Urteil des OLG Saarbrücken vom 18.04.2005

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OLG Saarbrücken Beschluß vom 18.4.2005, 8 W 74/05 - 9
Notarieller Darlehensvertrag zum finanzierten Wohnungskauf: Abgabe eines abstrakten
persönlichen Schuldversprechens durch den Darlehensnehmer ohne vorausgehende
Sicherungsabrede
Leitsätze
Zur Abgabe eines abstrakten persönlichen Schuldversprechens ist der Darlehensnehmer
nur dann verpflichtet, wenn dies in der Sicherungsabrede ausdrücklich vereinbart ist.
Enthält die Sicherungsvereinbarung keine solche Verpflichtung, hat der Gläubiger ein in der
notariellen Urkunde gleichwohl abgegebenen Schuldversprechen rechtsgrundlos erlangt und
muss es an den Schuldner nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung zurückgewähren.
Tenor
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der Antragstellerin ratenfreie
Prozesskostenhilfe zur Verfolgung des mit Klageentwurf vom 24.11.2004 angekündigten
Antrags zu 2) bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt H. H., beigeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie festgestellt
haben will, dass sie der Antragsgegnerin aus den gekündigten Darlehensverträgen Nr. ...
und Nr. ... nicht zur Zahlung bestimmt angegebener Beträge verpflichtet ist (Klageantrag
zu 1), und mit der sie die Zwangsvollstreckung aus den Grundschuldbestellungsurkunden
des Notars M. M. vom 21.1.2002 - UR-Nr. ... - für unzulässig erklärt haben will, soweit
diese sich über die Vollstreckung in ihren Hälfteanteil an einer näher bezeichneten
Eigentumswohnung hinaus in ihr - der Antragstellerin - gesamtes Vermögen richtet
(Klageantrag zu 2). Zur Begründung trägt sie vor, sie sei hinsichtlich beider
Darlehensverträge nicht als echte Mitdarlehensnehmerin, sondern lediglich als Mithaftende
anzusehen; die erklärte Schuldmitübernahme sei indes sittenwidrig und damit nichtig. Da in
den Kreditverträgen - unstreitig - als Sicherungsmittel eine persönliche Haftungsübernahme
mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen nicht
vereinbart worden sei, stehe ihr gegen die insoweit von der Antragsgegnerin betriebenen
Zwangsvollstreckung die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung zu.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die zulässige Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist teilweise
begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg,
soweit die Antragstellerin die Zwangsvollstreckung in dem geltend gemachten Umfang für
unzulässig erklärt haben will; ohne hinreichende Erfolgsaussicht ist sie dagegen, soweit die
Antragstellerin sich auf die Nichtigkeit einer angeblich erklärten Haftungsmitübernahme
beruft.
1. Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin echte
Mitdarlehensnehmerin ist. Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wer ein eigenes - sachliches und/oder
persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im Wesentlichen
gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta
mitentscheiden darf (vgl. zuletzt BGH v. 25.1.2005 - XI ZR 325/03, NJW 2005, 973 ff
m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich
ausschließlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen aufseiten der
Mitdarlehensnehmer. Die Kredit gebende Bank hat es daher, wie das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat, nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag
gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder
dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu
machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen.
Maßgebend ist vielmehr der im Wege der Auslegung zu ermittelnde Parteiwille bei
Abschluss des Vertrages (BGH a.a.O.).
Das Landgericht durfte danach die Willenserklärung der Antragstellerin bei wertender
Betrachtung gem. §§ 133, 157 BGB als Eingehung einer Mitvertragspartnerschaft deuten.
Die Antragstellerin hatte an der Kreditaufnahme ein eigenes Interesse. Nach dem
übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden diente die Kreditaufnahme
ausschließlich zur Finanzierung des Kaufpreises für die von der Antragstellerin und ihrem
Ehemann zu erwerbende Eigentumswohnung. Die Antragstellerin konnte über die
Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als völlig gleichberechtigte Vertragspartei
mitbestimmen und hat von diesem Recht Gebrauch gemacht, als sie den Kaufvertrag über
den Erwerb der Eigentumswohnung vom 7.12.2001 schloss. Der Kauf der
Eigentumswohnung entsprach unstreitig dem Willen der Antragstellerin; die Antragstellerin
ist hälftige Miteigentümerin der Wohnung, so dass sie nicht einen bloß mittelbaren, sondern
einen unmittelbaren Vorteil aus der Kreditaufnahme erlangt hat. Die Grundsätze, die die
Rechtsprechung zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Bürgschafts- und
Mithaftungsverträgen entwickelt hat, sind daher nicht anwendbar. Anhaltspunkte dafür,
dass die Kreditverträge aus sonstigen in § 138 BGB genannten Gründen als sittenwidrig zu
beurteilen wären, liegen entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts
nicht vor. Die beabsichtigte Klage hat somit hinsichtlich des angekündigten Klageantrags zu
1 keine Aussicht auf Erfolg.
2. Anderes gilt für das Begehren der Antragstellerin, das in dem angekündigten
Klageantrag zu 2 zum Ausdruck kommt. Unabhängig davon, ob die persönliche
Haftungsübernahme wirksam erklärt ist, steht nämlich fest, dass die Antragsgegnerin das
in der notariellen Urkunde abgegebene Schuldversprechen rechtsgrundlos erlangt hat:
Verpflichtet sich ein Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber, eine Sicherheit für
die Darlehensrückzahlung zu stellen, treffen sie hierzu eine Sicherungsvereinbarung. Diese
regelt neben dem Umfang der gesicherten Verbindlichkeit auch, welche Sicherheiten der
Darlehensnehmer beizubringen hat. Solche Sicherungsvereinbarungen haben die Parteien in
der Anlage zu den streitigen Kreditverträgen (Bl. 49 f, 54 f) getroffenen. Diese enthalten
die Verpflichtung der Darlehensnehmer zur Bestellung zweier Grundschulden sowie zur
Abtretung von Außenständen gegenüber dem Finanzamt, nicht aber - daneben - die
Verpflichtung zur Abgabe eines abstrakten persönlichen Schuldversprechens. Eine derartige
Verpflichtung folgt auch nicht automatisch aus der Verpflichtung zur Bestellung einer
Grundschuld, da beide Sicherungsmittel, auch wenn sie häufig in einer Urkunde erklärt
werden, strikt auseinander zu halten sind. Zur Abgabe eines abstrakten persönlichen
Schuldversprechens ist der Darlehensnehmer daher nur dann verpflichtet, wenn dies in der
Sicherungsabrede ausdrücklich vereinbart ist. Enthält die Sicherungsvereinbarung aber -
wie hier - keine solche Verpflichtung, hat der Gläubiger ein in der notariellen Urkunde
gleichwohl abgegebenes Schuldversprechen rechtsgrundlos erlangt und muss es an den
Schuldner nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung zurückgewähren (§ 812 BGB). Geht der Gläubiger - wie hier die
Antragsgegnerin - dennoch aus dem Schuldversprechen gegen den Darlehensnehmer vor,
steht diesem die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 821 BGB zu (vgl. zu
Vorstehendem: Anmerkung Wochner in DNotZ 2004, 714 ff zu OLG Saarbrücken OLGR
2004, 113 = DNotZ 2004, 712 ff). Die Durchsetzbarkeit des titulierten Anspruchs ist
daher gehindert (§ 767 ZPO).
Zu einem anderen Ergebnis gelangte man nur, wenn die notarielle Urkunde selbst eine
(zusätzliche) schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien des Kreditvertrags
enthielte, die die Verpflichtung zur Bestellung einer weiteren Sicherheit zum Gegenstand
hätte (vgl. hierzu den Nachweis bei Wochner, a.a.O., S. 715). Ein derartiger Erklärungswille
lässt sich einem Kreditnehmer, der - notgedrungen - diejenigen Sicherheiten bestellt, die die
Bank zur Darlehensauszahlung verlangt, jedoch nicht unterstellen. Man würde dem Willen
der Beteiligten Gewalt antun, wollte man annehmen, ein Darlehensnehmer wolle ohne
Zwang auch ein abstraktes persönliches Schuldanerkenntnis abgeben (Wochner, a.a.O.).