Urteil des OLG Saarbrücken vom 04.09.2003

OLG Saarbrücken: aufrechnung, wartungsvertrag, unverzüglich, abtretung, vergütung, minderung, schlechterfüllung, vorlegung, werkvertrag, schuldbeitritt

OLG Saarbrücken Urteil vom 4.9.2003, 8 U 65/03; 8 U 65/03 - 17
Unwirksamkeit der Aufrechnung: Zurückweisung durch den Schuldner wegen Nichtvorlage
einer Abtretungsurkunde
Leitsätze
Eine Aufrechnung ist unwirksam, wenn sie ohne Vorlage einer Abtretungsurkunde erfolgt
und vom Schuldner aus diesem Grund zurückgewiesen wird
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.12.2002 verkündete Urteil des
Landgerichts Saarbrücken - 16 O 220/02 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.
Gründe
A.
Bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 77 - 85) Bezug genommen, § 540 I 1
Nr. 1 ZPO.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, nachdem das
Landgericht sie aufgrund Eintritts in den zwischen der Klägerin und der Hausverwaltungs
GmbH, als deren Nachfolgerin die Beklagte mit Vertrag vom 22.06.1998 (Bl. 15 - 17) die
Hausverwaltung übernommen hatte, geschlossenen Wartungsvertrag vom 29.03.1996
(Bl. 4, 5) zur Zahlung der vereinbarten Vergütung für 1999 und 2000 in Höhe von
11.438,26 EUR verurteilt hatte. Sie macht geltend, das Landgericht habe unter Verletzung
des § 139 ZPO den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt, denn es hätte auf Vorlage
der Abtretungsurkunde hinwirken oder diese selbst anfordern müssen. Der angebotene
Zeugenbeweis für die Abtretung hätte unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des §
410 BGB erhoben werden müssen.
Schließlich sei § 410 BGB schon vom Schutzzweck her nicht einschlägig. Ebenso wenig
lägen dessen tatbestandlichen Voraussetzungen vor, da die Vorlage der Abtretungsurkunde
von der Klägerin nicht verlangt worden sei. Den Schadensersatzanspruch habe sie
hinreichend konkret vorgetragen und ausreichend unter Beweis gestellt.
Das Landgericht habe die Erklärungen der Beklagten auch rechtsfehlerhaft als Schuldbeitritt
ausgelegt. Sie habe die Rechnungen in ihrer Eigenschaft als Hausverwalter geprüft, aber
keinen Rechtsbindungswillen in Bezug auf einen Schuldbeitritt gehabt. Bereits im ersten
Schreiben vom 30.10.98 (Bl. 33) habe sie ausdrücklich angezeigt, dass sie
Hausverwalterin des betreffenden Objektes sei. Es sei auch kein Grund erkennbar, warum
sie eine eigene Verpflichtung hätte auf sich nehmen sollen oder wollen. Ebenso habe schon
die Hausverwaltungs GmbH keinen eigenen Vertrag abgeschlossen, sondern habe lediglich
in Vertretung und mit Vollmacht für die Eigentümergemeinschaft gehandelt.
Letztlich habe das Landgericht auch wesentlichen Vortrag der Beklagten unberücksichtigt
gelassen, denn es sei erstinstanzlich bereits vorgetragen worden, dass der Klägerin die
Vergütung wegen Schlechtleistung nicht zustehe.
Abschließend bleibe die Zuständigkeitsrüge aufrecht erhalten. Mangels vertraglicher
Beziehungen liege eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht vor.
Die Beklagte beantragt (Bl. 106, 140),
das am 19.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 220/02 -
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (Bl. 104, 140),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2003 (Bl. 139 - 140)
sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 21.08.2003 (Bl. 141 -
142) Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht
weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach §
529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
1. Soweit die Beklagte ihre Berufung auf die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts
stützt, ist sie hiermit gemäß § 513 II ZPO ausgeschlossen.
2. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte im
eigenen Namen dem ursprünglich zwischen der Hausverwaltungs GmbH und der Klägerin
geschlossenen Wartungsvertrag vom 29.03.1996 (Bl. 4, 5) beigetreten ist, wobei der
Erstrichter zu diesem Ergebnis durch Auslegung der Erklärungen der Parteien, insbesondere
der Beklagten gelangt ist. Dies ist in der Berufung nur noch begrenzt nachprüfbar, denn die
Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist grundsätzlich dem Bereich der
Tatsachenfeststellung zuzurechnen. Die Kontrolle auf Rechtsfehler hat sich deshalb darauf
zu beschränken, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob
gesetzliche Auslegungsvorschriften (§§ 133, 157 BGB) oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob
die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 529 Rn.
5). Solche Verstöße liegen nicht vor und werden von der Berufungsbegründung auch nicht
aufgezeigt.
a. Zwar ist es richtig, dass die Beklagte als Hausverwalterin die Rechnungen betreffend die
Wartung der Heizungsanlage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hat. Das bedeutet aber
nicht, dass sie es unwidersprochen hinnehmen muss, wenn die Rechnung auf sie und nicht
auf die Eigentümergemeinschaft ausgestellt wird. Vielmehr wäre es in ihrem Interesse
gewesen, der Rechnungsstellung zu widersprechen, wenn sie nicht selbst verpflichtet
werden wollte. Schließlich war ihr ja auch der Inhalt des zwischen der Hausverwaltungs
GmbH und der Klägerin geschlossenen Wartungsvertrags vom 29.03.1996 bekannt, wie
sich aus ihrem Kündigungsschreiben vom 04.07.2000 (Bl. 7) ergibt. Aufgrund dieses
Inhaltes war für die Beklagte erkennbar, dass der Vertrag eine Eigenverpflichtung der
Hausverwaltungs GmbH beinhaltet, weshalb sie einer auf sie lautenden Rechnung erst
recht hätte widersprechen müssen, wenn sie diesem eine Eigenverpflichtung
begründenden Vertrag nicht beitreten wollte. Dass ein solcher Widerspruch nicht erfolgt ist,
hat seinen Grund ersichtlich in dem mit der Eigentümergemeinschaft geschlossenen
Hausverwaltervertrag der Beklagten vom 22.06.1998, denn nach dessen Ziff. 1.2. (Bl. 15
R.) war diese verpflichtet, bestehende Wartungsverträge zu übernehmen. Diese Regelung
macht nur dann einen Sinn, wenn damit eine Eigenverpflichtung der Beklagten begründet
werden soll.
b. Aufgrund dieses fehlenden Widerspruchs und der weiter von der Beklagten abgegebenen
Erklärungen konnte und durfte die Klägerin - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat
- davon ausgehen, dass die Beklagte als neue Hausverwaltung in eigenem Namen in den
bestehenden Wartungsvertrag eintreten wollte. Dem steht auch nicht entgegen, dass der
Wartungsvertrag ein jährliches Volumen von 10.000,00 DM beinhaltet, denn die Höhe des
Betrages ist auch abhängig von der Größe des verwalteten Objektes. Hier hat die Klägerin
unwidersprochen vorgetragen, dass es sich um ein großes Objekt mit einer Vielzahl von
Wohnungen und Gewerberäumen handelt, so dass der in Rechnung gestellte Betrag
durchaus angemessen ist und sich im Rahmen der üblichen Instandhaltungskosten bewegt.
Eine Eigenverpflichtung der Hausverwaltung war deshalb aus der gemäß § 133 BGB
maßgeblichen Sicht der Klägerin auch nicht unüblich, zumal der ursprüngliche
Wartungsvertrag mit der Hausverwaltungs GmbH von dieser ebenfalls im eigenen Namen
als Eigengeschäft geschlossen worden war (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 885
[886]).
Soweit die Beklagte nunmehr in Abrede stellt, dass der ursprüngliche Wartungsvertrag
zwischen der Hausverwaltungs GmbH und der Klägerin als Eigengeschäft der
Hausverwaltung abgeschlossen wurde, ist dies unbeachtlich, weil im unstreitigen
Tatbestand der angefochtenen Entscheidung festgehalten ist, dass der Vertrag zwischen
diesen Parteien geschlossen wurde und in den Entscheidungsgründen (S. 6, 7 des Urteils,
Bl. 82, 83) ausgeführt wird, dass "die vormalige Hausverwalterin Wartungsarbeiten in
Eigenregie vergeben", d.h. als Eigengeschäft abgeschlossen hatte. Insoweit enthalten die
Entscheidungsgründe tatbestandliche Feststellungen, die mangels entsprechender
Berichtigung i.S. v. § 320 ZPO für den Senat gemäß § 314 ZPO verbindlich sind.
3. Ohne Rechts- und Verfahrensfehler ist der Erstrichter auch zu dem Ergebnis gelangt,
dass der Aufrechnung mit einem der Beklagten von der Hauseigentümergemeinschaft
abgetretenen Schadensersatzanspruch § 410 I 2 BGB a.F. entgegensteht.
Nach der Entscheidung des BGH (BGHZ 26, 241 [246 ff.]) ist zwar nicht § 410 I 1 BGB
a.F., wonach der Schuldner nur gegen Vorlage einer Abtretungsurkunde zur Leistung
verpflichtet ist, auf die Aufrechnung mit einer abgetretenen Forderung anwendbar mit der
Folge, dass die Aufrechnung auch ohne Vorlage einer Abtretungsurkunde wirksam ist, ihr
jedenfalls nicht eine Einrede im Sinne des § 390 S.1 BGB a.F. entgegensteht. Zutreffend
und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH ist der Erstrichter aber davon
ausgegangen, dass § 410 I S. 2 BGB a.F., wonach die Kündigung oder Mahnung des neuen
Gläubigers unwirksam ist, wenn sie ohne Vorlegung der Abtretungsurkunde erfolgt und der
Schuldner sie aus diesem Grund unverzüglich zurückweist, auf den Fall der Aufrechnung
entsprechend anwendbar ist. Sinn dieser Regelung ist es, für beide Teile Klarheit darüber
zu schaffen, ob die erklärte Aufrechnung wirksam ist oder nicht. Deshalb tritt die
Aufrechnungswirkung dann nicht ein, wenn der Empfänger der Aufrechnungserklärung die
Vorlegung der Urkunde fordert und, falls diese nicht erfolgt, die Abtretungserklärung
unverzüglich unter Hinweis auf die Nichtvorlegung der Abtretungsurkunde zurückweist.
Vorliegend hat, wie der Erstrichter festgestellt hat, die Beklagte mit Schriftsatz vom
13.11.2002 erstmals die Aufrechnung mit abgetretenen Ansprüchen erklärt, ohne die
Abtretungserklärung vorzulegen (dort S. 4, Bl. 56). Dem ist die Klägerin unverzüglich,
nämlich mit Schriftsatz vom 20.11.2002 (dort Seite 3, Bl. 64) entgegengetreten und hat
darauf hingewiesen, dass sie auf Vorlage der Abtretungsurkunde bestehe und ansonsten
die aus § 410 I BGB a.F. folgenden Rechte geltend machen wolle. Damit war für die
Beklagte klargestellt, dass die Klägerin einen Nachweis der Abtretung durch Vorlage der
Abtretungserklärung verlangt. Die Vorlage hatte sie in ihrem Schriftsatz vom 13.11.02
(dort Seite 4, Bl. 56) selbst angeboten. Trotz eines ihr eingeräumten Schriftsatznachlasses
hat die Beklagte die Abtretungserklärung aber nicht vorgelegt, so dass die
Aufrechnungswirkung nicht eingetreten ist. Auf die als weiteres Beweismittel angebotene
Zeugenvernehmung musste deshalb nicht mehr erkannt werden.
Der Erstrichter hat mit seiner Entscheidung auch nicht gegen eine aus § 139 ZPO folgende
Hinweispflicht verstoßen. Es war ja gerade zwischen den Parteien streitig, ob die Abtretung
wirksam ist oder nicht. Zur Klärung dieser Situation hat die Klägerin die Vorlage der
Abtretungsurkunde verlangt und auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus § 410 I BGB
a.F. hingewiesen. In dieser Situation ist es Sache der anwaltlich vertretenen Partei, selbst
zu entscheiden, welche Schritte sie veranlassen will und ggf. - wie für den Bestreitensfall
angekündigt - die Abtretungsurkunde vorzulegen.
4. Der Erstrichter hat auch nicht dadurch das (Verfahrens-) Recht verletzt, dass er
wesentlichen Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat.
Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.11.02 (dort Seite 3/4, Bl. 55 f.)
vorgetragen, die Klägerin habe die Wartungsleistung nur mangelhaft ausgeführt, weshalb
ihr der geltend gemachte Vergütungsanspruch dem Grunde nach schon nicht zustehe.
Diesen Vortrag hat der Erstrichter zutreffend unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen
Schadensersatzansprüche geprüft und mit der zutreffenden Begründung verneint, dass die
Beklagte einen eigenen Schaden nicht schlüssig dargelegt habe.
Soweit die Beklagte nunmehr meint, dass sie wegen der Schlechterfüllung des
Wartungsvertrages zur Minderung der der Klägerin zustehenden Vergütung befugt sei, fehlt
es an einer Anspruchsgrundlage, wobei letztlich dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei
dem Wartungsvertrag um einen Dienst- oder Werkvertrag handelt.
Bei einem Werkvertrag kann Minderung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 633,
634 BGB verlangt werden. Diese hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sollte es sich
dagegen um einen Dienstvertrag handeln, bestehen wegen der behaupteten
Schlechterfüllung der Dienstleistung keine Ansprüche auf Minderung des Arbeitslohns, da es
an einer entsprechenden Regelung fehlt.
Danach war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit
aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Ziffer 8 EG-ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da es entgegen der Meinung der Beklagten an den
erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. Abs. 2
Satz 1 ZPO). Der Wert der Beschwer der Beklagten wurde im Hinblick auf § 26 Ziffer 8 EG-
ZPO festgesetzt.