Urteil des OLG Saarbrücken vom 01.12.2010

OLG Saarbrücken: schiedsstelle, ordentliches verfahren, vergütung, rücknahme, prozessvoraussetzung, bezirk, vorverfahren, ergänzung, nachfolge, verfahrenskosten

OLG Saarbrücken Beschluß vom 1.12.2010, 9 W 177/10 - 21
Leitsätze
Die rechtskräftig durch eine Schiedsstelle im Schiedsstellenverfahren festgesetzten Kosten
sind keine erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen Beschluss des Landgerichts Saarbrücken
vom 5. November 2009 – 7 II O 137/98 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: bis 4.000 EUR.
Gründe
I.
Die Parteien streiten, nachdem die Beklagte am 25. Juli 1996 zum 31. Dezember 1996
eine zwischen den Parteien am 19. August/23. September 1986 abgeschlossene
Vergütungsvereinbarung über die jährliche Zahlung von 500.000 DM (zuzüglich
Mehrwertsteuer) als Gegenleistung für die Verwendung von Musiktonträgern in dem von ihr
ausgestrahlten Hörfunkprogramm gekündigt und weitere Zahlungen eingestellt hatte, um
die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung weiterer Vergütung. Die Klägerin rief zunächst
die Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und
verwandten Schutzrechten (WahrnG) beim Deutschen Patentamt an, die am 20. Juli 1998
einen Einigungsvorschlag aussprach und der Beklagten die Verfahrenskosten auferlegte
(Sch-Urh). Gegen den Vorschlag, die Vergütung ab dem 1. Januar 1997 weiter zu zahlen,
legte die Beklagte beim Deutschen Patentamt Widerspruch ein. Daraufhin nahm die
Klägerin die Beklagte mit bei dem Landgericht Saarbrücken eingereichter Klageschrift auf
Zahlung in Anspruch. Durch Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30. April
2007 – 1 U 872/99-217 – wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist, nachdem der BGH
die Revision nicht angenommen hatte, rechtskräftig.
Der Antrag der Beklagten vom 4. Februar 2009 auf gerichtliche Entscheidung über die in
dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle enthaltene Kostenentscheidung wurde durch
Beschluss des Amtsgerichts München vom 26. Mai 2009 – 161 C 3218/09 –
zurückgewiesen.
Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. November 2009 (Bl. 1163
d.A.) hat die Rechtspflegerin des Landgerichts den Antrag der Beklagten vom 24.
September 2007 in der Fassung vom 14. September 2008, der Klägerin die Kosten des
Schiedsverfahrens nebst Zinsen aufzuerlegen, zurückgewiesen mit der Begründung, dass
für die beantragte Festsetzung von Schiedskosten bezüglich des Schiedsverfahrens vor
dem Deutschen Patentamt gemäß §§ 14 f UrhSchV das Landgericht nicht zuständig sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie Festsetzung der
von der Klägerin zu erstattenden Kosten in Höhe von 3.662,38 EUR aus dem dem
Rechtsstreit vorgeschalteten Verfahren vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und
Markenamt – Sch-Urh – erstrebt. Sie verweist im Wesentlichen darauf, dass es sich bei
diesem dem Klageverfahren gemäß § 16 UrhWahrnG vorgeschalteten
Schiedsstellenverfahren um unvermeidbare und damit um erstattungsfähige Kosten des
Folgeverfahrens im Sinne von § 91 ZPO handele. Nach Maßgabe der in dem ordentlichen
Klageverfahren getroffenen Kostenentscheidung seien auch die Kosten des
Schiedsverfahrens zu verteilen und folglich der Klägerin aufzuerlegen.. Dem stehe auch
nicht die Kostenentscheidung der Schiedsstelle entgegen, da diese isoliert und ohne
Rücksicht darauf getroffen werde, ob ein ordentliches Verfahren nachfolge und welchen
Ausgang dieses nehme.
Die Klägerin tritt dem vollumfänglich entgegen und beantragt, die sofortige Beschwerde
zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567,
569 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht - entgegen der
Auffassung der Klägerin - der Zulässigkeit nicht die mit Schriftsatz vom 14. September
2009 auf Hinweis des Landgerichts erklärte Rücknahme der Beschwerde „in Bezug auf die
Kosten des Schiedsverfahrens“ entgegen, weil die angefochtene Entscheidung vom 5.
November 2009 zu diesen Kosten noch nicht ergangen war.
In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.
Denn bei den zu dem Klageverfahren vorgeschalteten Schiedsstellenverfahren der
Beklagten auferlegten Kosten handelt es sich nicht um Kosten des Rechtsstreits im Sinne
von § 91 ZPO. Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Geltendmachung von
Ansprüchen im Wege der Klage ist gemäß § 16 Abs. 1 UrhWahrnG, wovon auch die
Beklagte ausgeht, Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren. Durch das
nachfolgende (ordentliche) Klageverfahren wird indes der Einigungsvorschlag der
Schiedsstelle weder abgeändert noch aufgehoben. Er bleibt auf jeden Fall wirksam, und
zwar auch dann, wenn er, wie vorliegend, im Hinblick auf den eingelegten Widerspruch
nicht als angenommen gilt. Dementsprechend ist in § 14 Abs. 2 S. 1 UrhSchiedsV geregelt,
dass die Kostenentscheidung der Schiedsstelle auch dann durch Antrag auf gerichtliche
Entscheidung beim Amtsgericht bzw. Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Schiedsstelle
ihren Sitz hat (hier München), angefochten werden kann, wenn der Einigungsvorschlag
durch die Schiedsstelle angenommen wurde. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung des von
der Schiedsstelle durchgeführten Verfahrens oder gar des von der Schiedsstelle
gefundenen sachlichen Ergebnisses einer Überprüfung im folgenden Klageverfahren
entzogen ist (vgl. OLG München, Beschl.v. 12. Juni 2003, 6 WG 1/03). Ist jedoch die
Überprüfung, und zwar auch der Kostenentscheidung, die dem in § 14 Abs. 2 S. 1
UrhSchiedsV benannten Gericht – das die Beklagte erfolglos um Abänderung der
Kostenentscheidung angerufen hat (Amtsgericht München Beschl. v. 26. Mai 2009 – 161 C
3218/09) - vorbehalten ist, dem ordentlichen Klageverfahren entzogen, kann die in dem
Schiedsstellenverfahren getroffene Kostenentscheidung nicht dadurch aufgehoben oder
abgeändert werden, dass über den „Umweg“ der Kostenfestsetzung die im
Schiedsstellenverfahren entstandenen und beschiedenen Kosten abweichend festgesetzt
werden. Mit Blick auf die Regelungsfunktion des Schiedsstellenverfahrens in
Urheberrechtsstreitfällen sowie den für diese Verfahren normierten Instanzenzug
hinsichtlich der Überprüfung der Kostenentscheidung (§§ 15 UrhWahrnG i.V.m 14 Abs. 2
UrhSchiedsV) sind die - rechtkräftig - durch die Schiedsstelle in dem Vorverfahren
festgesetzten Kosten keine erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91
ZPO (vgl. hierzu auch von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl.,
B Rz. 308, 309). Nach Maßgabe dessen ist eine andere Beurteilung auch nicht in Ansehung
der § 91 Abs. 3 ZPO, § 15 a EGZPO (Verfahren vor Gütestellen) geboten.
Nach alldem hat der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574
Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO).