Urteil des OLG Saarbrücken vom 24.10.2006

OLG Saarbrücken: verbotene eigenmacht, treu und glauben, fahrzeug, wagen, wiederherstellung des früheren zustandes, ablauf der frist, entwendung, besitzer, sicherungsübereignung, besitzdiener

OLG Saarbrücken Urteil vom 24.10.2006, 4 U 229/06 - 69
Besitzschutzanspruch: Einwendungen des Besitzentziehers; Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung; Anspruchsausschluss bei mehrfacher wechselseitiger verbotener
Eigenmacht
Leitsätze
a. Dem Besitzschutzanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB kann nicht entgegengehalten werden,
dass der Gläubiger zum Besitz nicht berechtigt sei. Der Einwendungsausschluss des § 863
BGB kann regelmäßig nicht durch den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
umgangen werden.
b. In Fällen mehrfacher wechselseitiger verbotener Eigenmacht ist der
Besitzschutzanspruch nicht ausgeschlossen, wenn die Reihe der Besitzentziehungen durch
den Schuldner binnen der Jahresfrist des § 861 Abs. 2 BGB eröffnet wurde.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom
10.3.2006 (AZ: 3 O 378/05) wie folgt abgeändert:
a. Die Erstbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin das Kraftfahrzeug Chrysler Voyager SE
2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. (amtl. Kennzeichen:) herauszugeben.
b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitere Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie die erstinstanzlichen außergerichtlichen
Kosten der Klägerin tragen die Klägerin sowie die Erstbeklagte jeweils zur Hälfte. Die
Klägerin trägt die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Zweitbeklagten. Im
Übrigen findet eine Erstattung der erstinstanzlichen Kosten nicht statt. Die Kosten des
Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Erstbeklagte darf die Vollstreckung der Klägerin
gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 28.000,- EUR abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf
die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die
Beklagten leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Herausgabe eines PKW der Marke Chrysler
Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. (amtliches Kennzeichen:).
Das Fahrzeug wurde im Oktober 2003 bei der Firma T. A. GmbH in K. erworben. Die
Finanzierung erfolgte durch einen Kredit, welche die in M. der
Erstbeklagten zum Autokauf gewährt hatte. Die Erstbeklagte ist zugleich Gesellschafterin
der Klägerin. Zwischen der und der Erstbeklagten wurde eine
Sicherungsübereignung des Wagens zugunsten der vereinbart. Am
30.10.2003 schlossen die Klägerin, die Erstbeklagte und die eine
sog. „Drittbenutzer-Vereinbarung für Kredit- und Leasingverträge“ (fortan Drittbenutzer-
Vereinbarung). Nach deren Inhalt sollte die Klägerin zur Nutzung des Wagens berechtigt
sein. Die fälligen Darlehensraten wurden zu Beginn der Darlehenslaufzeit
vereinbarungsgemäß durch die Klägerin an die zurückgezahlt. Die
Klägerin überließ den Wagen sodann dem Zeugen K1 im Rahmen seines
Anstellungsverhältnisses bei der Klägerin. Der Zeuge K1 war zu dieser Zeit noch mit der
Erstbeklagten verheiratet und lebte mit ihr zusammen. Der Wagen wurde auch von der
Erstbeklagten genutzt, u.a. unternahm sie mit dem Fahrzeug in der Zeit vom 17.9.2004
bis zum 24.9.2004 eine Urlaubsreise.
Nachdem die Ehe der Erstbeklagten mit dem Zeugen K1 gescheitert war, kam es zum
Streit über das Fahrzeug. Die Erstbeklagte, die im Besitz eines Zweitschlüssels war, nahm
den Wagen, in dem sich auch persönliche Dinge des Zeugen K1 befanden - u.a. eine
Golfausrüstung und Wein aus dem Urlaub – zunächst einfach an sich. Der Wagen gelangte
dann aber wieder zum Zeugen K1 zurück. Daraufhin kündigte der Zweitbeklagte, der mit
der Erstbeklagten zusammenlebte, in deren Namen mit Schreiben vom 29. August 2005
gegenüber der Klägerin die Drittbenutzer-Vereinbarung. Er verlangte von ihr die
Herausgabe des Fahrzeuges. Diesem Verlangen kam die Klägerin nicht nach. Erneut nahm
daraufhin die Erstbeklagte das Fahrzeug am 14. September 2005 dem Zeugen K1 weg
und brachte es wiederum an sich. Wie erstmals im Berufungsrechtszug von der Klägerin
vorgetragen, hat der Zeuge K1 nicht mehr den Willen den Wagen wiederzuerlangen.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Kaufvertrag mit der Firma T. A. abgeschlossen
und der Wagen sei dem Zeugen K1, der hierzu von ihr beauftragt worden sei, übergeben
worden. Sie sei daher Eigentümerin des Fahrzeuges. Da der Zweitbeklagte der
Erstbeklagten bei der zweiten Besitzentziehung geholfen habe, seien beide Beklagten zur
Herausgabe verpflichtet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin das
Kraftfahrzeug Chrysler Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. (amtl.
Kennzeichen:) herauszugeben.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht Eigentümerin des Wagens
geworden. Durch die Verkäuferin T. A. sei das Fahrzeug vielmehr der Erstbeklagten
übergeben worden. Der Klägerin habe kein Besitzrecht mehr zugestanden, da die
Drittbenutzer-Vereinbarung mit der Klägerin zu Recht gekündigt worden sei. Die Klägerin
habe nämlich angekündigt, abredewidrig die Darlehensraten nicht mehr zu bezahlen, der
Wagen sei zudem bis April 2005 ohne Versicherungsschutz gewesen; auch – dies ist
unstreitig – war ein Unfallschaden nicht instand gesetzt worden.
Das Landgericht hat Zeugenbeweis über die Frage erhoben, an wen das Fahrzeug
übergeben worden ist. Durch Urteil vom 10. März 2006, auf dessen tatsächliche
Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das
Landgericht die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Die Klägerin sei nicht die Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges,
da der Wagen an die finanzierende Bank zur Sicherheit übereignet gewesen sei. Sie sei von
daher nicht berechtigt, die Herausgabe zu verlangen. Da die Klägerin nur mittelbaren Besitz
am Fahrzeug gehabt habe, könne sie auch die Herausgabe aus Besitzschutz nicht an sich
selbst verlangen. Zudem sei dem Zeugen K1 der Besitz auch nicht durch eine verbotene
Eigenmacht entzogen worden, da sowohl der Zeuge K1 als auch die Klägerin durch die
wirksame Kündigung der Drittbenutzer-Vereinbarung ihr Besitzrecht verloren hätten.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und rügt die fehlerhafte Anwendung
des materiellen Rechts. Zum einen sei das Landgericht unrichtiger Weise davon
ausgegangen, die sei Sicherungseigentümerin, denn eine
Übereignung durch die Erstbeklagte sei mangels Berechtigung nicht wirksam erfolgt. Auch
komme es im Rahmen der Herausgabeansprüche aus Besitzrecht nicht auf die
schuldrechtlichen Vereinbarungen der Parteien an, so dass ihr gegenüber durch die
Wegnahme des Fahrzeuges bei dem Zeugen K1, der als ihr Besitzdiener anzusehen sei,
verbotene Eigenmacht ausgeübt worden sei. Selbst wenn der Zeuge K1 als der
unmittelbare Besitzer anzusehen sein sollte, sei der Wagen mangels
Wiedererlangungswillen beim Zeugen K1 nunmehr an sie herauszugeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.03.2006 - 3 O 378/06 -
abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin das Kraftfahrzeug
Chrysler Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. (amtl. Kennzeichen:)
herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil. Zutreffend sei das Landgericht von dem
Eigentum der ausgegangen. In jedem Fall sei die Erstbeklagte durch
die Klägerin wegen der Finanzierung zu einer Sicherungsübereignung an die
ermächtigt gewesen. Da wegen der wirksamen Kündigung der
Drittbenutzer-Vereinbarung die Klägerin in jedem Fall zur alsbaldigen Rückgabe des
Fahrzeuges an die Erstbeklagte bzw. die verpflichtet sei, fehle es
nach Treu und Glauben auch an einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin zur
Durchsetzung der Herausgabe. Besitzschutzrechte fänden im Übrigen ohnehin keine
Anwendung, da die Erstbeklagte ebenfalls Mitbesitz an dem Fahrzeug inne gehabt habe;
sie habe den Wagen als Familien-Pkw mitbenutzt. Schließlich habe die Klägerin an dem
Rechtsstreit überhaupt kein Interesse. Der Grund für die Auseinandersetzung sei vielmehr
eine Initiative des Zeugen K1. In einem nicht nachgelassen Schriftsatz vom 5.10.2006
trägt sie zudem erstmals vor, der Zeuge K1 habe den Wagen seinerseits am 28.8.2005
gegen den Willen der Erstbeklagten aus einer verschlossenen Tiefgarage in S. entwendet.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zur Akte gereichten
Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen sowie auf die
Verhandlungsniederschriften des Landgerichts vom 17.11.2005 (GA 41 ff.) und vom
2.2.2006 (GA 66 ff. d.A.) sowie auf die Verhandlungsniederschrift des Saarländischen
Oberlandesgerichts vom 19.9.2006 (GA 150 ff.) Wegen des Ergebnisses der
erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des
Landgerichts vom 2.2.2006 (GA 66 ff.).
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die nach
§ 529 Abs. 2 ZPO neu zu berücksichtigenden Tatsachen rechtfertigen eine andere
Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO), soweit die zulässige (1.) Klage gegen die Erstbeklagte
abgewiesen worden ist (2.). Ansonsten bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg (2.).
1. Der Zulässigkeit der Klage, insbesondere dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin, steht
der erstmals in der Berufungsinstanz von den Beklagten vorgetragene Umstand, dass der
Geschäftsführer der Klägerin kein Interesse an dem Rechtsstreit habe, nicht entgegen.
Das Rechtsschutzbedürfnis bedeutet ein berechtigtes Interesse einer klagenden Partei
daran, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu
nehmen (Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 24. Auflage, Vorbem § 253 Rn. 26). Eine
Untersuchung der Motive der Partei für ihre Klage findet nicht statt. Entscheidend ist darauf
abzustellen, ob sich die Klage als objektiv sinnlos darstellt (Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage,
Vor § 253 Rn. 18). Dies kann aber nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden,
denn grundsätzlich hat jeder Rechtssuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf,
dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden (Zöller-Greger, a.a.O.).
Derartige, auf eine Sinnlosigkeit der Klage hindeutende Umstände liegen im Streitfall nicht
vor. Im Gegenteil erweist sich das Verlangen der Klägerin gerade nicht als objektiv sinnlos.
Die Klägerin gibt an, Eigentümerin und über ihren Besitzdiener, den Zeugen K1, auch
unmittelbare Besitzerin des im Streit befindlichen Fahrzeuges gewesen zu sein. Mit ihrer
Klage verfolgt die Klägerin damit das anerkennenswerte Begehren der ungestörten
Wiederherstellung der von ihr behaupteten Rechtspositionen.
2. Die Herausgabeklage gegen die Erstbeklagte ist zudem begründet.
Der steht Klägerin gegen die Erstbeklagte ein Herausgabeanspruch gemäß den §§ 869
Satz 2, 2. HS, 861 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB zu.
Die Klägerin war die mittelbare Besitzerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges (a.), als
der Wagen dem Zeugen K1, der den unmittelbaren Besitz nicht wieder übernehmen wollte
(b.), durch die Erstbeklagte im Wege der verbotenen Eigenmacht (c.) weggenommen
wurde. Dem berechtigten Herausgabeverlangen der Klägerin stehen keine
rechtserheblichen Einwände der Erstbeklagten entgegen (d.).
Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, woran das
Berufungsgericht gebunden ist, da diese rechtsfehlerfrei erfolgt sind, und keine Zweifel
hieran begründet sind, die eine neuerliche Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO),
sowie aus den von den Parteien erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten neuen
Tatsachen, soweit sie nach den §§ 513 Abs. 1, 2. Alt, 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2
ZPO zu berücksichtigen sind.
a. Die Klägerin war mittelbare Besitzerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges.
Der unmittelbare Besitz lag beim Zeugen K1, der gerade nicht – wie die Klägerin meint –
nur ihr Besitzdiener gewesen war. Als bloßer Besitzdiener der Klägerin i.S.d. § 855 BGB
wäre der Zeuge K1 nur dann zu betrachten gewesen, wenn dessen Nutzung sich
ausschließlich auf berufliche Fahrten für die Klägerin beschränkt hätte, und keinerlei privater
Gebrauch erfolgt wäre (MünchKomm-Joost, BGB, 4. Auflage 2004, § 855 Rn. 14). Ein
privater Fahrzeuggebrauch des Zeugen K1 wird hingegen von der Klägerin selbst
vorgetragen. Er erschließt sich aus ihrem Vorbringen in der Klageschrift, wonach sich in
dem Fahrzeug auch persönliche Gegenstände des Zeugen K1 befanden, als ihm dieser
zum erstem Male von der Erstbeklagten weggenommen wurde. Darunter waren u.a. eine
Golfausrüstung und aus einem Urlaub mitgebrachter Wein. Dass derartige Gegenstände
infolge beruflicher Fahrten mitgenommen werden, kann nicht angenommen werden, so
dass zwangsläufig auch außerberufliche Fahrten erfolgt sein müssen.
b. Als mittelbarer Besitzerin steht der Klägerin gemäß § 869 Satz 2, 2. HS BGB der
Anspruch auf unmittelbare Besitzeinräumung an sich selbst zu, da der Zeuge K1 als der
bisherige unmittelbarer Besitzer den Besitz nicht wieder übernehmen wollte.
Wenngleich der fehlende Wiedererlangungswille des Zeugen K1 erstmals in der
Berufungsinstanz vorgetragen worden ist, ist dieses neue Vorbringen gleichwohl zu
beachten (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), da keine Zurückweisungsgründe vorliegen. Der
Vortrag ist von den Beklagten nicht bestritten worden und kann schon von daher nicht als
unzulässiges neues Angriffsvorbringen der Klägerin i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO angesehen
werden (vgl. hierzu: Rixecker, Fehlerquellen am Weg der Fehlerkontrolle - Rechtsprobleme
des reformierten Berufungsrechts in Verkehrs- und Versicherungssachen, NJW 2004, 705
(707)).
Ein etwaiges Bestreiten des fehlenden Wiedererlangungswillens lässt sich nicht daraus
schließen, dass die Beklagten vorbringen, der Zeuge K1 habe die vorliegende gerichtliche
Auseinandersetzung initiiert. Dem ließe sich allenfalls entnehmen, dass der Zeuge K1 ein
Interesse an der Verurteilung der beiden Beklagten haben könnte. Da eine solche
Verurteilung indessen die Herausgabe des Wagens an die Klägerin zum Inhalt hätte, stünde
die Initiative des Zeugen gerade im Einklang mit dem eigenen fehlenden
Wiedererlangungswillen.
c. Durch die unstreitige Besitzentziehung am 14.9.2005 verübte die Erstbeklagte
verbotene Eigenmacht gegenüber dem Zeugen K1 als dem bisherigen unmittelbaren
Besitzer (§ 858 Abs. 1 BGB).
aa. Für die Entscheidung über die verbotene Eigenmacht kommt es auf die Berechtigung
zur Kündigung der Drittbenutzer-Vereinbarung und die damit zusammenhängende Frage,
ob der Klägerin oder dem Zeugen K1 noch ein Besitzrecht zugestanden habe, wegen der
Regelung des § 863 BGB nicht an.
Die Frage nach der verbotenen Eigenmacht beantwortet sich vielmehr unabhängig von der
Berechtigung des Besitzers, gegen den die Besitzentziehung oder Besitzstörung verübt
wird (Bamberger/Roth). Auch der unrechtmäßige Besitzer ist grundsätzlich vor der
verbotenen Eigenmacht eines anderen geschützt (Palandt-Bassenge, BGB, 62. Auflage, §
862 Rn. 8; MünchKomm-Joost, a.a.O., § 862 Rn. 5), sogar gegenüber dem Eigentümer
selbst (Bamberger/Roth, a.a.O.). Aus § 863 BGB folgt, dass die Besitzschutzansprüche der
§§ 861, 869 BGB den Besitzer in die Lage versetzen sollen, gegenüber
Besitzbeeinträchtigungen schnellen gerichtlichen Schutz zu erlangen, wenn er sie nicht
selbst nach § 859 BGB abwehren kann oder will. Damit soll zugleich die verbotene
Eigenmacht möglichst wirkungslos gemacht werden. Beide Ziele wären nicht erreichbar,
wenn sich der Verpflichtete auf sein Recht zum Besitz berufen und hierüber ggf.
langwierige Beweiserhebungen erzwingen könnte. Der Sinn des Besitzschutzes macht
daher eine Beschränkung der Einwendungen des Störers erforderlich (MünchKomm-Joost, §
863 Rn. 1 mit Verweis auf BGHZ 73, 358; BGH NJW 1979, 1359). Zulässig sind daher nur
besitzrechtliche (possessorische) Einwendungen.
bb. Für die Beurteilung der verbotenen Eigenmacht kommt es allein auf den
entgegenstehenden Willen des unmittelbaren Besitzers und die fehlende gesetzliche
Gestattung zur Besitzentziehung an.
Beide Voraussetzungen sind ersichtlich erfüllt: Der Zeuge K1 wollte nicht, dass ihm der
Besitz am Fahrzeug entzogen wird. Auch war es der Erstbeklagten weder im Wege der
Notwehr (§ 227 BGB) noch durch Selbsthilfe (§ 229 BGB) gestattet, das Fahrzeug an sich
zu nehmen, um ihren etwaigen Herausgabeanspruch zu befriedigen. Eine Notwehr
scheitert bereits daran, dass das Unterlassen eines u.U. berechtigten
Herausgabeverlangens keinen Angriff i.S.d. § 227 BGB darstellt (Palandt-Heinrichs, a.a.O.,
§ 227 Rn. 2). Es ist weiter nichts ersichtlich, wonach die Erfüllung eines möglicherweise
berechtigten Herausgabeanspruchs nicht auch durch gerichtliche Hilfe hätte erzwungen
werden können; deswegen lag auch keine zur Selbsthilfe berechtigende
Anspruchsgefährdung vor. Ein nur einklagbares Recht gewährt gerade keine gesetzliche
Gestattung (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 858 Rn. 6).
cc. Der Herausgabeanspruch ist nicht gemäß den §§ 861 Abs. 2, 858 Abs. 2 Satz 1 BGB
ausgeschlossen. Der Senat kann keine Umstände feststellen, die eine verbotene
Eigenmacht des Zeugen K1 gegenüber der Erstbeklagten innerhalb des letzten Jahres vor
der neuerlichen Besitzentziehung begründen könnten.
Die von der Beklagten erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene
Tatsache, wonach der Zeuge K1 seinerseits am 28.8.2005 den Wagen aus einer
verschlossenen Tiefgarage in S. gegen den Willen der Erstbeklagten entwendet habe,
genügt hierzu aus mehreren Gründen nicht:
- Zum ersten und ungeachtet dessen, ob das erstmalige Vorbringen im
Berufungsrechtszug gemäß § 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich noch zuzulassen
ist, ist es jedenfalls gemäß den §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet
zurückzuweisen und von daher nicht zu beachten.
Auf die Verspätung hat der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung vom
19.9.2006 hingewiesen, als der Zweitbeklagte die Entwendung aus der
Tiefgarage erwähnt hat, ohne dass sich der Prozessbevollmächtigte der
Beklagten dies zu eigen gemacht hätte und ohne dass es damit zum
Sachvortrag der Beklagten erhoben worden wäre.
Die Beklagten hätten spätestens bis zum Ablauf der Frist zur
Berufungserwiderung die nunmehr vorgetragenen Tatsachen vorbringen können
und müssen. Im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht waren die Beklagten
gehalten, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist umfassend und vollständig
vorzutragen (§§ 521 Abs. 2, Satz 2, 277 ZPO). Hierzu wurden sie mit der
Zustellung der Berufungsbegründung ausdrücklich hingewiesen. Mit der
Berufungserwiderung sind daher alle Tatsachen, Beweismittel und
Beweiseinreden vorzubringen, die den Parteien zu diesem Zeitpunkt bekannt
sind, gleichgültig, ob dazu schon im ersten Rechtszug vorgetragen worden ist
oder nicht (Zöller, a.a.O., § 530 Rn. 9).
oder nicht (Zöller, a.a.O., § 530 Rn. 9).
Die behauptete Entwendung aus der Tiefgarage im August 2005 war den
Beklagen zeitnah bekannt. Der Zweitbeklagte deutete dies bereits in seinem
Schreiben vom 29.8.2005 an die Klägerin an. Falls die Erstbeklagte keine eigene
Kenntnis gehabt haben sollte, muss sie sich sein Wissen nach dem
Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB zurechnen lassen, da er in Vertretung
der Erstbeklagten handelte.
Trotz ihres Wissens ist kein rechtzeitiger Vortrag erfolgt. Zwar wird in der ersten
Instanz, in dem als Anlage B6 zur Klageerwiderung vorgelegten Schreiben des
Zweitbeklagten an die Klägerin vom 29.8.2005 (GA 38 f.), die Entwendung
bereits angedeutet. Zum eigenen Sachvortrag der Beklagten ist der Inhalt des
Schreibens aber nur insoweit gemacht worden, als darin die zur Kündigung der
Drittbenutzer-Vereinbarung berechtigenden Gründe dargelegt sind. Eine
weitergehende Bezugnahme dahin, dass auch die darin beschriebene
Entwendung als ihr prozessuales Vorbringen anzusehen sei, ist nicht erfolgt. Das
konnte auch nicht nach den Umständen angenommen werden. Die Beklagten
haben in der Klageerwiderung zu einer möglichen Entwendung des Wagens
durch den Zeugen K1 überhaupt nicht Stellung genommen. Und ein Gericht ist
nicht gehalten, in anliegenden außergerichtlichen Schreiben, die zur
Unterstützung eines anderweitigen Tatsachenvortrages vorgelegt werden, nach
sonstigem Sachvortrag zu forschen. Dies verbietet sich bereits deshalb, weil die
die Parteien ihren Prozessvortrag an den gesteigerten Wahrheitspflichten des §
138 Abs. 1 ZPO ausrichten müssen, was für außerprozessuales Verhalten nicht
im selben Maße gilt.
Eines vorherigen Hinweis des Senats i.S.d. § 139 ZPO bedurfte es nicht, damit
die Beklagten ihre Einwendungen gegen besitzrechtliche Ansprüche der Klägerin
bereits früher vollständig vorbringen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass
der Senat den Besitzschutz abweichend von der Rechtsansicht des Landgerichts
beurteilt. Muss schon nach dem Berufungsangriff auf die erstinstanzliche
Beurteilung mit abweichender zweitinstanzlicher Würdigung gerechnet werden,
dann hat die Berufungserwiderung auch darauf einzugehen (Zöller-Gummer,
a.a.O., § 530 Rn. 9). Vorliegend hat die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung
(Seite 8, GA 113) bereits deutlich darauf hingewiesen, dass das Landgericht die
Vorschrift des § 863 BGB nicht ausreichend beachtet habe. Deswegen habe das
Landgericht die besitzrechtlichen Ansprüche der Klägerin rechtsfehlerhaft
abgelehnt. Hierauf stützt sie maßgeblich ihre Berufung. Dass sich der Senat der
Berufungsbegründung insoweit nicht ohne weiteres verschließen würde und die
Rechtslage hier abweichend zum Landgericht beurteilen könnte, war auch den
Beklagten bewusst. Sie haben sich darauf erkennbar eingestellt und in der
Berufungserwiderung gegen besitzrechtliche Ansprüche der Klägerin eine
Vielzahl von weiteren Einwendungen vorgebracht.
Entschuldigungsgründe für die Verspätung sind nicht dargetan und auch nicht
ersichtlich. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens würde zudem eine
Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge haben, denn über die behauptete
Entwendung des Wagens aus der Tiefgarage müsste im Falle ihrer Erheblichkeit
Beweis erhoben werden. Der Vortrag der Beklagten ist von der Klägerin
bestritten worden. Diese hat bereits in der Klageschrift unter Zeugenbeweis
behauptet, der Wagen sei dem Zeugen K1 durch die Erstbeklagte
„zurückgegeben“ worden (GA 3). Dies steht dem Beklagtenvortrag einer
widerrechtlichen Besitzentziehung klar entgegen.
- Zum zweiten ist das verspätete Vorbringen auch in der Sache nicht geeignet,
eine verbotene Eigenmacht des Zeugen K1 zu begründen, die dem
Herausgabeanspruch der Klägerin entgegenstehen könnte.
Ausgeschlossen wäre der Anspruch gemäß den §§ 861 Abs. 2, 858 Abs. 2 BGB
nur dann, wenn sein Besitz gerade gegenüber der Erstbeklagten fehlerhaft
gewesen wäre. Hierzu hätte der Zeuge K1 seinerseits gegenüber der
Erstbeklagten verbotene Eigenmacht verübt haben müssen. Das hätte zuvor
deren unmittelbaren Besitz an dem Wagen vorausgesetzt (Palandt-Bassenge,
a.a.O., § 858 Rn. 2). Diese Voraussetzung lässt sich aus dem Vortrag der
Beklagten, der Wagen sei aus einer verschlossenen Tiefgarage in S. entwendet
worden, nicht ohne weiteres entnehmen. Zur tatsächlichen Sachherrschaft
hätte die Erstbeklagte zumindest eine eigene Zugangsmöglichkeit zu der
verschlossenen Tiefgarage haben müssen. Da die Tiefgarage indessen nicht zu
ihrer Wohnadresse gehörte, ist eine solche Zugangsmöglichkeit nicht ohne
weiteren Sachvortrag anzunehmen. Auch der Besitz über einen Besitzdiener (§
855 BGB) ist nicht erkennbar.
- Zum dritten genügt ihr Vorbringen deshalb nicht, weil die Erstbeklagte bereits
zuvor dem Zeugen K1 den unmittelbaren Besitz am Wagen ohne dessen Willen
entzogen hat. Damit hat sie diesem gegenüber bereits eine erste verbotene
Eigenmacht begangen. In den Fällen mehrfacher wechselseitiger verbotener
Eigenmacht gilt indes der Grundsatz, dass niemand sich auf die Fehlerhaftigkeit
berufen kann, der selbst innerhalb eines Jahres vor der Besitzerlangung des
Gegners diesem gegenüber fehlerhaft Besitz erworben hat (MünchKomm-Joost,
a.a.O., § 861 Rn. 10). Der Anspruch auf Herausgabe ist nach diesem Grundsatz
daher nicht erloschen, wenn die Reihe der Besitzentziehungen durch den
nunmehrigen Schuldner eröffnet wurde (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 861 Rn.
14). Der Grundsatz trägt dem Zweck des Besitzschutzes Rechnung, eine
rasche Wiederherstellung des Zustandes zu ermöglichen, der zu ungestörter
Zeit bestanden hat. Danach ist der Erstbeklagten in jedem Fall die Einwendung
verwehrt, der Zeuge K1 habe ihr gegenüber fehlerhaften Besitz am Fahrzeug
ausgeübt. Denn sie hat ihm gegenüber die erste verbotene Eigenmacht
begangen.
Dies geschah binnen der der Jahresfrist des § 861 Abs. 2 BGB. Aus dem Vortrag
der Parteien ist zwar der genaue Zeitpunkt des ersten Besitzbruches nicht
ersichtlich. Fest steht hingegen, dass er innerhalb eines Jahres vor der
Wiedererlangung des Besitzes durch den Zeugen K1 am 28.8.2005 erfolgt sein
muss. Denn noch in der Zeit vom 17.9.2004 bis zum 24.9.2004 unternahm die
Erstbeklagte eine Urlaubsreise mit dem Fahrzeug, so dass ihre Besitzentziehung
gegenüber dem Zeugen K1 jedenfalls nach dieser Zeit und damit binnen
Jahresfrist erfolgt sein muss.
Anderweitige Umstände, aus denen anzunehmen wäre, der Zeuge K1 könnte
seinerseits der Erstbeklagten noch vor deren erstem Besitzbruch das Fahrzeug
im Wege der verbotenen Eigenmacht entzogen haben, sind nicht dargetan und
auch nicht ersichtlich. Der Wagen war zwar nach der Darstellung der
Erstbeklagten zur Zeit des noch ungestörten Ehelebens auch von ihr persönlich
genutzt worden, so dass die Erstbeklagte zu dieser Zeit möglicherweise
gemeinsam mit dem Zeugen K1 auch die unmittelbare Mitbesitzerin des Autos
gewesen sein mag. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte die Nutzung
hingegen als „Familienauto“, eine Nutzung, die nach dem Scheitern der Ehe
zwischen der Erstbeklagten und dem Zeugen K1 und mit dessen Auszug aus
der ehemaligen Ehewohnung beendet war. Fortan übte der Zeuge K1 den
alleinigen fehlerfreien und unmittelbaren Besitz aus.
d. Der Erstbeklagten stehen keine rechtserheblichen Einwände gegen das
Herausgabeverlangen zu.
aa. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Erstbeklagte dem Herausgabeverlangen
nicht den aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteten Einwand
der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten. Beim Bestehen einer Pflicht zur
alsbaldigen Rückgewähr kann an einer Leistung zwar das schutzwürdige Interesse fehlen
(dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est), was ein darauf gerichtetes Begehren
treuwidrig werden lässt. Die Erstbeklagte ist mit ihrem Einwand, die Klägerin müsse
mangels Besitzrechts ohnehin das Fahrzeug wieder herausgeben, im Streitfall jedoch
gänzlich ausgeschlossen. Ansonsten würde der Einwendungsausschluss des § 863 BGB bei
Besitzschutzansprüchen umgangen. Rechte auf den Besitz sind hierbei nicht nur für den
Tatbestand der Besitzschutzansprüche bedeutungslos, sondern können darüber hinaus
auch nicht auf sonstigen Umwegen den Besitzschutz beeinträchtigen (MünchKomm-Joost,
a.a.O., § 863 Rn. 1). Wenn der Störer einen Herausgabeanspruch hat oder die Duldung der
Störung verlangen kann und deshalb seinerseits gerichtlichen Schutz erlangen könnte,
entfällt damit der Besitzschutzanspruch nicht (MünchKomm-Joost, a.a.O., Rn. 7 mit
weiteren Nachweisen).
Angesichts der überragenden Bedeutung, die dem Grundsatz von Treu und Glauben in der
gesamten Rechtsordnung zukommt, ist die Berücksichtigung des § 242 BGB im Rahmen
von Besitzschutzansprüchen hingegen weiter möglich, wenn es sich um Gesichtspunkte
handelt, die außerhalb der gesetzlichen Wertung des § 863 stehen, also nichts mit den
jeweiligen Berechtigungen von Besitzer und Besitzstörer zu tun haben (MünchKomm-Joost,
a.a.O.). So kann etwa der Besitzschutzanspruch in § 242 BGB wegen des Verbots
widersprüchlichen Verhaltens eine Schranke finden oder aber, wenn die Wiederherstellung
der früheren Besitzlage ersichtlich zu Gewalttätigkeiten bzw. zu einer Gefahr für Leib oder
Leben desjenigen führen wird, der die verbotene Eigenmacht begangen hat (MünchKomm-
Joost, a.a.O.). Derartige Ausnahmesituationen sind im Streitfall nicht dargetan.
bb. Entgegen der Ansicht der Erstbeklagten ist der Herausgabeanspruch auch nicht durch
eigenen Mitbesitz der Erstbeklagten wegen § 866 BGB begrenzt.
§ 866 BGB schließt zwar Besitzschutzansprüche unter Mitbesitzern grundsätzlich aus. Die
Erstbeklagte war vor der Entziehung aber schon nicht mehr im Besitz des Fahrzeugs.
Mangels unmittelbarer Sachherrschaft hatte sie keinen unmittelbaren Besitz am Fahrzeug.
Auch war sie nicht mittelbare Besitzerin, da ein Besitzmittlungswille des unmittelbaren
Besitzers, des Zeugen K1, ihr gegenüber nicht anzunehmen ist.
Nach alledem hat die Erstbeklagte das Fahrzeug an die Klägerin herauszugeben.
3. Gegen den Zweitbeklagten hat das Landgericht die Herausgabeklage zu Recht und mit
zutreffender Begründung abgewiesen.
Mögliche Ansprüche der Klägerin gegen den Zweitbeklagten auf Herausgabe des Wagens
nach den §§ 985, 986 BGB und den §§ 869, 861 BGB scheitern daran, dass sich ein Besitz
des Zweitbeklagten an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nach den tatsächlichen
Feststellungen des Landgerichts nicht ergeben hat. Daher besteht auch kein Anspruch auf
Schadensersatz durch Besitzeinräumung im Wege der Naturalrestitution nach den §§ 823
Abs. 1 und Abs. 2, 858, 249 Abs. 1 BGB, da dem nicht besitzenden Zweitbeklagten eine
Wiederherstellung überhaupt nicht möglich ist.
An die Feststellungen des Landgerichts zum fehlenden Besitz des Zweitbeklagten ist das
Berufungsgericht gebunden, da sie rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind und auch
keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen
(§§ 513 I Alt. 2, 529 I Nr. 1 ZPO). Auch sind keine neuen Tatsachen vorgetragen worden,
die in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen wären und die eine andere Entscheidung
rechtfertigen könnten.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil zweifelsfrei festgestellt, dass der
Zweitbeklagte nicht im Besitz des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist. Allein der von der
Klägerin nunmehr bekräftigte Umstand, dass die Beklagten in einer gemeinsamen
Wohnung leben und ggf. auch einen gemeinsamen Haushalt führen, begründet noch nicht –
wie die Klägerin meint – den offenkundigen Rückschluss auf einen Mitbesitz auch des
Zweitbeklagten an dem Fahrzeug.
Hierzu wäre zumindest erforderlich, dass der streitgegenständliche Wagen auch als ein
Gegenstand des gemeinsamen Haushalts anzusehen wäre, denn bezüglich solcher
Gegenstände sind etwa Eheleute im Regelfall als Mitbesitzer anzusehen (MünchKomm-
Joost, a.a.O., § 866 Rn. 5). Dies gilt im Grundsatz auch für eine nichteheliche
Gemeinschaft, da die rechtliche Ausgestaltung einer Lebensgemeinschaft als ehelich oder
nichtehelich nichts an den tatsächlichen Besitzverhältnissen von gemeinsamen
Haushaltsgegenständen zu ändern vermag.
Der im Streit stehende Wagen ist aber gerade nicht als ein gemeinsamer
Haushaltsgegenstand anzuerkennen. Hierzu müsste er der gemeinsamen
Haushaltsführung der Beklagten dienen und für das gemeinsame Zusammenleben
bestimmt sein (MünchKomm-Wacke, a.a.O., § 1361a Rn. 4). Der PKW ist aber
ausschließlich zur alleinigen Nutzung der Erstbeklagten bestimmt. Diese hat als
Gesellschafterin der Klägerin die Finanzierung des Fahrzeuges ermöglicht. Sie reklamiert
nunmehr dessen Besitz, um das allein bei ihr, nicht aber beim Zweitbeklagten liegende
Risiko wegen einer möglichen Inanspruchnahme auf Darlehensrückzahlung durch eine
Verwertung des Wagens abzumildern.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1 und Abs. 2, 92 Abs. 1 ZPO.
Der Klägerin sind die Kosten des Berufungsverfahrens im Ganzen aufzuerlegen, auch
soweit sie gegen die Erstbeklagte nunmehr obsiegt (§ 97 Abs. 2 ZPO). Ihr Obsiegen erfolgt
nämlich ausschließlich aufgrund ihres neuen Vorbringens hinsichtlich des fehlenden
Besitzerlangungswillens beim Zeugen K1. Ohne dieses neue Vorbringen hätte ihr nach den
zutreffenden Erwägungen des Landgerichts gegen die Erstbeklagte kein
Herausgabeanspruch zugestanden. Denn der nunmehr zuerkannte besitzrechtliche
Anspruch aus den §§ 869 Satz 2, 2. HS, 861 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB setzt den fehlenden
Wiedererlangungswillen zwingend voraus. Sonstige, von diesem Willen unabhängige
Ansprüche auf Herausgabe an sich selbst bestehen nicht:
- Mangels eigenem unmittelbarem Besitz besteht kein Anspruch aus den §§ 861
Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB.
- Ein Anspruch aus den §§ 985, 986 BGB scheitert daran, dass die Klägerin nicht
die Eigentümerin des Fahrzeuges ist. Eigentümerin ist – wie das Landgericht zu
Recht angenommen hat – die infolge der
Sicherungsübereignung durch die Erstbeklagte geworden. Selbst wenn die
Erstbeklagte zu keiner Zeit Eigentümerin des Wagens gewesen sein sollte, hätte
sie das Fahrzeug jedenfalls im Einverständnis mit der Klägerin wirksam an die
gemäß den §§ 929 Satz 1, 930, 185 BGB zur Sicherung
übereignet. In der von der Klägerin unterzeichneten Drittbenutzer-Vereinbarung
wird die Sicherungsübereignung an die ausdrücklich
genannt. Der Klägerin war die Sicherungsübereignung damit bekannt. Sie hat sie
jedenfalls dadurch genehmigt, dass sie die Drittbenutzer-Vereinbarung bei der
beantragte und damit deren Eigentum anerkannte. Jede
abweichende Betrachtung läge im Übrigen fern. Der im Geschäftsleben
erfahrenen Klägerin musste bewusst sein, dass die Darlehensfinanzierung des
Kaufpreises ohne Sicherheit zugunsten der kreditgebenden
1> nicht zustande gekommen wäre. Da sie die Darlehensfinanzierung selbst
wünschte, war sie auch mit einer Sicherungsübereignung an die
einverstanden. Ein anderes Verhalten wäre
widersprüchlich und treuwidrig.
- Auch steht der Klägerin nicht wegen § 823 Abs. 1, Abs. 2, 858, 249 Abs. 1
BGB ein Herausgabeanspruch im Wege der Naturalrestitution an sich selbst zu.
Da sie nicht die unmittelbare Besitzerin des Wagens war, läge die
Wiederherstellung des früheren Zustandes vor der Besitzbeeinträchtigung nur in
einer Herausgabe an den Zeugen K1.
Die Klägerin war zudem imstande, ihr Vorbringen zum fehlenden
Wiedererlangungswillen des Zeugen K1 bereits in der ersten Instanz geltend zu
machen. Die tatsächlichen Umstände waren ihr bereits während des
erstinstanzlichen Verfahrens bekannt. Denn nach eigener Darlegung in der
Berufungsbegründung hätte sie hierzu bereits in der ersten Instanz vortragen
können, wäre sie vom Landgericht darauf hingewiesen worden, dass dieses von
einem unmittelbaren Besitz des Zeugen K1 ausgeht. Für eine sorgfältige und
auf Förderung des Verfahrens bedachte Partei bestand trotz des fehlenden
Hinweises auch Anlass zu diesem Vortrag, weil jegliche zur Begründung des
Klageantrages tatsächlichen Behauptungen rechtzeitig vorzubringen sind, auch
wenn sie nur hilfsweise in Erwägung zu ziehen sind (Zöller-Greger, a.a.O., § 282
Rn. 3).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in den
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung,
und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erfordert nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).