Urteil des OLG Saarbrücken vom 29.07.2004

OLG Saarbrücken: abschiebung, sicherungshaft, entziehen, lebensgemeinschaft, polizei, kongo, anerkennung, bundesamt, meldung, aufenthalt

OLG Saarbrücken Beschluß vom 29.7.2004, 5 W 190/04; 5 W 190/04 - 62
Abschiebungshaftanordnung: Nichtglaubhaftmachung freiwilliger Ausreise durch Meldung
bei Polizei oder Ausländerbehörde; Abschiebungshindernis der Ehe mit einer in Deutschland
berechtigt wohnenden Person
Leitsätze
a) Der Annahme, der Ausländer habe nicht glaubhaft gemacht, er wolle sich der
Abschiebung nicht entziehen, steht nicht entgegen, wenn er bei der Ausländerbehörde oder
der Polizei vorspricht.
b) Im Verfahren der Anordnung von Sicherungshaft ist es grundsätzlich unerheblich, dass
der Ausländer mit einer in Deutschland berechtigt wohnenden Person verheiratet ist.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts
Saarbrücken vom 28.6.2004 – 5 T 254/04 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene, nach seinen Angaben kongolesischer Staatsangehöriger, wurde nach einer
rechtskräftigen Ablehnung eines Asylantrages am 21.2.2003 in seinen Heimatstaat
abgeschoben. Im April reiste er – nach wechselnden Aufenthalten in Belgien und
Luxemburg, in deren Verlauf er die kongolesische Staatsangehörige M., die sich in
Deutschland aufhalten darf, heiratete – nach Deutschland ein, stellte am 6.5.2004 einen
Asylfolgeantrag und begab sich am 18.5.2004 zu einer Polizeidienststelle in H., wo er
festgenommen wurde.
Mit Beschluss vom 19.5.2004 – 5 XIV 3/2004 – hat das Amtsgericht Homburg
Sicherungshaft bis zu 3 Monaten angeordnet. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde
des Betroffenen hat das Landgericht Saarbrücken mit der angefochtenen und am
13.7.2004 zugestellten Entscheidung nach Anhörung des Betroffenen und seiner Ehefrau
zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner am 16.7.2004
eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde. Er trägt vor, er wolle sich der
Abschiebung nicht entziehen; das ergebe sich daraus, dass er sich sowohl dem Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch der Polizeidienststelle in H. freiwillig
gestellt habe. Auch stehe die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, die ein Kind
habe, das zwar nicht von ihm stamme, in ihm aber seinen Vater sehe, der Abschiebung
entgegen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung
beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 103 Abs. 2 AuslG, §§ 3 Satz 2, 7 Abs.
1 FEVG, §§ 27, 29 FGG.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Rechtsgrundlage der
angeordneten Sicherungshaft in § 57 Abs. 2 Nr. 1 AuslG gesehen. Der Betroffene ist
unerlaubt – nämlich ohne über die erforderlichen Einreisedokumente zu verfügen – in das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist und ist vollziehbar ausreisepflichtig. Der
von ihm gestellte und noch nicht beschiedene Asylfolgeantrag steht dem nicht entgegen (§
71 Abs. 8 AsylVerfG).
Von der Anordnung der Sicherungshaft konnte auch nicht gemäß § 57 Abs. 2 Satz 3 AuslG
abgesehen werden. Der Betroffene hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der
Abschiebung nicht entziehen will.
Die angefochtene Entscheidung hat dazu festgestellt, dass der Betroffene befürchte, in den
Kongo zurückkehren zu müssen und dort Repressalien zu erleiden, nach seiner Rückkehr
aus dem Kongo habe er sich – ohne festen Wohnsitz – bei „Freunden„ aufgehalten, mit
seiner Ehefrau unterhalte er keine eheliche Lebensgemeinschaft. Aus alledem folge, dass
die Gefahr bestehe, der Betroffene werde den Ausländerbehörden nicht zur Verfügung
stehen.
An diese Feststellungen ist der Senat gebunden. Der Betroffene hat nicht – wie es für das
Verfahren der Rechtsbeschwerde erforderlich wäre – dargelegt, dass sie auf einer
unzureichend erforschten tatsächlichen Grundlage beruhten, nicht alle wesentlichen
Umstände berücksichtigten, oder die Würdigung der Tatsachen gegen gesetzliche
Beweisregeln oder Verfahrensvorschriften, gegen Denkgesetze oder anerkannte
Erfahrungssätze verstieße (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 27 Rdn. 42 ff.). Das ist
auch nicht ersichtlich.
Eine andere Würdigung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Betroffene dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und einer Polizeidienststelle in H.
persönlich vorgestellt hat (vgl. Senat, B. v. 16.1.2002 5 W 282/01-89; B. v. 20.3.2002 5
W 60/02; OLG Zweibrücken B. v. 22.1.2002 3 W 7/01). Das folgt schon daraus, dass er
sich, um überhaupt einen Asylfolgeantrag stellen zu können, grundsätzlich persönlich in
einer Aufnahmeeinrichtung zu melden hat (§ 22 Abs. 1, § 71 Abs. 2 AsylVerfG); nach der
Konzeption des Gesetzes kann aus einer solchen Meldung folglich nicht regelhaft abgeleitet
werden, einer Sicherung der Abschiebung bedürfe es in derartigen Fällen nicht. Aus
welchen Gründen der Betroffene sich zur Polizei begeben hat ist unklar; dass der Grund
dafür darin bestanden hätte den Polizeibehörden einen ständigen Aufenthalt zu nennen, an
dem er für die Ausländerbehörden erreichbar wäre, behauptet er selbst nicht. Schließlich
zeigt auch die Aufnahmemitteilung der JVA Neunkirchen, dass der Betroffene in der
Vergangenheit rechtskräftig wegen eines Vergehens gegen das AuslG verurteilt worden ist
und von den Strafvollstreckungsbehörden mit Haftbefehl gesucht werden musste, sich also
auch anderen staatlichen Maßnahmen bislang zu entziehen versucht hat.
2. Die Anordnung von Sicherungshaft verletzt Art. 6 Abs. 1, 2 GG nicht. Die Anordnung von
Sicherungshaft hat lediglich zur Voraussetzung, dass eine Ausreisepflicht besteht, die
Abschiebungserfordernisse vorliegen, die Abschiebung durchführbar und die Anordnung der
Haft selbst erforderlich ist (so schon BGH NJW 1986, 3024; Senat, B. v. 16.5.1990 5 W
83/90; OLG Naumburg, B. v. 4.7.2001 10 Wx 28/01; OLG Köln OLGR 2001, 279). Die
rechtlichen Voraussetzungen der Abschiebung selbst und eines etwaigen Bleiberechts des
Ausländers, insbesondere die Frage, ob Grundrechte des Ausländers einer Abschiebung
entgegenstehen, sind allein von den Verwaltungsgerichten in den dafür vorgesehenen
Verfahren zu prüfen.
Die Sicherungshaft selbst beeinträchtigt zwar auch für ihre Dauer die durch Art. 6 Abs. 1, 2
GG geschützte eheliche Lebensgemeinschaft. Abgesehen davon, dass der Betroffene sie in
der zurückliegenden Zeit selbst nach den landgerichtlichen Feststellungen nicht ernst
genommen hat, ist dieser vorübergehende Eingriff jedoch zum Schutz der Rechtsgüter von
Verfassungsrang, denen das Ausländerrecht dient, gerechtfertigt.