die sofortige
Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene sind der Ansicht, eine Verletzung der
Antragstellerin in ihren Bieterrechten liege nicht vor. Die Wertung der Angebote sei
rechtsfehlerfrei vorgenommen worden und das Angebot der Beigeladenen sei in der Tat
das Wirtschaftlichste. Soweit das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen in Bezug auf die
Messeinrichtungen vom Leistungsprogramm abweiche, handele es sich nicht um
bedeutsame Defizite. Diese seien im Rahmen der Nachverhandlungen behoben worden
und sie hätten - gemessen am Gesamtauftragsvolumen - zu einem nicht wesentlichen
Preisvorteil in einer Größenordnung von ca. 40.000 Euro geführt. Im Übrigen sei in den
Positionen 4.8.1.10 und 4.8.1.11 auf den Seiten 366/367 der Ausschreibung entgegen der
Darstellung der Antragstellerin keine zwingende Festlegung hinsichtlich von
Messeinrichtungen bestimmter Fabrikate erfolgt. Es würden ausdrücklich Ausführungen
"gleichwertiger Art" zugelassen.
Was den Punkt Wasserhaltungs-/Baugruben -/Gründungskonzept anbelangt, sei zu
kritisieren, dass die Vergabekammer angebliche Äußerungen von Verfahrensbeteiligten in
der mündlichen Verhandlung, auf die sie ihre Entscheidung wesentlich gestützt habe, im
Sachverhalt des angefochtenen Beschlusses unrichtig wiedergebe. Die Vergabekammer
habe die Antragstellerin lediglich gefragt, wie hoch die Aufwendungen für die von ihr
vorgesehenen Verbaumaßnahmen (Spundwände) anzusetzen wären, worauf diese
geantwortet habe, die Kosten würden sich auf ca. 500.000 bis 800.000 Euro belaufen. Die
Beigeladene habe darauf hingewiesen, dass dies in etwa dem Unterschiedsbetrag
zwischen ihrer Angebotssumme und derjenigen der Antragstellerin entspreche. Über die
Kosten für die im Rahmen der Aufklärungsverhandlungen von der Beigeladenen
nachträglich angebotenen Spundwände sei nicht gesprochen worden. Hierbei gehe es um
einen Verbau von 200 qm, der allenfalls Kosten in einer Größenordnung von 5.000 bis
14.000 Euro, nicht aber solche von 500.000 Euro oder mehr verursache. Es sei weder
über die Ausführung der Spundwand als Dichtwand noch über die Kosten einer solchen
Dichtwand geredet worden.
Auf der Grundlage des Bodengutachtens, das durch eine von der Beigeladenen vorgelegte
hydrogeologische Stellungnahme bestätigt worden sei, sei der Antragsgegner bereits im
Rahmen der Wertung der Angebote zur Auffassung gelangt, dass eine Spundwand als
Dichtwand nicht unbedingt erforderlich sei und dass das Angebot der Beigeladenen in
seiner ursprünglichen Fassung die Forderungen der Vergabeunterlagen erfülle. Nur um
wegen des Biotopschutzes letzte Sicherheit zu erlangen, seien der Beigeladenen noch
Fragen zur Aufklärung ihres Angebots gestellt worden. Diese habe die Beigeladene
zufrieden stellend beantwortet. Außerdem habe sie unaufgefordert und kostenneutral
angeboten, eine zusätzliche Spundwand als Dichtwand beim Zwischenpumpwerk des
Langsandfanges und bei der Fertigteilschachtgruppe herzustellen. Das sei aus Sicht des
Antragsgegners erforderlich gewesen, um dem hohen Stellenwert des Biotopschutzes
gerecht zu werten. Das Bestehen auf einer Spundwand als Dichtwand in diesen Bereichen
sei aber nur eine Änderung geringen technischen Umfangs im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A,
denn es führe lediglich zu einer Änderung des Angebotspreises in einer Größenordnung von
ca. 10.000 Euro.
Die Beigeladene trägt vor, es könne keine Rede davon sein, dass sie in ihrem Angebot kein
vollständiges Wasserhaltungs- und Gründungskonzept vorgelegt habe. Die in Nr. 7.2 des
Angebots der Beigeladenen enthaltene Konzeption entspreche den Forderungen des
Leistungsprogramms. Nach der klaren Wortfassung der Ziff. 4.2.2. des
Leistungsprogramms sei eine Absenkung des Grundwasserspiegels nur dort unzulässig
gewesen, wo eine Beeinträchtigung der nach § 25 SNG geschützten, im Lageplan, der
Bestandteil der Ausschreibung war, besonders gekennzeichneten Fläche habe erfolgen
können. Aus dem Leistungsprogramm gehe nicht hervor, dass eine Absenkung des
Grundwasserspiegels im gesamten Bereich des Bauvorhabens nicht zulässig sein soll.
Weder die SBR-Becken noch der Langsandfang mit Zwischenpumpwerk hätten nach den
hydrogeologischen Bedingungen mit einem wasserdichten Verbau versehen werden
müssen. Die Antragstellerin habe das Leistungsprogramm offensichtlich missverstanden,
was aber nicht daran liege, dass dieses unklar formuliert sei. Unrichtig sei ferner die
Sachdarstellung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe in der mündlichen
Verhandlung vor der Vergabekammer eingeräumt, dass die von der Beigeladenen
vorgesehenen Bodenplatten nicht durch Fugen getrennt seien. Ein Bodenaustausch oder
ähnliche Maßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Nach den Hinweisen unter Ziff.
3.1.1 des Leistungsprogramms sei eine detaillierte Darstellung, in der Fugen einzubeziehen
waren, im Angebot nicht vorausgesetzt worden. Nach Seite 46 des Leistungsprogramms
habe es nur einer Erläuterung zur Wasserhaltung, zum Verbau und zum Gründungskonzept
bedurft. Es sei ferner daran zu erinnern, dass es sich um einen Global - Pauschalvertrag
handele mit der Folge, dass etwaige Probleme bei der Detailausführung zu Lasten des
Bieters gehen.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 178, 2 d.A.),
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Abänderung der angefochtenen
Beschlussentscheidung in vollem Umfang zurückzuweisen,
2. die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts durch den Antragsgegner für
notwendig zu erklären.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Abänderung der
Beschlussentscheidung der Vergabekammer insgesamt
zurückzuweisen sowie die Hinzuziehung eines bevollmächtigten
Rechtsanwalts durch sie für notwendig zu erklären (Bl. 55 d.A.).
Der Antragsgegner und die Beigeladene sind der Auffassung, die Vergabekammer gehe
rechtsfehlerhaft davon aus, dass das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen in dem
Punkt Wasserhaltungs- und Baugrubenkonzept hinter den Anforderungen des
Leistungsprogramms zurückbleibe. Zumindest hätten sich die mit der Beigeladenen nach
Öffnung der Gebote geführten Aufklärungsverhandlungen im Rahmen des nach § 24 Nr. 3
VOB/A Zulässigen bewegt.
Es sei unzutreffend, dass die technische Notwendigkeit einer Spundwand nach verhandelt
worden sei. Ziel des Leistungsprogramms sei es nur gewesen, eine Beeinträchtigung der
nach § 25 SNG geschützten Flächen zu vermeiden. Zum Schutz dieser Flächen hätten die
im Angebot der Beigeladenen vorgesehenen Maßnahmen ausgereicht. Nur höchst
vorsorglich habe die Beigeladene im Rahmen der Nachverhandlungen die kostenneutrale
Errichtung von Spundwänden in einer Größenordnung von 200 qm angeboten, was
Mehrkosten von maximal 15.000 Euro verursache.
Auch die weiteren Beanstandungen der Antragstellerin seien nicht gerechtfertigt. Insoweit
verteidigen der Antragsgegner und die Beigeladene die Entscheidung der Vergabekammer.
Mit der Beschwerde rügt die Beigeladene, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß
dem Schreiben des Antragsgegners vom 21.2.2005 erhebliche Defizite aufgewiesen und
dass es in wesentlichen Punkten dem Leistungsprogramm nicht entsprochen habe. Da das
Angebot der Antragstellerin von der Wertung habe ausgeschlossen werden müssen - eine
Auffassung, die der Antragsgegner nicht teilt (Bl. 88 d.A.) - fehle dieser mangels echter
Zuschlagschance bereits die Antragsbefugnis.
Die Antragstellerin beantragt (Bl. 178 d.A.),
die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der
Beigeladenen zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben zur Frage der Vollständigkeit und Wertungsfähigkeit des
ursprünglichen Angebots der Beigeladenen durch Vernehmung der Mitarbeiter L. und B. der
vom Antragsgegner mit der Projektsteuerung "Vergabe" beauftragten Fa. K.+ S. GmbH als
(sachverständige) Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 26.10.2005 (Bl. 179 f.d.A.) verwiesen.
B.
Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerin, des Antragsgegners und der Beigeladenen
sind zulässig (I.). Während das Rechtsmittel der Antragstellerin nicht begründet ist, führen
die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu einer
Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Nachprüfungsantrag der
Antragstellerin unter Aufhebung der von der Vergabekammer getroffenen Anordnungen
insgesamt zurückzuweisen war (II.).
I.
Die sofortigen Beschwerden sind jeweils zulässig. Sie sind gemäß § 116 Abs. 1 GWB
statthaft sowie form - und fristgerecht eingelegt worden (§§ 117 Abs. 1 bis 3; § 116 Abs.
3 S. 1 GWB). Die Beschwerdeführer haben ihre Rechtsmittel innerhalb der Notfrist von
zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer eingelegt; die
Antragstellerin und die Beigeladene, denen der Beschluss am 20.5.2005 zugestellt wurde,
am 13.6.2005 (Bl. 66, 54 d.A.) und der Antragsgegner, dem der Beschluss am 27.5.2005
zugegangen ist, am 10.6.2005 (Bl. 1 d.A.).
Die im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen
für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens liegen vor (§§ 98 bis 100, 102,107
Abs. 1, 108 GWB):
Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr.
3 GWB. Gemäß § 100 Abs. 1 GWB finden die Vorschriften des GWB nur auf solche
öffentlichen Aufträge Anwendung, deren Auftragswerte die durch Rechtsverordnung nach §
127 GWB festgelegten Schwellenwerte erreichen. Der nach § 1 a Nr. 1 Abs. 1 VOB/A; § 2
Nr. 4 VgV für Bauaufträge maßgebliche Schwellenwert beträgt 5 Millionen Euro netto
bezogen auf den Gesamtauftrag. Dieser Wert ist vorliegend mit Blick auf die eingereichten
Angebote erreicht, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen.
Gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 S.2 GWB) ergeben sich
entgegen der Rechtsauffassung der Beigeladenen keine Bedenken. Antragsbefugt ist, wer
ein Interesse an dem Auftrag hat und wer eine konkrete Verletzung in seinen Bieterrechten
und einen hierdurch drohenden Schaden als ernsthaft möglich darlegt. Dies hat die
Antragstellerin getan, in dem sie geltend macht, das ursprüngliche Angebot der
Beigeladenen sei unvollständig gewesen und habe deshalb überhaupt nicht in die Wertung
gelangen dürfen. Als zweit platzierter Bieterin hätte die Antragstellerin, unterstellt die
behauptete Verletzung von Vergabevorschriften läge vor, eine realistische Chance, den
Zuschlag zu erhalten. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Einigkeit, dass bei der
Prüfung der Antragsbefugnis an die Darlegungslast hinsichtlich des drohenden Schadens
kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist. Insbesondere sollen Fragen der Begründetheit
des Nachprüfungsantrages nicht bereits in der Zulässigkeitsstation untersucht werden.
Durch den von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwand, das
Angebot der Antragstellerin sei unvollständig und deshalb nicht wertungsfähig, würde die
Antragsbefugnis der Antragstellerin selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn man die Rüge
als zulässig und nicht nach § 107 Abs. 3 GWB als präkludiert ansieht.
Ohne Erfolg macht die Beigeladene geltend, der Nachprüfungsantrag der Antrag -stellerin
sei unzulässig, weil die Antragstellerin die Beanstandungen nicht "unverzüglich" i.S.d. § 107
Abs. 3 S. 1 GWB erhoben habe. Vergabeverstöße müssen ohne schuldhaftes Zögern (§
121 BGB) gerügt werden, wobei es auf den Zeitpunkt ankommt, an dem der Verstoß
positiv erkannt wurde. Bloße Vermutungen genügen nicht (OLG Düsseldorf IBR 2002, 9).
Die von der Antragstellerin vier Tage nach Erhalt der Mitteilung gemäß § 13 VgV gerügten
Vergabeverstöße betreffen die Wertung der Angebote. Sie waren für die Antragstellerin
erst erkennbar, nachdem ihr das Ergebnis der Wertung mitgeteilt wurde. Da sowohl die
Antragstellerin als auch die Beigeladene vom Antragsgegner um Erläuterungen ihrer
Angebote in mehreren Punkten gebeten wurden und weil der Antragstellerin das Angebot
der Beigeladenen damals im einzelnen nicht bekannt war, konnte sie nicht beurteilen, ob
und inwiefern dieses Angebot hinter dem Leistungsprogramm zurückblieb und welche
Konsequenzen im Hinblick auf die Zuschlagserteilung sich daraus ergeben.
Als Beteiligte am Verfahren vor der Vergabekammer sind die Antragstellerin, der
Antragsgegner und die Beigeladene nach §§ 109, 119 GWB beschwerdeberechtigt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese den Ausschluss der
Beigeladenen aus der Wertung und die Erteilung des Zuschlags an sich selbst anstrebt,
bleibt in der Sache erfolglos. Ein Verstoß gegen Vergabevorschriften, durch den die
Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wird, kann nicht
festgestellt werden. Demgegenüber haben die sofortigen Beschwerden des
Antragsgegners und der Beigeladenen Erfolg. Sie führen zu einer Abänderung der
angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter
Aufhebung der von der Vergabekammer getroffenen Anordnungen insgesamt
zurückzuweisen ist.
Die Antragstellerin macht zwar im Prinzip zu Recht geltend, dass das ursprüngliche
Angebot der Beigeladenen - gleiches gilt auch für ihr eigenes Angebot - die Vorgaben des
Leistungsprogramms nicht absolut vollständig i.S.v. § 21 VOB/A erfüllt hat (1). Der
Umstand, dass Angebote nicht von Anfang an in allen Details den sich aus einem
Leistungsprogramm ergebenden Anforderungen gerecht werden, führt jedoch nicht
zwingend zu einem Wertungsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A. Die Mängel
bzw. Defizite im Angebot der Beigeladenen ließen - wie diejenigen im Angebot der
Antragstellerin - vielmehr Aufklärungsverhandlungen mit beiden Bietern nach § 24 VOB/A
zu. Nach dem Ergebnis der Aufklärungsverhandlungen entsprach das Angebot der
Beigeladenen in jeder Hinsicht dem Leistungsprogramm. Weil es sich um das
Wirtschaftlichste handelt, sieht es die Vergabestelle zu Recht als zuschlagsfähig an (2).
1.
Was die von der Antragstellerin gerügte Unvollständigkeit und die angebliche
Nichtwertbarkeit des ursprünglichen Angebots der Beigeladenen anbelangt, gilt Folgendes:
Im Grundsatz soll ein Vertragsangebot nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A klar, vollständig
und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein. Das Angebot hatte sich im Streitfall an den Vorgaben
des Leistungsprogramms (§ 9 Nr. 10, 11 VOB/A) zu orientieren. Die Vergabestelle hat sich
bei einem komplexen Bauvorhaben wie der Planung und Errichtung einer Kläranlage
zulässigerweise (§ 3a Nr. 3 i.V.m. § 3 Nr. 3 Abs. 2a VOB/A) für das nichtoffene Verfahren
mit vorangestelltem Teilnahmewettbewerb entschieden. Dabei ersetzt das
Leistungsprogramm die Leistungsbeschreibung mit detailliertem Leistungsverzeichnis (§ 9
Nr. 6 VOB/A).
Die Besonderheit der Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm im Gegensatz zum
detaillierten Leistungsverzeichnis besteht darin, dass häufig nur der Zweck bzw. die
Funktion der gewünschten Bauleistung vorgegeben wird, während die konstruktive Lösung
im einzelnen den Bietern obliegt, die insoweit einen gewissen Gestaltungsspielraum haben.
Denkbar und zulässig sind auch Mischformen, bei denen bestimmte Leistungsbereiche
detailliert beschrieben werden.
Die Art der Ausschreibung, insbesondere der Umstand, dass Angebotsgrundlage ein
"Leistungsprogramm" und kein detailliertes Leistungsverzeichnis war sowie die Komplexität
der zu erbringenden Leistungen haben naturgemäß Auswirkungen auf die Frage, ob
einzelne Angebote wegen Unvollständigkeit nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1
und 2 VOB/A von der Wertung auszuschließen und in welchem Umfang
Aufklärungsverhandlungen gemäß § 24 VOB/A zulässig sind.
§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A hat ebenso wie § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A keinen
zwingenden Charakter hat. Sind Verstöße so gering, dass weder der Wettbewerb noch die
Eindeutigkeit des Angebotsinhalts noch das vom Auftraggeber nach dem
Leistungsprogramm Gewollte ernsthaft in Gefahr geraten, besteht kein Anlass, diese
Angebote auszuschließen und es kann eine Abstimmung auf den richtigen Angebotsinhalt
durch die in § 24 VOB/A gegebenen Möglichkeiten erfolgen (Ingenstau/Korbion VOB/A und
B, 14. Aufl. Rz. 8 f.,14 zu § 25 VOB/A ; Heiermann, Riedl, Rusam, a.a.O. Rdn. 5 f. zu § 25
VOB/A).
Die Kriterien für den Ausschluss nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A
überschneiden sich mit denjenigen des § 24 VOB/A dergestalt, dass zwischen beiden
Vorschriften eine Art Wechselwirkung besteht. Darf der Auftraggeber nach § 24 VOB/A mit
dem Bieter verhandeln, fehlt regelmäßig ein zwingender Grund für den Ausschluss.
Nach § 24 VOB/A sind Aufklärungsgespräche mit dem sich aus § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A
ergebenden Inhalt zulässig. Änderungs- und Preisverhandlungen nach Öffnung der
Angebote sind im Allgemeinen unstatthaft (§ 24 Nr. 3 VOB/A). Daraus kann aber nicht
gefolgert werden, dass Änderungen des Leistungsumfangs nach Öffnung der Angebote
schlechthin ausgeschlossen sind. Vielmehr lässt § 24 Nr. 3 VOB/A unter den dort
genannten Voraussetzungen Nachverhandlungen zu, soweit es sich um unumgängliche
technische Änderungen geringen Umfangs und sich daraus ergebende Änderungen der
Preise handelt.
Da es vorliegend um die Vergabe eines komplexen Bauvorhabens geht und weil das
Leistungsprogramm den Bietern erhebliche Freiräume bei der technisch - konstruktiven
Ausgestaltung lässt, liegt es auf der Hand, dass selbst einem sorgfältigen Bieter Fehler bei
der vollständigen Erfassung der über 400 Textseiten umfassenden
Ausschreibungsunterlagen unterlaufen können. Bei praxisnaher Betrachtung wird sich wohl
kaum ein Bieter finden, der alle Positionen des Leistungsprogramms von Anfang an so
vollständig abdeckt, dass keinerlei Defizite festzustellen sind und dass für die Vergabestelle
keine offenen bzw. aufklärungsbedürftigen Fragen bleiben. Diesen Besonderheiten kann
und muss durch einen flexiblen Prüfungsrahmen Rechnung getragen werden. Folge ist,
dass auch im Detail unvollständige Angebote dann in die Wertung aufzunehmen sind, wenn
die Unvollständigkeit des Angebots die Beurteilung seiner Funktionalität durch die
Vergabestelle in keiner Weise beeinträchtigt, seine sachlichen oder preislichen Lücken
lediglich verhältnismäßig geringfügige Details betreffen, die in der kalkulatorischen
Zusammenschau aller abgegebenen Angebote die Wettbewerbsstellung des
entsprechenden Bieters nicht relevant ändern und wenn die Zulassung darüber hinaus
keinen Manipulationen Vorschub leistet (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht; Beschluss
vom 25.5.2002 ; 5 Verg 1/01).
In Anwendung dieser Grundsätze war das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin zwar
im Detail unvollständig, jedoch entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht von
vorne herein von der Wertung auszuschließen. Es entspricht nach dem Ergebnis zulässiger
Aufklärungsverhandlungen in jeder Hinsicht den Anforderungen des Leistungsprogramms
und ist zuschlagsfähig. Wegen der von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen im
Einzelnen gilt Folgendes:
a.
Die Rügen betreffend das im Angebot der Beigeladenen vorgesehene
Schlammbehandlungskonzept, die Reserveeinheiten und die Pumpen, welche die
Vergabekammer mit zutreffenden Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen wird (Ziff. II 2b.; Beschluss S. 18, 19), als nicht gerechtfertigt
angesehen hat, verfolgt die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde nicht weiter. Die
Antragstellerin greift die diesbezüglichen Feststellungen der Vergabekammer in ihrer
Beschwerdebegründung nicht an.
b.
Was den Komplex "Messtechnik" anbelangt, ist der Antragstellerin zwar zuzustimmen,
dass das Angebot der Beigeladenen anfangs nicht in jeder Hinsicht den Vorgaben des
Leistungsprogramms entsprach. Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit der
Vergabekammer (Ziff. II 2a) S. 15-17) davon aus, dass das Angebot dem im
Leistungsprogramm Gewollten im Wesentlichen gerecht wurde. Selbst wenn man anderer
Ansicht wäre, handelt es sich in Anwendung der oben aufgezeigten Grundsätze ähnlich wie
bei den "nach verhandelten" Punkten im Angebot der Antragstellerin um technische
Änderungen vergleichsweise geringen Umfangs, die auf die Wettbewerbsstellung der
Beigeladenen keinen relevanten Einfluss haben und über die nach § 24 VOB/A nach
verhandelt werden durfte.
Zu Unrecht moniert die Antragstellerin, die Beigeladene habe für die PO4-Messungen nicht
das vom Leistungsprogramm geforderte Fabrikat "Dr. Lange" angeboten. Im
Leistungsprogramm ist keine Festlegung auf ein bestimmtes Fabrikat erfolgt. Dort heißt es
unter Ziff. 4.8.1.11 PO4-Messungen wie folgt: "Ausführung wie Fabrikat: Dr. Lange oder
gleichwertige Art".
Richtig ist allerdings, dass das Leistungsprogramm unter dem Punkt 4.8
Messeinrichtungen/Messraumausstattung (Anlage 1 zur Beschlussentscheidung der
Vergabekammer) in der Tabelle für den Bereich "Belebung, SBR" kontinuierliche Messungen
für NO3, CSB und PO4 fordert; und zwar in der Weise, dass je Belebungsbecken eine
Messung mit einer Sonde des Fabrikats STIP scan oder gleichwertiger Art erfolgen soll.
Demgegenüber hat die Beigeladene in ihrem Angebot nur eine Messeinrichtung für die
Parameter NO3, PO4, NH4N für die Gesamtanlage angeboten, wobei in den Einzelbecken
jeweils nur eine Probenahmepumpe zur Beschickung der Messeinrichtungen vorgesehen
war und die Probenahme der PO4 und NO3-Werte abwechselnd aus jedem SBR-Becken
erfolgen sollte. CSB-Messungen fehlen. Auf das im Leistungsprogramm geforderte STIP
scan Verfahren wurde verzichtet.
Grundsätzlich hat ein Bieter ein in jeder Hinsicht ausschreibungskonformes Angebot zu
unterbreiten. Soweit er Bedenken hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit hat, muss er
- falls dies nicht ausdrücklich für unzulässig erklärt wurde (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d. VOB/A) -
Änderungsvorschläge und Nebenangebote unterbreiten, welche die Änderungen
berücksichtigen.
Nun hat die Beigeladene die Abweichungen von den Vorgaben des Leistungsprogramms
unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme der Herstellerin der STIP scan -
Technik, der STIP I. GmbH, vom 17.1.2005 (Bl. 282 der Vergabeakte Band 1)
nachvollziehbar damit begründet, dass das STIP scan - Messverfahren mit dem SBR -
Klärverfahren nicht ohne weiteres kompatibel ist, weil der feste Einbau einer solchen Sonde
in einem SBR-Becken mit schwankendem Wasserspiegel aus den in der angefochtenen
Beschlussentscheidung näher dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von
Wiederholungen verwiesen wird, technisch ungeeignet ist.
Aus diesem Grund hat die Beigeladene abweichend vom Leistungsprogramm ein für den
SBR-Betrieb geeignetes, technisch gleichwertiges Steuerungs- und Überwachungskonzept
vorgeschlagen, das den Einsatz von NH4N-Messungen anstelle von CBS-Messungen
vorsieht. Die Beigeladene konnte in dem Zusammenhang auf eine Referenzliste von
Kläranlagen mit SBR-Verfahren verweisen, in denen das von ihr angebotene Messsystem
erfolgreich installiert worden ist.
Auch wenn das Angebot im Punkt Messtechnik die Vorgaben des Leistungsprogramms
zunächst nicht voll erfüllt haben sollte, kann von einer technischen Änderung
vergleichsweise geringen Umfangs ausgegangen werden, über die nach § 24 Nr. 3 VOB/A
nach verhandelt werden durfte. Der Senat hat zur technischen Problematik den Zeugen B.
gehört. Der Zeuge, ein Maschinenbauingenieur, der bei der Projektsteuererin "Vergabe"
beschäftigt ist, hat erklärt, das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin weiche in der
Messtechnik vom Leistungsprogramm ab. Der Zeuge hat bestätigt, dass die von der
Antragstellerin gegen das STIP scan - Verfahren geltend gemachten Bedenken ernst zu
nehmen sind. Den finanziellen Mehraufwand, den das von der Antragstellerin im Rahmen
der Nachverhandlungen kostenneutral angebotene STIP - scan Verfahren gegenüber der im
ursprünglichen Angebot vorgesehenen Messtechnik mit sich bringt, hat der Zeuge - von der
Antragstellerin unwidersprochen - auf ca. 40.000 - 50.000 Euro veranschlagt. Dieser
Betrag erscheint zunächst nicht unbedeutend. Setzt man ihn aber zum
Gesamtauftragsvolumen und dem Betrag von 770.617 Euro in Bezug, um den das
Angebot der Beigeladenen günstiger ist als das der Antragstellerin, handelt es sich um eine
Angebotslücke, die lediglich ein verhältnismäßig geringfügiges Detail betrifft und die in der
kalkulatorischen Zusammenschau der abgegebenen Angebote die Wettbewerbsstellung
der Bieter nicht maßgeblich ändert. Berücksichtigt man ferner, dass die Beigeladene für die
Abweichung vom Leistungsprogramm nachvollziehbare technische Gründe ins Feld führen
kann, erscheint ihr Bieterverhalten weder in einem unlauteren Licht, noch steht zu
besorgen, dass die Zulassung des nach verhandelten Angebots Manipulationen Vorschub
leistet.
An der Einschätzung, dass das Angebot der Beigeladenen trotz Abweichung gegenüber
dem Leistungsprogramm wertungsfähig ist, vermögen auch die Ausführungen im
Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 12.8.2005 (Bl.
139,140 d.A.) nichts zu ändern.
Dass das nach verhandelte Angebot der Beigeladenen, die sich, falls die Vergabestelle
ungeachtet der von ihr aufgezeigten technischen Bedenken auf der im Leistungsprogramm
vorgesehenen Art der Ausführung bestehen sollte, bereit erklärt hat, das STIP scan -
Verfahren kostenneutral zu installieren und die Messeinrichtungen mit entsprechenden
Geräten auszurüsten, dem Leistungsprogramm gerecht wird, bezweifelt die Antragstellerin
nicht.
c.
Die Rügen betreffend die Vollständigkeit und Wertungsfähigkeit des Gründungs- sowie des
Wasserhaltungs- und Baugrubenkonzepts der Beigeladenen sind im Ergebnis ebenfalls nicht
gerechtfertigt.
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen
sowohl in der planerischen Konzeption des Bauvorhabens, wie auch in der Art der
Gründung der SBR-Becken und hinsichtlich der Maßnahmen zur Verhinderung von
Beeinträchtigungen der nach § 25 SNG geschützten Flächen grundlegend unterscheiden.
Das hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Kostenseite.
aa.
Der Vorwurf, das Gründungskonzept der Beigeladenen bleibe hinter den Anforderungen des
Leistungsprogramms zurück, deren Angebot ignoriere die Vorgaben des Bodengutachtens
der W. G., das Gegenstand der Vergabeunterlagen ist, erweist sich nach den Einsichten,
die der Senat in der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme gewonnen hat, nicht als
begründet.
Das Bodengutachten enthält - soweit für das Nachprüfungsverfahren von Bedeutung -
folgende Feststellungen:
Ziff. 5 " Gründungsmaßnahmen" :
"Generell sollte angestrebt werden, die einzelnen Bauwerke in Schichten annähernd
gleicher Tragfähigkeit, d.h. entweder geschlossen im Lockerboden oder geschlossen im
Festgestein zu gründen.
Ist dies nicht möglich, so kann ein Austausch der Lockerböden bis auf das Festgestein oder
ein Durchgründen der Lockerböden erforderlich werden, um gleiche Gründungsbedingungen
zu schaffen. In unterschiedlichen Schichten gegründete Bauteile sind durch Fugen zu
trennen".
Unter Ziff. 6 " Ausführungsweise" heißt es u.a.:
„Bei freien Böschungen ist im Lockerboden und verwittertem Feld eine Neigung bis zu 60
Grad zulässig, in unverwittertem Fels sind Baugrubenwände unter 80 Grad anzulegen.
Wo es infolge Wasseraustritts zu Aufweichungen von Lockerböden oder mürbem Fels
kommt, kann ein stärkeres Abflachen der Böschungen und das Anbringen eines
Auflastfilters (Hartgesteinschüttung mit einem Geotextil an der Basis) erforderlich werden.
Der Grundwasserspiegel liegt im Mittel bei 238-239 mNN. In den gering durchlässigen
Hanglehnen und Verwitterungstonen ist mit einem geringen Wasserandrang zu rechnen.
Im Festgestein erfolgt der Wasserandrang überwiegend in den Trennflächen. In den
verwitterten Tonsteinen ist i.d.R. eine geringe Wasserwegsamkeit vorhanden mit
Ausnahme des Bereichs, der durch eine geologische Verwerfung beeinflusst ist.
Generell ist eine offene Wasserhaltung mit Hilfe von Ringdrainagen in der Baugrubensohle
und Pumpensümpfen möglich.
In den harten Felslagen, insbesondere in den Sandsteinen und Konglomeraten liegt häufig
eine intensive Klüftung vor. Aus offenen Klüften ist ein konzentrierter Wasserandrang zu
erwarten, der ggfs. separat zu fassen ist.
Die Böschungen sind erosions-, witterungs- und frostempfindlich und daher abzudecken.
Im Lockerboden sind, alternativ zu freien Böschungen, Baugrubenverbauten möglich.
Spundwände können bei Verwendung von ausreichend schweren Profilen und schwerem
Rammgerät etwa bis zu den Endtiefen der Rammsondierungen eingebracht werden.
Die Antragstellerin argumentiert, falls die drei im Entwurf der Beigeladenen vorgesehenen
SBR-Reaktoren in Schichten unterschiedlicher Tragfähigkeit zu bauen wären, wovon nach
Lage der Dinge auszugehen sei, müssten die Bauwerke nach den Vorgaben des
Bodengutachtens durch Fugen getrennt werden. Alternativ müsste ein Austausch der
Lockerböden bis auf das Festgestein bzw. ein Durchgründen der Lockerböden zur
Schaffung gleicher Gründungsbedingungen vorgenommen werden. Maßnahmen wie
Fugentrennungen oder einen Bodenaustausch, die zu erheblichen Mehrkosten führen, sehe
das Angebot der Beigeladenen nicht vor.
Die Antragstellerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Bieter nach dem
Leistungsprogramm nicht verpflichtet waren, mit dem Angebot eine detaillierte
Ausführungsplanung mit einem fertig ausgearbeiteten Tragwerkskonzept vorzulegen. Das
Fehlen von Unterlagen, die laut Ausschreibung von den Bietern gar nicht gefordert werden,
kann keinen Vergabeverstoß begründen.
Dies vorausgeschickt fehlt dem Angebot der Beigeladenen in Bezug auf das
Gründungskonzept auch nicht etwa deshalb die Vollständigkeit und Transparenz, weil die
Beigeladene Mehrkosten, mit denen auf der Grundlage ihrer eigenen Planung und den sich
aus dem Bodengutachten ergebenden Erkenntnissen zwingend zu rechnen war,
kalkulatorisch unberücksichtigt gelassen und sie sich auf diese Weise gegenüber anderen
Bietern unlautere Wettbewerbsvorteile verschafft hätte.
Während das Konzept der Antragstellerin eine Gründung der einzelnen Bauwerke in
Schichten annähernd gleicher Tragfähigkeit und Gründungskosten in einer Größenordnung
von 300.000 Euro vorsieht, sind nach der Planung der Beigeladenen die drei SBR-Becken in
eine einzige Bodenplatte einzubringen. Diese (einheitliche) Boden-platte soll je nach
Tragfähigkeit des Untergrundes unterschiedlich stark bewehrt werden.
Legt man das Konzept der Beigeladenen zugrunde, ergibt sich gemäß den
nachvollziehbaren technischen Ausführungen des Zeugen Dipl. Ing. L. in der mündlichen
Verhandlung vom 26.10.2005 unter Berücksichtigung der aus dem Bodengutachten
ersichtlichen Bodenbeschaffenheit von Anfang an weder die zwingende Notwendigkeit zur
Ausbildung von Trennungsfugen, noch die zur Vornahme eines Bodenaustausches.
Das Bodengutachten legt unter Ziff. 5 lediglich fest, dass in unterschiedlichen Schichten
gegründete Bauteile durch Fugen zu trennen sind. Bei der nach der Planung der
Beigeladenen vorgesehenen Bodenplatte handelt es sich jedoch nicht um verschiedene
Bauwerke, sondern um ein einheitliches Bauteil. Deshalb und weil Schichten
unterschiedlicher Tragfähigkeit unter der Bodenplatte durch unterschiedlich starke
Bewehrungen auszugleichen sind, habe - so der Zeuge Dipl. Ing. L. - aus Sicht der mit der
Projektsteuerung "Vergabe" beauftragten Firma keine Notwendigkeit zur Ausbildung von
Fugen bestanden . Auch an die Eventualität eines Bodenaustausches sei nicht zu denken
gewesen.
Der Einwand der Antragstellerin im nachgereichten Schriftsatz vom 9.11.2005, der Zeuge
habe einen höheren Bewehrungsanteil nicht einfach unterstellen können, weil ihm keine
Statik vorgelegen habe, greift nicht. Die Antragstellerin verkennt wiederum den Unterschied
zwischen einer detaillierten Leistungsbeschreibung und einem Leistungsprogramm. Da in
der Ausschreibung von den Bietern keine Statik gefordert wurde, bestand für die
Vergabestelle auch keine Veranlassung, auf der Vorlage einer solchen zu bestehen.
Die weitere Behauptung, die Vergabestelle akzeptiere damit ungleiche Setzungen bzw. eine
Schiefstellung des Bauwerks, ist unsubstantiiert und nicht begründet, so lange nicht
feststeht, dass ungleiche Setzungen nicht wie von der Beigeladenen beabsichtigt durch
entsprechend höhere Bewehrungsanteile der Bodenplatte verhindert werden können.
Im Übrigen könnte bei Bedarf eine Fugenausbildung noch erfolgen. Dies würde nach
Angaben des Zeugen L. zwar zunächst einen gewissen Mehraufwand bedeuten, könnte
aber zur Folge haben, dass die Bewehrungsaufwendungen entsprechend geringer sind (Bl.
181 d.A.).
bb.
Die Einwendungen hinsichtlich des Wasserhaltungs- und Baugrubenkonzepts der
Beigeladenen sind ebenfalls nicht begründet.
Das Angebot der Antragstellerin sieht für den Bau der Kombibecken 1 und 2 die Herstellung
der gesamten Baugrube mit einer wasserdichten, rundum umschlossenen Spundwand vor.
Die Kosten für den Verbau der die gesamte Baugrube umgebenden Spundwände betragen
laut deren Angebot ca. 770.000 Euro (Punkt 5.1.6.; Bl. 61 des Angebotsordners).
Demgegenüber hat die Beigeladene, die das Projekt mit 3 Rundbecken in
Ortbetonbauweise als 3-straßige SBR-Biologie zur biologischen Reinigung anbietet, unter
Punkt 7.2 ihrer bautechnischen Beschreibung dargelegt, alle Bauwerke sollten in einer
offenen geböschten Baugrube mit einer Neigung von 45 % erstellt werden. Hiervon
ausgenommen sind nur die Ablaufschächte und der Langsandfang (Anlage 6 zum
angefochtenen Beschluss). Unter 7.2.1 hat die Beigeladene dargestellt, dass die
Wasserhaltung zur Ableitung von Tag- und Grundwasser in die Baugruben mittels
Ringdrainage und Pumpensumpf ausgeführt wird, über die das anfallende Wasser durch
zwei zwischengeschaltete Sandfänge in eine anzulegende Versickerungsrigole entlang der
feuchten Bereiche gelangen soll, um zu erreichen, dass die feuchten Gebiete für die Dauer
des Offenstehens der Baugruben ständig feucht gehalten werden.
Das Leistungsprogramm enthält hinsichtlich der Wasserhaltungsarbeiten keine detaillierten
Ausführungsanweisungen. Es legt unter Punkt 4.4.2 lediglich fest, dass eine
Beeinträchtigung der grundwassersensiblen, nach § 25 SNG geschützten Flächen
unbedingt zu vermeiden ist. Weiter heißt es: Eine Absenkung des Grundwasserspiegels ist
nicht zulässig. Letzteres ist durch geeignete Maßnahmen (z.B. durch den wasserdichten
Verbau von tief gründenden Bauwerken) zu realisieren und in die Angebotssumme
einzurechnen.
Unter der Überschrift "Planungsgrundlagen/Allgemeines" findet sich auf Seite 175 des
Leistungsprogramms noch folgender Hinweis:
Um ein Trockenfallen aller feuchten Bereiche, insbesondere der gemäß § 25 SNG
geschützten Fläche, zu vermeiden, sind die Baugruben der tiefer liegenden Bauwerke mit
einem wasserdichten Verbau zu versehen. Auch in der Bauzeit darf das Grundwasser nicht
abgesenkt werden.
Das Leistungsprogramm, das lediglich Mindestanforderungen zur Gewährleistung des
Naturschutzes festschreibt und den Bietern hinsichtlich der Art der technischen Ausführung
erhebliche Freiräume lässt, ist in diesem Punkt eindeutig und genügt entgegen der
Rechtsansicht der Beigeladenen in dem erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung
eingereichten Schriftsatz vom 9.11.2005 den Anforderungen des § 9 Nr. 1 S. 1 VOB/A. Die
Vorschrift hat bieterschützenden Charakter. Sie gilt für alle Arten von
Leistungsbeschreibungen (vgl. Kapellmann/Messerschmidt; VOB/A und B Rdn. 6 zu § 9
VOB/A).
Aus der Perspektive verständiger Bietinteressenten war bei Anlegung eines professionellen
Sorgfaltsmaßstabes ohne "intensive Auslegungsbemühungen" entgegen der Argumentation
der Antragstellerin klar, dass eine Absenkung des Grundwasserspiegels nur in den nach §
25 SNG geschützten Bereichen und nicht etwa im gesamten Bereich der Baugrube
unzulässig war. Nur dort war eine Absenkung des Grundwasserspiegels während der
Bauzeit durch geeignete Sicherungsmaßnahmen wie z.B. den wasserdichten Verbau von
tief gründenden Bauwerken zu vermeiden.
Soweit die Antragstellerin das Leistungsprogramm anders, und zwar dahin verstanden hat,
es fordere eine vollständige Umspundung der gesamten Baugrube, liegt ein
Missverständnis ihrerseits und keine als Vergabeverstoß zu wertende objektive Unklarheit
des Leistungsprogramms vor.
Die im Angebot der Beigeladenen, das für die Positionen Wasserhaltungs- und
Baugrubenkonzept Gesamtkosten von rund 750.000 Euro vorsieht, durch die geplante
Verspundung der gesamten Baugrube bedingten Mehrkosten sind nicht Folge eines
missverständlich oder unklar gefassten Leistungsprogramms und damit auf einen
Vergabeverstoß zurückzuführen. Die Mehrkosten beruhen zum einen auf dem Konzept der
Antragstellerin, das sich in der Gründungstiefe der Bauwerke deutlich von dem der
Beigeladenen unterscheidet. Zum anderen sind sie Folge einer vermeidbaren
Fehlinterpretation des Leistungsprogramms. Mit dem Argument, bei richtigem Verständnis
des Leistungsprogramms habe sie ebenfalls wesentlich günstiger kalkulieren können, ist die
Antragstellerin daher nicht zu hören.
Dies vorausgeschickt ist der Beigeladenen zuzustimmen, dass deren Konzeption, die eine
abgeböschte Baugrube vorsieht, entgegen der Darstellung der Antragstellerin nicht den
Vorgaben des Leistungsprogramms in Verbindung mit dem Bodengutachten widerspricht.
Laut Bodengutachten können die Baugrubenwände frei abgeböscht oder - soweit
erforderlich - mit Hilfe von Spundwänden verbaut werden. Mithin bewegt sich das Angebot
der Beigeladenen grundsätzlich im Rahmen des nach dem Leistungsprogramm Zulässigen.
Diskussionsbedürftig kann folglich nur sein, ob das anfängliche Angebot der Beigeladenen
den sich aus Punkt 4.4.2 des Leistungsprogramms (S. 147) ergebenden Erfordernissen
sowie den Vorgaben S. 175 zur Wasserhaushaltung gerecht wurde; ob also gewährleistet
war, dass eine Beeinträchtigung der nach § 25 SNG geschützten Fläche und eine
Absenkung des Grundwasserspiegels nicht eintritt.
Im ursprünglichen Angebot der Beigeladenen ist ein wasserdichter Verbau von tief
gründenden Bauwerken durch Spundwände nicht vorgesehen, weshalb es in diesem Punkt
unvollständig ist. Das Angebot sieht unter Ziff. 7.2 eine offene Wasserhaltung zur Ableitung
von Tag- und Grundwasser mittels Ringdrainage und Pumpensumpf vor. Die Baugruben
von Bauwerken, deren Sohlen unterhalb des Grundwasserspiegels liegen, sollen nicht mit
einem wasserdichten Verbau versehen, sondern sie sollen offen abgeböscht hergestellt
und ggfs. mit einer Folie abgedeckt werden. Das anfallende Regen- und Schichtwasser soll
nach den Vorstellungen der Beigeladenen in Böschungsfußgräben gefasst und über eine
Ringdrainage und Pumpensumpf über zwei zwischengeschaltete Sandfänge in eine
anzulegende Versickerungsrigole entlang der feuchten Bereiche eingeleitet werden; bzw.,
falls kein Bewässerungsbedarf besteht, direkt in die Vorflut abgeleitet bzw. abgepumpt
werden.
Nach den der Vergabekammer vorgelegten Planungsunterlagen unterschreitet die
Beigeladene bei den SBR-Becken den Grundwasserspiegel der nach § 25 SNG als
Ausgleichsmaßnahme anzunehmenden Flutmulde um 40 cm, beim Langsandfang im
Bereich der Zwischenpumpwerke um 50 cm und bei der Fertigteilschachtgruppe um 4,10
m. Bauwerke, die das Grundwasserniveau der Flutmulde unterschreiten, sind - hierüber
besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten kein Streit - "tief gründend" im Sinne des
Leistungsprogramms.
Das wiederum bedeutet, dass im Angebot geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer
Absenkung des Grundwasserspiegels in den nach § 25 SNG geschützten Bereichen wie
etwa ein wasserdichter Verbau der entsprechenden Bauwerke vorzusehen war. An dieser
Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die karbonischen
Grundwasservorkommen im Bereich der zu errichtenden Kläranlage nach im Auftrag der
Beigeladenen durchgeführten Untersuchungen des Sachverständigen Dr. H. und dessen
mit Schreiben vom 10.1.2005 vorgelegter hydrogeologischer Stellungnahme nur eine
geringe Ergiebigkeit aufweisen, weshalb die auftretenden Wassermengen gering sein
sollen.
Gemäß den Bekundungen des Zeugen Dipl. Ing. L. hat die Beigeladene im Rahmen der
Aufklärungsverhandlungen auf Anforderung der Vergabestelle Geländeschnitte vorgelegt,
welche die exakte Höhenlage der einzelnen Bauwerke und den Stand des
Grundwasserspiegels aufzeigten. Außerdem hat sie Angaben zur voraus -sichtlichen
Bauzeit gemacht. Der Zeuge hat nachvollziehbar verdeutlicht, dass die Bauzeit und die
genaue Höhenlage der einzelnen Bauwerke erheblichen Einfluss darauf haben, in welchem
Umfang eine Absenkung des Grundwasserspiegels zu besorgen ist und damit
Sicherungsmaßnahmen in Form von Spundwänden erforderlichen werden. Da das Konzept
der Beigeladenen anders als das der Antragstellerin nur bei wenigen Bauwerken eine relativ
tiefe Gründung vorsieht, waren nach Einschätzung des Zeugen umfassende Maßnahmen
zum Grundwasserschutz im Sinne einer aufwendigen Verspundung nicht erforderlich (vgl.
Bl. 181 d.A.). Dessen ungeachtet hat die Vergabestelle in Kenntnis der Planung - so der
Zeuge L. - in den Nachverhandlungen darauf bestanden, dass die Beigeladene zur
vollständigen Erfüllung der sich aus dem Leistungsprogramm in Bezug auf die
Wasserhaltung ergebenden Anforderungen über ihr anfängliches Leistungsangebot hinaus
im Bereich des Langsandfanges mit Zwischenpumpwerk und der besonders tief
gründenden Fertigteilschachtgruppe für die Dauer der Offenhaltung der Baugrube die
Einbringung wasserdichter Spundwände anbietet, da nur auf diese Weise ein Absenken des
Grundwasserspiegels in den nach § 25 SNG geschützten Bereichen sicher gewährleistet
war.
Der Senat sieht sich aufgrund der einleuchtenden Ausführungen der Zeugen Dipl. Ing. L.
und B. selbst in der Lage, die für das Nachprüfungsverfahren relevanten technischen
Fragen ohne Einholung von Sachverständigengutachten zu beantworten.
Der Vorwurf der Antragstellerin, die Vergabestelle habe im Rahmen der
Nachverhandlungen mit der Beigeladenen eine Änderung der sich aus dem
Leistungsprogramm ergebenden Anforderungen bezüglich der Wasserhaltungs- bzw.
Baugrubenkonzeption vorgenommen, erweist sich danach als nicht gerechtfertigt. Unter
Gleichbehandlungsgesichtspunkten (§ 97 Abs. 2 GWB) wäre es nicht hinnehmbar, wenn
die Vergabestelle in der Wertungsphase von den Anforderungen des Leistungsprogramms
abgerückt und wenn sie dies nur gegenüber einem Bietinteressenten zum Ausdruck
gebracht hätte. Macht der Auftraggeber von der nach § 24 VOB/A eröffneten Möglichkeit
Gebrauch, nach Öffnung der Angebote technische Detailfragen mit einzelnen Bietern
aufzuklären, so muss er diese Möglichkeit zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen in
gleichem Umfang auch allen anderen Bietern gewähren (Ingenstau/Korbion a.a.O. Rdn. 9
zu § 97 GWB). Wie gesehen hat die Vergabestelle gegenüber der Beigeladenen auf einer
Sicherung der tief gründenden Bauwerke durch Spundwände bestanden. Sie ist insoweit
gerade nicht von den Anforderungen des Leistungsprogramms abgerückt. Da das Angebot
der Antragstellerin in den Punkten Wasserhaltungs- und Baugrubenkonzeption von Anfang
an dem Leistungsprogramm entsprochen hat, bestand aus Sicht der Vergabestelle keine
Veranlassung, mit der Antragsstellerin Aufklärungsverhandlungen hierüber zu führen oder
diese in die Verhandlungen mit der Beigeladenen mit einzubeziehen.
Allerdings unterliegt es nach dem Vorgesagten keinem Zweifel, dass das ursprüngliche
Angebot der Beigeladenen durch die im Rahmen der Nachverhandlungen erklärte
Bereitschaft zur kostenneutralen Anbringung von Spundwänden eine inhaltliche Änderung
bzw. Ergänzung erfahren hat.
Der Senat geht nach dem seiner Beurteilung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand
und dem Ergebnis der Beweisaufnahme anders als die Vergabekammer davon aus, dass
es sich nicht um eine bedeutsame Lücke im Angebot der Beigeladenen handelt, sondern
um eine in der Gesamtschau unwesentliche Änderung.
Die abweichende Einschätzung der Vergabekammer beruht auf der irrigen Annahme, die
Errichtung der von der Beigeladenen nachträglich angebotenen Spundwände verursache
Mehrkosten in einer Größenordnung von 300.000 bis 500.000 Euro (vgl. Beschluss Seite
22 oben; Bl. 33 d.A.). Wäre dem so, müsste von einer grundsätzlichen Änderung von
deren Baugruben- und Wasserhaltungskonzeption ausgegangen werden, die in der
kalkulatorischen Zusammenschau aller abgegeben Angebote die Wettbewerbsstellung der
Beigeladenen in der Tat zum Nachteil der Antragstellerin verändern würde.
Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass die Spundwände im Bereich des tiefer
liegenden Langsandfanges und der Fertigteilschachtgruppe, zu deren Errichtung sich die
Beigeladene für die Dauer der Bauzeit nachträglich bereit erklärt hat, eine Fläche von ca.
200 qm haben und dass deren Herstellung lediglich (Mehr-)Kosten von etwa 15.000 Euro
verursacht.
Der Zeuge L. hat die Kostenschätzung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung als
realistisch bezeichnet und er hat einsichtig dargelegt, dass sich der in der
Beschlussentscheidung der Vergabekammer erwähnte Kostenaufwand von 300.000 bis
500.000 Euro auf die - im Leistungsprogramm nicht geforderte - Umspundung aller
Bauwerke bezieht (Bl. 180 d.A.). Das hat die Antragstellerin, die nicht behauptet, die von
der Beigeladenen zugesagte Errichtung von Spundwänden um den Langsandfang und die
Fertigteilschachtgruppe verursache Mehrkosten in einer Größenordnung von 300.000 bis
500.000 Euro, mit Schriftsatz vom 9.11.2005 ebenfalls bestätigt (Bl. 185 d.A.).
Eine Lücke im Angebot der Beigeladenen, die zu einem Kostennebenaufwand von lediglich
ca. 15.000 Euro führt, ist gemessen am Gesamtleistungsumfang und der Preisdifferenz
zwischen den Angeboten der Beigeladenen und der Antragstellerin marginal. Der
kalkulatorische Vorteil beläuft sich auf nicht einmal 2 Promille der Bruttoauftragssumme der
Beigeladenen. Er macht gerade 2 % des Unterschiedsbetrages zwischen deren Angebot
und dem der Antragstellerin als der nächst günstigsten Bieterin aus.
Auch in der Addition der Defizite, die - lässt man die Mängel im anfänglichen Angebot der
Antragstellerin außer Betracht - Kostenvorteile von insgesamt 60.000 Euro für die
Beigeladene ergeben, fehlt den Angebotslücken die Relevanz und die Eignung, die
Wettbewerbsstellung der Beigeladenen unter Wertungsgesichtspunkten zum Nachteil der
Antragstellerin signifikant zu ändern.
Da die Zulassung des Angebots der Beigeladenen keinen Manipulationen Vorschub leistet
und weil auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen, die deren Bieterverhalten in
einem unlauteren Licht erscheinen lassen, liegt ein Verstoß gegen Vergabevorschriften,
durch den die Antragstellerin in ihren Bieterrechten verletzt wird, nicht vor.
Gerade bei komplexen Ausschreibungen würde eine sehr enge Auslegung der §§ 21, 25
VOB/A ein nicht unerhebliches Missbrauchsrisiko bergen. Die Vergabestelle könnte dadurch
in die Lage versetzen werden, jeden beliebigen Bieter in einem für den Betroffenen bis zur
Einleitung des Nachprüfungsverfahrens intransparenten Verfahren unter Hinweis auf in der
Gesamtschau marginale Unvollständigkeiten von der Wertung auszuschließen (vgl. Saarl.
OLG Beschluss vom 29.5.2002 ; 5 Verg 1/01).
War das Angebot der Beigeladenen bei Anwendung des im Interesse einer sparsamen
Haushaltsführung sowie im wohlverstandenen Interesse der konkurrierenden Bieter
gebotenen flexiblen Prüfungsrahmens wertungsfähig und weist es nach zulässigen
Aufklärungsverhandlungen keine Lücken auf und ist es darüber hinaus unter
Wirtschaftlichkeitsaspekten gegenüber demjenigen der Antragstellerin vorzugswürdig,
kommt es auf die - von der Vergabestelle mit nachvollziehbaren Argumenten bejahte -
Frage der Wertbarkeit des Angebots der Antragstellerin nicht entscheidend an.
Es kann folglich dahinstehen, ob die von der Beigeladenen erst nach Zugang der
Beschlussentscheidung der Vergabekammer mit Schreiben vom 10.6.2005 (Bl. 64, 65
d.A.) gegenüber der Vergabestelle erhobene Rüge in vorliegendem Verfahren zu
berücksichtigen, ob sie nach § 107 Abs. 3 GWB ausgeschlossen ist, weil die Beanstandung
nicht "unverzüglich" erfolgte und ob die Rüge der Sache nach begründet wäre.
Nach alldem war der Beschluss der Vergabekammer vom 27. Mai 2005 auf die sofortigen
Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen dahin abzuändern, dass der
Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Aufhebung der von der Vergabekammer
getroffenen Anordnungen insgesamt zurückzuweisen war. Die sofortige Beschwerde der
Antragstellerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen Beschwerde folgt aus einer
analogen Anwendung der §§ 91, 97 ZPO (vgl. BGHZ 146, 202, 217; Bechthold
Kartellgesetz, 2. Aufl. Rn. 2 zu § 123 GWB). Zu den notwendigen Auslagen des
Antragsgegners und der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren gehören auch die diesen
entstandenen Anwaltskosten (§ 91 ZPO, § 120 Abs. 1 GWB; BGH VergabeR 2004, 201,
208). Auch wenn es hierzu keines besonderen Ausspruches bedurfte, hat der Senat dies
zur Klarstellung in den Beschlusstenor aufgenommen.
Der Senat hält es für sachgerecht, auf Seiten der Vergabestelle die Notwendigkeit der
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren anzuerkennen (§ 128 Abs.
4 S. 3 GWB). Anderes würde nur gelten, wenn lediglich über einfache tatsächliche oder
ohne weiteres zu beantwortende rechtliche Fragen zu entscheiden wäre, wovon im
Streitfall aber nicht auszugehen ist. Entsprechendes gilt für die Beigeladene. Die
Beigeladene hat im Verfahren vor der Vergabekammer Anträge gestellt und sich an dem
Verfahren wesentlich beteiligt.