Urteil des OLG Saarbrücken vom 08.09.2004

OLG Saarbrücken: versicherungsnehmer, eintritt des versicherungsfalls, eintritt des versicherungsfalles, medikamentöse behandlung, ärztliche behandlung, versicherer, einfluss, ärztliche untersuchung

OLG Saarbrücken Urteil vom 8.9.2004, 5 U 25/04 - 2
Leistungsfreiheit der Lebensversicherung nach Herzinfarkt des Versicherungsnehmers:
Rücktritt wegen Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich gefahrerheblicher Umstände bei
unterlassener Mitteilung besorgniserregender Blutwerte
Leitsätze
Überhöhte Cholesterin-, Triglycerin- und Gamma- GT-Werte sind belangvolle
gefahrerhebliche Umstände. Der Versicherungsnehmer weiß von ihnen und muss sie
offenbaren, wenn ein Betriebsarzt ihn darüber aufklärt, eine Veränderung der
Ernährungsgewohnheiten empfiehlt und bei Fortbestand eine medizinische Behandlung
erwähnt und den Versicherungsnehmer auf den Hausarzt verweist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.2003 verkündete Urteil des
Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 80/03, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 70.000 Euro festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin, die Ehefrau des am 4.11.2002 an einem Herzinfarkt verstorbenen T. S.,
nimmt die Beklagte auf Zahlung von 70.000 Euro aus einem Versicherungsvertrag in
Anspruch.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Versicherungsnehmer) unterhielt bei
der Beklagten mit Wirkung ab dem 1.5.2002 zu Gunsten der Klägerin als
Bezugsberechtigter eine Lebensversicherung (Versicherungsschein- Nr.), die für den
Todesfall des Versicherten eine Versicherungssumme in Höhe von 70.000 Euro vorsah (Bl.
14 d.A.). In dem formularmäßigen Versicherungsantrag vom 27.2.2002 (Bl. 13, 56 d.A.)
beantwortete der verstorbene Versicherungsnehmer die Frage "Litten Sie in den letzten 10
Jahren oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (z.B. Herz
oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Wirbelsäule,
Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel, Geschwülste oder sonstige Krankheiten)?"
mit "Nein". Im Jahre 1999 (19.3.1999) hatte sich der Versicherungsnehmer, der
technischer Beamter bei der … war, bei dem *Arzt* Dr. R. einer Routineuntersuchung
unterzogen, bei der auch eine Laboruntersuchung veranlasst worden war. Das Ergebnis
dieser Laboruntersuchung teilte der *Arzt* dem Versicherungsnehmer in einem Schreiben
vom 26.3.1999 unter Beifügung der Laborergebnisse mit (Bl. 26, 27 d.A.); danach war bei
dem Versicherungsnehmer eine Überhöhung des Cholesterinspiegels (Messwert 337 +) bei
noch normalem Neutralfettspiegel (Triglyceride) sowie eine Überhöhung der Gamma GT
(40 +) festgestellt worden, was "auf eine ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber"
bzw. eine "Fettleber" hindeute. Mit Schreiben vom 23.12.2002 (Bl. 17/18 d.A.) erklärte die
Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen schuldhafter Verletzung der
vorvertraglichen Anzeigepflicht unter Hinweis auf die dem Versicherungsnehmer mit
Schreiben vom 26.3.1999 mitgeteilten Untersuchungsergebnisse sowie die Ergebnisse
einer Untersuchung vom 21.12.2000, bei der erneut erhöhte Cholesterin-, Triglycerid- und
Gamma-GT-Werte festgestellt worden seien.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Versicherungsnehmer trotz der am 19.3.1999
festgestellten erhöhten Cholesterinwerte keine Beschwerden oder Beeinträchtigungen
gehabt habe. Auch in den nachfolgenden Routineuntersuchungen vom 20.12.2000,
31.1.2001 und 21.6.2001 seien keine Krankheiten, Verletzungen oder Beschwerden
31.1.2001 und 21.6.2001 seien keine Krankheiten, Verletzungen oder Beschwerden
festgestellt worden. Der bloße Befund, dass Cholesterinwerte überhöht seien, stelle keinen
offenbarungspflichtigen Umstand dar. Weiterhin stehe nicht fest, und zwar auch nicht auf
der Grundlage des Obduktionsberichtes vom 7.11.2002 (Bl. 88 ff d.A.), dass Ursache des
Herzinfarktes erhöhte Cholesterinwerte gewesen seien; weiterhin stehe nicht fest, dass
der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Todes bzw. in den Jahren davor überhaupt
noch überhöhte Cholesterinwerte aufgewiesen habe. In diesem Zusammenhang sei zu
berücksichtigen, dass sich der Versicherungsnehmer einige Monate vor seinem Ableben
wegen Herzbeschwerden in ärztliche Untersuchung begeben habe, ohne dass einer der
behandelnden Ärzte als Ursache für die Beschwerden etwaige erhöhte Cholesterinwerte
auch nur vermutet habe (vgl. Bl. 35 ff d.A.).Von daher bestehe zwischen der Todesursache
(Herzinfarkt) und den (angeblich) überhöhten Cholesterinwerten kein ursächlicher
Zusammenhang. Weiterhin treffe den Versicherungsnehmer kein Verschulden. Ungeachtet
des Umstandes, dass der Versicherungsnehmer keine Beschwerden oder
Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens gehabt habe, sei er mit Ausnahme des
Schreibens vom 26.3.1999 nicht mehr mit erhöhten Cholesterinwerten konfrontiert
worden. Soweit der Versicherungsnehmer im Frühjahr 1999 eine fettärmere Ernährung
gewünscht habe, sei diesem Wunsch im Hinblick darauf, dass der Versicherungsnehmer
immer wieder kleinere Gewichtsprobleme rein kosmetischer Natur gehabt habe, keine
tiefergehende Bedeutung beigemessen worden. Selbst wenn die 1999 festgestellten
erhöhten Cholesterinwerte überhaupt eine Ernst zu nehmende gesundheitliche Gefährdung
dargestellt haben sollten, sei sich der Versicherungsnehmer vor diesem Hintergrund
hierüber bei Antragstellung mit Sicherheit nicht mehr bewusst gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 70.000 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen
Bundesbank seit dem 23.12.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, zum Rücktritt berechtigt gewesen zu sein, weil
der Versicherungsnehmer die zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegende
schwerwiegende Stoffwechselstörung nicht angegeben habe. So sei auch im Rahmen
eines Tauglichkeitsgutachtens der AG eine Laboruntersuchung veranlasst und am
31.1.2001 durchgeführt worden, die bei dem Versicherungsnehmer einen Cholesterinwert
in Höhe von 323 mg/dl und einen Triglyceridwert in Höhe von 433 mg/dl ergeben habe (Bl.
87 d.A.). Die Stoffwechselstörung bei dem Versicherungsnehmer sei im Hinblick darauf,
dass bei der am 19.3.1999 veranlassten Laboruntersuchung ein Cholesterinwert von 377
mg/dl und ein grenzwertiger Triglyceridwert von 197 mg/dl gemessen worden seien, auch
nicht nur vorübergehender Natur gewesen. Der Versicherungsnehmer habe zum Zeitpunkt
der Antragstellung auch Kenntnis von der Stoffwechselerkrankung gehabt, was sich aus
dem Schreiben des *Arztes* Dr. R. vom 26.3.1999 ergebe. Danach habe der
Versicherungsnehmer nicht nur Kenntnis von den drastisch überhöhten Cholesterinwerten
gehabt, sondern auch von der Notwendigkeit einer - notfalls medikamentösen - Behandlung
derselben sowie den Anzeichen einer Fettleber. Die Kenntnis des Versicherungsnehmers
sei auch belegt durch dessen Wunsch nach einer fettärmeren Ernährung. Bei der
vorliegenden Stoffwechselstörung handele es sich auch um einen anzeigepflichtigen
Umstand im Sinne von § 16 Abs. 1 S. 1 VVG. Ein erhöhter Cholesterinspiegel stelle sowohl
für die koronare Herzkrankheit als auch den Herzinfarkt den größten Risikofaktor dar, wobei
das Herzinfarktrisiko des Versicherungsnehmers im Hinblick auf die bei diesem
festgestellten Blutfettwerte als viermal so hoch wie normal einzustufen sei. Die
Anzeigepflicht von drastisch überhöhten Blutfettwerten liege damit auf der Hand. Für die
Gefahrerheblichkeit der Hypercholesterinämie des Versicherungsnehmers streite außerdem
eine tatsächliche Vermutung, weil die Beklagte in ihrem Antragsformular danach gefragt
habe; im Übrigen sprächen für eine Gefahrerheblichkeit vorgenannter Umstände auch ihre
Risikoprüfungsgrundsätze. Der Versicherungsnehmer habe die Anzeigepflichtverletzung zu
vertreten, weil die Offenbarungspflicht der Stoffwechselstörung für diesen evident gewesen
sei; die schriftlich dokumentierte erhebliche Überhöhung des Cholesterinspiegels, eine
Überhöhung der Gamma-GT sowie der Hinweis auf eine Fettleber könne auch von einem
Laien nicht als Bagatelle angesehen werden. Letztlich sei sie auch unter dem
Gesichtspunkt des § 21 VVG von ihrer Leistungspflicht frei, weil die verschwiegene
Stoffwechselerkrankung Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt habe, wie
das Sektionsprotokoll vom 7.11.2002 belege.
Das Landgericht hat nach Einholung einer schriftlichen Aussage des *Arztes* Dr. R. (Bl.
108, 111 ff d.A.) der auf Zahlung der Versicherungssumme gerichteten Klage im Umfang
des gestellten Antrages stattgegeben (Bl. 139 ff d.A., Bl. 152 d.A.). Es hat hierzu im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts der Beklagten
gemäß § 16 Abs. 2 VVG nicht vorlägen. Soweit das Rücktrittsrecht eine Verletzung der
Anzeigeobliegenheit im Sinne von § 16 Abs. 1 VVG voraussetze, sei zwar davon
auszugehen, dass der Versicherungsnehmer die Frage "Litten Sie in den letzten 10 Jahren
oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (z.B. Herz oder
Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Wirbelsäule, Nerven,
Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel, Geschwülste oder sonstige Krankheiten)?" objektiv
falsch beantwortet habe, weil tatsächlich - wie die vorgelegten Laborbefunde auswiesen-
jedenfalls im März 1999 eine Störung des Fettstoffwechsels und damit ein
gefahrerheblicher Umstand vorgelegen habe. Allerdings könne nicht davon ausgegangen
werden, dass, was ebenfalls Voraussetzung für ein Rücktrittsrecht sei, der
Versicherungsnehmer Kenntnis hiervon gehabt habe. Der Versicherungsnehmer habe -
wovon auch auf Grund des Vorbringens der Beklagten auszugehen sei- nicht an körperlich
wahrnehmbaren Beschwerden gelitten. Eine solche Kenntnis sei ihm auch nicht von den ihn
zuvor behandelnden Ärzten vermittelt worden. Soweit in dem Schreiben des Dr. R. vom
26.3.1999 auf eine erhebliche Überhöhung des Cholesterinwertes hingewiesen worden sei,
habe dem Versicherungsnehmer auf Grund des gesamten Inhalts des Schreibens nicht
ohne weiteres klar sein müssen, dass es sich um eine Störung des Fettstoffwechsels
handele. Auf eine Überhöhung des Triglyceridwertes komme es insoweit nicht an, weil Dr.
R. dem Versicherungsnehmer in dem Schreiben vom 26.3.1999 darauf hingewiesen habe,
der Neutralfettspiegel sei noch normal. Auch der Hinweis auf eine Überhöhung der Gamma
GT bzw. der Hinweis auf eine Fettleber sei nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu
rechtfertigen, weil Hinweise eben nur Hinweise seien und selbst noch nichts bewiesen.
Dass Dr. R. den Versicherungsnehmer über den Inhalt des Schreibens vom 26.3.1999
hinaus darauf hingewiesen habe, ein überhöhter Cholesterinspiegel stelle einen Risikofaktor
für Erkrankungen des Herz- oder Kreislaufsystems oder für Stoffwechselerkrankungen dar,
habe dieser in seiner schriftlichen Aussage nicht bestätigt. Nach dessen weiteren Angaben
habe dieser auch bei der folgenden Tauglichkeitsuntersuchung am 31.1.2001 keine
Veranlassung gesehen, eine erneute Bestimmung des Laborbefundes anzuordnen, was in
dem Versicherungsnehmer den Eindruck habe erwecken müssen, er sei gesund. Soweit
Dr. R. in dem Schreiben vom 26.3.1999 die Empfehlung ausgesprochen habe, auf tierische
Fette und alkoholische Getränke zu verzichten und eine cholesterinarme Kost zu
bevorzugen, sei dies nicht ausreichend gewesen, bei dem Versicherungsnehmer die
Annahme zu begründen, es liege bei ihm eine Störung des Fettstoffwechsels vor. Dass
dem Versicherungsnehmer der Laborbefund vom 21.12.2000 (Bl. 87 d.A.) zur Kenntnis
gebracht worden sei, behaupte die Beklagte nicht. Im Übrigen könne ein Nichtmediziner
aus einem Laborbefund für sich allein nichts herleiten. Insoweit behaupte die Beklagte auch
nicht, dass der Versicherungsnehmer von seinem Hausarzt über eine
Stoffwechselerkrankung informiert oder deswegen jemals behandelt worden sei. Bei dieser
Sachlage fehle es an einer Kenntnis des Versicherungsnehmers von einer Störung des
Fettstoffwechsels als einem gefahrerheblichen Umstand. Selbst wenn eine Kenntnis des
Versicherungsnehmers anzunehmen sei, fehle es an einem Verschulden. Denn auf Grund
der schriftlichen Aussage des Dr. R. sei davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer
nicht habe davon ausgehen müssen, dass bei ihm im März 1999 eine vom Normalzustand
abweichende behandlungsbedürftige Störung des Fettstoffwechsels vorgelegen habe,
zumal dieser in der Folgezeit unstreitig zu keinem Zeitpunkt hierauf hingewiesen oder
ärztlich behandelt worden sei. Von daher bestünden keine Zweifel, dass der
Versicherungsnehmer die ihm am 26.3.1999 mitgeteilte Überhöhung des
Cholesterinspiegels als unerheblich bzw. nur vorübergehender Natur und damit als nicht
erwähnenswert gewertet habe, was ihm nach Lage der Dinge nicht vorzuwerfen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung eingelegt.
Sie macht im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht die Voraussetzungen für ein
Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 16 Abs. 2 VVG verkannt habe, da es den Begriff
des gefahrerheblichen Umstandes unzutreffend interpretiert habe; weiterhin habe das
Landgericht zu Unrecht angenommen, dass der Ehemann der Klägerin von dem
gefahrerheblichen Umstand keine Kenntnis gehabt habe. Ausweislich der tragenden
Gründe des angefochtenen Urteils stelle das Erstgericht als gefahrerheblichen und damit
anzeigepflichtigen Umstand auf eine "Störung des Fettstoffwechsels" ab, also die
(ärztliche) Feststellung eines bestimmten Krankheitsbildes, nicht dagegen auf die der
medizinischen Feststellung zu Grunde liegenden Krankheitssymptome. Diese Auffassung
werde dem Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals des "erheblichen Umstandes" im
Sinne von § 16 Abs. 1 VVG nicht gerecht. Denn gefahrerheblich und damit anzeigepflichtig
seien bereits die mit einem Krankheitsbild einhergehenden Symptome, unabhängig davon,
ob diese ärztlicherseits einem Krankheitsbild zugeordnet worden seien. Der
Versicherungsnehmer müsse auch keine Kenntnis von der genauen ärztlichen Diagnose
seiner Gesundheitsstörungen haben; Hinweise, die auf eine Störung oder Erkrankung
hindeuteten, seien ebenso anzeigepflichtig wie die Störung oder Erkrankung selbst. Von
daher könne es die Klägerin bzw. deren Ehemann nicht entlasten, dass der Zeuge Dr. R.
lediglich von Hinweisen auf eine Fettleber in dem Schreiben vom 26.3.1999 gesprochen
habe. Nach § 16 Abs. 1 VVG seien auch solche Umstände erheblich, die für die Übernahme
der Gefahr erheblich seien, die also geeignet seien, auf den Entschluss des Versicherers,
den Vertrag überhaupt oder zu anderen Bedingungen abzuschließen, Einfluss auszuüben.
Maßgeblich hierfür seien die Grundsätze, von denen sich der Versicherer bei der
Risikoprüfung leiten lasse. Keines Rückgriffs auf die Geschäftsgrundsätze des Versicherers
bedürfe es, wenn die Gefahrerheblichkeit des Umstandes auf der Hand liege, wobei als
gefahrerheblich im Zweifel ein solcher Umstand gelte, nach dem der Versicherer
ausdrücklich gefragt habe. Danach sei nicht nur der Hinweis auf die Fettleber
gefahrerheblich und anzeigepflichtig, sondern auch die –drastisch - überhöhten
Cholesterinwerte; denn ein erhöhter Cholesterinspiegel stelle sowohl für die koronare
Herzkrankheit als auch den Herzinfarkt den größten Risikofaktor dar, wobei das
Herzinfarktrisiko des Versicherungsnehmers im Hinblick auf die bei diesem festgestellten
Blutfettwerte als viermal so hoch wie normal einzustufen sei. Hiernach sei auch in dem
Antragsformular (Krankheiten, Störungen, Beschwerden) gefragt worden. Jedenfalls sei das
Landgericht, auch wenn es diese Auffassung nicht geteilt habe, insoweit gehalten
gewesen, der Beklagten aufzugeben, ihre Risikoprüfungsgrundsätze darzulegen (Verstoß
gegen § 139 ZPO).Wenn danach bereits die erheblich überhöhten Cholesterinwerte einen
gefahrerheblichen Umstand darstellten, müsse sich die die Anzeigepflicht auslösende
Kenntnis hierauf und nicht auf die weitergehende medizinische Bewertung dieser erhöhten
Werte beziehen. Dass der Ehemann der Klägerin von diesen überhöhten Cholesterinwerten
Kenntnis gehabt habe, sei unstreitig, da die Klägerin den Zugang des Schreibens des Dr. R.
vom 26.3.1999 nicht bestritten habe. Nicht entscheidend sei in diesem Zusammenhang
die subjektive Einschätzung der Gefahrerheblichkeit durch den Versicherungsnehmer bzw.
dessen Einordnung des erheblich überhöhten Cholesterinwertes als eine "Störung des
Fettstoffwechsels". Das Urteil beruhe auf diesem aufgezeigten Rechtsfehler. Der
Versicherungsnehmer habe insoweit die Verletzung der vorvertraglichen
Anzeigeobliegenheit auch zu vertreten. Das gemäß § 16 VVG vermutete Verschulden habe
die Klägerin nicht entkräftet. Auf Grund der gesamten Umstände und insbesondere der
Tatsache, dass Dr. R. den Versicherungsnehmer schriftlich über die Werte benachrichtigt
habe, sei dieser in der Lage gewesen zu erkennen, dass mit den Cholesterinwerten ein
besonderer und damit anzeigepflichtiger Risikotatbestand vorliege; von daher sei das
Verhalten des Versicherungsnehmers als grob fahrlässig zu bewerten.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom
16.12.2003, Az. 14 O 80/03, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag das
erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat gemäß dem in der Sitzung vom 14.7.2004 verkündeten Beweisbeschluss
Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom selben Tag Bezug genommen (Bl. 205 ff d.A.).
B.
1.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß den §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519, 520 ZPO
zulässig. Das Rechtsmittel ist fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519,
520 Abs. 2 ZPO. Die Begründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 513,
520 Abs. 3 ZPO. Danach kann das Rechtsmittel der Berufung nur darauf gestützt werden,
dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder
nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen,
wobei diese Umstände in der Berufungsbegründung dargelegt werden müssen (§ 520 Abs.
3 ZPO).
Die Beklagte stützt sich darauf, dass das Landgericht die Voraussetzungen für ein
Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 16 Abs. 2 VVG verkannt habe, da es den Begriff
des gefahrerheblichen Umstandes unzutreffend interpretiert habe; von daher habe das
Landgericht auch zu Unrecht angenommen, dass der Ehemann der Klägerin von dem
gefahrerheblichen Umstand keine Kenntnis gehabt habe. Auch habe es das Landgericht auf
der Grundlage der von ihm vertretenen Auffassung zu Unrecht unterlassen, ihr
aufzugeben, ihre Risikoprüfungsgrundsätze darzulegen (Verstoß gegen § 139 ZPO). Mit
diesem Vorbringen rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts im
Sinne von § 546 ZPO (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO, 60. Aufl., § 546, Rdnr. 2 ff,
7).
2.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch
aus dem gemäß Antrag vom 27.2.2002 abgeschlossenen Versicherungsvertrag,
Versicherungsschein -Nr., gegen die Beklagte nicht zu, weil die Beklagte wirksam von dem
Versicherungsvertrag gemäß Versicherungsschein vom 12.3.2002 (Bl. 14/15 d.A.)
zurückgetreten ist (A) und die Leistungspflicht auch nicht gemäß § 21 VVG fortbesteht (B).
Dass die Beklagte insoweit die gemäß § 20 Abs. 1 VVG vorgesehene Monatsfrist für die
Erklärung des Rücktritts gewahrt hat, wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
(A)
Gemäß § 16 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der
Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss einen nach § 16 Abs. 1 VVG anzeigepflichtigen
Umstand verschwiegen hat. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsnehmer bei
Schließung des Vertrages "alle ihm bekannten Umstände" anzuzeigen. Nach § 16 Abs. 1
Satz 2 VVG erstreckt sich die Anzeigepflicht auf alle Umstände, die geeignet sind, auf den
Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt
abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer
ausdrücklich oder schriftlich gefragt hat, gilt gemäß § 16 Abs. 1 S. 3 VVG im Zweifel als
erheblich. (vgl. Berliner Kommentar zum VVG/Voit, 1998, § 16, Rdnr. 6 ff, m.w.N.;
Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 16, 17, Rdnr. 10 ff, 58, m.w.N.; Prölss/Martin, VVG, 26.
Aufl., §§ 16, 17, 2 ff, m.w.N.; BGH, Urteil vom 2.3.1994, IV ZR 99/93/VersR 1994, S. 711
ff; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2001, S. 376 ff).
Soweit § 16 Abs. 1 VVG die Mitteilungspflicht an die dem Antragsteller bekannten
Umstände knüpft, setzt die Anzeigeobliegenheit eine positive Kenntnis des
Versicherungsnehmers von solchen Umständen im Zeitpunkt ihrer Erfüllung
(Antragstellung) voraus; Kennen müssen und grob fahrlässige Unkenntnis genügen nicht.
(BGH, VersR 1994, S. 711 ff; BGH, NJW 1984, S. 884; OLG Bremen, RuS 1992, S. 31).
Demgemäß ist für eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit zunächst maßgeblich, ob der
Antragsteller bei der Beantwortung von Antragsfragen von durch den Versicherer erfragten
Umständen Kenntnis hatte. Solche Kenntnis kann sich bei für ihn erfragten
Gesundheitsumständen sowohl unmittelbar aus eigener (körperlicher) Wahrnehmung
ergeben als auch durch Angaben der ihn zuvor behandelnden Ärzte vermittelt worden sein.
Ist letzteres der Fall, kommt es nicht darauf an, ob sich solche ärztlichen Angaben, auf die
sich die Kenntnis des Antragstellers von gefahrerheblichen Umständen gründet, im
nachhinein als objektiv zutreffend erweisen oder nicht. Denn § 16 Abs. 1 VVG knüpft die
Obliegenheit zu deren Anzeige allein an die Kenntnis des Antragstellers bei Beantwortung
der Antragsfragen. Hatte er zu diesem Zeitpunkt nach Maßgabe der ihm offenbarten
ärztlichen Einschätzung oder Vermutung Kenntnis von gefahrerheblichen Umständen,
obliegt es ihm, sie anzuzeigen, während die Prüfung und Bewertung Sache des
Versicherers ist. Aber auch ohne Vorliegen einer ärztlichen Einschätzung oder Diagnose ist
der Antragsteller gehalten, symptomatische Beschwerden zu offenbaren, und zwar auch
dann, wenn er sich deswegen (noch) nicht in ärztliche Behandlung begeben hat bzw. den
symptomatischen Beschwerden keinen Krankheitswert beimisst, weil auch insoweit die
Bewertung und Beurteilung dem Versicherer überlassen sein muss (vgl. Berliner
Kommentar zum VVG/Voit, aaO, § 16, Rdnr. 49,50; Römer/Langheid, aaO, §§ 16, 17,
Rdnr. 11 ff, 19, 58, m.w.N.). Von daher hat der Antragsteller, der regelmäßig mangels
eigener medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Gefahrerheblichkeit körperlicher
Beschwerden zu beurteilen, die im Versicherungsantragsformular gestellten Fragen nach
Krankheiten, Störungen oder Beschwerden erschöpfend zu beantworten. Er darf sich daher
bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht
beschränken, noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger
gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Diese weit gefasste Pflicht zur
Offenbarung findet ihre Grenze erst bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig
belanglos sind oder alsbald vergehen (vgl. Römer/Langheid, aaO, §§ 16, 17, Rdnr. 12,
m.w.N.; Prölss/Martin, aaO, §§ 16, 17, Rdnr. 8, 20, m.w.N.; Berliner Kommentar zum
VVG/Voit, aaO, Rdnr. 46; BGH, Urteil vom 19.3.2003, IV ZR 67/02/RuS 2003, S. 336,
337, m.w.N.; BGH, VersR 2000, S. 1486 ff, m.w.N.; BGH, VersR 1994, S. 1457 ff,
m.w.N.; BGH, VersR 1994, S. 711 ff; Beschluss des erkennenden Senats vom 28.8.2003,
Az. 5 W 86/03-22; OLG Frankfurt, RuS 1997, S. 172 ff; OLG Köln, RuS 1991, S. 354 ff).
Unter Berücksichtigung dessen ist für die Frage, ob der Versicherungsnehmer im Streitfall
seine Anzeigeobliegenheit verletzt hat, entscheidend, welche Kenntnisse er bei der
Beantwortung der Antragsfragen über durch die Beklagte erfragte Gesundheitsumstände
hatte (1) und ob es sich bei den dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen um
gefahrerhebliche und damit anzeigepflichtige Umstände handelte (2).
(1)
In dem formularmäßigen Versicherungsantrag vom 27.2.2002 (Bl. 13, 56 d.A.) lautet die
unter "Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" unter 1. gestellte Frage: "Litten
Sie in den letzten 10 Jahren oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Störungen oder
Beschwerden (z.B. Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder
Geschlechtsorgane, Wirbelsäule, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel,
Geschwülste oder sonstige Krankheiten)?" Die Antragsfrage ist damit sowohl nach
allgemeinem Sprachgebrauch als auch der Verständnismöglichkeit und -fähigkeit eines
durchschnittlichen Befragten weit gefasst. Die Umschreibung der
Gesundheitsbeeinträchtigungen mit "Krankheiten, Störungen und Beschwerden"
verdeutlicht, dass nicht nur Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht erfragt
werden, sondern auch solche, die sich nicht bereits als Schaden oder Krankheit darstellen,
sondern nur als Störungen oder Beschwerden zu bezeichnen sind. Denn schon nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch wird der Befragte unter Störungen und Beschwerden eine
Gesundheitsbeeinträchtigung von (noch) geringerer Intensität verstehen, als dies beim
Vorliegen einer Krankheit oder eines Schadens der Fall ist. Von daher sind alle Störungen
und Beschwerden, insbesondere solche der im Klammerzusatz beispielhaft aufgeführten
Bereiche, anzugeben, unabhängig von deren Schwere oder von dem Stadium, in dem sie
sich befinden. Damit wird dem Befragten eine Wertung nicht abverlangt; die erfragte
Gesundheitsstörung erfasst vielmehr jede Gesundheitsbeeinträchtigung, die nicht
offenkundig belanglos ist oder alsbald vergeht (vgl. BGH, VersR 1994, S. 711 ff;
Römer/Langheid, aaO, §§ 16, 17, Rdnr. 13, m.w.N.).
Soweit der Versicherungsnehmer in dem Antragsschreiben diese Frage ausnahmslos mit
"Nein" beantwortet hat, liegt eine objektiv unrichtige Antwort vor. Denn zumindest im März
1999 lagen, wie das Schreiben des *Arztes* Dr. R. vom 26.3.1999 sowie die Laborwerte
der von diesem veranlassten Laboruntersuchung vom 22.3.1999 belegen (Bl. 26, 27 d.A.),
"eine erhebliche Überhöhung des Cholesterinspiegels" (337 +) bei noch normalem
Neutralfettspiegel", was auf eine "zu stark ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber
[hindeute]", sowie eine "Überhöhung der Gamma-GT" (40 +), was auf eine "Fettleber
[hinweise]", vor.
Im Zeitpunkt der Antragstellung hatte der Versicherungsnehmer auch Kenntnis von einer
"Störung" im Sinne der von der Beklagten gestellten Gesundheitsfragen für den erfragten
Zeitraum. Dem Versicherungsnehmer sind die vorgenannten Umstände, nämlich der
überhöhte Cholesterinwert und der überhöhte Gamma-GT-Wert, mit Schreiben des
*Arztes* Dr. R. vom 26.3.1999 nebst beigefügter Laborergebnisse gemäß der
Laboruntersuchung vom 22.3.1999 mitgeteilt worden; dies ist zwischen den Parteien
unstreitig und im Übrigen vom Landgericht im unstreitigen Tatbestand festgestellt worden
(Bl. 141 d.A.), so dass der Senat an diese im Übrigen unangefochten gebliebenen
Feststellung gebunden ist, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Des weiteren wurde in dem Schreiben
darauf hingewiesen, dass, sofern sich der Cholesterinspiegel nicht mit cholesterinarmer
Kost gemäß beiliegender Empfehlung senken lasse, eine medikamentöse Behandlung in
Betracht zu ziehen sei, und dass im Hinblick auf die in Folge der Überhöhung der Gamma-
GT vorliegenden Hinweise auf eine Fettleber auf tierische Fette und alkoholische Getränke
verzichtet werden solle; hierüber werde sicherlich der Hausarzt weiterführend beraten.
Damit war dem Versicherungsnehmer hinlänglich vor Augen geführt, dass gesundheitliche
Störungen im Sinne der Gesundheitsfragen zum Zeitpunkt der Antragsstellung vorlagen.
Auch wenn der Versicherungsnehmer nicht unter konkreten Beschwerden litt und die von
dem *Arzt* Dr. R. festgestellten Werte bzw. Vermutungen auf weitergehende Störungen
und Krankheiten (zu stark ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber, Fettleber) aus
dessen Sicht nur geringfügiger Natur waren, handelte es sich nicht um eine bloße
Bagatelle. Denn Dr. R. hat den Versicherungsnehmer auch darauf hingewiesen, dass,
sofern sich die Werte nicht durch eine Umstellung der Ernährungs- und Trinkgewohnheiten
senken lassen, eine medikamentöse Behandlung in Betracht komme; auch hat Dr. R. den
Versicherungsnehmer wegen der von ihm erhobenen und in dem Schreiben mitgeteilten
„Befunde" an den Hausarzt verwiesen. Dass dem Versicherungsnehmer insoweit eine
Diagnose nicht eröffnet worden ist, ist ohne Belang. Auch ohne eine solche wusste der
Versicherungsnehmer, dass ein vom Normalzustand abweichender Befund der
Blutfettwerte (Cholesterinspiegel 337 +, Gamma-GT 40 +) vorlag, der den Verdacht auf
weitergehende Störungen (zu stark ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber,
Fettleber) begründete. Dass er auch selbst diese Störungen als solche erkannt und nicht
als Bagatelle aufgefasst hat, wird daran deutlich, dass er die Ergebnisse zum Anlass
genommen hat, zumindest seine Ernährungsweise zu ändern, indem er, wie die Klägerin
einräumt, fettarme Ernährung wünschte. Insoweit war ihm also offensichtlich bewusst,
dass die von Dr. R. mitgeteilten „Befunde" Veranlassung gaben, den Gesundheitsstörungen
durch geeignete Maßnahmen zu begegnen, um sie als Risikofaktor für eine weitere
negative Entwicklung seines Gesundheitszustandes und damit seiner Lebenserwartung zu
minimieren oder auszuschalten. Dass er diese Störungen möglicherweise zum Zeitpunkt
der Antragstellung für überwunden gehalten hat, war kein Grund, sie der Beklagten nicht
mitzuteilen. Der Umstand, dass dem Versicherungsnehmer im Anschluss an die am
20.12.2000, 31.1.2001 und 21.6.2001 von Dr. R. durchgeführten Routineuntersuchungen
keine Laborwerte mehr mitgeteilt worden sind, was unstreitig ist, rechtfertigt keine
abweichende Beurteilung. Wie sich aus der im ersten Rechtszug eingeholten schriftlichen
Aussage des Dr. R. vom 12.9.2003 (Bl. 111, 112 d.A.) ergibt, ist „aufgrund des
Wirtschaftlichkeitszwangs" am 31.1.2001 eine erneute Bestimmung der Laborbefunde
nicht vorgenommen worden; dass eine erneute Bestimmung anlässlich der am 21.6.2001
durchgeführten Routineuntersuchung erfolgt ist, ist nicht feststellbar; hierfür liegen keine
Anhaltspunkte vor, auch nicht auf der Grundlage der schriftlichen Aussage des Dr. R., dies
wird auch von keiner Partei behauptet. Weiterhin kann nicht festgestellt werden, dass dem
Versicherungsnehmer die Laborbefunde vom 21.12.2000 (Bl. 87 d.A.), deren Erhebung
offensichtlich am 20.12.2000 anlässlich der an diesem Tag durchgeführten
Tauglichkeitsuntersuchung veranlasst worden ist und die einen deutlich überhöhten
Cholesterinwert (323 +), einen deutlich überhöhten Triglyceridwert (433 +) sowie einen
erhöhten Gamma-GT (35+) aufwiesen, zur Kenntnis gebracht worden sind, wovon auch
das Landgericht ausgegangen ist (Bl. 145 d.A.). Bei dieser Sachlage lagen für den
Versicherungsnehmer keine begründeten bzw. hinreichenden Umstände vor, die den
Schluss zuließen, die im Jahre 1999 ermittelten Laborwerte bzw. die auf Grund dieser
Laborwerte von Dr. R. ausgesprochenen Hinweise auf eine stark ausgeprägte
Cholesterinsynthese in der Leber bzw. auf eine Fettleber beanspruchten keine Geltung
mehr. Mangels gegenteiliger Mitteilung bzw. weiterer Laboruntersuchungen musste der
Versicherungsnehmer vielmehr davon ausgehen, dass die Befunde/Hinweise in dem
Schreiben vom 26.3.1999 weiter Geltung hatten. Dies gilt umso mehr, als der
Versicherungsnehmer sich, was unstreitig ist, auf das Schreiben des Dr. R. vom 26.3.1999
nie in hausärztliche Behandlung begeben bzw. eine Kontrolle der von Dr. R. erhobenen
Laborwerte veranlasst hat.
Hatte der Versicherungsnehmer mithin Kenntnis von den vorbezeichneten gesundheitlichen
Störungen, war er verpflichtet, diese der Beklagten bei Vertragsabschluss anzuzeigen.
(2)
Denn die vorbezeichneten Störungen stellen auch gefahrerhebliche und damit
anzeigepflichtige Umstände dar.
Grundsätzlich sind gefahrerheblich solche Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss
des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen,
einen Einfluss auszuüben (s.o. sowie BGH, VersR 2000, S. 1486 ff, m.w.N.). Dazu zählen
alle objektiven und subjektiven Umstände, die für die Risikobeurteilung von Bedeutung sein
können, wobei eine Beurteilung aus der Sicht des Versicherers unter Berücksichtigung
seiner jeweiligen Annahmepraxis vorzunehmen ist. Da die Bewertung der anzeigepflichtigen
Umstände allein Sache des Versicherers ist, es also nicht auf die Beurteilung aus der Sicht
selbst eines verständigen Versicherungsnehmers ankommt, sind ausdrücklich gestellte
Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten (vgl. Römer/Langheid, aaO, § 16,
Rdnr. 14, m.z.w.N.). Von daher hat der Antragsteller, der regelmäßig mangels eigener
medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Gefahrerheblichkeit körperlicher
Beschwerden zu beurteilen, die im Versicherungsantragsformular gestellten Fragen nach
Krankheiten, Störungen oder Beschwerden erschöpfend zu beantworten. Er darf sich daher
bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht
beschränken, noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger
gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen (s.o.). Dabei gilt ein Umstand,
nach dem der Versicherer ausdrücklich oder schriftlich fragt, im Zweifel als gefahrerheblich
(§ 16 Abs. 1 S. 3 VVG).
Diese in § 16 Abs. 1 S. 3 VVG statuierte Erheblichkeitsvermutung kommt auch der
Beklagten zugute. Der Versicherungsnehmer war mit der weit gefassten Antragsfrage in
Ziffer 1 der "Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" nach
Gesundheitsstörungen in den letzten 10 Jahren gefragt worden; zu solchen Störungen im
Sinne der Frage rechnen auch die bei dem Versicherungsnehmer anlässlich der
Untersuchung vom 19.3.1999 festgestellten Befunde und die auf diesen Befunden
fußenden Hinweise des *Arztes* Dr. R. (s.o.). Dass dem Versicherungsnehmer insoweit
keine Diagnose bzw. konkrete Krankheit mitgeteilt worden ist, ändert an der
Gefahrerheblichkeit der Umstände nichts. Zum einen ist der Versicherungsnehmer auch
ohne Vorliegen einer ärztlichen Einschätzung oder Diagnose gehalten, symptomatische
Beschwerden zu offenbaren, und zwar auch dann, wenn er sich deswegen (noch) nicht in
ärztliche Behandlung begeben hat bzw. den symptomatischen Beschwerden keinen
Krankheitswert beimisst, weil auch insoweit die Bewertung und Beurteilung dem
Versicherer überlassen sein muss. Zum anderen können auch die Grundlagen einer
ärztlichen Vermutung gefahrerhebliche Umstände darstellen, die der Versicherungsnehmer,
auch wenn er nicht unter konkreten Beschwerden leidet, anzuzeigen gehalten ist,
insbesondere wenn der Versicherer - wie hier - eine entsprechende Frage nach Störungen
der Gesundheit stellt (s.o. sowie Berliner Kommentar zum VVG/Voit, aaO, § 16, Rdnr. 50,
m.w.N.).
Zu keiner anderen Beurteilung zwingen die Entscheidungen des OLG Köln vom 8.11.1990,
Az. 5 U 55/90 (in: VersR 1991, S. 871, RuS 1991, S. 6,7) und des OLG Koblenz vom
16.3.2001, Az. 10 U 187/00 (in: OLGR Koblenz 2001, S. 376 ff). Wie sich aus den in
VersR 1991, S. 871 abgedruckten Entscheidungsgründen des Urteils des OLG Köln
entnehmen lässt, wurden die erhöhten Cholesterinwerte, deren Höhe sich weder aus
ärztlichen Bescheinigungen noch aus dem Parteivorbringen ergab, nicht als offenkundig
gefahrrelevanter Umstand gewertet, sondern als sog. "nicht offenkundig gefahrrelevanter
Umstand", hinsichtlich dessen die Versicherung, sofern - wie in dem dort entschiedenen Fall
- der Versicherungsnehmer die Unerheblichkeit des Umstandes einwendet und auch nicht
von einem auf der Hand liegenden schwerwiegenden Umstand ausgegangen werden kann,
ihre für die Risikoprüfung maßgeblichen Grundsätze offen legen muss, was die dortige
Beklagte mangels substantiierten Vortrages, so das OLG Köln, nicht getan hat.
Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, überhöhte Cholesterinwerten stellten
grundsätzlich keinen gefahrerheblichen und damit keinen anzeigepflichtigen Umstand dar.
Soweit das OLG Koblenz eine Mitteilungspflicht verneint hat, weil es sich in dem von ihm
entschiedenen Fall lediglich um einen auf einer Erstdiagnose beruhenden Verdacht einer
Fettleber auf Grund einer sonomorphologischen Untersuchung gehandelt hat, liegt dieser
Entscheidung ein Sachverhalt zu Grunde, der nur bedingt mit dem vorliegenden zu
vergleichen ist. Im Streitfall ist nämlich bei der gebotenen Gesamtschau zu berücksichtigen,
dass dem Versicherungsnehmer nicht nur der Verdacht einer Fettleber mitgeteilt worden
ist, sondern auch, dass eine deutliche Überhöhung des Cholesterinspiegels vorliegt, die
Werte (deutlich überhöhter Cholesterinspiegel bei noch normalen Neutralfettspiegel) auf
eine zu stark ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber hindeuten und dass eine
Überhöhung der Gamma-GT vorliegt, was auf eine Fettleber hinweist. Im Hinblick darauf,
dass dem Versicherungsnehmer also nicht nur der Verdacht einer Fettleber bzw. einer zu
stark ausgeprägten Cholesterinsynthese in der Leber, sondern diesen Verdacht erhärtende
Laborbefunde mitgeteilt worden sind, dem Versicherungsnehmer auch weiterhin
bestimmte Verhaltensmaßregeln (Umstellung der Ernährung auf cholesterinarme Kost,
Verzicht auf tierische Fette und alkoholische Getränke) auferlegt worden sind und eine
medikamentöse Behandlung in Aussicht gestellt worden ist, lagen mehrere, zum Teil
erhebliche Abweichungen vom Normalzustand vor, die als Störungen im Sinne der
gestellten Gesundheitsfragen anzusehen sind. Solche Störungen, die nicht als offenkundig
belanglos qualifiziert werden können bzw. von denen auch nicht angenommen werden
kann, dass sie alsbald vergehen, stellen zweifellos gefahrerhebliche Umstände dar (vgl.
insoweit auch OLG Düsseldorf, RuS 1997, S. 126). Das Vorliegen solcher Umstände ist
jedoch anzeigepflichtig (s.o.).
Allerdings kann der Versicherungsnehmer sich zur Widerlegung dieser Vermutung darauf
berufen, dass der Umstand, nach dem der Versicherer gefragt hat, unerheblich ist, also im
konkreten Fall nicht geeignet war, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag
überhaupt oder mit diesem Inhalt abzuschließen, Einfluss zu nehmen. Soweit
anerkanntermaßen dem Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die
Unerheblichkeit der Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat,
obliegt, genügt dieser seiner Darlegungslast im Hinblick darauf, dass es ihm in aller Regel
unmöglich ist, sich substantiiert über die von einem Versicherungsunternehmen beachteten
Geschäftsgrundsätze zu erklären, wenn er global behauptet, der betreffende Umstand sei
nicht gefahrerheblich. Diese pauschale Behauptung kann vom Versicherer nur dadurch
widerlegt werden, dass er detailliert die Grundsätze der Risikoprüfung und -gegebenenfalls
unter Beweisantritt- die Gefahrrelevanz im Einzelnen darlegt (vgl. Berliner-Kommentar zum
VVG/Voit, aaO, § 16, Rdnr. 23, m.w.N.; Römer/Langheid, aaO, § 16, Rdnr. 22/23, m.w.N.;
BGH, VersR 1984, S. 629).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn bei den in Rede stehenden Umständen die
Gefahrerheblichkeit "auf der Hand liegt"; in einem solchen Fall ist der Versicherer nicht
gehalten, die Gefahrerheblichkeit durch Darlegung und Erläuterung seiner
Risikoprüfungsgrundsätze zu belegen (vgl. BGH, VersR 1994, S. 711 ff; siehe auch BGH,
VersR 2000, S. 1486 ff ; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, S. 466 ff, m.w.N.; OLG Frankfurt,
OLGR Frankfurt 2001, S. 202 ff; Beschluss des erkennenden Senats vom 28.8.2003, Az.
5 W 86/03-22).
Ob auch im Streitfall von einer auf der Hand liegenden Gefahrerheblichkeit der
vorstehenden Störungen auszugehen ist, weil die nicht angegebenen Laborbefunde
(deutlich überhöhter Cholesterinspiegel von 337 +, überhöhter Gamma-GT von 40 +) und
weitergehenden Hinweise (Verdacht einer zu stark ausgeprägten Cholesterinsynthese in
der Leber bzw. einer Fettleber) unter Umständen ohne weiteres auf eine erhöhte Gefahr
von Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Fettstoffwechselerkrankungen hindeuten, kann
unentschieden bleiben.
Denn die Beklagte hat durch Vorlage und Erläuterung ihrer maßgeblichen
Risikoprüfungsgrundsätze hinreichend dargelegt und im Übrigen nachgewiesen, dass sie
Veranlassung gehabt hätte, den Vertrag in Kenntnis der Umstände nicht oder nur zu
anderen Bedingungen abzuschließen (Berliner-Kommentar zum VVG/Voit, aaO, Rdnr. 24,
m.w.N.; BGH, RuS 1993, S. 393 ff). Nach den von der Beklagten mit Schriftsatz vom
18.6.2004 vorgelegten (Bl. 196 ff d.A.) und von dem Zeugen M., dem Abteilungsleiter
Risikoprüfung Personenversicherung bei der Beklagten, in der mündlichen Verhandlung vom
14.7.2004 erläuterten Risikoprüfungsgrundsätzen, die nach den Bekundungen des Zeugen
M. auch im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vertragsabschlusses (2002) Gültigkeit
beanspruchten und von dem Rückversicherer GenRe vorgegeben waren, war im Hinblick
auf die Laborwerte vom 22.3.1999 (Bl. 27 d.A.: Cholesterin 337 +, LDL 252 +, HDL 60
+) eine Rückfrage bei einem Rückversicherungsarzt angezeigt ("RA") und lag selbst unter
Berücksichtigung der Laborwerte aus dem Jahre 2000 (Bl. 87 d.A.: Cholesterin 323 +, LDL
175 +, HDL 40 +) für die beantragte Lebensversicherung eine Übersterblichkeit von 75 %
vor bzw. war angesichts des weiteren Risikofaktors Rauchen (Frage 6 der
Gesundheitserklärung, Bl. 13 d.A.) ein Risikozuschlag in Höhe von 25 % vorzunehmen
(Alter 35-55, Chol. mg% 321-400, LDL mg/% 181-190, HDL> 40, Leben 75, DD RA;
mäßige Risikoverschlechterung Rauchen 25, vgl. Bl. 199 d.A.). Von daher wäre, so der
Zeuge M., die Prämie doppelt so hoch gewesen. Wie der Zeuge weiter erläutert hat, gebe
es bei diesen Werten keinen Ermessensspielraum. Ein solcher sei selbst einem
Sachbearbeiter, der bereits über die Kompetenz verfüge, die Risikoprüfung selbst
vorzunehmen, auch dann nicht eingeräumt, wenn lediglich die schlichte Angabe
"Cholesterin erhöht" erfolge; in einem solchen Fall müsse der Sache nachgegangen werden
indem weitere Informationen eingeholt und Laborwerte des Arztes mit begleitenden
Angaben erbeten würden. Ohne weitere Informationen werde der Vertrag in keinem Fall
abgeschlossen.
Von daher steht fest, dass die Beklagte im Hinblick auf ihre Risikoprüfungsgrundsätze
Veranlassung gehabt hätte, den Vertrag in Kenntnis der Umstände nicht oder nur zu
anderen Bedingungen abzuschließen.
Soweit die Klägerin darauf verweist, ihr Ehemann hätte den Vertrag zu anderen
Bedingungen gemäß den Risikoprüfungsgrundsätzen der Beklagten abgeschlossen, ist
dieser Einwand nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen. Denn nicht
entscheidend ist, zu welchen Bedingungen der Versicherungsnehmer den Vertrag
abgeschlossen hätte, sondern ob die Umstände - wie vorstehend aufgezeigt- geeignet sind,
auf den Entschluss des Versicherers Einfluss zu nehmen.
Der Versicherungsnehmer hat auch schuldhaft gehandelt. Denn die Klägerin hat nicht
nachgewiesen, dass die Nichtanzeige des erfragten Gesundheitszustandes ohne
Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist (§ 16 Abs. 3 VVG). Insoweit hat
sie nicht ausgeräumt, dass der Versicherungsnehmer zumindest fahrlässig gehandelt hat.
Bei Beantwortung der Antragsfragen konnte der Versicherungsnehmer bei Anspannung der
erforderlichen Sorgfalt nämlich nicht davon ausgehen, es habe sich nur um eine
unerhebliche, nicht erwähnenswerte oder nur vorübergehende gesundheitliche Störung
gehandelt. Denn auch als Laie im medizinischen wie im versicherungsrechtlichen Bereich
konnte der Versicherungsnehmer nicht annehmen, dass die von Dr. R. getroffenen
Feststellungen für die Beklagte im Rahmen des gewünschten Versicherungsschutzes von
vorneherein bedeutungslos sind. Bei sorgfältiger Prüfung der Antragsfragen konnte der
Versicherungsnehmer nicht verkennen, dass die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen
Störungen anzuzeigen waren (vgl. BGH, VersR 1994, S. 711 ff). Dessen ungeachtet ist die
Anzeigepflichtverletzung stets dann verschuldet, wenn der Versicherungsnehmer unter
Beachtung des objektiven Sorgfaltsmaßstabes klare Fragen unvollständig oder falsch
beantwortet; deswegen muss er auch Gefahrumstände, die er selbst für unerheblich hält,
nach denen er aber - wie hier - gefragt worden ist, angeben (vgl. OLG Düsseldorf, RuS
1997, S. 126; Berliner Kommentar zum VVG/Voit, aaO, Rdnr. 99, m.w.N.;
Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 63, m.w.N.). Auch von daher ist von einem Verschulden des
Versicherungsnehmers auszugehen.
Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer in dem Versicherungsantrag unter der Frage
Ziffer 8 den *Arzt* Dr. R. benannt hat, vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu
rechtfertigen. Die Angabe von Namen und Anschrift des Arztes entbindet den
Versicherungsnehmer nicht von der ihm obliegenden Pflicht, die gestellten Antragsfragen
richtig und vollständig zu beantworten. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt musste
der Versicherungsnehmer vielmehr erkennen, dass die Fragen unter Ziffer 1 der
"Gesundheitserklärung der versicherten Person" richtig und vollständig zu beantworten und
auch die von Dr. R. mitgeteilten Laborbefunde und weitergehenden Hinweise anzugeben
waren (s.o.).Soweit eine andere Beurteilung unter Umständen dann angezeigt erscheint,
wenn der Versicherungsnehmer zwar Gesundheitsfragen verneint, aber aus eigener
Initiative seinen Hausarzt/sonstigen (behandelnden) Arzt mit einem Bericht beauftragt, liegt
eine derartige Fallkonstellation im Streitfall unzweifelhaft nicht vor.
Dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise der Untersuchungsbefund vom
26.3.1999 nicht mehr in Erinnerung war, wie die Klägerin geltend macht, vermag ebenfalls
zu keiner abweichenden Beurteilung zu führen. Zwar erfordert eine Kenntnis bzw. ein
Verschulden des Versicherungsnehmers auch ein Erinnern an Umstände, soweit dies bei
angemessener Gedächtnisanstrengung möglich ist; den Versicherungsnehmer trifft dabei in
gewissem Umfang auch eine Nachfrage- und Erkundigungspflicht. Im Streitfall liegen jedoch
keine hinreichenden Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, der
Versicherungsnehmer habe sich auch bei gehöriger Anspannung des
Erinnerungsvermögens nicht mehr zu erinnern vermocht bzw. auch keine Gelegenheit
gehabt, entsprechende Unterlagen einzusehen. Dass trotz verstärkten Nachdenkens oder
Erkundigungen ein tatsächliches Vergessen bei dem Versicherungsnehmer vorgelegen hat,
ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin nicht hinreichend plausibel (vgl.
Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 15, m.w.N.; Berliner Kommentar zum VVG/Voit, aaO, Rdnr.
52, m.w.N.).
Das Rücktrittsrecht der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen gemäß § 16 Abs. 3
VVG ausgeschlossen. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Versicherer
den nicht angezeigten Umstand kannte bzw. die ihm obliegende Nachfrageobliegenheit
verletzt hat. Es bedarf nämlich keiner ergänzenden Rückfrage des Versicherers, wenn klare
Fragen ebenso klar (aber falsch) beantwortet werden, und auch im Übrigen keine
Umstände vorliegen, die dem Versicherer zu einer Nachfrage Veranlassung geben könnten
(vgl. Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 51; Berliner Kommentar zum VVG/Voit, aaO, Rdnr. 90
ff). Im Hinblick darauf, dass der Versicherungsnehmer die Fragen unter Ziffer 1 der
"Gesundheitserklärung der versicherten Person" eindeutig und klar beantwortet hat,
bestand keine Pflicht der Beklagten zu weiteren Nachfragen. Dass der
Versicherungsnehmer gemäß der Frage unter Ziffer 8 des Antragsformulars den Namen
und die Anschrift des Arztes Dr. R. angegeben hat, vermag im Hinblick auf die Eindeutigkeit
der Angaben des Versicherungsnehmers, die entsprechende Erkundigungen nicht nahe
legten, ebenfalls eine Nachfrageobliegenheit der Beklagten nicht zu begründen, zumal für
die Beklagte offensichtlich keine Umstände vorlagen, die den Schluss auf eine
Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Angaben zuließen oder zumindest nahe legten
(vgl. Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 52).
Demzufolge ist die Beklagte wirksam von dem Versicherungsvertrag zurückgetreten.
(B)
Die Leistungspflicht der Beklagten besteht auch nicht trotz des erklärten Rücktritts vom
Vertrag gemäß § 21 VVG fort.
Gemäß § 21 VVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung, auch wenn er
zurückgetreten ist, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, bestehen, wenn der
Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, auf den Eintritt des
Versicherungsfalls und den Umfang der Leistung des Versicherers keinen Einfluss gehabt
hat.
Die in § 21 VVG gemeinte kausale Verknüpfung muss zwischen dem verschwiegenen
anzeigepflichtigen Umstand und dem Eintritt des Versicherungsfalls bzw. dem
Leistungsumfang des Versicherers bestehen; es kommt nicht darauf an, ob der Versicherer
den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte,
wenn er den anzeigepflichtigen Umstand gekannt hätte, denn eine solche kausale
Verknüpfung ist schon Voraussetzung für den Rücktritt und hat mit der trotz Rücktritts
bestehen bleibenden Leistungspflicht des Versicherers nichts zu tun (vgl.Römer/Langheid,
aaO, Rdnr. 5, m.w.N.). Soweit also für das Fortbestehen der Leistungspflicht des
Versicherers der vor Vertragsabschluss verschwiegene Umstand auf den Eintritt des
Versicherungsfalls keinen Einfluss gehabt haben darf, ist für diesen Umstand (Ausschluss
des Kausalzusammenhangs) der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet.
Notwendig ist der Ausschluss der möglichen Auswirkungen des verschwiegenen
Umstandes auf den Eintritt des Versicherungsfalls; bereits eine Mitursächlichkeit schließt die
Leistungspflicht aus (Römer/Langheid, aaO, § 21 Rdnr. 6, m.w.N.; Berliner Kommentar
zum VVG/Voit, aaO, § 21, Rdnr. 4, 6, m.w.N.; OLG Köln, RuS 1994, S. 315 ff). Der
Versicherungsnehmer muss demnach darlegen und nachweisen, dass der Versicherungsfall
auf jeden Fall und aus einem anderen als dem verschwiegenen Umstand eingetreten ist.
Die Behauptung, dass der Versicherungsfall auf anderen Ursachen beruhen kann, genügt
nicht (vgl. Prölss/Martin, aaO, § 21, Rdnr. 8, m.w.N.). Soweit ein Ursachenzusammenhang
zwischen indizierenden Umständen wie Krankheitssymptomen und dem Eintritt des
Versicherungsfalles dann gegeben ist, wenn die Angabe von Symptomen zur Feststellung
des für den Versicherungsfall ursächlichen Gefahrenumstandes geführt haben würde, muss
der Versicherungsnehmer daher auch beweisen, dass das von ihm verschwiegene
Symptom nicht auf die Erkrankung zurückzuführen ist, die ursächlich für den Eintritt des
Versicherungsfalles gewesen ist (vgl. OLG Köln, RuS 1989, S. 205, 206; OLG Köln, RuS
1991, S. 354 ff; OLG Köln, RuS 1994, S. 315 ff).
Dieser Darlegungs- und Beweislast hat die Klägerin als Bezugsberechtigte nicht genügt.
Denn die Klägerin hat nicht dargetan bzw. nachgewiesen, dass der Versicherungsfall auf
jeden Fall und aus einem anderen als dem verschwiegenen Umstand eingetreten ist.
Dass die bei dem Versicherungsnehmer festgestellten Störungen (s.o.) zu einer
Arteriosklerose bzw. einer Fettstoffwechselerkrankung und im Folgenden zu einem
(tödlichen) Herzinfarkt führen können, liegt auf der Hand. Dafür, dass dies auch im Streitfall
so gewesen ist, spricht das Sektionsprotokoll vom 7.11.2002, Seite 11, Abschnitt III ("Die
Befunde sprechen für ein Herzversagen auf dem Boden massiver krankhafter
Veränderungen insbesondere der linken Herzkammer. Verantwortlich hierfür waren
hochgradige Lichtungseinengungen in beiden Herzkranzschlagadern, jetzt mit einem
vollständigen Verschluss im absteigenden Ast links.", Bl. 98 d.A.).Von daher ist eine
Kausalität zwischen dem verschwiegenen Umstand und dem Eintritt des
Versicherungsfalles anzunehmen. Soweit die Klägerin in der Klageschrift (Seite 6 =Bl. 67
d.A.) lediglich darauf verweist, als Ursache für einen Herzinfarkt in der hier vorliegenden
Form sei eine Vielzahl von Ursachen denkbar, ist dieser pauschale Sachvortrag nicht
geeignet, den Kausalzusammenhang zwischen dem verschwiegenen Umstand und dem
Versicherungsfall ausschließen und die Grundlage für eine Beweiserhebung zu bilden. Zu
keiner anderen Beurteilung führt das Vorbringen der Klägerin im Berufungsrechtszug, dass
"Cholesterin auf gar keinen Fall Einfluss auf die Entwicklung einer Arteriosklerose oder eines
Herzinfarktes haben kann" (Bl. 188 d.A.). Zwar ist dieses neue Vorbringen gemäß § 531
Abs. 2 ZPO zuzulassen. Allerdings ist auch dieser Sachvortrag nicht geeignet, den
Kausalzusammenhang in Frage zu stellen. Denn die Klägerin behauptet nicht, dass bei dem
Versicherungsnehmer die erhöhten Cholesterinwerte auf keinen Fall Einfluss auf die
Entwicklung einer Arteriosklerose bzw. des erlittenen Herzinfarktes gehabt haben können,
sondern sie stellt lediglich pauschal unter Hinweis auf die - entgegen allen
schulmedizinischen Erkenntnissen formulierte - These von der „Cholesterinlüge“ die
Behauptung auf, dass die genannten Folgen nicht auf Cholesterin zurückzuführen sein
können. Mit dieser pauschalen Behauptung hat die Klägerin jedoch der ihr obliegenden
Darlegungslast nicht entsprochen, so dass auch eine Beweiserhebung durch Einholung
eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht angezeigt war.
Demzufolge stehen der Klägerin aus dem in Rede stehenden Versicherungsvertrag keine
Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu, so dass auf die Berufung der Beklagten das
erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.