Urteil des OLG Saarbrücken vom 09.05.2006

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OLG Saarbrücken Urteil vom 9.5.2006, 4 U 175/05 - 114
Abbrechen eines durchgerosteten Geländers auf einem Schulgelände:
Verkehrssicherungspflichten des öffentlichen Sachherrn; Pflichten des Eigentümers alter
Bauwerke; Pflichten bei Verzicht auf Korrosionsschutz
Leitsätze
a. Die Wahrung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Sachen ist
dem privatrechtlichen Tätigkeitsbereich des öffentlichen Sachherrn zuzurechnen.
b. Es besteht weder nach dem privaten Deliktsrecht noch nach dem öffentlichen Baurecht
eine generelle Pflicht des Eigentümers, alte Bauwerke an den jeweils geltenden Standard
anzupassen.
c. Verzichtet ein Verkehrssicherungspflichtiger bei einem Geländer auf Korrosionsschutz, so
muss er durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherstellen, dass bereits der Beginn von
Korrosionsschutz sofort entdeckt wird.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom
09.03.2005 (AZ: 4 O 142/04) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I)
Die Parteien streiten um einen Anspruch des – zum Unfallzeitpunkt noch minderjährigen -
Klägers gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld, nachdem der Kläger vom Dach einer im
Eigentum der Beklagten stehenden Garage gestürzt ist.
Der in erster Instanz noch streitige Sachverhalt ist in zweiter Instanz weitgehend unstreitig
und stellt sich wie folgt dar:
Am 16.06.2003 befand sich der am ... 1986 geborene Kläger zusammen mit mehreren
anderen Jugendlichen - unter anderem den Zeugen M. M. und J. W. - auf dem Gelände der
Grundschule in E. Auf diesem Gelände befand sich auch eine im Eigentum der Beklagten
stehende Garage. Diese Garage war mit einem Flachdach versehen, welches von der
rückwärtigen Seite aus aufgrund einer Hanglage ebenerdig zu begehen war. Am Ende des
Daches befand sich ein Gitter. Dieses Gitter besaß keine seitlichen Verstrebungen und war
lediglich am Boden verankert. Hinter dem Gitter endete das Gebäude, welches aufgrund
der Hanglage an dieser Stelle eine Höhe von 3,5 m aufwies. Das Flachdach der Garage
war mit Kies bedeckt. Die Zeugin M. M. entfernte sich von den anderen Jugendlichen und
betrat von der ebenerdigen Seite her das Garagendach. Danach kletterte sie über das
Gitter, trat auf die nur wenige cm breite Brüstung, wobei sie sich mit den Händen
rückwärts am Gitter festhielt und verkündete, dass sie vom Dach springen wolle. Der
Kläger und der Zeuge W. eilten der Zeugin M. M. daraufhin zur Hilfe, um sie von dem
Sprung abzuhalten. Sie ergriffen die Zeugin von hinten und versuchten sie wieder zurück
über das Geländer zu ziehen. Dabei brach das Geländer plötzlich ab und alle drei stürzten
3,5 m in die Tiefe. Ursache hierfür war, dass die Befestigungsschienen des Gitters, welche
sich innerhalb der auf dem Dach befindlichen Kiesschicht befanden, durchgerostet waren.
Der Kläger zog sich bei dem Sturz einen Fersenbeinbruch, einen Brustbeinbruch, eine
Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Hinterkopf sowie eine Platzwunde am
Ellenbogen zu. Aufgrund dieser Verletzungen befand er sich 5 Tage in stationärer
Behandlung und war im Anschluss daran 6 Wochen auf einen Rollstuhl angewiesen.
Insgesamt war der Kläger unfallbedingt über einen Zeitraum von 2 Monaten zu 100 %
arbeitsunfähig.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte für die von ihm erlittenen
Verletzungen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Die
Beklagte habe nämlich die einschlägige DIN 1055 über die horizontale Nutzlast von
Geländern nicht eingehalten. Auch ohne Ansehung der Korrosion sei das Geländer als
Konstruktion von vornherein ungeeignet gewesen.
Darüber hinaus liege eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin, dass die Beklagte
auf die Anbringung eines erforderlichen Korrosionsschutzes durch Verzinkung verzichtet
habe (wobei unstreitig ist, dass kein Korrosionsschutz vorhanden war).
Weiterhin sei eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin zu sehen, dass die
Beklagte die Standfestigkeit des Geländers offensichtlich nicht kontrolliert habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld
zu zahlen, mindestens aber 10.000,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2004.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht
komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die streitgegenständliche Gefahrensituation
für sie nicht vorhersehbar gewesen sei.
Zudem bestehe gegenüber dem Kläger keine Verkehrssicherungspflicht, da er sich
unbefugt auf dem Dach aufgehalten habe.
Das Gitter habe zudem nur die Funktion einer optischen Begrenzung gehabt und sei nicht
dafür gedacht gewesen, der Belastung durch ein Herüberklettern standzuhalten.
Auch eine Verletzung der Kontrollpflicht liege nicht vor. Denn die Beklagte sei nur zu einer
optischen Kontrolle des Gitters verpflichtet gewesen. Diese Aufgabe habe sie durch einen
von ihr angestellten Hausmeister erfüllt, der sich auch gegen das Gitter gelehnt habe, ohne
dass dieses nachgegeben habe. Durch das Kiesbett sei die Verrostung nicht erkennbar
gewesen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen, durch die
Inaugenscheinnahme der Unfallörtlichkeit sowie durch Heranziehung des im
Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (Az: 9 Js 45/04) eingeholten
Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsprotokolle vom 22.12.2004 (Bl. 83 f. d.A.) und vom 02.02.2005 (Bl. 89 ff. d.A.)
sowie auf das Sachverständigengutachten des T.- S. vom 23.12.2004 (Bl. 100 ff. d.A.)
verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Aufgrund der durchgeführten
Beweisaufnahme hat es das Landgericht als bewiesen erachtet, dass der Kläger beim
Versuch, die Zeugin M. am Springen vom Dach zu hindern, zusammen mit den Zeugen M.
und W. 3,5 m in die Tiefe gestürzt sei, weil das Geländer durchgerostet gewesen und
infolgedessen aus der Verankerung gebrochen sei. Für diesen Sturz sei die Beklagte als
Verkehrssicherungspflichtige verantwortlich. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
sei zum einen darin zu sehen, dass das Gitter erst am Ende des Garagendachs angebracht
gewesen sei und nicht schon am Anfang des Daches. Wäre das Gitter am Anfang des
Daches angebracht worden, hätte eine Durchrostung keine Folgen gehabt, da der Benutzer
dann lediglich auf das Dach gefallen und nicht in die Tiefe gestürzt wäre. Zum anderen liege
eine weitere Pflichtverletzung darin, dass das Gitter lediglich am Fußboden befestigt
worden sei und nicht an den Seitenwänden. Aus statischer Sicht sei die gewählte
Konstruktion deshalb von vornherein bedenklich gewesen. Hinzu komme, dass die
tatsächlich eingetretene Durchrostung voraussehbar gewesen sei, da eine nicht rostfreie
Befestigung gewählt worden sei. Der Kläger habe das Dach auch befugtermaßen betreten,
da er der Zeugin M. Nothilfe geleistet habe. Eine Haftung der Beklagten trete auch nicht
gem. § 839 I Satz 2 BGB aus Gründen der Subsidiarität zurück. Es könne insoweit
dahingestellt bleiben, ob dem Kläger Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen die Zeugin M.
zustehen. Denn bei Verkehrssicherungspflichtverletzungen greife die
Verweisungsmöglichkeit des § 839 I Satz 2 BGB nicht.
Gegen das Urteil des Landgerichts, welches der Beklagten am 15.03.2005 zugestellt
worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 15.04.2005, eingegangen beim Saarländischen
Oberlandesgericht am 15.04.2005, Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift
ging am 15.06.2005 ein, nachdem ihr die entsprechende Frist durch Verfügung vom
18.05.2005 bis zum 17.06.2005 verlängert worden ist. Mit Schriftsatz vom 14.06.2005
hat die Beklagte der Zeugin M. den Streit verkündet. Die Streitverkündungsschrift ist der
Zeugin M. am 18.06.2005 zugestellt worden.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass dem Kläger gegenüber bereits keine
Verkehrssicherungspflicht bestanden habe. Eine solche bestehe nämlich nur gegenüber
berechtigten Nutzern. Der Kläger sei indes Nichtberechtigter gewesen. Er habe das
Schulgelände schon nicht betreten dürfen, was durch ein Schild ausdrücklich untersagt sei.
Außerdem sei das Garagendach erkennbar nicht zum Betreten bestimmt und darüber
hinaus durch eine Absperrkette gesichert gewesen.
Die Beklagte habe auch nicht damit rechnen müssen, dass das Dach zweckwidrig
verwendet werde.
Im Übrigen fehle es an einer schuldhaften Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Denn
das streitgegenständliche Gitter sei am 11.06.1963 ordnungsgemäß abgenommen
worden. Die zwischenzeitlich eingetretene Durchrostung sei optisch nicht wahrnehmbar
gewesen. Mehr als eine optische Kontrolle sei indes zur Wahrung der
Verkehrssicherungspflicht nicht erforderlich gewesen.
Auch aus dem eingeholten Gutachten ergebe sich keine Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht. Zwar habe das Sachverständigengutachten festgestellt, dass
das Gitter die Anforderungen der einschlägigen Regelwerke nicht einhalte. Zu beachten sei
indes, dass die zugrunde gelegten Regelwerke aus den Jahren 1979 und 1987 datierten,
wohingegen die Errichtung und Abnahme des Gitters im Jahr 1963 stattgefunden habe.
Kein Bauherr sei indes verpflichtet, den Zustand nachträglich an veränderte Vorschriften
anzupassen.
Außerdem habe der Kläger entsprechende Ansprüche gegen die Zeugin M., so dass
Ansprüche gegen die Beklagte gem. § 839 I Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der
Subsidiarität ausscheiden.
Weiterhin sei es der Beklagten aus fiskalischen Gründen nicht möglich, sämtliche Gebäude
und Grundstücksflächen auf ihre Verkehrssicherheit zu überprüfen.
Schließlich beruft sich die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung auf ein ihr
zustehendes Zurückbehaltungsrecht. Dem Kläger stünden Ansprüche gegen die Zeugin M.
zu und die Beklagte sei allenfalls Zug um Zug gegen Abtretung dieser Ansprüche zur
Zahlung an den Kläger verpflichtet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 09.03.2005 (Az: 4 O 142/04)
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
Der Kläger behauptet, das Schild mit der Aufschrift „Schulgelände. Unbefugten ist das
Betreten und der Aufenthalt auf dem Schulgelände nicht gestattet“ sei zum Zeitpunkt des
Unfallgeschehens vollständig von einer Hecke überwuchert und von keiner Seite aus
sichtbar gewesen. Darüber hinaus könne die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass sie
nicht mit einem Betreten des Garagendachs habe rechnen müssen. Denn schließlich zeige
gerade die Tatsache, dass die Beklagte am Ende des Daches das streitgegenständliche
Gitter angebracht habe, deutlich, dass sie eben doch damit gerechnet habe. Ansonsten
hätte es nämlich keinen Grund gegeben, dass Gitter an dieser Stelle anzubringen.
Entscheidend für eine Haftung der Beklagten sei, dass ausweislich des eingeholten
Sachverständigengutachtens eine Horizontalkraft von 15 kg ausgereicht habe, um die
Bruchlast eines Geländerpfostens zu überschreiten. Ein einfaches Anlehnen habe deshalb
genügt, um das Gitter zum Einsturz zu bringen.
Darüber hinaus habe die Beklagte bei dem streitgegenständlichen Gitter die DIN 1055 nicht
beachtet. Als Trägerin einer öffentlichen Einrichtung sei die Beklagte verpflichtet gewesen,
den Bauzustand ihrer Einrichtungen den geänderten Vorschriften anzupassen.
Im Übrigen sei es eine voraussehbare Tatsache, dass ein vor 40 Jahren auf einem
Garagendach angebrachtes Gitter, welches ohne Korrosionsschutz ausgestattet sei, mit
der Zeit durchzurosten drohe. Hiermit habe die Beklagte rechnen und entsprechende
Maßnahmen ergreifen müssen.
Das Gericht hat die Akten 9 Js 45/04 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken zu
Informationszwecken beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Darüber hinaus wird auf die
tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts vom 09.03.2005 (Bl. 124 ff.
d.A.) Bezug genommen (§ 540 I Satz 1 Nr. 1 ZPO).
II)
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Denn das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 I Alt. 1, 546
ZPO) noch begründen konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder
Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen (§§ 513 I Alt. 2, 529 I Nr. 1
ZPO) noch sind neue Tatsachen vorgetragen worden, die nach §§ 513 I Alt. 2, 529 I Nr. 2,
530, 531 II ZPO zu berücksichtigen wären und eine andere Entscheidung rechtfertigen
würden.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche
sowohl aus §§ 823 I, 253 II BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht als auch aus §§ 836 I 1, 253 II BGB unter dem Gesichtspunkt der
Haftung des Grundstücksbesitzers zu.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 823 I,
253 II BGB.
a) Zunächst ist § 823 I BGB und nicht § 839 I BGB anwendbar. Die Wahrung der
allgemeinen Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Sachen ist dem
privatrechtlichen Tätigkeitsbereich des öffentlichen Sachherrn zuzurechnen (Papier in
Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 839 RN 177; Zeuner in Soergel,
BGB, 12. Auflage 1998, § 823 RN 189; ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1973,
460, 461; BGH NJW 1978, 1626, 1627; BGH NJW 1983, 2313; BGH VersR 1962, 825,
826). Zwar ist das Schulverhältnis zwischen den Schülern und dem Staat
öffentlichrechtlicher Natur. Hierzu gehört auch die Wahrnehmung der Aufsicht über die
Schüler. Dagegen gilt für die Verkehrssicherheit des Schulgebäudes und der auf dem
Schulgelände befindlichen Anlagen wie für jeden anderen Grundstückseigentümer auch die
Verkehrssicherungspflicht des Privatrechts (so ausdrücklich Papier a.a.O. § 839 RN 177;
BGH VersR 1962, 825, 826). § 839 I Satz 2 BGB ist deshalb nicht anwendbar, so dass die
Beklagte den Kläger nicht auf mögliche Ansprüche gegen die Zeugin M. verweisen kann.
b) Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Absicherung des Daches
und des Geländers verletzt.
aa) Der Beklagten ist allerdings beizupflichten, dass die Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht nicht schon darin zu sehen ist, dass das Geländer ausweislich
des Gutachtens des T. vom 23.12.2004 (Bl. 100 ff d.A.) die zum Unfallzeitpunkt
bestehenden technischen Anforderungen, wie sie in der DIN 1055 zum Ausdruck kommen,
nicht erfüllt hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigengutachtens war das
Geländer zwar bereits ohne die Schwächung durch Korrosion zur Ableitung der gemäß den
Regelwerken aufzunehmenden Horizontallasten nicht geeignet (Seite 5 des Gutachtens =
Bl. 104 d.A.). Allerdings richtet sich die Frage, welche Sicherheit und welcher
Gefahrenschutz zu gewährleisten sind, nicht ausschließlich nach den modernsten
Erkenntnissen und nach dem neusten Stand der Technik (so ausdrücklich OLG Hamm,
NJW-RR 1989, 736, 737; OLG Dresden, VersR 1995, 1501, 1502). Es besteht auch weder
nach dem privaten Deliktsrecht noch nach dem öffentlichen Baurecht eine generelle Pflicht
des Eigentümers, alte Bauwerke und Einrichtungen an die jeweils geltenden Standards
anzupassen (so Wagner in Münchener Kommentar a.a.O. § 823 RN 440; OLG Hamm,
NJW-RR 1989, 736, 737). Ansonsten wäre der Bauherr dazu gezwungen, die Bausubstanz
ständig zu ändern, um den gesteigerten sicherheitsrechtlichen Anforderungen zu genügen
(so Wagner in Münchener Kommentar a.a.O. § 823 RN 477). Es kann dahingestellt
bleiben, ob die Beklagte im vorliegenden Fall die Pflicht hatte, wenigsten innerhalb
angemessener Zeit die nachträglich gewonnenen, neuen technischen Erkenntnisse
umzusetzen und das Geländer nachzurüsten (so wohl OLG Hamm, NJW-RR 1989, 736,
737; OLG Dresden, VersR 1995, 1501, 1502). Denn ausweislich des T.-Gutachtens ist die
nicht ausreichende Dimensionierung des Geländerpfosten und damit der Verstoß gegen die
DIN 1055 im vorliegenden Fall nicht ursächlich für das Versagen der Geländerkonstruktion
geworden (Seite 6 des Gutachtens = Bl. 106 d.A.). Selbst dann, wenn eine Pflicht zur
Nachrüstung des Geländerpfostens bestanden hätte, wäre diese Pflichtverletzung mithin
nicht kausal geworden.
bb) Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht deshalb nicht in der Wahl der
ursprünglichen Konstruktion, sondern in der mangelhaften Kontrolle des Geländers. Die
Beklagte hat zur Absicherung des Daches ein Geländer gewählt, welches zum einen
unstreitig keine Seitenverankerung aufwies, sondern lediglich am Boden befestigt war und
zum anderen im Bereich der Einspannung am Boden keinen Korrosionsschutz besaß (siehe
die Feststellungen des T.-Gutachtens Seite 6, Bl.105 d.A.). Die gesamte Sicherheit und
Stabilität des Geländers war deshalb von der Einspannung der Geländerpfosten auf dem
Flachdach abhängig. Die Geländerpfosten waren in diesem Bereich witterungs- und
jahreszeitbedingt einem ständigen Wechsel von Nässe, Trockenheit und Frost ausgesetzt
(vergleiche die Feststellungen des Gutachtens Seite 6 = Bl. 105 d.A.). Wenn der
Verkehrssicherungspflichtige in einer solchen Situation auf einen Korrosionsschutz etwa
durch Verzinkung verzichtet, muss er durch geeignete Kontrollmaßnahmen dafür Sorge
tragen, dass bereits der Beginn von Korrosion, der in Anbetracht der genannten Umstände
wahrscheinlich und vorhersehbar war, sofort entdeckt wird. Es stellt angesichts der
geschilderten Situation eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar, dass die
Beklagte das Dach mit Kies aufschüttete, dadurch die Einspannstellen und damit die
neuralgischen Punkte verdeckt und eine geeignete Kontrolle unmöglich machte. Die
Beklagte hätte entweder das Geländer zusätzlich an den Seiten verankern müssen, so
dass die Stabilität der Konstruktion auch bei einer Durchrostung der Bodeneinspannung
gewährleistet ist, oder sie hätte die Geländerpfosten und die Bodeneinspannung verzinken
und vor Korrosion sichern oder auf das Kiesbett verzichten müssen, um so eine geeignete
regelmäßige Kontrolle und ein sofortiges Entdecken jeder Korrosion zu ermöglichen. Die
vorgenommenen Handlungen und Unterlassungen stellen jedenfalls in ihrer Kombination
eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Diese Pflichtverletzung ist
auch für die Schäden des Klägers kausal geworden. Nach den unbestrittenen
Feststellungen des Gutachtens war gerade die Korrosion im Bereich der Einspannung
ursächlich für den Einsturz des Geländers (siehe Seite 6 des Gutachtens, Bl. 105 d.A.).
cc) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das Geländer nur einen rein optischen
Schutz vor dem Ende des Daches bieten sollte und nicht zum Anlehnen gedacht war. Wenn
vor einem Abgrund ein Metallgeländer angebracht wird, dann geht der Benutzer des
Geländers davon aus, dass ihm dieses Geländer Halt bietet. Die typischerweise bei dem
Benutzer angesichts des Abgrunds bestehende Vorsicht wird durch das Geländer
herabgesetzt und die berechtigte Erwartung geweckt, das Geländer biete ihm Sicherheit
vor dem Absturz. In einer solchen Situation schützt ein instabiles und nicht belastbares
Geländer den Benutzer nicht, sondern begründet eine zusätzliche Gefahr, die für diesen
Geländer den Benutzer nicht, sondern begründet eine zusätzliche Gefahr, die für diesen
nicht erkennbar und deshalb besonders gefährlich ist.
dd) Soweit die Beklagte sich auf fehlende finanzielle Mittel beruft, greift dieser Einwand
nicht durch. Dem Schutz von Leben und Gesundheit kommt höchste Priorität zu und die
Beklagte muss die ihr zur Verfügung stehenden Mittel deshalb zunächst hierfür verwenden,
bevor sie anderweitige Ausgaben tätigt. Im Übrigen war nach dem oben Gesagten auch
kein übermäßiger finanzieller Aufwand zur Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten
erforderlich. Die Beklagte hätte nur das Geländer zusätzlich an den Seiten verankern
müssen oder die Geländerpfosten und die Bodeneinspannung verzinken und vor Korrosion
sichern oder auf das Kiesbett verzichten, um so eine geeignete regelmäßige Kontrolle und
ein sofortiges Entdecken jeder Korrosion zu ermöglichen.
c) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger sich unbefugt auf dem
Schulgelände aufgehalten habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ändert dies
nichts an der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und der Verantwortlichkeit der
Beklagten für die dem Kläger daraus entstandenen Schäden.
Entscheidend ist, dass sich die streitgegenständliche Garage auf dem Gelände einer Schule
befindet, das Garagendach von der Rückseite ebenerdig begehbar und leicht zugänglich ist
und das Schulgelände täglich bestimmungsgemäß von zahllosen Kindern betreten wird. Alle
Schüler der Schule kommen somit an jedem Schultag bestimmungsgemäß und
zwangsläufig in den Gefahrenbereich der Garage. Die Beklagte war deshalb unabhängig
von der Person des Klägers zu der Einhaltung der von ihr unterlassenen
Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Es beruht damit letztlich nur auf einem Zufall, bei
wem das Geländer einstürzt. Die Beklagte war gerade dafür verantwortlich, für die
Verkehrssicherheit des Daches und des Geländers zu sorgen und einen Schaden wie den
tatsächlich beim Kläger eingetretenen durch die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu
verhindern. Der dem Kläger entstandene Schaden ist deshalb der Beklagten zurechenbar,
ohne dass diese sich darauf berufen könnte, der Kläger habe das Schulgelände nicht
betreten dürfen (so Wagner in Münchener Kommentar a.a.O. § 823 RN 263). Zudem war
der Kläger berechtigt, der auf dem Garagendach befindlichen Schülerin zu Hilfe zu eilen.
d) Das dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld ist auch der Höhe nach angemessen.
Bei der Bemessung des nach § 253 II BGB geschuldeten angemessenen
Schmerzensgeldes ist zunächst dessen Doppelfunktion zu berücksichtigen. Das
Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einerseits einen angemessenen Ausgleich für die
erlittenen immateriellen Schäden geben, andererseits Genugtuung für das erlittene
Unrecht verschaffen. Bei einem Unfall steht die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes
deutlich im Vordergrund (vgl. Geigel-Pardey, Der Haftpflichtprozess, 24. Auflage, Kap. 7,
Rdnr. 35; Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 22. Auflage, S. 10 f; Slizyk,
Beck’sche Schmerzensgeld-Tabelle, 4. Auflage, S. 5).
Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der
Schmerzen und Leiden die wesentlichen Kriterien (so OLG Düsseldorf, VersR 1997, 65;
BGHZ 18, 149, 154; Slizyk, aaO., S. 7). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem
die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der
Arbeitsunfähigkeit (vgl. Slizyk, aaO., S. 7) ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das
Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten
Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren (so Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil
vom 28.06.2005, OLGR Saarbrücken 2005, 740 ff.; Hacks/Ring/Böhm, aaO., S. 10 f;
Geigel-Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 37 ff).
Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete
Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht,
Urteil vom 28.06.2005, OLGR Saarbrücken 2005, 740 ff.; Slizyk, aaO., S. 7; Geigel-
Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 37 ff). Auch die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre
Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der
Bemessung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es naturgemäß auch auf das Alter des
Geschädigten an: Die Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend
empfunden (vgl. Slizyk, aaO., S. 8 - 11). Wegen der Genugtuungsfunktion sind ferner das
Maß des Verschuldens des Schädigers, die Höhe eines Mitverschuldens des Verletzten
sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten heranzuziehen (vgl. Saarländisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 28.06.2005, OLGR Saarbrücken 2005, 740 ff.;
Hacks/Ring/Böhm, aaO., S. 11 u. 12 f; Slizyk, aaO., S. 14 - 28). Bei der
Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde
Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert
bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die
Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des
konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen
Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu
einer bestimmten „richtigen“ Schmerzensgeldhöhe zu führen (vgl. Saarländisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 28.06.2005, OLGR Saarbrücken 2005, 740 ff.; Slizyk, aaO.,
S. 7; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 54).
Der Kläger erlitt unfallbedingt einen Fersenbeinbruch, einen Brustbeinbruch, eine
Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Hinterkopf sowie eine Platzwunde am
Ellenbogen. Aufgrund dieser Verletzungen befand er sich 5 Tage in stationärer Behandlung
und war im Anschluss daran 6 Wochen auf einen Rollstuhl angewiesen. Insgesamt war der
Kläger über einen Zeitraum von 2 Monaten zu 100 % arbeitsunfähig. Der Kläger war zum
Unfallzeitpunkt 16 Jahre alt. Gerade für einen Jugendlichen in diesem Alter stellt ein Sturz
von einem Dach mit den dabei erlittenen schweren Verletzungen ein elementares und
prägendes Erlebnis und die Tatsache, dass der Kläger über Wochen hinweg an den
Rollstuhl gebunden war, eine schwere und einschneidende Einbuße an Lebensqualität dar.
Im Hinblick darauf und in Verbindung mit den verschiedenen Frakturen hält das Gericht ein
Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- EUR zum Ausgleich der Schmerzen und der
immateriellen Schäden für erforderlich. Das Gericht nimmt Bezug auf die Entscheidungen
des Landgerichts Koblenz vom 22.10.2001 (5 O 71/01), des Landgerichts Darmstadt vom
21.11.1985 (8 O 287/85), des Landgerichts Deggendorf vom 11.05.1988 (2 O 114/88)
und des Landgerichts Baden-Baden vom 23.09.1994 (2 O 282/94), in denen für
entsprechende Unfallverletzungen ebenfalls Schmerzensgelder in Höhe von 10.000,- EUR
zugesprochen worden sind.
e) Soweit die Beklagte sich in der letzten mündlichen Verhandlung erstmals auf das
Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes beruft, handelt es sich hierbei um ein neues
Verteidigungsmittel, welches die Beklagte bei einer auf Förderung des Verfahrens
bedachten Prozessführung bereits erstinstanzlich hätte geltend machen müssen. In der
unterlassenen erstinstanzlichen Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes liegt eine
Nachlässigkeit im Sinne des § 531 II Nr. 3 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten
reichte auch ihr erstinstanzlicher Vortrag aus dem Schriftsatz 24.02.2005 nicht aus. Die
Beklagte legte in diesem Schriftsatz lediglich ihre Meinung dar, dass dem Kläger unter dem
Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag Ansprüche gegen die Zeugin M.
zustünden. Daraus zog die Beklagte die Schlussfolgerung, dass eine anderweitige
Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 I 2 BGB bestehe, so dass ein Anspruch aus § 839 I 1
BGB ausscheide. Bei dem Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 BGB handelt es sich
indes um eine Einrede. Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes wird deshalb nicht
von Amts wegen berücksichtigt. Es reicht deshalb nicht aus, einen Sachverhalt
vorzutragen, aus dem sich das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes ergibt, sondern
das Zurückbehaltungsrecht muss vom Gläubiger geltend gemacht und ausgeübt werden
(so etwa Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 273 RN 19). Dies hat die Beklagte
erstinstanzlich nicht getan, was sie zweitinstanzlich gem. § 531 II ZPO nicht nachholen
kann.
2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Beklagte aus § 836 I
1, 253 II BGB. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind
erfüllt.
Die Beklagte ist die Eigenbesitzerin der fraglichen Garage.
Bei der Garage handelt es sich um ein Gebäude im Sinne des § 836 I 1 BGB, nämlich um
ein Bauwerk, welches durch eine räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse
gewährt und von Menschen betreten werden kann (so Wagner in Münchener Kommentar
zum BGB, 4. Auflage 2004, § 836 RN 8).
Das streitgegenständliche Geländer stellt ein Gebäudeteil im Sinne des § 836 I Satz 1 BGB
dar. Unter Gebäudeteilen sind solche Sachen zu verstehen, die mit dem Gebäude baulich
verbunden sind, also zu dessen Herstellung eingefügt oder an ihm angebracht worden sind
(so etwa BGH, NJW 1961, NJW 1670, 1672; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB,
a.a.O., § 836 RN 11). Das Geländer wurde auf dem Dach der Garage angebracht und dort
verankert, so dass es ein Gebäudeteil darstellt (so auch Wagner in Münchener Kommentar
zum BGB, a.a.O., § 836 RN 12).
Dieses Geländer hat sich von der Garage abgelöst. Unter Ablösung ist dabei die Aufhebung
der Verbindung des Gebäudeteils vom Gebäude zu verstehen (so Wagner in Münchener
Kommentar zum BGB, a.a.O., § 836 RN 13). Das plötzliche Herausbrechen des Geländers
aus der Verankerung am Dach der Garage stellt damit eine Ablösung dar.
Ursache dieser Ablösung des Geländers war eine fehlerhafte Errichtung (fehlende
Verankerung des Geländers zusätzlich an den Seiten sowie unterlassener Korrosionsschutz
der Bodeneinspannung und der Geländerpfosten) bzw. eine mangelhafte Unterhaltung
(mangelhafte Kontrolle auf Korrosion). Für die Haftung nach § 836 I 1 BGB ist es dabei
ausreichend, wenn der Geschädigte nachweist, dass sich das Gebäude in einem objektiv
mangelhaften Zustand befunden hat. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der
Gefahrenzustand auf das Verschulden bestimmter Personen zurückzuführen ist (so
Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 836 RN 14). Ursache für die
Ablösung des Geländers war, dass die Befestigungsschienen des Geländers, welche sich
innerhalb der auf dem Dach befindlichen Kiesschicht befanden, durchgerostet waren. Damit
befand sich das Geländer in einem objektiv mangelhaften Zustand, so dass die
erforderlichen Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach § 836 I 1 BGB erfüllt
sind. Im Übrigen spricht auch allein das Abbrechen und Abstürzen des Geländers für die
Fehlerhaftigkeit des Bauwerks. Ordnungsgemäß errichtete und unterhaltene Geländer
pflegen nämlich nicht abzubrechen. Es besteht deshalb ein Anscheinsbeweis für die
Fehlerhaftigkeit des Geländers (so Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., §
836 RN 15).
Die Beklagte hat auch nicht nachgewiesen, dass sie die zur Abwendung der Gefahr
erforderliche Sorgfalt beachtet hat, so dass die Haftung auch nicht gem. § 836 I 2 BGB
ausgeschlossen ist. Steht die objektive Fehlerhaftigkeit des Gebäudes im Zeitpunkt des
Unfalls fest, wird vermutet, dass es aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung des Besitzers
zu dem Schadensereignis gekommen ist (so Wagner in Münchener Kommentar zum BGB,
a.a.O., § 836 RN 19). Der Besitzer trägt dann gem. § 836 I 2 BGB die Beweislast dafür,
dass er sowohl bei der Errichtung als auch bei der Unterhaltung des Bauwerks die
erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder das schädigende Ereignis auch bei Aufwendung der
erforderlichen Sorgfalt eingetreten wäre. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht.
Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu § 823 I BGB Bezug genommen.
Folge dieser Ablösung war, dass der Kläger sowohl an seinem Körper als auch an seiner
Gesundheit geschädigt worden ist.
Als Rechtsfolge von § 836 I BGB ergibt sich eine Schadensersatzpflicht der Beklagten, die
gem. § 253 II BGB auch ein Schmerzensgeld umfasst. Bezüglich der Höhe des
Schmerzensgeldes wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die
Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede Partei
unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist
und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien
unzulässig ist, da die Beschwer jeder der Parteien im Berufungsverfahren unter 20.000,-
EUR liegt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat
und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 II Satz 1 ZPO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 I, 48 I GKG, 3 ZPO.