Urteil des OLG Saarbrücken vom 31.08.2010
OLG Saarbrücken: stufenklage, gebühr, verzug, ermessen, auflage, bezifferung, anwaltskosten, auskunftserteilung, leistungsanspruch, verkehrswert
OLG Saarbrücken Beschluß vom 31.8.2010, 5 W 205/10 - 77
Gerichtskosten: Ermittlung des Streitwertes einer "steckengebliebenen" Stufenklage bei
nicht mehr beziffertem Leistungsantrag
Leitsätze
Bei der sog. Stufenklage ist für die Wertberechnung in Bezug auf die das Verfahren
insgesamt betreffenden Gebühren auf den Wert des Leistungsanspruchs als des höchsten
Einzelanspruchs im Sinne des § 44 GKG abzustellen.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts
Saarbrücken vom 14.7.2010 – 2 O 106/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.981,37 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien sind Geschwister und die Kinder der am 19.1.2009 verstorbenen Frau M. F.
geb. H.. Im notariellen Testament vom 24.8.2001 (Bl. 12 d. A.) setzte die Erblasserin den
Beklagten zum alleinigen und unbeschränkten Erben ein.
Der Kläger forderte den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 8.5.2009 (Bl. 14 d. A.) auf,
zur Vorbereitung der Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs über den Bestand des
Nachlasses durch ein umfassendes und vollständiges Nachlassverzeichnis Auskunft zu
erteilen. Mit Anwaltsschreiben vom 27.5.2009 (Bl. 7 d. A.) übersandte der Beklagte die
Ablichtung einer dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Lebach vorgelegten Aufstellung, in
der unter anderem ein Hausgrundstück aufgeführt war ("Einheitswert des Finanzamtes"
30.000 EUR, Bl. 25 d. A.). Außerdem teilte er Kontostände zweier Konten bei der
Er bezeichnete verschiedene Einrichtungs- und sonstige Gegenstände (etwa eine
Briefmarkensammlung) und listete eine Reihe von den Nachlass betreffenden
Verbindlichkeiten auf. Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 12.6.2009, mit
welchem er die übersandten Informationen als nicht den gesetzlichen Vorgaben genügend
rügte. Insbesondere sei für das Hausgrundstück richtigerweise anstelle des Einheitswerts
von 30.000 EUR ein Verkehrswert von mindestens 130.000 bis 150.000 EUR zu Grunde
zu legen. Der Kläger errechnete einen Pflichtteilsbetrag von 39.371,50 EUR und forderte
zur Zahlung auf bis zum 24.6.2009 (Bl. 17 d. A.).
Unter dem 26.6.2009 (Bl. 18 d. A.) äußerte sich der Beklagte zum Verkehrswert des
Hausgrundstücks, den er auf maximal 70.000 EUR bemaß, und er unterbreitete einen
Vorschlag zur Übertragung seines Erbanteils gegen Zahlung von 45.000 EUR oder
alternativ zur Zahlung von 15.000 EUR zur Abgeltung aller Ansprüche. Für den Fall der
Nichtannahme stellte er dem Kläger die Erhebung einer Klage anheim. Einseitig einen
Sachverständigen mit der Schätzung des Hauses zu beauftragen, erachtete er als sinnlos,
weil Einwände gegen die Schätzung vorherzusehen seien. Er regte deshalb an, gemeinsam
den Gutachterausschuss des Landkreises gegen jeweils hälftige Kostenübernahme zu
beauftragen. Der Kläger war mit den bisher erteilten Auskünften nicht zufrieden (Schreiben
vom 3.7.2009, Bl. 35 d. A.). Er verlangte erneut die Vorlage eines ordnungsgemäßen
Verzeichnisses bis zum 14.7.2009. Zugleich verwies er auf seinen
Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB (Bl. 36 d. A.). Mit weiterem
Schreiben vom 14.7.2009 (Bl. 37 d. A.) setzte er unter anderem eine Frist auf den
29.7.2009 zur Übersendung eines Wertermittlungsauftrags an einen anerkannten und
vereidigten Sachverständigen. Unter dem 17.8.2009 unterbreitete der Kläger ein
Vergleichsangebot, wonach der Beklagte an ihn einen Betrag von 25.000 EUR zu zahlen
hätte (Bl. 41 d. A.). Der Beklagte erachtete dies als "weit übersetzt" (Anwaltsschreiben
vom 25.8.2009, Bl. 43 d. A.).
Am 10.9.2009 hat der Kläger Prozesskostenhilfe beantragt für eine beabsichtigte
Stufenklage – unter anderem – auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und
auf sachverständige Ermittlung der Grundstückswerte. Der Beklagte hat sich in seiner
Antragserwiderung auf das dem Kläger vorgerichtlich zur Verfügung gestellte, für das
Amtsgericht Lebach erstellte Nachlassverzeichnis berufen (Bl. 25 d. A.) und verschiedene
Aktiva und Passiva angegeben. Den Wert für das Hausgrundstück hat er offen gelassen (Bl.
21 d. A.).
Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger mit der unter dem 30.11.2009
erhobenen Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm durch Vorlage eines
notariellen Nachlassverzeichnisses Auskunft zu erteilen über den Bestand und den Verbleib
des Nachlasses der verstorbenen Mutter (Klageantrag zu 1), die Vollständigkeit und
Richtigkeit der Angaben an Eides statt zu versichern (Klageantrag zu 2), die Werte der in
den Nachlass fallen Grundstücke durch Sachverständigengutachten zu ermitteln
(Klageantrag zu 3) und an ihn den Pflichtteil in Höhe einer Pflichtteilsquote von 1/4 des
Nachlasswerts zu zahlen (korrigierter Klageantrag zu 4, Bl. 62 d. A.). Den
Gegenstandswert hat er mit 25.000 EUR angegeben.
Im Termin vom 1.12.2009 hat der Kläger die Klageanträge zu 1 und 3 gestellt (Bl. 61 d.
A.). Daraufhin ist am 22.12.2009 ein Teilurteil ergangen (Bl. 66 d. A.), mit dem der
Beklagte zur Auskunftserteilung und zur Wertermittlung bezüglich der Nachlassimmobilien
verurteilt wurde.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.4.2010 (Bl. 77 d. A.) mitgeteilt, dass er die ihm
durch das Teilurteil auferlegten Pflichten durch Vorlage eines notariellen
Nachlassverzeichnisses sowie durch Einholung der Schätzung eines vereidigten
Sachverständigen erfüllt habe; der dem Kläger zustehende Pflichtteil betrage 18.314,06
EUR. Nach der Zahlung dieses Betrags hat der Kläger den Rechtsstreit "im Übrigen für
erledigt" erklärt (Schriftsatz vom 6.5.2010, Bl. 83 d. A.) und beantragt, dem Beklagten die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (Bl. 85 d. A.). Der Beklagte hat sich der
Erledigungserklärung angeschlossen und eine Kostenverteilung "nach dem jeweiligen Anteil
des Obsiegens und Unterliegens" beantragt (Bl. 86 d. A.).
Das Landgericht Saarbrücken hat mit Beschluss vom 14.7.2010 (Bl. 87 d. A.) die Kosten
dem Beklagten auferlegt: Der in der ersten Stufe der Stufenklage obsiegende Kläger dürfe
billigerweise nicht mit in dieser Stufe entstandenen und auch nicht mit weiteren Kosten
belastet werden (Bl. 90 d. A.). Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte die
Möglichkeit gehabt hätte, den Auskunftsanspruch sofort anzuerkennen, und dass dem
Kläger eine genaue Schätzung seines Pflichtteilsanspruchs vor Auskunftserteilung und
Wertermittlung nicht möglich gewesen sei (Bl. 92 d. A.).
Der Beklagte hat gegen den ihm am 19.7.2010 zugestellten Beschluss am 30.7.2010
sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 103 d. A.). Er beantragt, die Kosten des Rechtsstreits
gegeneinander aufzuheben. Zur Begründung beruft er sich darauf, dass nach seiner
Einschätzung im Schreiben vom 27.5.2009 die Fragen des gegnerischen
Aufforderungsschreibens vom 8.5.2009 beantwortet worden seien. Die Einwände des
Klägers im vorgerichtlichen Schriftverkehr seien wegen der erteilten detaillierten Auskunft
nicht ernst zu nehmen gewesen; lediglich der Grundstückswert sei noch unklar gewesen
(Bl. 107 d. A.).
Der Kläger stellt sich dem entgegen. Er verweist insbesondere darauf, dass vorgerichtlich
von Seiten des Beklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens an eine hälftige
Kostenteilung geknüpft worden war (Bl. 114 d. A.).
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom
6.8.2010 dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 91a Abs. 2 ZPO statthaft und
fristgerecht erhoben (§ 569 Abs. 1 ZPO). Sie ist aber nicht begründet.
1.
Das Landgericht hat dem Beklagten zu Recht die gesamten Kosten des Rechtsstreits
auferlegt.
a. Entscheidungsmaßstab im Rahmen der nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffenden
Kostenentscheidung ist der voraussichtliche Ausgang des Rechtsstreits, wenn die
Hauptsache nicht erledigt oder nicht für erledigt erklärt worden wäre (Hüßtege in:
Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 91 a Rn. 47; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 91 a
Rn. 24). Es hat somit derjenige die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, dem sie auch nach
den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO (§§ 91 – 97, 100, 101)
aufzuerlegen gewesen wären. Auch ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch
kann berücksichtigt werden, wenn er sich ohne Schwierigkeiten, insbesondere ohne
Beweisaufnahme feststellen lässt (BGH, Urt. v. 22.11.2001 – VII ZR 405/00 – NJW 2002,
680).
Der Senat folgt der Ansicht, dass sich die Kostenentscheidung auch dann, wenn – wie hier
– auf erster Stufe ein rechtskräftig gewordenes Teilurteil ergangen ist, insgesamt nach §
91a Abs. 1 S. 1 ZPO richtet (so auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1754).
b. Mit Blick auf die durch Urteil beschiedene Stufe entspricht es unter Berücksichtigung des
§ 91 ZPO ohne weiteres billigem Ermessen, den insoweit unterlegenen Beklagten mit den
Kosten zu belasten (vgl. auch OLG Stuttgart, MDR 2007, 1037, OLG Thüringen, FamRZ
1997, 219, die – allerdings durchaus im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde
gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO – § 91 ZPO nicht über § 91a ZPO, sondern unmittelbar
anwenden; ebenso OLG München, FamRZ 1993, 454).
c. Das Landgericht hat dem Beklagten zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auch im
Hinblick auf die Zahlungsstufe (Klageantrag zu 4) auferlegt.
(1) Dies hatte sich nicht etwa bereits deshalb erübrigt, weil im Hinblick auf diese Stufe
keine Kosten angefallen wären. Obwohl der Rechtsstreit nach der Erteilung der Auskünfte,
der Vorlage des Wertgutachtens und der außergerichtlichen Zahlung des sich hiernach
ergebenden Pflichtteilsbetrags nicht weiterbetrieben, sondern für erledigt erklärt worden
ist, hat der in der Klageschrift enthaltene – unbestimmte – Leistungsantrag Kosten
verursacht. Denn die gerichtlichen Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr.
1210 Anlage 1 GKG und die anwaltlichen Gebühren gemäß Nr. 3100 Anlage 2 RVG
bemessen sich nicht am geringeren Wert der Auskunftsstufe, sondern am
Gesamtstreitwert für die Stufenklage. Dieser wiederum richtet sich gemäß § 44 GKG nach
dem höchsten Wert der verbundenen Ansprüche, der vorliegend im Hinblick auf die
Wertangaben des Klägers für den voraussichtlichen Zahlungsanspruch – wie vom
Landgericht festgesetzt und von den Parteien nicht beanstandet – 25.000 EUR beträgt.
(a) Allerdings wird für die sog. steckengebliebene Stufenklage, bei welcher – wie hier – der
Leistungsantrag nach Erteilung der Auskunft nicht weiterbetrieben wird, teilweise vertreten,
es sei für die Wertberechnung allein auf den Auskunftsanspruch abzustellen (OLG
Stuttgart, OLGR Stuttgart 2009, 267; FamRZ 2005, 1765; OLG Dresden, MDR 1997,
691). Zwar werde auch die Leistungsstufe von Beginn an rechtshängig, Gegenstand des
Rechtsstreits sei zunächst aber (nur) die Erteilung der Auskunft (OLG Dresden, MDR 1997,
691). Außerdem gehe die zwischen den verschiedenen Ansprüchen differenzierende
Vorschrift des § 44 GKG schon nach ihrem Wortlaut davon aus, dass der
Auskunftsanspruch einen höheren Wert haben könne als der Leistungsanspruch, und es sei
Sinn der Stufenklage, dem Kläger das Herbeiführen der Rechtshängigkeit eines
Leistungsantrags zu ermöglichen, ohne das Prozesskostenrisiko mit einer gleichzeitigen
Bezifferung der Leistung in die Höhe treiben zu müssen (OLG Stuttgart, OLGR Stuttgart
2009, 267).
(b) Die herrschende Meinung sieht das anders und hält für die das Verfahren insgesamt
betreffenden Gebühren (gerichtliche Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr.
1210 Anlage 1 GKG; anwaltliche Gebühr gemäß Nr. 3100 Anlage 2 RVG) den Wert des
Leistungsanspruchs als des höchsten Einzelanspruchs im Sinne des § 44 GKG auch dann
für maßgeblich, wenn der Leistungsantrag nicht mehr beziffert wird (OLG Saarbrücken,
Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/09 – NJOZ 2010, 1685; OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 40; KG,
OLG Brandenburg, FPR 2009, 326; FamRZ 2007, 69; OLG Schleswig, Beschl. v.
16.1.2000 – 13 WF 142/99 –; OLG Bremen, OLGR Bremen 1998, 192; OLG Hamm,
OLGR Hamm 1996, 263; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rdn.
5125; siehe auch Rixecker, MDR 1985, 633).
(c) Der Senat folgt der herrschenden Auffassung. Zwar ist der Mindermeinung zuzugeben,
dass § 44 GKG den Fall eines den Leistungsantrag wertmäßig übersteigenden
Auskunftsantrags als denkbar formuliert. Dieser – eher formale – Einwand vermag jedoch
die für die hier vertretene Ansicht sprechenden Argumente nicht in Frage zu stellen. Mit der
Erhebung der Stufenklage wird die sofortige Rechthängigkeit auch des Hauptanspruchs
begründet (siehe nur BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ARZ 36/94 – NJW-RR 1995, 513).
Folgerichtig beeinflusst er von Beginn an den Wert des klägerischen Begehrens (vgl. KG,
FamRZ 2007, 69). Die gesetzlichen Vorschriften zur Bestimmung des Streitwerts bieten
keinen Ansatzpunkt dafür, die dem rechtshängigen Leistungsanspruch zukommende
streitwertrechtliche Relevanz davon abhängig zu machen, ob das Ergebnis der
Geltendmachung eines seiner Vorbereitung dienenden Anspruchs (hier des
Auskunftsanspruchs und des Wertermittlungsanspruchs) sein Weiterverfolgen Erfolg
versprechend erscheinen lässt oder nicht (siehe Schneider/Herget, Streitwertkommentar,
12. Aufl. 2007, Rdn. 5130). Es ist nicht erkennbar, auf welcher prozess- oder
kostenrechtlichen Grundlage der rechtshängig gewordene Zahlungsantrag seine Bedeutung
für den Streitwert verlieren sollte. Das Ergebnis der Auskunft vermag das nach allgemeinen
Grundsätzen für den Zeitpunkt der Klageeinreichung zu ermittelnde klägerische Interesse
nicht mit Rückwirkung zu beseitigen oder zu verringern (siehe auch OLG Bremen, OLGR
Bremen 1998, 192).
(d) Im gegebenen Fall belief sich der Streitwert mithin bis zur Beendigung des Verfahrens
auf 25.000 EUR. Dass der auf der Grundlage der erteilten Auskünfte und
Grundstückswertermittlung vom Beklagten an den Kläger ausgezahlte Betrag um rund
7.000 EUR geringer war, ändert hieran nichts. Der Wert des unbezifferten
Leitungsbegehrens bei der Stufenklage bestimmt sich nach den ursprünglichen
Zahlungserwartungen des Klägers (siehe § 40 GKG), unabhängig davon, ob sie mit dem,
was sich letztlich als geschuldet erweist, übereinstimmen (OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 40;
OLG Koblenz, OLGR Koblenz, 2008, 490; KG, FamRZ 2007, 69; OLG Hamm, OLGR
Hamm 1996, 263).
(2) Es entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 91a ZPO, den Beklagten auch mit den
Kosten zu belasten, die darauf beruhen, dass der Leistungsantrag nach der hier
vertretenen Auffassung den Streitwert erhöhte.
(a) Das gilt ohne weiteres, soweit die aufgrund des Teilurteils erfolgte Auskunft und
Wertermittlung einen – von den Parteien der Höhe nach nicht (mehr) infrage gestellten und
vom Beklagten beglichenen – Zahlungsanspruch in Höhe von 18.314,06 EUR ergeben hat.
Insoweit wäre ein hypothetisch bezifferter Zahlungsantrag voraussichtlich erfolgreich
gewesen.
(b) Der Beklagte muss aber auch die Kosten tragen, die darauf beruhen, dass der nach
den maßgeblichen Wertangaben des Klägers zu bestimmende Streitwert (25.000 EUR)
den geschuldeten Zahlungsbetrag um rund 7.000 EUR übersteigt und dadurch höhere
gerichtliche und anwaltliche Gebühren (mit Ausnahme der Terminsgebühren, dazu später)
angefallen sind.
In die Billigkeitsentscheidung des § 91a ZPO fließt das allgemeine kostenrechtliche
Veranlassungsprinzip ein. Es findet in § 93 ZPO einen gesetzlichen Niederschlag, in dem die
Wertung der Verzugsvorschriften des materiellen Rechts prozessual transformiert wird:
Kosten soll derjenige tragen, der ihre Entstehung veranlasst hat. Unterliegt der Kläger –
hier hypothetisch mit rund 7.000 EUR –, ohne dass ihm mangels hinreichender Information
über die Grundlagen seiner Rechte zuzurechnen ist, die Klage veranlasst zu haben, lässt
sich die Klageveranlassung dem Beklagten zurechnen, und die genannte Wertung trifft
ohne weiteres dessen Verhalten (so Rixecker, MDR 1985, 633). Er ist demnach jedenfalls
insoweit mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten, als er sie dem Kläger wegen
Verzugs zu erstatten hätte (OLG Stuttgart, MDR 2007, 1037).
Unter den gegebenen Umständen sind die – teilweise – "unnötigen" Prozesskosten ein auf
einen Verzug des Beklagten rückführbarer Schaden. Der Kläger hatte als
Pflichtteilsberechtigter einen Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Er konnte
daneben gemäß § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB vom Beklagten betreffend die
Nachlassgegenstände, und damit auch für das in den Nachlass fallende Hausgrundstück,
eine Wertermittlung verlangen. Unabhängig von der Frage, inwieweit vor Klageerhebung
nach dem damaligen Sachstand ordnungsgemäß Auskunft erteilt wurde, steht jedenfalls
fest, dass der Beklagte die ihm nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB obliegende Wertermittlung
für das Nachlassgrundstück vorgerichtlich nicht vorgenommen hat. Eine solche
Wertermittlung hätte durch das Gutachten eines unabhängigen und unparteiischen
Sachverständigen erfolgen müssen (OLG Brandenburg, ZErb 2004, 132; Edenhofer in:
Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 2314 Rdn. 15), und zwar gemäß § 2314 Abs. 2 BGB auf
Kosten des Nachlasses. Der Kläger hatte in seinem Schreiben vom 14.7.2009 auf den ihm
zustehenden Wertermittlungsanspruch Bezug genommen und den Beklagten aufgefordert,
bis zum 29.7.2009 eine Wertermittlung an einen anerkannten und vereidigten
Sachverständigen in Auftrag zu geben (Bl. 38 d. A.). Der Beklagte lehnte das ab. In seinem
Schreiben vom 26.6.2009 (Bl. 39 d. A.) bezeichnete er die Beauftragung eines
Sachverständige mit der Schätzung des Hauses als "sinnlos", schlug – entgegen § 2314
Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB – die gemeinsame Beauftragung eines Sachverständigen gegen
jeweils hälftige Kostenübernahme vor und verwies den Kläger ansonsten auf den
Klageweg. Damit befand er sich mit seiner Verpflichtung zur Wertermittlung gemäß §§ 280
Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB in Verzug. Die Kosten der Stufenklage, die darauf
beruhten, dass der Kläger mangels Wertermittlung keine Gewissheit über die Höhe seines
Pflichtteilsanspruchs hatte, sind dadurch verursacht worden (zum Verzug mit der Erfüllung
des Wertermittlungsanspruchs gemäß § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB siehe Haas in: Staudinger,
BGB, 2006, § 2314 Rdn. 75) und daher dem Beklagten aufzuerlegen. Soweit im
Grundsatz ein Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB zu berücksichtigen sein könnte,
wenn der Kläger durch Angabe eines überhöhten Streitwerts vermeidbare Kosten
verursacht hätte, wäre hierfür einer offensichtlich viel zu hohe Wertangabe Voraussetzung,
weil die Unsicherheit der Bezifferung in erster Linie auf das Verhalten des Beklagten
zurückzuführen ist. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schätzung
derart weit überhöht gewesen wäre, dass sie den Umstand des verweigerten
Wertgutachtens (teilweise) in den Hintergrund drängen könnte (in diesem Sinne auch
Senat, Beschl. v. 16.6.2010 – 5 W 116/10 –).
d.
Ob der Klageantrag der zweiten Stufe auf eidesstattliche Versicherung, dass der
Nachlassbestand vollständig und richtig angegeben sei, Erfolg gehabt hätte, kann nicht
beurteilt werden, ist für die Kostenentscheidung indessen unerheblich. Für die im Rahmen
des § 91a ZPO angezeigte Gesamtbeurteilung des hypothetischen Prozessausgangs ist
dieser Antrag von so geringfügiger Bedeutung, dass eine Auferlegung eines Teils der
Kosten unter Berücksichtigung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von vornherein ausscheidet (in
diesem Sinne auch OLG Stuttgart, MDR 2007, 1037).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Beschwerdewert beläuft sich auf den Betrag, um den der Beklagte seine
Kostenbelastung verringern will. Ihm wurden sämtliche Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Stattdessen begehrt er eine Kostenaufhebung. Die Kosten des Rechtsstreits betragen
insgesamt 3.962,74 EUR:
Gerichtskosten :
3-fache Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen
gemäß Nr. 1210 Anlage 1 GKG
aus einem Streitwert von 25.000 EUR:
933,00 EUR
Anwaltskosten :
2 x 1,3-fache Gebühr gemäß Nr. 3100 Anlage 2
RVG
aus einem Streitwert von 25.000 EUR zzgl. USt.:
2 x
1.061,24 EUR
2 x 1,2-fache Gebühr gemäß Nr. 3104 Anlage 2
RVG
aus einem Streitwert von 5.000 EUR zzgl. USt.;
2 x 429,83
EUR
2 x Auslagenpauschale zzgl. USt.
2 x 23,80
EUR
Im Falle einer Kostenaufhebung hätte der Beklagte nur die Hälfte der Gerichtskosten und
seine eigenen Anwaltskosten zu tragen, mithin die Hälfte des oben errechneten Betrags.
Der Beschwerdewert beläuft sich daher auf 1.981,37 EUR.
Bezüglich der anwaltlichen Terminsgebühr ist darauf hinzuweisen, dass diese sich – anders
als die das Verfahren insgesamt betreffenden Gebühren – nach dem Wert derjenigen
Verfahrensstufe bemisst, in der sie angefallen ist, hier also nach dem Wert der
Auskunftsstufe (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/09 – NJOZ 2010,
1685; KG, FamRZ 2007, 69; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Auflage 2007,
Rdn. 5136). Er ist nach dem klägerischen Interesse zu bewerten (§§ 3 ZPO, 48 Abs. 1
GKG), entspricht einem Bruchteil des Leistungsanspruchs und bestimmt sich danach, in
welchem Umfang dessen Durchsetzbarkeit von der Auskunft abhängt. In der Praxis erfolgt
in der Regel eine Bewertung zwischen einem Zehntel und einem Viertel des
Leistungsanspruchs, wobei die Bestimmung innerhalb dieses Rahmens sich an dem
Kenntnisstand des Klägers betreffend die zur Begründung des Leistungsanspruchs
maßgeblichen Umstände orientiert (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/09 –
NJOZ 2010, 1685; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Auflage 2007, Rdn.
5141, 5145). Der Senat schätzt im Hinblick darauf, dass vorgerichtlich keine vollständige
Unklarheit über die vom Beklagten zu leistenden Zahlungen bestand, sondern dass im
Wesentlichen über den genauen Wert des Grundstücks gestritten wurde, den Wert des
Auskunftsanspruchs auf 1/5 des vom Kläger bei Klagerhebung auf 25.000 EUR bezifferten
Zahlungsantrags (§ 3 ZPO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574
ZPO).