Urteil des OLG Saarbrücken vom 02.10.2003

OLG Saarbrücken: reparatur, wasser, fürsorgepflicht, vermieter, augenschein, vertragsverletzung, meinung, sicherheit, verzug, rechtshängigkeit

OLG Saarbrücken Urteil vom 2.10.2003, 8 U 86/03-23
Leitsätze
Zur Fürsorgepflilcht eines Vermieters bei Selbstausführung von Reparaturen in einem
Mehrparteienhaus
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung derselben im Übrigen das am
10.01.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 15 O 85/01 – im
Zinsausspruch dahin abgeändert, dass der Beklagte lediglich 4 % Zinsen seit dem
27.05.2001 zahlen muss.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.
Gründe
A.
Bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ( Bl. 247 – 261 ) Bezug genommen, §
540 I 1 Nr. 1 ZPO.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, nachdem
das Landgericht ihn mit der angefochtenen Entscheidung unter teilweiser Klageabweisung
wegen schuldhafter Verletzung seiner den anderen Mietern seines Hauses gegenüber
bestehenden Fürsorgepflicht zur Schadensersatzleistung von 6.469,47 EUR nebst 9,26 %
Zinsen seit dem 16.07.1998 verurteilt hat. Er ist der Auffassung, dass eine Haftung aus
positiver Vertragsverletzung nicht gegeben sei. Es stehe schon nicht fest, dass die
Verbindung zwischen dem flexiblen Schlauch und der Spüle in der Wohnung der Mieterin
zum Zeitpunkt seiner Besichtigung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Selbst wenn man,
was bestritten bleibe, mit dem Landgericht davon ausgehe, dass sich die Verbindung bei
ordnungsgemäßer Befestigung nicht von alleine lösen könne, so bestehe doch auch die
Möglichkeit der nachträglichen Einflussnahme durch Dritte. Die Ordnungsmäßigkeit der
Verbindung zum Zeitpunkt seiner Besichtigung ergebe sich auch daraus, dass es über
einen Zeitraum von 8 Monaten nicht zu einer Störung gekommen sei. Schließlich habe er
durch die Besichtigung der Reparatur auch nicht gegenüber den übrigen Mietern die
Haftung für deren Ordnungsgemäßheit übernehmen wollen.
Der Höhe nach bestehe der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht. Bzgl. des
Sachschadens an den Möbeln habe der Kläger nicht bewiesen, dass diese nicht billiger
hätten repariert werden können.
Die von dem Landgericht vorgenommene Schätzung des Schadens bzgl. des entgangenen
Gewinns sowie der verschmutzten und beschädigten Ware sei mangels greifbarer, vom
Kläger vorzutragender Anhaltspunkte nicht zulässig gewesen. Zudem habe der Kläger auch
nicht bewiesen, welche Sachen in welchem Umfang beschädigt worden seien.
Die Höhe der Verzugszinsen habe der Kläger schon nicht schlüssig dargelegt, er habe
deshalb allenfalls Anspruch auf den gesetzlichen Zinssatz gehabt.
Der Beklagte beantragt ( Bl. 305, 358 ),
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken – 15 O 85/01 – vom
10.01.2003 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt ( Bl. 320, 358 ),
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, der Beklagte habe, um seine Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mietern zu
erfüllen, sich nicht auf eine oberflächliche Überprüfung der ersten Reparatur beschränken
dürfen, sondern hätte hiermit eine Fachfirma beauftragen oder darauf bestehen müssen,
dass die Mieterin dies tut. Zudem handele es sich bei dem Wasserschaden vom
09.02.1998 um den dritten Schaden aufgrund der gleichen Ursache, nämlich der nicht
ordnungsgemäßen Verbindung zwischen Spüle und Eckventil. Den 2. Wasserschaden habe
der Beklagte selbst behoben, weil die Zeugin zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen
sei und auch nur durch ein Telefonat mit dem Beklagten Kenntnis von dem Schaden
erhalten habe. Für diese Reparatur müsse der Beklagte einstehen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 04.09.2003 ( Bl. 357
ff. ) Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 04.09.2003 ( Bl. 359 – 361 ) verwiesen.
B.
Die Berufung des Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.
In der Sache hat sie bis auf die Höhe der zugesprochenen Zinsen jedoch keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch
gegen den Beklagten aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages in Höhe von
6.469,47 EUR zugesprochen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergibt sich dieser
Anspruch jedoch nicht daraus, dass der Beklagte als Vermieter die von der Zeugin als
Mieterin veranlasste Reparatur in Augenschein genommen hat, sondern daraus, dass er
selbst nach dem ersten Wasserschaden bei einem zweiten Wassereinbruch die Verbindung
zwischen Spüle und Eckventil wiederhergestellt hat.
Als Vermieter hat der Beklagte kraft seiner Verpflichtung zur Gewährung des
vertragsgemäßen Gebrauchs (§ 536 BGB) in seinem Einflussbereich, also jedenfalls
innerhalb seines Gebäudes, die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um
Störungen des Gebrauchs der Mietsache, insbesondere Gefahren für das Eigentum der
berechtigten Benutzer der Räume, also seiner Mieter sowie der in den Schutzbereich des
Mietvertrages einbezogenen Personen, zu verhindern oder abzuwenden (vgl. BGH, NJW
1964, 33 [35]; WM 1969, 1011 (1012); NJW-RR 1989, 76). Dabei bezieht sich diese
Verpflichtung aber nicht auf die Überprüfung der von anderen Mietern in deren Wohnung
eingebrachten Sachen, denn insoweit obliegt diesen Mietern die Obhutspflicht. Der
Vermieter muss sich darauf verlassen können, dass diese auch erfüllt wird.
Danach ist es jedenfalls zweifelhaft, ob sich die Fürsorgepflichtverletzung des Beklagten,
wie das Landgericht meint, aus dem Umstand ergibt, dass er die von einem Bekannten der
Mieterin, der Zeugin, durchgeführte Reparatur in Augenschein genommen hat. Denn nach
dem unstreitigen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, dessen Berichtigung auch
nicht verlangt wurde, war die Verbindung zwischen dem bauseits vorhandenen Eckventil
und der Spüle nicht Bestandteil des Mietvertrages. Dann bestehen aber grundsätzlich keine
besonderen Obhutspflichten des Vermieters. Solche werden auch nicht dadurch begründet,
dass die Mieterin ihn von dem Wasseraustritt im Sommer 1997 und dessen Behebung
durch einen Nichtfachmann informiert und der Beklagte diese Reparatur dann in
Augenschein genommen hat.
Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte
jedoch seine Fürsorgepflicht schuldhaft dadurch verletzt, dass er selbst den ihm etwa 2
Wochen vor dem hier streitgegenständlichen Wasserschaden gemeldeten Wasseraustritt
an der Verbindung zwischen Eckventil und Spüle in der Wohnung der Zeugin so
unfachmännisch behoben hat, dass es kurze Zeit später erneut zu einem Wasseraustritt
kommen konnte.
Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung glaubhaft dargelegt, dass es in ihrer damaligen
Mietwohnung zu 3 Wassereinbrüchen gekommen sei, bei denen sich jedes Mal der
bewegliche Schlauch zwischen Eckventil und Spüle gelöst habe. Den ersten Schaden habe
ein Bekannter von ihr behoben, indem er den Schlauch wieder verschraubt habe. Danach
sei kein Wasser mehr ausgetreten, eine weitere, über die Inaugenscheinnahme
hinausgehende Überprüfung der Verbindung sei aber nicht erfolgt. Sie habe den Beklagten
hiervon informiert und er habe sich die Sache angesehen. Danach sei es zu einem zweiten
Wasserschaden gekommen, den sie dem Beklagten gemeldet habe. Dieser sei dann vorbei
gekommen und habe den Schlauch selbst wieder verschraubt. Ca. 14 Tage später habe
sich der Schlauch dann erneut gelöst und es sei zu einem erheblichen Wasserschaden
gekommen, der sogar dazu geführt habe, dass Wasser in die im Erdgeschoss liegenden
Geschäftsräume eingedrungen sei.
Aufgrund dieser glaubhaften Aussage der Zeugin sieht es der Senat als erwiesen an, dass
der Beklagte selbst den Wasserschaden behoben hat, der dem hier streitigen
Schadensereignis vorausgegangen ist. Zwar hat die Zeugin den chronologischen Ablauf der
Ereignisse zunächst etwas anders geschildert. So hat sie bei ihrer Vernehmung vor dem
Landgericht angegeben, der erste Wasserschaden, der von ihrem Bekannten behoben
worden sei, habe sich im Sommer 1997 ereignet. Ca. 14 Tage später sei es zu einem
erneuten Wassereinbruch an dieser Stelle gekommen, der dann von dem Beklagten
beseitigt worden sei. Der letzte Wasserschaden habe sich dann im Februar 1998 ereignet
(vgl. Bl. 132 – 133). In dieser Reihenfolge hat sie die Ereignisse dann zunächst auch bei
ihrer Vernehmung vor dem Senat geschildert. Auf Nachfrage hat sie dann eingeräumt,
dass sie den zeitlichen Ablauf nicht mehr so genau in Erinnerung habe. Es seien jedenfalls
drei Wasserschäden gewesen, von denen der letzte zu dem Schaden in den
Geschäftsräumen geführt habe. Vor diesem Wasserschaden sei ein weiterer gewesen, den
der Beklagte behoben habe. Den Wasserschaden davor habe ihr Bekannter beseitigt. Ob
sich der mittlere Wassereinbruch nun 14 Tage nach dem ersten oder 14 Tage vor dem
letzten Wassereinbruch ereignet habe, könne sie nach so langer Zeit nicht mehr genau
sagen. Diese Schilderung der Ereignisse stimmt im Kernbereich auch mit der
erstinstanzlichen Schilderung der Zeugin überein und ist glaubhaft. Dass nach so langer
Zeit – der Wasserschaden ereignete sich im Februar 1998 – die genaue zeitliche Abfolge
nicht mehr detailgenau angegeben werden kann, ist verständlich und nachvollziehbar. Die
Zeugin hat auf den Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie hat sich
erkennbar bemüht, den Sachverhalt möglichst genau und umfassend zu schildern, musste
aber einräumen, dass sie aufgrund der langen Zeit hierzu nicht mehr vollständig in der
Lage war. Sie hat sich bemüht, ihre Aussage objektiv zu machen, ohne eine Seite zu
begünstigen. Hinzu kommt, dass sie auch kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreites
hat, zumal ihre eigene Inanspruchnahme nach so langer Zeit wohl nicht mehr zu
befürchten steht.
Danach hat der Beklagte selbst die Verbindung zwischen Spüle und Eckventil vor dem
streitgegenständlichen Wasserschaden repariert. Dann muss er dies aber so sorgfältig
machen, dass von dieser Stelle keine Gefahren für die anderen Mieter ausgehen. Dies hat
er offensichtlich nicht gemacht, denn er hat den Schaden selbst beseitigt, ohne sich
ausreichend von der Dichtigkeit und Festigkeit der Verschraubung zu überzeugen.
Letzteres folgt aus den erstinstanzlichen Bekundungen der insoweit sachverständigen
Zeugen und, wonach sich die Verbindung zwischen Spüle und Eckventil bei richtiger
Verschraubung selbst unter Zug nicht löst. Nach der letzten Aussage der Zeugin hatte sich
aber kurze Zeit danach die Verbindung wieder gelockert, so dass wieder Wasser
ausgetreten ist. Insofern fällt dem Beklagten zumindest Fahrlässigkeit zur Last. Aber auch
nach der ursprünglichen Aussage der Zeugin, wonach die Reparatur durch den Beklagten
bereits im Sommer 1997 kurz nach dem ersten Wasserschaden erfolgt ist, die genaue
zeitliche Abfolge konnte sie mit Sicherheit eben nicht mehr angeben, läge ein fahrlässiges
Verhalten des Beklagten vor, denn sie hat glaubhaft bekundet, dass nach der Reparatur
durch den Beklagten noch Wasser an dem Verbindungsstück ausgetreten sei, der
Beklagte, hierüber informiert, dies aber nicht für schlimm und reparaturwürdig befunden
habe.
Danach hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung
gegen den Beklagten. Der Höhe nach hat der Erstrichter die einzelnen Schadenspositionen
unter Berücksichtigung der durchgeführten Beweisaufnahme ausführlich und zutreffend
begründet. Entgegen der Meinung des Beklagten waren auch genügend Anhaltspunkte für
eine Schadensschätzung durch das Landgericht vorhanden.
Lediglich der Zinsanspruch ist weder in der zugesprochenen Höhe noch für die
zugesprochene Zeit begründet, denn der Kläger hat dessen Voraussetzungen nicht
schlüssig dargelegt. Es fehlt jeder Vortrag dazu, wann und wodurch der Beklagte in Verzug
geraten sein soll und warum ein höherer als der gesetzliche Zinssatz verlangt werden
kann. Ein Bestreiten durch den Beklagten war im Hinblick auf die unschlüssige Darlegung
des Klägers nicht erforderlich. Verzugszinsen können deshalb erst ab Rechtshängigkeit der
Klage in gesetzlicher Höhe verlangt werden, §§ 284 I 2, 288 I BGB a. F..
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 I, 92 II ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt ( §§
542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Der Wert der Beschwer des
Beklagten wurde im Hinblick auf § 26 Ziffer 8 EGZPO festgesetzt.