Urteil des OLG Saarbrücken vom 16.08.2005

OLG Saarbrücken: gegen die guten sitten, hauptsache, gaststätte, eigentum, gegenleistung, pachtvertrag, säumnis, missverhältnis, klagebegehren, inventar

OLG Saarbrücken Beschluß vom 16.8.2005, 1 W 198/05-41
Bierlieferungsvertrag: Verpflichtung zur Zahlung einer Investitionskostenbeteiligung bei
Unterschreitung einer Mindestabnahmemenge Bier pro Jahr
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den am 31. Mai 2005 verkündeten
Beschluss der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Saarbrücken - Az.: 7II O
111/04 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf
3.700,-- EUR
festgesetzt.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 91a
Abs. 2; 567 ff. ZPO zulässig.
Dem Rechtsmittel muss jedoch in der Sache der Erfolg versagt bleiben, da die mit ihm
angefochtene Entscheidung des Landgerichts über die erstinstanzlichen Kosten des
Rechtsstreits rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Nachdem die Parteien erstinstanzlich den Rechtsstreit übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt haben (Bl. 114, 105
d.A.), war nur noch gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits zu
entscheiden, wobei diese Entscheidung nach der ausdrücklichen Anordnung der Vorschrift
unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu
treffen war. Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Die von ihm getroffene
Kostenentscheidung lässt insbesondere keinen Ermessensfehler zum Nachteil des Klägers
erkennen.
Nach allgemeiner Auffassung (vgl. etwa Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 24 zu §
91a ZPO; Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., Rdnr. 48 zu § 91a ZPO; Musielak-Wolst, ZPO, 2.
Aufl., Rdnr. 23 zu § 91a ZPO) ist das Gericht bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO an
die allgemeinen Grundsätze des Kostenrechts gebunden, die sich aus den §§ 91-97, 100
ZPO ergeben. Die von § 91a ZPO geforderte Ermessensentscheidung ist daher in der
Weise zu treffen, dass grundsätzlich der Partei die Kosten aufzuerlegen sind, die sie nach
§§ 91 ff. ZPO hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache sich nicht erledigt hätte bzw.
nicht für erledigt erklärt worden wäre. Es ist somit regelmäßig diejenige Partei mit den
Kosten zu belasten, die ohne die Erledigung der Hauptsache voraussichtlich unterlegen
gewesen wäre (Zöller-Vollkommer a.a.O; Thomas-Putzo a.a.O.; Musielak-Wolst a.a.O.).
Die von dem Landgericht getroffene Entscheidung, den Beklagten lediglich die durch ihre
Säumnis verursachten Kosten aufzuerlegen und die Klägerin mit den gesamten übrigen
Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits zu belasten, trägt diesen Grundsätzen
Rechnung. Die von der Klägerin gegen die Beklagten erhobene Zahlungsklage war nämlich
rechtlich nicht begründet, so dass auf Klageabweisung zu erkennen gewesen wäre, wenn
die Parteien die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt hätten.
Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin gegen die Beklagten erhobenen Anspruch auf
Zahlung von 19.759,18 EUR nebst Zinsen kommen lediglich die Nachträge vom
17.12.1999 (Bl. 38, 39 d.A.) zu dem Pachtvertrag gleichen Datums (Bl. 29 ff. d.A.) in
Betracht. Aus der dort statuierten Verpflichtung der Beklagten, eine
Investitionskostenbeteiligung zu zahlen, sofern eine Mindestabnahmemenge von 144 hl
Bier pro Jahr unterschritten wird, kann die Klägerin jedoch keine Zahlungsansprüche zu
ihren Gunsten ableiten. Die in den Nachträgen zu dem Pachtvertrag vorgesehene
Investitionskostenbeteiligung der Beklagten verstößt gegen die guten Sitten und ist daher
gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die vereinbarte Mindestabnahmemenge
von 144 hl Bier pro Jahr in keinem realistischen Verhältnis zu dem in der gepachteten
Gaststätte tatsächlich erzielbaren Bierumsatz stand und steht. Die tatsächlichen Umsätze,
die die Beklagten als Pächter erzielen konnten, beliefen sich unstreitig auf nur 14 bis 21 hl
Bier pro Jahr. Auch die Vorpächter konnten keine Umsätze erzielen, die auch nur entfernt
an die vereinbarte Mindestmenge von 144 hl pro Jahr heranreichten. Dies gilt selbst dann,
wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin unterstellt wird, dass die Vorpächterin J.
einmal einen Umsatz von 81,26 hl pro Jahr erreichen konnte. Auch mit diesem
Spitzenumsatz wäre nur wenig mehr als die Hälfte der Mindestmenge von 144 hl erreicht
worden. Dies zeigt, dass die vereinbarte Vorgabe eines Mindestumsatzes von 144 hl Bier in
keinem adäquaten Verhältnis zu dem in der Gaststätte tatsächlich erzielbaren Bierumsatz
stand.
Die von den Beklagten als Pächtern an die Klägerin zu zahlende
Investitionskostenbeteiligung würde sich für das Jahr 2000 auf 4.574,88 EUR (Bl. 40 d.A.),
für 2001 auf 4.895,87 EUR (Bl. 41 d.A.), für 2002 auf 5.213,69 EUR (Bl. 43 d.A.) und für
das Jahr 2003 auf 5.074,74 EUR (Bl. 42 d.A.) belaufen. Diese Jahresbeträge entsprechen
jeweils 12 % bis 13,5 % des Wertes der von der Klägerin zur Verfügung gestellten
Gaststätteneinrichtung, der sich auf 65.060,-- DM bzw. 33.264,65 EUR zuzüglich MwSt.
belief.
Diese sehr erheblichen Zahlungsleistungen stehen in krassem Missverhältnis zu der
Gegenleistung der Klägerin an die Beklagten. Dies gilt selbst dann, wenn man die
Gestellung des Inventars als Leistung der Klägerin an die Beklagten ansieht. Den Beklagten
wurde das Inventar der Gaststätte nämlich lediglich „leihweise“ zum Gebrauch überlassen.
Es verblieb im Eigentum der Klägerin. Es wäre selbst dann im Eigentum der Klägerin
verblieben, wenn das Pachtverhältnis der Beklagten weitere Jahre fortbestanden hätte und
sie insgesamt Zahlungen als Investitionskostenbeteiligung geleistet hätten, die den
Anschaffungswert der Gaststätteneinrichtung weitaus überstiegen hätten (!). Die sich für
jedes Jahr ergebenden Investitionskostenbeteiligungen gehen auch weit über die Beträge
einer nach den Umständen und Marktverhältnissen angemessenen Verzinsung des in die
Gaststätteneinrichtung investierten Kapitals hinaus.
Allerdings reicht ein objektives Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen für
sich allein genommen nicht aus, die Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB
zu begründen. Hierfür ist vielmehr zusätzlich erforderlich, dass die durch den Vertrag
begünstigte Partei eine verwerfliche, zu missbilligende Gesinnung gezeigt hat (vgl. BGH NJW
1990, 567 ff., 569). Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal des § 138 Abs. 1 BGB ist im
vorliegenden Fall jedoch gleichfalls in Übereinstimmung mit dem Erstrichter zu bejahen.
Der Klägerin waren nämlich die von den Vorpächtern erzielten Umsatzmengen an Bier
bekannt. Sie wusste daher, dass die Annahme eines Umsatzes von 144 hl Bier pro Jahr
völlig unrealistisch war und ein solcher Umsatz nach der Ausgestaltung der Gaststätte als
Speiselokal mit gehobenem Ambiente erst recht nicht erwartet werden konnte. Sie hat
diese ihr bekannten Umstände jedoch den Beklagten gegenüber verschwiegen, obgleich sie
ihnen redlicherweise hätten offenbart werden müssen. Sie hat dessen ungeachtet eine
Regelung der Investitionskostenbeteiligung der Beklagten in der Weise getroffen, dass die
Höhe dieser Beteiligung an den Umfang der Verfehlung eines gesteckten (unrealistischen)
Umsatzzieles geknüpft wurde, so dass für die Beklagten nicht ohne weiteres erkennbar
war, dass sie in wenigen Jahren faktisch mehr als die gesamten Kosten der Einrichtung zu
zahlen haben würden, ohne das Eigentum an den Einrichtungsgegenständen oder eine
sonstige gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Die hierin liegende Übervorteilung der
Beklagten und die Verschleierung dieser Übervorteilung durch die Klägerin rechtfertigen die
Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB.
Das Landgericht ist nach alledem zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagebegehren
erfolglos geblieben wäre, wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden wäre.
Entsprechend waren der Klägerin die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits gemäß §
91a Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Anders war allerdings hinsichtlich derjenigen Kosten zu
entscheiden, die durch die Säumnis der Beklagten veranlasst sind. Mit diesen Kosten waren
die Beklagten nach dem Rechtsgedanken der §§ 344, 100 Abs. 4 ZPO zu belasten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Betrag der durch den
angefochtenen Beschluss begründeten Kostenbeschwer der Klägerin. Letztere beläuft sich
nach der Rechnung des erkennenden Einzelrichters auf rund 3.700,-- EUR.