Urteil des OLG Saarbrücken vom 22.04.2004

OLG Saarbrücken: treu und glauben, schallschutz, gaststätte, konzept, musik, mietvertrag, mietzins, vertragsschluss, einbau, widerklage

OLG Saarbrücken Urteil vom 22.4.2004, 8 U 633/03
Gewerberaummietvertrag: Vertragsauslegung hinsichtlich des erforderlichen Schallschutzes
beim Betrieb einer Gaststätte
Leitsätze
Bei der Auslegung eines Mietvertrages - hier in Bezug auf die Anforderungen an den
Schallschutz bei zum Betrieb einer Gaststätte vermieteten Räumen - sind auch die
Vorstellungen beider Parteien bei Abschluss des Mietvertrages und die zu diesem Zeitpunkt
gegebene beiderseitige Interessenlage zu berücksichtigen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.09.2003 verkündete Grundurteil des
Landgerichts Saarbrücken – 6 O 277/02 – teilweise abgeändert und als Teilurteil wie folgt
neu gefasst:
1. Der auf Herstellung eines Schallschutzes, der den Anforderungen
der Gaststättengeräuschklasse G III entspricht, gerichtete
Widerklageantrag zu 2) wird abgewiesen.
2. Die Entscheidung im Übrigen bleibt vorbehalten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin (wegen der Kosten) durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei
denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Beklagten übersteigt
20.000,00 EUR.
Gründe
A.
Die Parteien schlossen am 17.10.1997 einen Mietvertrag (Bl. 45 – 73) über die in der in
gelegenen Räumlichkeiten zum Betrieb einer „A. G.“- Gaststätte ab 01.04.1998 zu einem
monatlichen Mietzins von 18.800.—DM zzgl. Heiz- und Betriebskostenvorauszahlung von
1.450.—DM jeweils zzgl. MwSt.
Die Beklagte hat die Räumlichkeiten an ihre Franchisenehmerin, die R. Gaststättenbetriebs
GmbH, untervermietet. Diese betreibt dort entsprechend dem von der Beklagten
entwickelten Konzept eine Gaststätte mit einem speziell abgestimmten Musikprogramm.
Der vorhandene Schallschutz reicht für die mit zunehmender Uhrzeit lauter,
rhythmusbetonter und basslastiger werdende Musik nicht aus. Die Lautstärke der Musik
wurde deshalb aufgrund behördlicher Anordnungen durch Einbau eines Limiters auf
Zimmerlautstärke reduziert.
Wegen dieser Mängel zahlte die Beklagte ab Mitte 2001 nur noch einen verminderten
Mietzins, ab März 2002 stellte sie die Zahlungen vollständig ein.
Die Klägerin macht unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen
mit der Klage einen wegen eines auch nach der Gaststättengeräuschklasse G II
mangelhaften Schallschutzes um 10 % geminderten, rückständigen Mietzins für die Zeit
von April 1998 bis August 2001 in Höhe von insgesamt 49.695,50 EUR geltend.
Widerklagend verlangt die Beklagte, die eine Mietzinsminderung von mindestens 50 % für
gerechtfertigt hält, Rückzahlung des von ihr aufgrund des Minderungsrechtes wegen der
vorhandenen Schallschutzmängel zu viel gezahlten Mietzinses in Höhe von insgesamt
197.715,65 EUR sowie Verurteilung der Klägerin zur Herstellung eines Schallschutzes, der
den Anforderungen der Gaststättengeräuschklasse G III entspricht.
Durch das angefochtene „Grundurteil“ ( Bl. 182 - 191 ), auf dessen tatsächliche und
rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 I 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen
wird, hat das Landgericht den Widerklageantrag zu 2), gerichtet auf die Herstellung eines
den Anforderungen der Gaststättengeräuschklasse G III entsprechenden Schallschutzes
dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und sich die Entscheidungen im Übrigen
vorbehalten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die Zurückweisung dieses
Widerklageantrages begehrt. Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht unter unrichtiger
Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages zu dem Ergebnis
gelangt sei, dass sie einen Schallschutz nach der Gaststättengeräuschklasse G III schulde.
Weder der Wortlaut des Mietvertrags noch der seiner Anlagen enthalte exakte Angaben zu
dem erforderlichen Schallschutz, insbesondere keinen Hinweis auf die Einordnung der
Gaststätte in die Gaststättengeräuschklasse G III. Dies habe die Klägerin auch nicht bei
Besichtigung von einzelnen Gaststätten bzw. der Präsentation und näheren Beschreibung
des Gaststättenkonzeptes der Beklagten am 01. und 02. Februar 1993 erkennen können.
Die nachträglich gewonnenen Messergebnisse des Sachverständigen P. könnten zur
Auslegung des vorher geschlossenen Vertrages ebenfalls nicht herangezogen werden.
Auch unter Berücksichtigung der Verkehrssitte könne nicht der Schluss gezogen werden,
dass die Klägerin das Risiko der unklaren Definition der Schallschutzanforderungen zu
tragen habe. Aus dem Umstand, dass die Beklagte von der Klägerin vorher bereits ein
Ladenlokal in der zum Betrieb einer „A. –B.“ angemietet habe, könne ebenfalls kein
Rückschluss auf eine Kenntnis der Klägerin von dem aufgrund der gewünschten Lautstärke
erforderlichen Schallschutz gemäß Gaststättengeräuschklasse G III gezogen werden. Nach
der Interessenlage der Parteien bei Vertragsschluss wäre es Sache der Beklagten
gewesen, für besondere Vorkehrungen hinsichtlich des Schallschutzes Sorge zu tragen,
wenn sie ein jüngeres Publikum ansprechen und dieses lauter beschallen wolle, zumal sie
das Verwendungsrisiko für die gewünschte Konzeption der Gaststätte treffe. Danach
könne nur davon ausgegangen werden, dass die Klägerin für Schallschutzmaßnahmen
einzustehen habe, die sonst für Gaststätten gelten, was lediglich eine Einstufung in die
Gaststättengeräuschklasse G II rechtfertige.
Die Klägerin beantragt (Bl. 201, 202, 276),
unter Aufhebung des Grundurteils des Landgerichts Saarbrücken vom
12.09.2003 die Widerklage auf Herstellung eines Schallschutzes, der
den Anforderungen der Gaststättengeräuschklasse G III entspricht,
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 199, 276),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung unter Wiederholung und
Vertiefung ihrer früheren Argumente entgegen. Der Klägerin sei vor Abschluss des
Mietvertrages das standardisierte „A. G.“ – Konzept mit einem speziell abgestimmten
Musikprogramm in verschiedenen Lautstärke-Kategorien genauestens bekannt gewesen,
weshalb aufgrund der Aufnahme der Bezeichnung „A. G.“ der von der Klägerin gemäß §
535 BGB geschuldete Zustand der Mieträumlichkeiten zwischen den Parteien vertraglich
dahingehend festgelegt worden sei, als er ausdrücklich eine Realisierung des genannten „A.
G.“ – Konzepts voraussetzt bzw. den Betrieb eines nach diesem Konzept ausgerichteten
gastronomischen Betriebs ermöglichen soll. Hierfür spreche auch Punkt 17 (Bl. 68) der als
Anlage Nr. 2 in den Mietvertrag einbezogenen Schnittstellenbeschreibung. Zudem sei die
Klägerin gemäß Punkt 26 (Bl. 71) dieser Schnittstellenbeschreibung verpflichtet,
erforderlich werdende Änderungen der Mieträumlichkeiten infolge behördlicher Auflagen
vorzunehmen, was auch die schallschutzrechtliche Nachrüstung umfasse.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom
14.04.2004 (Bl. 287 – 295) und der Klägerin vom 19.04.2004 (Bl. 296 – 298) sowie auf
die Sitzungsniederschrift vom 25.03.2004 (Bl. 275 – 277) Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.
In der Sache hat sie auch Erfolg, denn die Beklagte hat keinen Anspruch aus § 535 I S. 2
BGB darauf, dass die Klägerin einen der Gaststättengeräuschklasse G III entsprechenden
Schallschutz für die angemietete Gaststättenräumlichkeiten herstellt, denn es lässt sich
dem Mietvertrag weder direkt noch durch Auslegung entnehmen, dass diese
Schallschutzanforderungen als dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechend vereinbart
worden sind.
I. Zwar hat das Landgericht verfahrensfehlerhaft ein Grundurteil nach § 304 ZPO erlassen,
obwohl dessen Voraussetzungen in Bezug auf den Widerklageantrag zu 2) nicht vorliegen,
denn es handelt sich nicht um einen auf Zahlung einer bezifferten Geldschuld oder auf
Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichteten
Anspruch, der sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach streitig ist (BGH NJW 2000,
1572 ff. zu I.1.b.). Die Klägerin soll vielmehr zur Herstellung eines bestimmten
Schallschutzes verurteilt werden, eine Unterscheidung in Grund und Höhe ist nicht möglich.
Tatsächlich hätte eine Verurteilung entsprechend dem Widerklageantrag zu 2) zur Leistung
erfolgen müssen. Die Verurteilung in der jetzigen Form stellt sich der Sache nach als Teil-
Feststellungsurteil im Sinne des § 256 II ZPO dar, weil die Feststellung der Verpflichtung zur
Herstellung des Schallschutzes der Gaststättengeräuschklasse G III dem Grunde nach
gleichzeitig die Feststellung enthält, dass die Klägerin zur Herstellung verpflichtet ist. Diese
Feststellung hat die Beklagte aber nicht beantragt, so dass das Landgericht eine
Entscheidung entgegen § 308 ZPO erlassen hat. Es kann jedoch letztlich dahingestellt
bleiben, ob sich die Beklagte den vom Landgericht beschiedenen
Zwischenfeststellungsantrag dadurch zu eigen gemacht hat, dass sie auch nach dem
Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung, dass er in dem unzulässigen
„Grundurteil“ ein Teil-Zwischenfeststellungsurteil im Sinne des § 256 II ZPO sieht,
Zurückweisung der Berufung beantragt hat (Thomas-Putzo-Reichold, 24. Aufl. 2002, § 308
Rn. 5; Zöller – Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 304, Rn. 18 a und § 308 Rn. 7; BGH
NJW 1990, 1966 [1968] zu 2.) oder ob in einem solchen Fall eine Umdeutung des
unzulässigen Grundurteils in ein Teil-Zwischenfeststellungsurteil unzulässig ist (so für die
Revisionsinstanz BGH NJW 1984, 2213 [2214] zu 1. a.; BGH NJW 1991, 1048 zu I., wobei
hier eine Klageerweiterung, die sich die Klägerin durch ihren Antrag hätte zu eigen machen
können, aber nicht mehr möglich ist), denn auf diesen Verfahrensmangel - Unzulässigkeit
des erstinstanzlichen Grundurteils – kommt es nicht an, weil der Widerklageantrag zu 2)
unbegründet und deshalb abzuweisen ist.
Hieran ist der Senat auch nicht deshalb gehindert, weil er das erstinstanzliche Urteil in ein
Teilurteil abändern muss, denn der Erlass eines Teilurteils ist im vorliegenden Fall gemäß §
301 ZPO zulässig. Es handelt sich um einen mit der Widerklage geltend gemachten
selbständigen Anspruch, der auch zur Entscheidung reif ist. Es besteht auch nicht die
Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Zwar ist die Entscheidung über den
Widerklageantrag zu 2) präjudiziell sowohl für den Klageantrag als auch für den
Widerklageantrag zu 1), und zwar ebenso, wie es die Entscheidung in Gestalt des
vorstehend erwähnten Teil - Zwischenfeststellungsurteils i. S. v. § 256 II ZPO gewesen
wäre. Gerade im Falle eines solchen Teil – Zwischenfeststellungsurteils i. S. v. § 256 II ZPO
ist aber anerkannt, dass dieses ohne Verstoß gegen § 301 ZPO vor Entscheidung über die
Hauptklage ergehen kann (Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 256 Rdn. 22; BGH in NJW
1955, 587; 1956, 1755; 1961, 75). Ein Entscheidungswiderspruch zwischen der
Teilentscheidung über den Widerklageanspruch zu 2) und den beim Erstgericht
verbliebenen Anträgen zur Klage und zur Widerklage zu 1) kann vorliegend dadurch
vermieden werden, dass der Erstrichter vor Entscheidung über die bei ihm verbliebenen
Anträge die Rechtskraft der Entscheidung zum Widerklageantrag zu 2) abwartet.
II. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe gegen die Klägerin aus dem
Mietvertrag einen Anspruch auf Herstellung eines Schallschutzes, der den Anforderungen
der Gaststättengeräuschklasse G III entspreche. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des
Mietvertrages nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtumstände. Aus
dem Mietvertrag folge, dass die Klägerin die Gaststätte so herrichten sollte, dass darin das
der Klägerin bekannte Konzept „A. G.“ mit seinem speziellen Musikprogramm verwirklicht
werden konnte. Zwar bestreite die Klägerin, dass ihr das Musikkonzept vor Vertragsschluss
dargelegt worden sei. Andererseits habe sie aber selbst eingeräumt, dass sie vor
Vertragsschluss einige „A. G.“ – Gaststätten besichtigt und festgestellt habe, dass die
Musik mittags im Hintergrund laufe, sie aber abends aufgedreht werde. Zum anderen habe
der Vorstand der Klägerin an der Präsentation des Konzepts am 01. und 02. Februar 1993
teilgenommen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das von ihr eingeholte
Schallschutzgutachten berufen, wonach die Gaststätte nur in die
Gaststättengeräuschklasse G II einzuordnen sei. Aus dem Vertrag folge nämlich, dass die
Räumlichkeiten zum Betrieb einer Gaststätte nach dem besonderen Konzept „A. G.“, das
eben das besondere Musikprogramm beinhalte, geeignet sein sollten. Bei Auslegung des
Vertrages nach Treu und Glauben ergebe sich deshalb, dass ein diesem Konzept
entsprechender Schallschutz der Gaststättengeräuschklasse G III von der Klägerin
geschuldet gewesen sei. Es entlaste die Klägerin auch nicht, dass sie vorher das
fehlerhafte Schallschutzgutachten eingeholt habe. Hierfür habe sie nach § 278 BGB
einzustehen, zumal sie dieses der Beklagten nicht bekannt gegeben und diese auf den
unzureichenden Schallschutz nicht habe hinweisen können.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern, denn das Landgericht hat bei seiner
Auslegung die Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages und die zu
diesem Zeitpunkt gegebene beiderseitige Interessenlage nicht ausreichend berücksichtigt
(BGH Urt. vom 15.01.02, XII ZR 31/00, zitiert nach juris m. w. N.; BGH NJW-RR 2003, 584
– 586 zu 2.; BGH NJW-RR 2003, 1053 f. zu II. 2.a. m. w. N.).
Die Beantwortung der Frage, welchen Tauglichkeitsanforderungen die Mieträumlichkeiten
genügen müssen, hängt von den getroffenen Vereinbarungen bzw. der Auslegung des
Mietvertrages nach §§ 133, 157 BGB ab, wobei alle den Parteien erkennbaren Umstände
mit zu berücksichtigen sind. Das führt vorliegend dazu, dass die Klägerin die Räumlichkeiten
mit einem für eine Gaststätte mit Musik erforderlichen Schallschutz der
Gaststättengeräuschklasse G II zur Verfügung stellen muss.
1. Auszugehen ist zunächst von dem Wortlaut des Vertrages als dem objektiv erklärten
Parteiwillen (BGH NJW 2001, 863 – 865 zu II. 2. a. m. w. N.). Dieser enthält keinen Hinweis
darauf, dass von der Klägerin ein besonderer, über den bei Gaststätten üblichen
Schallschutz hinausgehender Schallschutz gewährleistet werden soll. Der formularmäßigen
Aufstellung der dem Mietvertrag als Anlage 2 beigefügten Schnittstellenbeschreibung (Bl.
60 – 71), die sich nur allgemein damit befasst, welche baulichen Voraussetzungen
geschaffen werden müssen, damit die Beklagte eine Gaststätte nach ihren
unterschiedlichen Konzepten betreiben kann, lässt sich unter Punkt 17 (Bl. 68) nur
entnehmen, dass ggf. ein Schallschutzgutachten eingeholt und erforderliche
Schallschutzmaßnahmen von der Klägerin bei Herrichtung der Gaststättenräumlichkeiten
ergriffen werden sollen. Keinesfalls ergibt sich hieraus aber, welche Anforderungen der
Betrieb der Beklagten an den Schallschutz stellt, zumal die formularmäßige Beschreibung
allgemein den Betrieb einer Gaststätte nach unterschiedlichen A. – Konzepten betrifft (vgl.
Bl. 60). Dem entsprechend heißt es im Vorwort zur Schnittstellenbeschreibung (Bl. 60)
auch nur, dass alle aufgeführten Leistungen in einem guten, den Anforderungen der
Gastronomie und des Handwerks entsprechenden Standard ausgeführt werden sollen.
2. Entgegen der Meinung der Beklagten lässt sich auch dem Umstand, dass die
Schnittstellenbeschreibung unter Punkt 17 bei Bedarf die Erstellung eines
Schallschutzgutachtens vorsieht, in Verbindung mit Punkt 6.1.1 der VDI Richtlinie 3726
„Schallschutz bei Gaststätten und Kegelbahnen“ nicht der Hinweis entnehmen, dass eine
nach dem „A.- G.“ – Konzept geführte Gaststätte in die Gaststättengeräuschklassen G III
bzw. G IV einzustufen ist, weil die VDI nur dort vorsieht, dass die Bemessung des
notwendigen Schallschutzes von einem Sachverständigen vorgenommen werden sollte.
Dabei verkennt die Beklagte nämlich, dass bei dieser Vorschrift die Einordnung in die
Gaststättengeräuschklasse G III bzw. G IV bereits feststeht und nur die zur Erreichung des
notwendigen Schallschutzes erforderlichen Maßnahmen von einem Sachverständigen
festgelegt werden sollen. Das lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass immer dann,
wenn ein Sachverständiger für die Bemessung des ausreichenden Schallschutzes
erforderlich ist, eine Einordnung in die Gaststättengeräuschklasse G III oder G IV zu erfolgen
hat. Insbesondere aus dem Umstand, dass die Schnittstellenbeschreibung auch nur „bei
Bedarf“ die Erstellung eines Schallschutzgutachtens vorsieht, aber nicht definiert, wann ein
solcher Bedarf gegeben ist, folgt schon, dass hieraus keine Rückschlüsse auf die
Einordnung des Betriebes in eine Gaststättengeräuschklasse gezogen werden können.
3. Etwas anderes kann auch nicht aus Punkt 26 der Schnittstellenbeschreibung (Bl. 71),
wonach durch behördliche Auflagen erforderlich werdenden Änderungen der Vermieter
trägt, hergeleitet werden. Hierunter fallen nur solche Auflagen, die erfüllt werden müssen,
damit überhaupt der Betrieb einer Gaststätte möglich ist. Ob darüber hinaus auch solche
Auflagen erfüllt werden müssen, die nur aufgrund des in den Räumlichkeiten eröffneten
besonderen Betriebes erforderlich sind, ist eine Frage der vertraglichen Vereinbarung, die
nicht durch die Regelungen der Ziffern 17 und 26 der Schnittstellenbeschreibung
beantwortet wird.
Vorliegend sind der Beklagten bzw. ihrer Untermieterin nur solche Auflagen gemacht
worden, die den Betrieb als Gaststätte an sich nicht betreffen, so dass auch aus Ziffer 26
der Schnittstellenbeschreibung eine Verpflichtung der Klägerin zur Herstellung eines
Schallschutzes der Gaststättengeräuschklasse G III nicht hergeleitet werden kann.
4. Auch die Formulierung im Mietvertrag, dass die Gaststättenräumlichkeiten zum Betrieb
eines gastronomischen Betriebes (A. G.) vermietet werden, besagt zunächst nichts über
die Anforderungen an die baulichen Gegebenheiten der Räumlichkeiten, insbesondere an
den erforderlichen Schallschutz. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der
Mietvertrag nach Treu und Glauben auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Klägerin
einen Schallschutz der Gaststättengeräuschklasse G III schuldete. Selbst wenn der
Klägerin, was sie schließlich auch eingeräumt hat, das Konzept der „A. G.“ Gaststätten
insoweit bekannt war, als dort auch Musik mit je nach Tageszeit zunehmender Lautstärke
gespielt wird, so folgt daraus noch nicht, dass ihr auch klar war, dass diese Musik so laut
ist, dass der Betrieb der Gaststättengeräuschklasse G III zuzuordnen ist. Eine solche
Einordnung wäre, wie sich aus dem im selbständigen Beweisverfahren eingeholten
Gutachten des Sachverständigen P. vom 22.01.01 (Bl. 76 – 99) ergibt, nur möglich
gewesen, wenn der Schalldruckpegel, der dem „System A. G.“ entspricht, vorgegeben
oder jedenfalls verbal umschrieben worden wäre. Solche Hinweise finden sich aber weder
in dem Mietvertrag noch in dessen Anlage. Auch der Sachverständige P. kommt letztlich
nur deshalb zu einer Einordnung der Gaststätte in die Gaststättengeräuschklasse G III, weil
er nach Vorgabe der Lautstärke der Musik, die dort gespielt werden soll, den erreichten
Schalldruckpegel durch Messungen ermittelt hat. Solche Messungen konnten aber erst
nach Einrichtung der Gaststätte durch die Beklagte und damit nach Abschluss des
Mietvertrages angestellt werden. Sie können deshalb keine Berücksichtigung bei Auslegung
der Vereinbarungen der Parteien finden (BGH NJW 2001, 863 – 865 zu II. 2. a. cc.).
5. Es ist auch nicht erwiesen, dass die Klägerin aufgrund des Besuches von mehreren nach
dem Konzept A. G. betriebenen Gaststätten den erforderlichen Schallschutz vom Gehör
her hätte einschätzen können. Selbst der Sachverständige hat die richtige
Gaststättengeräuschklasse erst dadurch herausgefunden, dass er Messungen angestellt
hat.
6. Der Klägerin waren die Anforderungen an den Schallschutz aufgrund der mit dem
Konzept verbundenen Lautstärke auch nicht deshalb geläufig, weil sie der Beklagten bereits
vorher ein Ladenlokal in der in zum Betrieb einer Gaststätte vermietet hat. Unstreitig wird
dieses nach dem Konzept einer „B.“ betrieben, bei der nur leise Hintergrundmusik gespielt
wird. Insoweit wurden keine besonderen Anforderungen an den Schallschutz gestellt, die
Gaststätte kann auch ohne Probleme betrieben werden. Im Hinblick darauf, dass die
Mietvertragsvereinbarungen für beide Ladenlokale einen ähnlichen Wortlaut haben und
insbesondere auch eine gleichlautende Schnittstellenbeschreibung zum
Vertragsgegenstand gemacht wurde, war für die Klägerin auch nicht erkennbar, dass das
beabsichtigte Konzept „A. G.“ weitergehende Anforderungen an den Schallschutz stellt.
7. Ausgehend von dem Umstand, dass die Klägerin zwar Kenntnis davon hatte, dass in der
Gaststätte auch Musik gespielt werden sollte, die vertraglichen Vereinbarungen aber keine
besonderen Anforderungen an den Schallschutz enthalten, kann der Vertrag auch unter
Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien bei Vertragsschluss nur so verstanden
werden, dass die Klägerin einen einer normalen Gaststätte mit Musik, die der
Gaststättengeräuschklasse G II unterfällt, entsprechenden Schallschutz gewährleisten
sollte.
Die Klägerin ist, was auch der Beklagten bekannt war, selbst nur Mieterin der
Gaststättenräumlichkeiten, so dass sich für sie Investitionen in die Räume in erheblichem
Umfang nur dann rechnen, wenn die vereinnahmte Miete entsprechend höher ausfällt.
Ausgehend hiervon sind die von der Klägerin vorgenommenen Investitionen zur Herrichtung
der Räumlichkeiten mit all den besonderen Ausstattungswünschen der Beklagten schon
erheblich gewesen, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die vereinbarte Miete
angemessen ist. Soweit die Beklagte hier einwendet, dass sie für ihre sonstigen
Ladenlokale erheblich weniger Miete zahlen muss, so ist dies wenig aussagekräftig.
Entscheidend hätte sie hier vielmehr darauf abstellen müssen, dass es sich auch für den
Raum um einen erheblich über dem Durchschnitt liegenden Mietzins handelt. Hiervon kann
aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte selbst die Gaststätte zu
einem erheblich höheren Mietzins weiter vermietet hat, ohne dass sie selbst irgendwelche,
einen höheren Mietzins rechtfertigende Investitionen vorgenommen hat. Bei dieser
Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin einen über die
Standardanforderungen an eine Gaststätte hinausreichenden Schallschutz gewährleisten
wollte, der mit weiteren erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden gewesen wäre.
Wie sich aus der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung K. vom 16.07.2003 (Bl. 211 –
218) ergibt, belaufen sich die Kosten für die Herstellung eines der
Gaststättengeräuschklasse G III entsprechenden Schallschutzes bei Beibehaltung der
vorhandenen Mietsituation im 1. Obergeschoss auf 310.000,00 EUR. Dass die Herstellung
dieses Schallschutzes vor Bezug der Räume durch die Beklagte bzw. ihre Untermieterin
erheblich billiger gewesen wäre, behauptet keine Partei. Hiervon kann auch nicht
ausgegangen werden. Von daher liegt es fern anzunehmen, dass die Klägerin bei Abschluss
des Mietvertrages das für sie nicht kalkulierbare Risiko eingehen wollte, für einen ihr nicht
bekannten und auch nicht näher beschriebenen Schallschutz der Räumlichkeiten einstehen
zu wollen, der sich letztlich erst nach Inbetriebnahme der Gaststättenräumlichkeiten hätte
ermitteln lassen.
Demgegenüber wusste die Beklagte genau, welche Vorgaben in Bezug auf die
Anforderungen an den Schallschutz hätten gemacht werden müssen, um das von ihr
aufgestellte Konzept verwirklichen zu können. Sie verfügt über die Erfahrung aus anderen
von ihr oder in ihrem Auftrag betriebenen Gaststätten und hätte genau vorgeben können,
welchem Lärmpegel die Räumlichkeiten gewachsen sein müssen. Stattdessen beschränkt
sie sich auf allgemein formulierte Hinweise in der von ihr vorgelegten und zum
Vertragsgegenstand gemachten Schnittstellenbeschreibung, wie auf den Einbau von
Schallschluckwänden und –decken sowie von Phonstopverglasung, die zwar darauf
hindeuten, dass von dem Betrieb der Gaststätte Lärm ausgeht, die aber keinerlei Hinweis
auf das Maß des Lärms enthalten. Vielmehr sind, wie der Sachverständige P. auf Seite 22
seines Gutachtens vom 22.01.01 (Bl. 97 der BA) ausgeführt hat, die dort vorgesehenen
Schallschluckwände und –decken in Fällen elektroakustischer Beschallung nicht geeignet,
einen ausreichenden Lärmschutz herbeizuführen. Dem entsprechen auch die Angaben des
von der Klägerin hinzugezogenen Schallschutzexperten Sch. in seiner Stellungnahme vom
19.10.1999 (Bl. 259), wonach der Einbau solcher Schallschluckwände und –decken nach
der VDI Richtlinie 3726 eindeutig bei Gaststätten der Gaststättengeräuschklasse G II
gefordert werde, so dass hier ohne nähere Angaben zum Schallpegel nicht von besonderen
Anforderungen an den Schallschutz ausgegangen werden kann. Insoweit wird zwar auf die
ggf. notwendige Einholung eines Schallschutzgutachtens verwiesen. Ein solches soll aber
nur die konkret erforderlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung der bestehenden
Bausubstanz festlegen, wenn entweder klare Vorgaben bestehen, welcher Schallschutz
eingehalten werden muss, oder wenn feststeht, welcher Lärmpegel in der Gaststätte
herrscht. Nur dann kann festgestellt werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den
angemessenen Schallschutz herzustellen. Davon, dass durch ein einzuholendes Gutachten
erst festgestellt werden soll, welche Anforderungen der Betrieb der Gaststätte an den
Schallschutz stellt, kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil in den
Schallschutz stellt, kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil in den
Räumlichkeiten bei Abschluss des Mietvertrages noch keine Musikanlage vorhanden war,
die eine solche Feststellung vor Vertragsschluss zugelassen hätte. Der Verweis auf das
„bei Bedarf„ einzuholende Schallschutzgutachten ist deshalb nicht geeignet, die Beklagte
von ihrer Verpflichtung zu klaren Vorgaben zu entlasten.
Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen
dahingehend, dass die Klägerin einen Schallschutz der Gaststättengeräuschklasse G III zu
gewährleisten hat, begünstigt daher einseitig die Beklagte, ohne dass dem eine
entsprechende Gegenleistung auf Seiten der Klägerin gegenübersteht.
Danach würde das Risiko, dass sich das Konzept der Beklagten in den angemieteten
Räumlichkeiten nur mit einem erheblichen Aufwand verwirklichen lässt, allein der Klägerin
aufgebürdet, die dieses Risiko mangels konkreter Angaben der Beklagten aber überhaupt
nicht einschätzen kann. Damit würde der Klägerin – ohne ausdrückliche vertragliche
Vereinbarung – das grundsätzlich den Mieter treffende Verwendungsrisiko, d. h. das Risiko,
dass sich das von ihm beabsichtigte Konzept in den angemieteten Räumlichkeiten auch
verwirklichen lässt, auferlegt. Dies weicht so weit von dem gesetzlichen Leitbild ab, dass
dies einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf. Keinesfalls kann dies
aus den – möglicherweise – bewusst unklar gehaltenen Formulierungen des Mietvertrages
nebst Anlagen herausgelesen werden.
Danach war von der Klägerin vertraglich nur ein für Gaststätten mit Musik üblicher
Schallschutz der Gaststättengeräuschklasse G II geschuldet mit der Folge, dass der
Widerklageantrag zu 2) abzuweisen war.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§
542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Ausspruch zur Beschwer
erfolgte im Hinblick auf die §§ 544 ZPO, 26 Ziffer 8 EGZPO.