Urteil des OLG Saarbrücken vom 08.07.2003

OLG Saarbrücken: leistungsfähigkeit, ausschluss, schutzwürdiges interesse, fachkunde, auskunft, ausführung, geschäftsführer, spekulation, muttergesellschaft, benachrichtigung

OLG Saarbrücken Beschluß vom 8.7.2003, 5 Verg 5/02
Öffentliche Auftragsvergabe: Ausschluss eines Bieters wegen fehlender Eignung bei Verstoß
gegen den Selbstausführungsgrundsatz
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 1.
Vergabekammer des Saarlandes vom 11.10.2002 – 1 VK 6/2002 - aufgehoben. Der
Antrag der Antragstellerin, ihr Angebot in die Wertung aufzunehmen, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Kosten des
Verfahrens vor der Vergabekammer, einschließlich der zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners. Die Zuziehung eines
Rechtsanwalts wird für erforderlich erklärt.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.698,64 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner schrieb im Offenen Verfahren Leistungen zur Zustandserfassung auf
Landstraßen mit schnellfahrenden Messsystemen aus, deren Leistungsbeschreibung in drei
Teilprojekte (TP) gegliedert ist. Im Teilprojekt 1 soll die Ebenheit der Straßen erfasst
werden; TP 2 betrifft die Messung der Griffigkeit des Straßenbelags, während im Rahmen
des dritten Teilprojekts Substanzmerkmale der Straßenoberfläche festgestellt werden
sollen.
Die an die Bieter gerichtete Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält folgende
Bestimmungen:
(7) Der Zuschlag wird auf das nach § 25 VOL/A wirtschaftlichste Angebot des Gesamt-
oder Teilprojekts ... unter Berücksichtigung nachfolgender Kriterien erteilt:
Zum Nachweis ihrer Qualifikation (Fachkunde, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit) haben
die Bieter nachfolgende aussagekräftige Unterlagen einzureichen: ...
(8) Die Zustandserfassung der Landstraßen einschließlich der Ortsdurchfahrten der Baulast
des Landes Saarland wird mit schnell fahrenden Messsystemen durchgeführt. Das
Straßennetz umfasst insgesamt 1.449 km. Die Erfassung der einzelnen Merkmale
Ebenheit, Griffigkeit Substanzmerkmale/Oberflächenbild kann nur komplett angeboten
werden.
Es wurden insgesamt drei Angebote eingereicht. Die Angebotssumme der Antragstellerin
beträgt 215.483,69 EUR, das Angebot der Beigeladenen endete mit 256.274,39 EUR. Ein
weiteres Angebot betraf lediglich ein Teilprojekt und wurde nicht in die Wertung
aufgenommen.
In einem ersten Vergabevermerk wurde eine Vergabe an die Beigeladene vorgeschlagen,
wobei die Angebote nach den Kriterien „Preisvergleich, Leistungsfähigkeit, Erfahrungen und
Zuverlässigkeit" gewichtet wurden. Jedes einzelne Kriterium wurde mit 25% gewichtet.
Innerhalb der Kriterien wurden Noten von 1 bis 5 verteilt. Die Leistungsfähigkeit der
Beschwerdeführerin wurde mit „bedingt geeignet„, 3, bewertet, während die
Leistungsfähigkeit der Beigeladenen als „sehr gut" eingestuft wurde. Hierbei beruhte die
schlechtere Bewertung der Beschwerdeführerin auf der Erwägung, dass sie für die
Messkampagnen TP 1 und 3 nur ein Fahrzeug einsetzen könne. Für die Messungen TP 2
müsse die Beschwerdeführerin ein Gerät einsetzen, hinsichtlich dessen Flächeneinsatzes
die Beschwerdeführerin noch keine Erfahrungen habe sammeln können. Desweiteren
betrage das Tankwasservolumen nur 80 Liter, was die Tagesmessleistung herabsetze.
Auch hinsichtlich des Kriteriums „Erfahrungen" wurde die Beschwerdeführerin mit 3, die
Beigeladene mit 1 bewertet, da die Beigeladene nach den Ausführungen des
Antragsgegners seit Anfang der 90er Jahre im Bereich der Zustandserfassung tätig sei und
über die größere Erfahrung verfüge. Das gleiche Notenbild fand sich bei der Bewertung der
Zuverlässigkeit. Hier habe die Beschwerdeführerin bei der Messkampagne ZEB - BAB
2001, TP 3, Schwierigkeiten gehabt, die Erfassung und Auswertung in der vorgegebenen
Zeit zu erfüllen. In der Gesamtbewertung erhält die Beschwerdeführerin 5, die Beigeladene
10 Punkte.
Mit Formblatt vom 14.3.2002 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin gem. § 13 VgV
mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, weil begründete Zweifel an ihrer
Eignung im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bestünden. Zur Erläuterung
ist angeführt, dass die Leistungen mit nur einem Fahrzeug für TP 1 und 3 in dem
vorgesehenen Zeitraum nicht erbracht werden könnten. Auch seien Schwierigkeiten bei der
Messkampagne ZEB - BAB 2001 aufgetreten.
Der hiergegen gerichtete Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Mit
Beschluss vom 30.4.2002 hat die Vergabekammer den Antrag, den Auftrag an die
Antragstellerin zu vergeben, zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 9. Juli
2002 – Az. 5 Verg 2/01 – den die Wertung der Angebote enthaltenden Vergabevermerk
des Landesamtes für Straßenwesen aufgehoben und den Antragsgegner angewiesen, über
die Vergabe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Der
Senat hat hierzu ausgeführt:
Das Vergabeverfahren verletze die Rechte der Antragstellerin, da der Antragsgegner bei
der Feststellung des wirtschaftlichsten Angebots auf der Wertungsstufe des § 25 Ziff. 2
VOL/A fehlerhafte Wertungskriterien herangezogen habe. Gemäß § 25 Ziff. 3 VOL/A sei der
Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, wobei der niedrigste Angebotspreis
allein nicht entscheidend sei. Vielmehr solle der Zuschlag unter Berücksichtigung aller
Umstände auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, bei dessen Ermittlung die Höhe
des Preises lediglich eines von mehreren grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Kriterien
sei. Dennoch sei der Auftraggeber daran gehindert, bei Feststellung des wirtschaftlichsten
Angebots auf solche Kriterien zurückzugreifen, die in der Ausschreibung und in den zur
Verfügung gestellten Anforderungsprofilen nicht genannt worden seien. Diese
Rechtsgrundsätze habe der Auftraggeber nicht hinreichend beachtet, da die im
Vergabevermerk aufgeführten Wertungskriterien nicht in der erforderlichen Weise vor
Abgabe der Angebote als Wertungskriterien des § 25 Ziff. 3 VOL/A ausgewiesen worden
seien. Darüberhinaus scheide eine Berücksichtigung der im Vergabevermerk verwendeten
Kriterien auf der Wertungsstufe des § 25 Ziff. 3 VOL/A auch aus materiellrechtlichen
Erwägungen aus.
Mit Schreiben vom 29.8.2002 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin erneut mit, er
beabsichtige, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Hierbei wurde der Ausschluss
zum einen damit begründet, dass die Antragstellerin über kein eigenes Personal für die
Durchführung des Auftrags verfüge, sondern auf Personal einer Muttergesellschaft eines
ihrer Gesellschafter angewiesen sei. Zum anderen seien Bedenken gegen die
Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Antragstellerin aufgetreten: Die Antragstellerin
führte für eine Gruppe norddeutscher Bundesländer einen gleichartigen Messauftrag (ZEB
2002) durch. Hierbei hatte die Bundesanstalt für das Straßenwesen (im folgenden: BAST)
bei der H- Ingenieurgesellschaft (im folgenden: HI), die für die Ausführung des Teilprojekts
TP 4 und damit für die Qualität, Sicherung und Bewertung der Daten verantwortlich war,
eine Kontrolle der gelieferten Rohdaten und Ergebnisdateien zum ersten Zwischentermin in
Auftrag gegeben. Der Bericht vom 8.7.2002 enthielt zahlreiche Beanstandungen, die auch
nach einer Stellungnahme der Antragstellerin von der HI in einem weiteren Schreiben vom
2.9.2002 (Blatt 19 bis 27 der Akten) aufrechterhalten wurden.
Mit Schreiben vom 11.9.2002 hat die Antragstellerin erneut das Nachprüfungsverfahren
eingeleitet und beantragt, ihr Angebot in die Wertung aufzunehmen. Das
Nachprüfungsverfahren hatte Erfolg. Mit Beschluss vom 11.10.2002, der dem
Antragsgegner am 14.10.2002 zugestellt worden ist, hat die Vergabekammer den
Ausschluss der Antragstellerin aufgehoben und dem Antragsgegner aufgegeben, der
Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen. Die Vergabekammer hat hierzu ausgeführt:
Der Ausschluss sei nicht rechtmäßig, da der Antragsgegner bei der Beurteilung von
Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Antragstellerin seinen
Beurteilungsspielraum überschritten habe. So könne sich der Antragsgegner nicht auf die
fehlende Fachkunde der Antragstellerin berufen, da der Antragsgegner keinen Sachverhalt
ermittelt habe, um die Fachkunde zu beurteilen. Auch sei von der Leistungsfähigkeit der
Antragstellerin auszugehen. Zwar hätte es der Antragstellerin oblegen zu beweisen, dass
sie auf Gerät und Personal ihrer als Nachunternehmer benannten Muttergesellschaft
zugreifen könne. Einen solchen förmlichen Beweis habe die Antragstellerin nicht erbracht.
Gleichwohl könne ein förmlicher Beweis nicht verlangt werden, nachdem sie bereits in den
Jahren 2001 und 2002 Aufträge zur Durchführung von Messkampagnen erhalten und
durchgeführt habe, ohne dass die Frage nach ihrer Leistungsfähigkeit gestellt worden sei.
Auch erscheine das Beharren auf einem förmlichen Nachweis als bloße Förmelei, da der
entsprechende Nachweis durch Selbstkontrahieren ihres Geschäftsführers ohne weiteres
hätte erbracht werden können. Auch wegen mangelnder Zuverlässigkeit dürfe die
Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden. Obwohl die Vergabekammer davon ausgehe,
dass in der Messkampagne 2002 Schwierigkeiten bei der Datensicherung aufgetreten
seien, lägen keine gesicherten Erkenntnisse über mangelhafte Leistungen der
Antragstellerin vor. Zumindest sei nach dem Inhalt der Vergabeakten nicht erkennbar, dass
sich der Antragsgegner hinsichtlich der Messkampagnen 2002 mit den ausführenden
Bundesländern in Verbindung gesetzt habe, um tragfähige Erkenntnisse für die
Vergabeentscheidung zu gewinnen. Der Umstand, dass die Antragstellerin den
Registergerichten bislang keine Bilanzen vorgelegt habe, rechtfertige den Rückschluss auf
die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht. Denn die Antragstellerin habe
unbestritten vorgetragen, dass sie vom Registergericht bislang noch nicht aufgefordert
worden sei, Bilanzen vorzulegen. Weiterhin verbiete der Gleichbehandlungsgrundsatz einen
Ausschluss der Antragstellerin, da der Antragsgegner die fehlende Vorlage von Bilanzen im
Angebot der Beigeladenen nicht dazu veranlasst habe, die Beigeladene von der Wertung
auszuschließen. Da nur der Preis als Wertungskriterium zur Verfügung stehe und die
Antragstellerin die günstigste Bieterin sei, habe die Vergabestelle keinen
Wertungsspielraum.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der am 23.10.2002 eingelegten sofortigen
Beschwerde. Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, die Antragstellerin sei mit Recht
von der Wertung ausgeschlossen worden, da nachträglich im Hinblick auf die
Kontrollberichte der HI schwere Zweifel an der technischen Zuverlässigkeit der Klägerin
entstanden seien. Denn der Antragsgegner müsse sich unabdingbar und zweifelsfrei auf die
Richtigkeit der ermittelten Daten verlassen können, was in Anbetracht der Kontrollberichte
nicht gewährleistet sei. Entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammer erschiene es
auch nicht als bloße Förmelei, einen förmlichen Beweis dafür zu verlangen, dass die
Antragstellerin befugt sei, auf Gerät und Personal einer anderen Gesellschaft zugreifen zu
können, da die in der Person des einen Geschäftsführers bestehenden personellen
Verbindungen der Gesellschaften nicht ausreichten, um von einer Konzernbindung im Sinne
der §§ 301 ff. AktG der an der Leistungserbringung beteiligten Gesellschaften auszugehen.
Der Antragsgegner beantragt,
1. unter Abänderung des Beschlusses der Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der
Antragstellerin zurückzuweisen;
2. zu Gunsten des Antragsgegners auszusprechen, dass die Zuziehung eines
Rechtsanwalts für die Antragsgegnerseite für erforderlich erklärt wird.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin rügt, dass es sich bei der Stellungnahme der HI nicht um objektive
Aussagen zur Gesamtmaßnahme ZEB 2002, sondern um eine parteiische Darstellung
eines direkten Konkurrenten handele. Soweit die Lieferung der Daten zum ersten
Zwischentermin ursprünglich als fehlerhaft bewertet worden sei, beruhe dies auf einem
Programmfehler in einem von HI entwickelten Programmmodul. Hinsichtlich des zweiten
Zwischentermins sei eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu unterstellen, da von
Seiten der Auftraggeber Schlussrechnungen gezahlt worden seien. Zwischenzeitlich sei
auch die Endabnahme der Daten fristgerecht erfolgt. Es sei damit zu rechnen, dass
lediglich geringfügige Abstimmungen erfolgen müssten, die einen Arbeitsaufwand von 3 bis
10 Werktagen erforderten.
Auch habe die Antragstellerin nicht gegen den vergaberechtlichen Grundsatz der
Selbstausführung verstoßen. Vielmehr werde eine Selbstausführung dadurch gewährleistet,
dass ein Geschäftsführer der Antragstellerin alleiniger Geschäftsführer der GmbH sei, die
Eigentümerin des Messfahrzeuges und auch Arbeitgeberin des einzusetzenden Personals
sei. Darüberhinaus werde das Messfahrzeug von einem der Geschäftsführer persönlich
gefahren. Demgegenüber stünden die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse und die Frage
eines Zugriffs auf konzerngebundenes Kapital mit dem vergaberechtlichen Grundsatz der
Selbstausführung in keinerlei Zusammenhang. Schließlich habe der Antragsgegner im
Vergabeverfahren keinen konkreten Nachweis dafür eingefordert, dass die Antragstellerin
zur Selbstausführung der Leistung in der Lage sei.
Der Senat hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 3.4.2003 durch Einholung einer amtlichen
Auskunft der Bundesanstalt für das Straßenwesen Beweis erhoben. Auf die Auskunft der
Bundesanstalt vom 4.6.2003 (Bl. 323 d. A.) wird Bezug genommen.
II.
A.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 GWB statthaft. Sie wurde form- und
fristgerecht eingelegt (§ 117 GWB).
B.
Die sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.
1) Zunächst hat die sofortige Beschwerde nicht bereits deshalb Erfolg, weil der im
Nachprüfungsverfahren gestellte Sachantrag wegen Nichteinhaltung der Rügeobliegenheit
des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht hätte beschieden werden dürfen. Nach dieser
Vorschrift ist der Antrag unzulässig, wenn der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen
Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem
Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Diese Anforderungen hat die Antragstellerin bei
formaler Betrachtung nicht erfüllt, da sie nach Zugang der Benachrichtigung nach § 13 VgV
unmittelbar das Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat, ohne eine Rüge gegenüber dem
Antragsgegner zu erheben.
Gleichwohl sind die Anforderungen an die Rügeobliegenheit nicht losgelöst von Sinn und
Zweck der Vorschrift zu beantworten. So bezweckt die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 GWB
vordringlich, der Spekulation entgegenzuwirken, dass sich ein frühzeitig erkannter
Vergabefehler möglicherweise zu Gunsten des Unternehmens auswirken mag. Denn der
Bieter soll daran gehindert sein, die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens prüfen zu
lassen, wenn er erkennt, dass seine Spekulation nicht aufgeht (BT-Drucksache 13/9340;
Bundeskartellamt, Vergabekammer des Bundes, VK 2-24/99, Beschl. v. 9.9.1999, Umdr.
S. 8 f.; Motzke/Pietzcker/Prieß, aaO, §§ 107, 108 GWB Rdn. 26). Anders liegen die Dinge
dann, wenn eine Spekulation auf einen günstigen Ausgang des Vergabeverfahrens nach
Lage der Dinge ausgeschlossen ist. In solchen Fällen ist es im Wege einer teleologischen
Reduktion des § 107 Abs. 3 GWB gerechtfertigt, von einer ausdrücklichen Rüge gegenüber
der Vergabestelle abzusehen, sofern der Antragsteller in der Frist des § 107 Abs. 3 GWB
unmittelbar das Nachprüfungsverfahren einleitet (Senat, Beschl. v. 29.5.2002, 5 Verg
1/01, OLGR 2002, 372 = VergabeR 2002, 493).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens nicht zu
beanstanden: Der Wortlaut der Benachrichtigung nach § 13 VgV vom 29.8.2002, die eine
eingehende Begründung enthielt, belegt mit hinreichender Klarheit, dass der Antragsgegner
zu einer Auftragsvergabe an die Beigeladene fest entschlossen war. Mithin bestand für
Spekulationen auf einen positiven Ausgang der Vergabe aus Sicht der Antragstellerin kein
Raum, weshalb sich die Antragstellerin ohne Rechtsnachteile unmittelbar dazu entschließen
durfte, innerhalb der Frist des § 107 Abs. 3 GWB das Nachprüfungsverfahren einzuleiten.
Die Frist wurde gewahrt, da der Antrag auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens
nicht später als zwei Wochen nach Zugang (am 4.9.2002) der Benachrichtigung vom
29.8.2002, mithin i.S. des § 107 Abs. 3 GWB „unverzüglich„ bei der Vergabekammer
eingegangen ist. Darüberhinaus wurde der Regelung des § 107 Abs. 3 GWB auch dadurch
Rechnung getragen, dass die Antragsschrift der Gegenseite noch innerhalb der Frist des §
107 Abs. 3 GWB zugestellt worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 15.1.2001, 5 Verg 2/00).
2.) Der Antragsgegner stützt den Ausschluss der Antragstellerin auf § 25 Ziff. 2 Abs. 1
VOL/A. Nach dieser Vorschrift sind bei der Auswahl der Angebote nur solche Bieter zu
berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche
Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen.
a) Die Eignung eines Bieters kann nur im Rahmen einer Prognoseentscheidung beurteilt
werden, für die der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, der von den
Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüft werden kann (OLG Hamburg, NVwZ 2001,
714; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 419; Müller-Wrede, VOL/A, § 25 Rdn. 66). Hierbei
folgt bereits aus dem Charakter der Prognose, dass die Umstände, die auf eine fehlende
persönliche und fachliche Eignung schließen lassen, nicht mit einer prozessualen
Tatsachenfeststellungen Genüge leistenden Gewissheit feststehen müssen. Vielmehr reicht
es aus, wenn die Umstände auf einer gesicherten Erkenntnis der Vergabestelle beruhen.
Auch Verdachtsmomente, die für eine Unzuverlässigkeit des Bieters sprechen, können den
Ausschluss tragen, wenn die den Verdacht begründenden Informationen aus einer sicheren
Quelle stammen und eine gewisse Erhärtung erfahren haben. Demgemäß ist die Grenze
erst dann überschritten, wenn sich die Vergabestelle auf ungeprüfte Gerüchte verlässt und
eventuelle Informationen von Seiten Dritter nicht selbst verifiziert (BGH, Urt. v. 26.10.1999
– X ZR 30/98, NJW 2000, 661).
Dieses Verständnis findet zunächst in der Systematik der VOL/A eine Stütze: Die
persönliche und fachliche Eignung des Bieters ist neben § 25 Ziff. 2 Abs. 1 VOL/A im
Rahmen des § 25 Ziff. 1 Abs. 2 lit. b i. V. m. § 7 Ziff. 5 lit. c VOL/A zu prüfen. Demnach
können Bewerber, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre
Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt, von einer Teilnahme am Wettbewerb
ausgeschlossen werden. Würde man auch im Rahmen der zweiten Wertungsstufe des §
25 Ziff. 2 VOL/A den vollen Nachweis der Unzuverlässigkeit verlangen, so liefe der
eigenständige Anwendungsbereich der Vorschrift jedenfalls bei der Prüfung der
Zuverlässigkeit weitgehend leer. Demgegenüber wird die Systematik der VOL/A
verständlich, wenn man den Anwendungsbereich des § 7 Ziff. 5 VOL/A auf Fälle eines
schnell feststellbaren, objektiv nachweisbaren Eignungsdefizits beschränkt und der
Vergabestelle in § 25 Ziff. 2 VOL/A einen umfassenden, wertenden Gesichtspunkten
zugänglichen Beurteilungsspielraum eröffnet (Müller-Wrede, VOL/A, § 25 Rdn. 52).
Auch erscheint die vorgetragene Differenzierung interessengerecht: In Anbetracht des
Umstandes, dass vor allem bei komplexen technischen Leistungsbeschreibungen die
wahren Sachverhalte, aus denen sich Anhaltspunkte für eine fehlende Zuverlässigkeit und
Fachkunde eines Bieters ergeben, nur in umfangreichen und langwierigen Verfahren
beweisverwertbar aufgeklärt werden können, erscheint es nicht zumutbar, der
Vergabestelle das Risiko aufzubürden, dass sich erkennbare Verdachtsmomente im
Nachhinein als zutreffend herausstellen.
b) Wendet man diese Rechtsgrundsätze an, so hält der Ausschluss des Angebots einer
Rechtskontrolle im Ergebnis stand; entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der
Antragsgegner bei seiner Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten
Beurteilungsspielraums nicht überschritten:
aa) Zunächst begegnet es keinen Bedenken, dass die Vergabestelle ihre Entscheidung auf
Umstände stützt, die zeitlich nach der ersten Wertung entstanden sind. Denn nach dem
Tenor der Vorentscheidung des Senats wurde der die Wertung enthaltende
Vergabevermerk – damit zugleich also die Wertung der Angebote selbst – aufgehoben. In
den Gründen des Beschlusses wird die Vergabestelle ausdrücklich aufgefordert, die im
Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände zur fehlenden
persönlichen Eignung auf der zweiten Wertungsstufe zu berücksichtigen (vgl. OLG
Düsseldorf, OLGR 2001, 251). Mithin war der Weg zu einer erneuten Wertung eröffnet,
ohne dass sich die Frage stellt, ob einer nicht angefochtenen Wertungsentscheidung mit
der Maßgabe Bestandskraft zukommt, dass die Vergabestelle daran gehindert sein mag,
vor Erteilung des Zuschlags noch einmal zur zweiten Wertungsstufe zurückzukehren, um
neue Umstände zu berücksichtigen, die die Zuverlässigkeit des Bieters in Frage stellen (für
die Berücksichtigungsfähigkeit neuer Umstände vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 419,
422).
bb) Der Ausschluss der Antragstellerin kann nicht auf einen Verstoß gegen den
vergaberechtlichen Selbstausführungsgrundsatz gestützt werden.
aaa) Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOL/B hat der Auftraggeber die Leistung unter eigener
Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen; er darf die Ausführung der Leistung oder
wesentlicher Teile nur mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers auf andere
übertragen (§ 4 Abs. 4 VOL/B). Mithin kommt der Absicht eines Bieters, Nachunternehmer
einzuschalten, im Grundsatz bei der Wertung der Angebote, insbesondere bei der Prüfung
der Eignung der Bieter, Bedeutung zu (vgl. Müller-Wrede, VOL/A, S. 582). So kann die
Eignung des Bieters jedenfalls dann in Frage gestellt werden, wenn der Bieter den
Nachunternehmereinsatz verschleiert (Ingenstau/Korbion, VOB, § 4 VOB/A Rdn. 399). Eine
solche Konstellation liegt im vorliegenden Sachverhalt nicht vor, da die Antragstellerin in der
Anlage H ihres Angebots auf die Unterauftragnehmerin hingewiesen hat.
bbb) Abgesehen von dieser Fallgruppe vertritt das Oberlandesgericht Düsseldorf die
Auffassung, dass ein Bieter bereits dann als ungeeignet erscheinen kann, wenn der Bieter
die Absicht hat, nahezu den kompletten Auftrag an Nachunternehmer weiterzugeben (so
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2001 – 10 Verg /00, zit. nach juris). Ob dieser Auffassung
zu folgen ist, erscheint zweifelhaft. So hat der EuGH in der Entscheidung C –176/98 in
Sachen Holst Italia ./. Commune di Cagliari zur Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom
18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Dienstleistungsaufträge ausgeführt, ein Bieter könne nicht allein deshalb ausgeschlossen
werden, weil er zur Ausführung Mittel einsetze, die er nicht selbst besitze, sondern die
einer anderen oder mehreren anderen Einrichtungen gehörten. Die Grenze eines zulässigen
Rückgriffs auf die Kapazitäten hänge nicht von der Quantität der übertragenen
Drittleistungen, sondern davon ab, dass der Bieter tatsächlich über die Drittmittel verfüge
und diese zur Ausführung des Auftrags auch einsetzen könne. Mithin können vor dem
Hintergrund der Rechtssprechung des EuGH aus dem Einsatz des Nachunternehmers nur
dann Rückschlüsse auf die fehlende Eignung des Bieters gezogen werden, wenn entweder
der beauftragte Nachunternehmer selbst ungeeignet erscheint oder – beispielsweise
aufgrund der großen Zahl der eingesetzten Nachunternehmer – Bedenken bestehen, dass
der Bieter dem erhöhten Koordinierungsaufwand nicht gerecht werden kann (vgl.
Beck’scher VOB Kommentar, § 25 VOB/A Rdn. 47 ff.). Auch hierzu ist nichts ersichtlich.
Letztlich kann die Frage nach den rechtlichen Grenzen eines zulässigen
Nachunternehmereinsatzes im vorliegenden Fall dahinstehen, da die Antragstellerin selbst
nach den strengen Anforderungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht „nahezu die
komplette Leistung" in fremde Hände gegeben hat. Nach unbestrittenem Sachvortrag soll
die Projektleitung bei der Antragstellerin liegen; darüber hinaus soll einer der
Geschäftsführer der Antragstellerin das Messfahrzeug fahren. Demnach behält sich die
Antragstellerin einen erheblichen Teil der Leistungserbringung vor.
ccc) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt es für die Eignung der
Antragstellerin nicht darauf an, ob die Antragstellerin auf das Kapital der als
Nachunternehmerin benannten GmbH zurückgreifen kann. Denn das Gebot der
Selbstausführung soll nur eine zuverlässige Leistungserbringung sichern. Demgegenüber
wird das in der Person des Auftragnehmers zu beurteilende Haftungsrisiko für den
Auftraggeber durch die Einschaltung von Nachunternehmern nicht berührt. Zudem dürfte
ein Durchgriff des Auftraggebers auf das Kapital eines etwaigen Nachunternehmers nur in
den seltensten Fällen möglich sein. Auch der EuGH hat in der vorzitierten Entscheidung
ausdrücklich klargestellt, dass die Zulässigkeit eines Nachunternehmereinsatzes nicht von
der Konzernbindung des Drittunternehmens abhängen darf (vgl. OLG Frankfurt/Main,
VergabeR 2001, 299, 301).
ddd) Schließlich ist die Eignung der Antragstellerin unter dem Aspekt des
Selbstausführungsgrundsatzes nicht deshalb in Frage, weil die Antragstellerin keinen
formalen Nachweis dafür vorgelegt hat, auf Fahrzeug und Mitarbeiter der
Nachunternehmerin zurückgreifen zu können. Mit Recht weist die Vergabekammer darauf
hin, dass die Vergabestelle in der Ausschreibung einen solchen formalen Nachweis an
keiner Stelle eingefordert hat.
cc) Dennoch wird die Beurteilung der Antragsgegnerin, wonach die Eignung der
Antragstellerin nicht nachgewiesen ist, auf der für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen
Tatsachenbasis ohne Beurteilungsfehler von den Schwierigkeiten getragen, die im Rahmen
der Leistungserbringung des mit der hier ausgeschriebenen Leistung vergleichbaren
Projekts ZEB 2002 aufgetreten sind.
So kann sich der Antragsgegner zunächst auf die Einschätzung der HI stützen, die das von
der Antragstellerin im Rahmen des mit der hier ausgeschriebenen Leistung vergleichbaren
Projekts ZEB 2002 gelieferte Datenmaterial einer kritischen Überprüfung unterzog.
aaa) Hierbei wird der Aussagegehalt dieser Einschätzung nicht dadurch geschwächt, dass
die Antragstellerin die Objektivität der HI in Frage stellt. Die dazu vorgetragenen Argumente
vermögen nicht zu überzeugen: Allein daraus, dass HI mit einer Muttergesellschaft der
Antragstellerin in Wettbewerb tritt, kann eine fehlende Objektivität der HI nicht hergeleitet
werden. Auch den Vorwurf, HI habe zielgerichtet alleine nach Fehlern der Antragstellerin
gesucht, kann die Antragstellerin nicht nachvollziehbar belegen: Der Umstand, dass der
Prüfbericht mit dem Titel „Ingenieurmäßige Plausibilitätskontrolle der Rohdaten der I"
überschrieben ist, sagt nichts darüber aus, ob HI auch die weiteren Auftragnehmer einer
Plausibilitätskontrolle unterzogen hat. Erst recht lässt sich aus dem Wortlaut des Titels
nicht auf eine Befangenheit des Kontrolleurs schließen. Darüber hinaus weist der Leiter der
ZEB 2002 im Schreiben vom 4.2.2003 darauf hin, dass eine stichprobenartige Prüfung
aller Auftragnehmer stattgefunden habe.
bbb) Die HI hat in einem am 2.9.2002 vorgelegten Prüfbericht zum ersten Zwischentermin
zahlreiche Unzulänglichkeiten aufgelistet, die die Antragstellerin nicht vollständig entkräften
konnte. So hat es beim Messvorgang in Einzelfällen Laserausfälle gegeben. In anderen
Fällen wurden die Daten aus der Erfassung des einen Fahrstreifens auf den anderen
Fahrstreifen projiziert. Dieser Vorwurf der objektiv fehlerhaften Umsetzung des
physikalisch-technischen Messvorgangs wird durch die amtliche Auskunft der BAST vom
4.6.2003 erhärtet, die auf Frage des Senats nach Mängeln des Messauftrags bestätigte,
es seien nicht plausible Daten beziehungsweise Mängel festgestellt worden, die auf Fehler
des eingesetzten Messsystems beziehungsweise auf Fehler bei der Datenzuordnung zum
untersuchten Straßennetz schließen ließen. Dezidiert hat sich die BAST dahingehend
festgelegt, dass die Fehler im wesentlichen auf die Leistung der Antragstellerin
zurückzuführen seien.
Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, dass die Fehler innerhalb der vertraglich
vereinbarten Toleranzen gelegen hätten. Denn da der von der Antragstellerin gelieferte
Datenbestand nach Auskunft der BAST nicht vollständig, sondern nur exemplarisch
überprüft wurde, liegen keine verlässlichen, von dritter Seite überprüften Aussagen über
den gesamten Umfang etwaiger Unzulänglichkeiten vor. Auch der Einwand, die Fehler seien
erst im Rahmen einer Zusatzprüfung entdeckt worden, die der BAST neue Erkenntnisse
vermittelt habe, überzeugt nicht: Ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin, die
Fehlerhaftigkeit der Leistungserbringung zu verschleiern, ist nicht ersichtlich.
ccc) Weiterhin steht fest, dass die HI nicht ohne weiteres in der Lage war, das von der
Antragstellerin gelieferte Datenmaterial im Teilprojekt TP 4 umzusetzen. Allerdings besteht
auch hier zwischen der HI und der Antragstellerin Streit darüber, ob diese Schwierigkeiten -
so die Behauptung der Antragstellerin - auf Unzulänglichkeiten eines von HI verwendeten
Softwareprogramms zurückzuführen seien. Demgegenüber weist HI darauf hin, dass die
Modalitäten der Rohdatenerfassung durch die Ausschreibungsunterlagen verbindlich
vorgeschrieben worden seien; die Schwierigkeiten seien deshalb entstanden, weil sich die
Antragstellerin nicht an diese Vorgabe gehalten habe. Welche Darstellung zutrifft, kann die
Vergabestelle im Rahmen ihrer Vergabeentscheidung mit zumutbarem Aufwand nicht
verlässlich klären. Feststeht jedenfalls, dass die Abstimmungsschwierigkeiten Anlass dafür
waren, die Rohdaten des ersten Zwischenschritts ein zweites Mal zu übersenden. Bei
dieser Sachlage musste die Vergabestelle einen Fehler in der Leistungserbringung der
Antragstellerin ernsthaft in Betracht ziehen.
ddd) Diese Einschätzung liegt umso näher, als auch die neue Übermittlung der Rohdaten
Fehler enthielt. Denn ein weiterer, mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 6.12.2002
vorgelegter Prüfbericht gelangte nach Auswertung des Datenmaterials der Teilprojekte TP
1a, 1b, TP 3 der ZEB 2002 erneut zu dem Ergebnis, dass in den Teilprojekten TP 1a und
TP 1b erhebliche Unplausibilitäten zu verzeichnen seien, die für die Berechnung der
Teilwerte erhebliche Auswirkungen hätten. HI vertritt in diesem Bericht, auf den der
Antragsgegner seine Ermessenserwägungen in der weiteren Tatsacheninstanz des
Beschwerdeverfahrens in rechtsanaloger Anwendung des in § 114 Satz 2 VwGO
normierten Rechtsgedankens ergänzend stützen kann, die Auffassung, dass die
Auslieferung der Daten mit diesen Fehlern negative Folgen auf die Akzeptanz der ZEB
haben würde. Zwar tritt die Antragstellerin auch dieser Einschätzung mit dem Vortrag
entgegen, dass sich die festgestellten Fehler zum Teil innerhalb der vertraglichen
Toleranzen bewegten und darüber hinaus auf Rundungsdifferenzen beruhten, die sich erst
bei längeren Strecken auswirkten. Dennoch ist es der Antragstellerin nicht gelungen, die
bemängelten Defizite zur Zufriedenheit des Auftraggebers der ZEB 2002 zu beheben.
Dies folgt zum einen aus dem Inhalt einer mit Schriftsatz des Antragsgegners vom
29.1.2002 vorgelegten E-Mail des Mitarbeiters der BAST, der unmissverständlich die
Auffassung vertritt, dass die „überarbeitete Datenlieferung von I noch immer nicht fehlerfrei
sei„ (Blatt 238 der Akten). Zum andern beruft sich der Antragsgegner zu Recht auf ein
Schreiben des Leiters der ZEB 2002 vom 4.2.2003 (Bl. 241 d. A.), der darauf hinweist,
dass eine abschließende Bewertung des Messjahres 2002 noch nicht vorgenommen
werden könne, und in diesem Schreiben die Auffassung vertritt, dass die erhebliche
Verzögerung nach derzeitigem Kenntnisstand zu einem nicht unerheblichen Anteil durch
eine mangelhafte interne Qualitätskontrolle der Antragstellerin verursacht worden sei. Der
Vorwurf einer nicht unerheblichen Verzögerung der korrekten Leistungserbringung wird
schließlich in der amtlichen Auskunft der BAST bestätigt, die auf Frage des Senats den
Zeitraum der von der Antragstellerin verursachten Verzögerung mit drei Monaten
bezifferte.
eee) Zusammenfassend hat der Antragsgegner zahlreiche Aspekte aufgezeigt, die die
Zuverlässigkeit der Antragstellerin zweifelhaft erscheinen lassen. Eine abschließende
Beurteilung dieser bestrittenen Vorwürfe ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht
möglich, da eine vollständige Aufklärung die Erkenntnismöglichkeiten der Vergabestelle
überstiege und einen Aufwand erforderte, der der Funktion des Nachprüfungsverfahrens,
die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung in einem überschaubaren Zeitrahmen zu
überprüfen, zuwiderliefe. Ob die Antragstellerin andere Wege einer abschließenden
Bewertung der aus der vorangegangenen Leistungserbringung zu ziehenden Schlüsse
beschreiten kann und will, ist nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens. Dennoch
stellen die Einschätzungen der Auftraggeber der ZEB 2002 aus Sicht der Vergabestelle
hinreichend konkretisierte und durch Tatsachen objektivierte Verdachtsmomente gegen die
Zuverlässigkeit der Antragstellerin dar, die im Rahmen der Vergabeentscheidung
Berücksichtigung finden müssen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht – soweit sie das Beschwerdeverfahren betrifft – auf einer
analogen Anwendung von § 91 ZPO (vgl. BGHZ 146, 202, 217; Senat, Beschl. v.
24.11.1999 – 5 Verg 1/99; Bechthold, Kartellgesetz, 2. Aufl., § 123 GWB Rdn. 2). Der
Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine eigenen Anträge gestellt hat
(vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Hinsichtlich der im Verfahren vor der Vergabekammer
entstandenen Kosten beruht die Entscheidung auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2
GWB. In Anbetracht der Komplexität und Schwierigkeit der Rechtslage war eine Zuziehung
eines Rechtsanwalts notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG).
Gemäß § 12a Abs. 2 GKG war der Streitwert des Beschwerdeverfahrens auf 11.698,64
EUR (= 5 % von 233.972,93 EUR) festzusetzen.