Urteil des OLG Saarbrücken vom 08.03.2006

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OLG Saarbrücken Urteil vom 8.3.2006, 5 U 257/05 - 79
Haftung des Kapitalanlagevermittlers: Aufklärungspflichten bei beabsichtigter Investition in
einen Immobilienfonds
Leitsätze
Der Anlagevermittler schuldet einem Kunden, der in Immobilienfonds investieren will,
Informationen über Seriosität und Bonität von Fondsinitiatoren sowie zu den Sicherungen
vor zweckwidriger Verwendung von Anlagekapital.
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom
27.04.2005 – 14 O 227/04 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.244,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2004 zu zahlen, Zug
um Zug gegen Abtretung von ¾ der Anteile und Ansprüche des Zeugen M. aus der
Beteiligung an dem Immobilienfond G 2 und der Ansprüche gegen die I.
Immobilienhandelsgesellschaft KGaA und gegen die Firma Me. Gesellschaft für
Finanzbetreuung und Vermittlung mbH.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Annahme der vorbezeichneten
Abtretung in Annahmeverzug befindet.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 25%, der Beklagte trägt 75% der Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.993,01 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz nach Verlust
einer Geldanlage durch Beteiligung am Immobilienfonds G 2.
Der Beklagte, ein Versicherungskaufmann, sprach mit dem Zeugen M., dem Ehemann der
Klägerin, im März 1995 über Versicherungs- und Finanzangelegenheiten. Der Zeuge M. ist
Polizeibeamter. Der Beklagte empfahl ihm, Geld in einem bankgesicherten Fonds (S.-
Fonds) und in dem Immobilienfonds G 2 anzulegen. Nach einer Werbebroschüre war es
Ziel des Fonds, Immobilien zu erwerben, zu vermieten und zu verwalten. Das
Gesamtinvestitionsvolumen sollte 40 Mio. DM betragen (Bl. 162 d.A.).
In einer Beispielrechnung (Bl. 13 d.A.) gegenüber dem Zeugen M. wies der Beklagte einen
Reingewinn von 22.575,00 DM in neun Jahren bei einem durch Sparraten in dieser Zeit
angesammelten Kapital von 35.000,00 DM aus. Der Zeuge M. unterzeichnete ein Angebot
vom 16.03.1995 zum Abschluss eines Kaufvertrages über einen Geschäftsanteil in Höhe
von 35.000,00 DM an der G 2, welchen er in monatlichen Raten von 250,00 DM einzahlen
sollte. Als Verkäufer war die IH Immobilienhandelsgesellschaft mbH genannt (Bl. 20 d.A.),
die nach dem auf der Rückseite des Formulars aufgedruckten Gesellschaftsvertrages der G
2 (Bl. 112 d.A.) zusammen mit der Me. Gesellschaft für Finanzberatung und Vermittlung
mbH Gesellschafter der GbR war. Die IH Immobilienhandelsgesellschaft mbH hatte die
Geschäftsanteile einer Co. Immobilienhandels GmbH aus einer Insolvenzmasse erworben,
nachdem diese elf Immobilienfonds aufgelegt hatte, denen wegen Straftaten früherer
Verantwortlicher der Co. GmbH der Zusammenbruch drohte. Die IH GmbH führte diese
Fonds ab 1994 weiter. Diese Information erhielt der Kläger nicht.
Dem Zeugen M. wurden ein Beteiligungszertifikat vom 30.05.1995 und in den Folgejahren
Kontoauszüge zugeschickt, die allerdings keine Mietausschüttung auswiesen, wie in der
Beispielrechnung aufgezeigt (Bl. 26ff d.A.). Im Protokoll der Gesellschafterversammlung
vom 09.03.1996 (Bl. 25 d.A.), welches der Zeuge M. ebenfalls erhielt, wurde die
Schließung des Fonds bei einem Kapitalbestand von 4,5 Mio DM beschlossen, der
Gesellschaftsvertrag geändert und der Erwerb eines Objektes in Oberhausen für 3,6 Mio
DM beschlossen. Ab dem Jahr 1998 erhielt der Zeuge M. keine Protokolle von
Gesellschafterversammlungen mehr. Er erklärte mit Schreiben vom 07.12.1998 die
Kündigung seiner Gesellschaftsbeteiligung, erbrachte jedoch außer einer Pause von zwei
Monaten weiter seine Ratenzahlungen, nachdem ihm die IH KGaA (die frühere IH GmbH)
den Ausschluss aus der GbR angedroht hatte, wenn er keine Raten mehr zahle (Bl. 31
d.A.). Bis 2002 zahlte er insgesamt 10.993,01 EUR.
Im März 2003 ergaben Nachforschungen, dass über das Vermögen der IH KGaA das
Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelte wegen
Untreue bzw. Betruges durch die Verantwortlichen der IH KGaA. Die
Gesellschaftsbeteiligung des Zeugen M. ist nach den bisherigen Ermittlungen anscheinend
wertlos, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der IH KGaA ist jedoch noch nicht
abgeschlossen.
Der Zeuge M. trat der Klägerin seine Rechte gegenüber dem Beklagten ab.
Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge M. habe dem Beklagten erklärt, es komme ihm auf
eine sichere Anlage an. Der Beklagte habe die Immobilienbeteiligung als sehr günstig und
sehr sicher dargestellt und den Eindruck erweckt, er sei gut informiert und könne dies aus
eigener Anschauung beurteilen. Er habe erklärt, der Fonds besitze Geschäftshäuser mit
guten Mieteinnahmen. Der Beklagte habe gewusst, dass die IH GmbH aus einem
Insolvenzverfahren hervorgegangen sei. Die Werbebroschüre bzw. das Anlageprospekt
sowie den Gesellschaftsvertrag der GbR habe der Zeuge M. nicht erhalten. Hätte er von
einem Verlustrisiko gewusst, wäre er dem Fonds nicht beigetreten.
Der Beklagte hat behauptet, er sei damals für die Pe. Unternehmensberatung Trier als
Vermittler tätig gewesen. Von der Pe. habe er die Information gehabt, dass der Fonds
geprüft und seriös sei. Er habe das Prospektmaterial auf Plausibilität geprüft. Er habe den
Zeugen M. auf die Risiken, auch einen möglichen Totalverlust hingewiesen. Dem Zeugen M.
seien als Kriminalbeamten die Risiken jedoch bereits bekannt gewesen. Er – der Beklagte –
habe auch gesagt, dass er über die Seriosität, den Immobilienbesitz und deren
Vermietungszustand nichts aus eigener Kenntnis sagen könne. Er habe noch einen anderen
Kunden an die IH GmbH vermittelt. Dieser habe seine Beteiligung am 01.03.2000
gekündigt und das eingezahlte Geld in voller Höhe zurückbekommen.
Das Landgericht Saarbrücken hat den Beklagten durch Urteil vom 27.04.2005 – 14 O
227/04 – antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 10.993,01 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des am 27.04.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen
hilfsweise
die Berufung des Beklagte mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagte zur
Zahlung der vom Landgericht zugesprochenen 10.993,01 EUR nebst Zinsen nur Zug um
Zug gegen Abtretung der Anteile und Ansprüche der Klägerin aus der Beteiligung an dem
Immobilienfond G 2 und sämtliche Ansprüche gegen die I. Immobilienhandelsgesellschaft als
auch gegen die Firma Me., Gesellschaft für Finanzbetreuung und Vermittlung mbH
verurteilt wird und festzustellen, dass der Beklagte sich mit der Annahme der
vorbezeichneten Abtretung in Annahmeverzug befindet.
II.
Die Berufung des Beklagten hat zum Teil Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden
Tatsachen rechtfertigen teilweise eine andere Entscheidung. Der Klägerin steht aus
abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung
eines Auskunftsvertrages gegen den Beklagten in Höhe von 8.244,75 EUR nebst Zinsen
Zug um Zug gegen Abtretung der Anteile und Ansprüche des Zeugen M. aus der
Beteiligung am Immobilienfonds G 2 zu. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin
besteht wegen § 254 BGB nicht.
(1.) Zwischen dem Beklagten und dem Zeugen M. war stillschweigend ein
Beratungsvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen eine vollständige Information
über alle tatsächlichen Umstände geschuldet war, die für den Anlageentschluss des
Interessenten von Bedeutung sind.
Ob der Beklagte dabei als Anlageberater oder Anlagenvermittler anzusehen ist, kann
dahinstehen. Der Anlageberater ist nicht nur zur Tatsachenmitteilung, sondern auch zur
Bewertung der Tatsachen verpflichtet. An ihn wendet sich der Kapitalanleger, der an
fachkundiger Bewertung und Beurteilung der Tatsachen interessiert ist. Der Anlageberater
erbringt eine auf die persönlichen Verhältnisse des Interessenten zugeschnittene Beratung
und erhält häufig dafür ein besonderes Honorar. Er ist individueller Berater, dem
weitreichendes persönliches Vertrauen entgegen gebracht wird, der deshalb besonders
differenziert und fundiert beraten muss. Entscheidender Unterschied zur Anlagevermittlung
ist die unabhängige Beratung von den Interessen des Kapitalsuchenden bzw. dem eigenen
Interesse am Erhalt von Provisionen von dritter Seite (BGH, Urt. v. 27.10.2005 – III ZR
71/05 – BGHR 2006, 137). Der Anlagevermittler hingegen wirbt für eine bestimmte
Emission im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von
diesem versprochene Provision. Der Interessent wendet sich an diesen mit dem
Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund
steht. Der zwischen dem Interessenten und dem Anlagevermittler zustande kommende
Vertrag zielt lediglich auf Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler jedoch
ebenfalls zu richtiger und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände,
die für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urt. v. 25.11.1981 –
IVa ZR 286/80 – NJW 1982, 1095). Dazu bedarf es vor allem der Information hinsichtlich
der Wirtschaftlichkeit der Anlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne
zutreffende Angabe hierüber kann keine sachgerechte Anlageentscheidung getroffen
werden (BGH, Urt. v. 13.05.1993 – III ZR 25/92 – NJW-RR 1993, 1114). Liegen dem
Vermittler objektive Daten hierzu nicht vor, so muss er dies dem Interessenten offen legen
und deutlich auf seine unzureichenden Kenntnisse hinweisen. Von den ungeprüften
Angaben des Kapitalsuchenden muss er sich deutlich distanzieren (BGH, Urt. v.
13.05.1993 – III ZR 25/92 – NJW-RR 1993, 1114; BGH, Urt. v. 11.09.2003 – III ZR 381/02
– NJW-RR 2003, 1428).
Auch wenn im vorliegenden Fall danach für eine bloße Anlagevermittlung spricht, dass sich
der Beklagte nicht als Anlageberater bezeichnet hat, dass er keine Provision vom Zeugen
M. verlangt und diesem zielgerichtet eine bestimmte Geldanlage vorgestellt hat, kam ein
stillschweigender Auskunftsvertrag zustande. Der Zeuge M. hat zu erkennen gegeben, die
besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Beklagten in Anspruch nehmen zu wollen,
bezogen auf die bestimmte Anlageentscheidung, und der Beklagte hat mit dieser
gewünschten Tätigkeit begonnen.
Die Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht hat der Kapitalanleger darzulegen und
zu beweisen. Beweisschwierigkeiten, die sich aus der Führung eines Negativbeweises bei
behaupteter Nichtaufklärung ergeben, werden dadurch überwunden, dass der
Berater/Vermittler die Behauptung des Anlegers substantiiert bestreiten muss. Ihn trifft die
Darlegungslast, wie die geschuldete Aufklärung bzw. Information durch ihn erfolgt sei (BGH,
Urt. v. 10.12.1998 - IX ZR 358/97 - NJW-RR 1999, 641; OLG Stuttgart, OLGR Stuttgart
2001, 234).
Dieser Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Er war vor allem verpflichtet, den
Zeugen M. über die Wirtschaftlichkeit der geplanten Immobilieninvestitionen und über die
Bonität der Kapitalsuchenden, also der Initiatoren des Immobilienfonds, als für diesen
wesentliche Umstände aufzuklären. Der Beklagte schuldete demnach zum einen
Informationen zu den Immobilien, ihrem Wert, ihrem Zustand und ihrer Vermietbarkeit, weil
diese Umstände für die Entwicklung des investierten Kapitals von entscheidender
Bedeutung waren. Zum anderen schuldete er Informationen zu den Fonds-Initiatoren, zu
ihrer Seriosität und Bonität und darüber, welche Sicherheiten es für das angelegte Kapital
gab. Denn sowohl durch die Investition in ungeeignete Immobilien als auch durch die
zweckwidrige Verwendung der Gelder aufgrund fehlender Überwachung bzw. Sicherheiten
drohte ein Verlust des eingesetzten Kapitals. Zu beiden Gesichtspunkten hat der Beklagte
nicht konkret dargelegt, wie er den Zeugen M. ausreichend informiert haben will.
Der Beklagte hat lediglich allgemein von einer Risikoaufklärung gesprochen, die auch den
Fall des Totalverlustes inbegriffen habe. Dieser Vortrag ist nicht ausreichend substantiiert.
Es wäre erforderlich gewesen, den Kläger zunächst darauf hinzuweisen, dass keine
Informationen über die Seriosität und Bonität der Fonds-Initiatoren vorlagen. Dies stellte für
den Kläger eine große Gefahr dar, weil keine Sicherheiten für den Fall bestanden, dass die
Fonds-Initiatoren die Anlegergelder zweckwidrig verwendeten. Hierauf war der Zeuge M.
ausdrücklich hinzuweisen. Der Beklagte musste mitteilen, dass es keine
Sicherungsmechanismen gab, wie z.B. die Einschaltung eines Treuhänders, der die
Verwendung der Anlegergelder überwachte. Diese Gefahr, die unabhängig von bloß
wirtschaftlichen Fehlentscheidungen bestand, hat der Beklagte nach seinem eigenen
Vortrag nicht problematisiert. Unstreitig hat der Beklagte keine Erkundigungen über die
Fonds-Initiatoren eingeholt. Er hat nicht konkret behauptet, dass er sich überhaupt
Gedanken um die Seriosität der Verantwortlichen gemacht hat und seine fehlenden
Kenntnisse mit der erforderlichen Deutlichkeit offenbart hat.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Schriftsatz vom 18.02.2005
vorträgt, es sei mehrfach zur Sprache gekommen, dass der Beklagte über die Seriosität,
den Immobilienbesitz und deren Vermietungszustand nichts aus eigener Kenntnis sagen
könne, es dem Zeugen M. als Kriminalbeamten jedoch möglich sein müsse, insoweit an
Informationen zu gelangen, bezieht sich diese allgemeine Äußerung auf die eigene
Kenntnisverschaffung durch den Beklagten, lässt aber nicht darauf schließen, was der
Beklagte überhaupt – also auch aufgrund Informationsmitteilung durch Dritte – gesagt
haben will.
Dass der Beklagte überhaupt nichts zu der Seriosität, dem Immobilienbesitz und deren
Vermietungszustand gesagt hat, behauptet er selbst nicht.
Andererseits hat er aber auch nicht behauptet, den Zeugen M. auf die Wichtigkeit der
Seriosität und Bonität des Kapitalsuchenden überhaupt hingewiesen zu haben und ihm
gegenüber mit ausreichender Deutlichkeit offenbart zu haben, dass er insoweit keine
Erkundigungen eingeholt bzw. dies überhaupt versucht habe. Stattdessen hat er in seiner
informatorischen Anhörung ausdrücklich erklärt, er habe dem Zeugen M. gesagt, in den
jeweiligen Immobilien seien Mietverträge mit guten Mietern abgeschlossen und die
Mieteinnahmen würden fließen. Damit hat er auf eine Situation hingewiesen, die eine
seriöse Kapitalverwendung voraussetzt, weil andernfalls keine Mieteinnahmen in den
Immobilienfonds fließen können.
Außerdem wäre eine positive Anlageentscheidung des Zeugen M. auf die Vorstellung des
Immobilienfonds durch den Beklagten nicht zu erwarten, wenn dieser weder zu den Fonds-
Initiatoren noch zu den betroffenen Immobilien überhaupt irgendetwas gesagt haben sollte,
sondern nur allgemein etwas zu Immobilienfonds.
Der Beklagte war nach seinen Erklärungen im Rahmen der informatorischen Anhörung von
den Prospektäußerungen überzeugt und hat argumentiert, dass es Ratings zu
Immobilienfonds damals nicht gegeben habe und er sich deshalb auf die
Emissionsprospekte habe verlassen müssen. Dass er dies dem Zeugen M. so gesagt hat,
trägt er nicht vor. Das wäre jedoch erforderlich gewesen, um dem Interessenten deutlich
vor Augen zu führen, dass die mitgeteilten Informationen völlig ungeprüft vom
Kapitalsuchenden selbst stammen, und nicht objektiv und damit verlässlich waren.
Der Beklagte hat auch nicht konkret behauptet, dem Zeugen M. ausdrücklich verdeutlicht
zu haben, dass er zu den geplanten Immobilienerwerben nichts Objektives sagen könne
und die Gefahr des Verlustes der Geldanlage bei einer Investition in unwirtschaftliche
Immobilien bestehe.
Damit ist die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die Geldanlage als sehr sicher
und günstig beschrieben, ohne auf konkrete Gefahren hinzuweisen, nicht hinreichend
bestritten und der Entscheidung als zutreffend zugrunde zu legen.
Ob der Zeuge M. die Werbebroschüre erhalten hat oder nicht, spielt keine Rolle. Dort ist
zwar allgemein auf das unternehmerische Risiko hingewiesen, zu dem Risiko, ohne
Kontrollmechanismen Anlagegelder einem unbekannten Dritten zur Verfügung zu stellen,
findet sich nichts. Im Gegenteil lenkte deshalb das nur als theoretisch dargestellte
wirtschaftliche Risiko und der Hinweis darauf, dass die Mieterträge in der Zukunft nicht
garantiert seien den Blick weg von der Gefahr, die in einer vertragswidrigen Verwendung
des Anlagekapitals lag.
Dieser Aufklärungspflichtverletzung durch den Beklagten steht auch nicht entgegen, dass
die Staatsanwaltschaft Bielefeld im Jahr 1999 kein strafbares Verhalten der
Verantwortlichen der IH GmbH bzw. IH KGaA sah. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte
sich nur mit den elf alten Fonds befasst und nicht mit dem hier betroffenen Fonds G 2.
Bekannt und zu ermitteln war es bereits im Jahr 1994, dass die IH GmbH notleidende
Fonds übernommen hatte und damit die Gefahr von Geldverschiebungen zwischen den
alten Fonds und dem neuen Fond (G 2) groß war.
(2.) Das Verhalten des Beklagten war fahrlässig (§ 276 BGB), weil es für ihn vorhersehbar
und vermeidbar war, den Zeugen M. durch seine fehlenden Angaben zur Seriosität und
Bonität der Kapitalsuchenden zu einer Geldanlage zu verleiten, die im Verlust des Kapitals
endete.
(3.) Die Kausalität zwischen der unvollständigen bzw. falschen Auskunft und dem
eingetretenen Schaden ist anzunehmen. Es ist nach der Lebenserfahrung davon
auszugehen, dass der Interessent von der Anlageentscheidung abgesehen hätte, wenn er
in wesentlichen Punkten richtig und vollständig informiert worden wäre, so dass er ein
Verlustrisiko erkannt hätte (BGH, Urt. v. 09.07.1998 - III ZR 158/97 – NJW 1998, 2898;
BGH, Urt. v. 22.06.1993 - XI ZR 215/92 – WM 1993, 1457). Dagegen hat der Beklagte
nichts vorgetragen.
(4.) Die Schadenshöhe von 10.993,01 EUR hat die Klägerin substantiiert dargelegt. Der
Beklagte hat diese nicht ausreichend bestritten.
(5.) Die Klägerin muss sich jedoch ein Mitverschulden des Zeugen M. nach § 254 BGB
zurechnen lassen. Ab Ende 1998 lagen Umstände vor, die beim Zeugen M. Zweifel an der
Ordnungsgemäßheit der Geldanlage wecken mussten. An dem Verlust des ab Anfang
1999 eingezahlten Geldes trifft ihn ein hälftiges Mitverschulden, weil er diesen Zweifeln
nicht nachgegangen ist.
Der Mitverschuldenseinwand gegenüber einem Anlagevermittler bzw. Anlageberater ist
nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar gibt derjenige, der einen Sachkundigen
hinzuzieht, damit zu erkennen, dass er auf dem betreffenden Fachgebiet nicht die
erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, so dass sein Vertrauen
besonderen Schutz verdient. Dennoch kann unter besonderen Umständen der Einwand des
Mitverschuldens begründet sein, etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder
differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn
im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in
vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände vorliegen (BGH,
Urt. v. 25.11.1981 – IVa ZR 286/80 – NJW 1982, 1095; BGH, Urt. v. 13.05.1993 – III ZR
25/92 – NJW-RR 1993, 1114). Dabei kann berücksichtigt werden, dass der
Anlageinteressent ohne Nachprüfungen, welche Sicherheiten für sein Kapital bestehen, die
Anlageentscheidung trifft, obwohl es sich ihm aufdrängen musste, dass der Vermittler für
seine Tätigkeit keine Bezahlung forderte, also seine Provision von dem Kapitalsuchenden
gezahlt werden musste (BGH, Urt. v. 13.05.1993 – III ZR 25/92 – NJW-RR 1993, 1114). In
dieser Situation sind dem Anlagewilligen – je nach den Einzelumständen – zumindest
Rückfragen bei sich aufdrängenden Unklarheiten zuzumuten (BGH, Urt. vom 25.11.1981 –
IVa ZR 286/80 – NJW 1982, 1095). Zu berücksichtigen ist auch, ob der Geschädigte über
eigene Sachkunde verfügte (Thüringer Oberlandesgericht, ZIP 2005, 1913).
Eine eigene Sachkunde des Zeugen M. bei Geldanlagen ist nicht dargetan. Zwar ist dieser
aufgrund seiner Tätigkeit als Kriminalbeamter hinsichtlich strafrechtlicher Vorgänge
(Untreue, Anlegerbetrug u.s.w.) erfahren. Außerdem hat er mit einer früheren Geldanlage
Verluste erlitten. Er musste auch erkennen, dass der Beklagte mit der Vermittlung der
Kapitalanlage ein eigenes Provisionsinteresse verfolgte und von ihm keine Beratungsgebühr
verlangte, die ein Anzeichen für eine unabhängige und besonders fundierte Beratung
gewesen wäre. Schließlich behauptet die Klägerin nicht, dass der Beklagte gegenüber dem
Zeugen M. eine unabhängige Beratungsleistung angepriesen hätte oder für sich ein
besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hätte.
Andererseits konnte der Zeuge M. allgemein auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der
Informationen des Beklagten vertrauen. Sein Vertrauen verdient besonderen Schutz, weil
er die Hilfe des als Fachmann hinzugezogenen Beklagten in Anspruch genommen hat.
Selbst wenn er die Werbebroschüre nicht erhalten hatte, wie er behauptet, kann ihm
daraus kein Vorwurf gemacht werden, weil er dann grundsätzlich auf die mündlichen
Angaben des Beklagten vertrauen konnte. Dass die Angaben des Beklagten so einseitig und
ungenügend waren, dass die fehlerhafte Information für den Zeugen M. auf der Hand
liegen musste, ist nicht bewiesen. Dies behauptet der Beklagte selbst nicht. Es ist auch
nachvollziehbar, dass der Blick des unerfahrenen Anlegers durch die Anpreisung des
Vermittlers von den wesentlichen Gefahren der Kapitalanlage abgelenkt wird. Daran ändert
alleine die berufliche Stellung des Zeugen M. nichts. Es ist nicht bewiesen, dass er auf dem
Gebiet der Kapitalanlagen besondere berufliche Erfahrungen gewonnen hatte.
Allerdings änderte sich die Situation in den Jahren nach 1995 bis zum Ende des Jahres
1998. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Zeuge M. so viele auffällige Umstände erkennen,
dass er keine weiteren Zahlungen mehr leisten durfte, ohne selbst Nachforschungen zu
unternehmen. Zunächst war ihm durch das Protokoll vom 09.03.1996 (Bl. 25 d.A.) vor
Augen geführt, dass sich das ursprüngliche Gesellschaftsvorhaben nicht mehr verwirklichen
ließ, das gezeichnete Volumen des Fonds auf 4,5 Mio DM festgelegt wurde (statt
ursprünglich 40 Mio DM) und der Gesellschaftsvertrag neugefasst wurde. Außerdem wurde
ihm deutlich, dass die Immobiliengesellschaft noch kein Immobilienvermögen erworben,
sondern lediglich beschlossen hatte, für 3,6 Mio DM ein einziges Anlageobjekt zu kaufen.
Aus den Jahresabrechnungen 1995 und 1996 (Bl. 26 und 27 d.A.) ging außerdem hervor,
dass ihm keine Mietausschüttungen zuteil wurden. Aus dem Protokoll vom 29.08.1997
(Bl. 30 d.A.) ergab sich nicht, dass die Immobilie zwischenzeitlich erworben worden war,
vielmehr wurden 29 Gesellschafter ausgeschlossen, die ihren Verpflichtungen nicht
nachgekommen waren. Jahresabrechnungen für 1997 und 1998 erhielt der Zeuge M.
nicht, ebenso wenig wie ein Protokoll einer Gesellschafterversammlung im Jahr 1998. In
dieser Situation musste der Zeuge M. auf diese Warnhinweise reagieren. Dies war ihm als
Gesellschafter auch möglich. Er konnte Auskünfte über die Fonds-Initiatoren einholen,
Jahresabschlüsse anfordern, um überhaupt festzustellen, ob es solche gab, Aufklärung
darüber verlangen, warum es nicht zum Immobilienerwerb kam. Er hätte durch
Nachforschungen erkennen können, dass fast 3 ½ Jahre nach seinem Beitritt zum
Immobilienfonds noch keine Objekte erworben waren, und dann daraus die Gefahr ableiten
können, dass der Fonds lediglich der Geldbeschaffung diente. Wegen seiner beruflichen
Erfahrungen gilt dies um so mehr. Er ist nach seinem Vorbringen auch misstrauisch
geworden, ohne daraus jedoch ausreichende Konsequenzen zu ziehen. Er kann sich auch
nicht darauf berufen, dass ihm der Beklagte im Jahr 1998 erklärt habe, er könne ihm beim
Austritt aus dem Fonds nicht helfen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, hätte sich der
Zeuge M. damit nicht begnügen dürfen.
Der Fall ist nicht mit dem zu vergleichen, in dem es für einen Anteilskäufer nicht
überschaubar ist, ob der Verkauf der Anteile sinnvoll ist oder durch weiteres Abwarten ein
Schaden verringert werden kann (hierzu OLG Nürnberg, ZIP 2002, 611). Wie ausgeführt,
gab es vorliegend so viele Anhaltspunkte, dass es für den Zeugen M. bei der gebotenen
Aufmerksamkeit zu erkennen war, dass er in ein „Schneeballsystem“ einzahlte. Dies ist
keine Situation, in der es ungewiss ist, ob ein Abwarten sinnvoll ist oder nicht.
Es ist andererseits zu berücksichtigen, dass der Zeuge M. wegen der ursprünglichen
Falschberatung durch den Beklagten nach dem geschlossenen Erwerbsvertrag zur
weiteren Einzahlung seines Anlagekapitals in Raten verpflichtet war und die Situation, in der
es für ihn fraglich war, ob eine (außerordentliche) Kündigung der Beteiligung sinnvoll war
oder durch weiteres Festhalten am Beteiligungsvertrag ein Schaden vermieden oder
verringert werden konnte, eine Folge des Verhaltens des Beklagten war. Auch der Beklagte
kümmerte sich nicht um die Anlagesituation des Zeugen M. und forderte diesen nicht zu
irgendeiner Reaktion auf. Es erscheint deshalb sachgerecht, eine jeweils hälftige
Verursachung der Schadenserhöhung durch Einzahlung der Raten ab Anfang 1999 dem
Zeugen M. und dem Beklagten anzulasten. Weil der Zeuge M. ab Anfang 1999 die Hälfte
des gesamten Kapitals erbrachte, reduziert sich die Klageforderung um ein Viertel auf
8.244,75 EUR.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte behauptet, ein anderer
Geldanleger habe nach einer Kündigung seiner Beteiligung im Jahr 2000 sein gesamtes
Kapital zurückbekommen. Selbst wenn dies bewiesen wäre, folgt daraus nicht mit
ausreichender Deutlichkeit, dass der Zeuge M. sein Kapital oder Teile davon
zurückbekommen hätte, wenn er im Dezember 1998 aus dem Fonds ausgeschieden
wäre. Dass der Fonds freiwillig Zahlungen an ihn geleistet hätte, steht nicht fest und ist
vom Beklagten nicht unter Beweis gestellt. Das Schreiben vom 14.12.1998 als Reaktion
auf die Kündigung des Zeugen M. (Bl. 31 d.A.) spricht eher dagegen, weil ihm dort der
Abzug der noch nicht erbrachten Zeichnungssumme vom Buchwert angedroht wurde. Eine
Klage gegen die Fonds-Initiatoren oder die GbR selbst war dem Zeugen M. nicht
zuzumuten, vielmehr hätte er sich damals schon gegen den Beklagten wenden und von
diesem Schadensersatz in Höhe des bis dahin geleisteten Betrages verlangen können, Zug
um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung. Ein Mitverschuldenseinwand gegenüber
dem Zeugen M. hätte damals nicht erhoben werden können. Der Schaden war für den
Zeugen M. in Höhe des bis Ende 1998 eingezahlten Geldes bereits entstanden. Wenn ihm
keine Klage gegen die Fonds-Initiatoren zuzumuten war, steht deshalb nicht fest, dass der
Schaden noch durch zumutbare Maßnahmen hätte abgewendet werden können. Ein für
den Verlust des bis Ende 1998 eingezahlten Geldes ursächlicher Verstoß gegen § 254 BGB
ist nicht bewiesen.
(6.) Der Beklagte war nur Zug um Zug gegen Abtretung von ¾ der Anteile und Ansprüche
des Zeugen M. aus der Beteiligung an dem Immobilienfond G 2 und der Ansprüche gegen
die I. Immobilienhandelsgesellschaft KGaA und gegen die Firma Me. Gesellschaft für
Finanzbetreuung und Vermittlung mbH zu verurteilen. Im Wege des Vorteilsausgleichs sind
die durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vorteile in die Schadensberechnung mit
einzubeziehen. Dies führt zu einer Zug um Zug-Verurteilung. Der Beklagte hatte die
Wertlosigkeit der Gesellschaftsbeteiligung bereits in erster Instanz bestritten, so dass diese
nicht feststeht.
Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO für die Klage auf Feststellung des
Annahmeverzuges des Beklagten folgt aus den Erleichterungen in der Zwangsvollstreckung
(§§ 765, 756 ZPO).
(7.) Der Zinsanspruch besteht gemäß den §§ 284, 288 BGB.
(8.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.