Urteil des OLG Saarbrücken vom 05.11.2009

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OLG Saarbrücken Beschluß vom 5.11.2009, 9 W 308/09 - 21
Kostenerstattung: Gebühren eines Anwalts am Wohnsitz der an einem auswärtigen
Gericht klagenden Partei
Leitsätze
Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes ansässigen
Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei ist
in der Regel als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung anzusehen, wenn ein persönliches Informations- und
Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats
erforderlich und sinnvoll ist.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Saarbrücken vom 30. Juli 2009 – 1 O 66/06 – wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 439,00 EUR
Gründe
I.
Die Klägerin (vormals GmbH), die ihren Sitz in hat, haben
die Beklagte, die ihren Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Saarbrücken hat, in dem
Verfahren 1 O 66/06 des Landgerichts Saarbrücken auf Zahlung von 5.489,14 EUR nach
Kündigung eines Kreditvertrages in Anspruch genommen. Mit der Vertretung hat sie die in
Chemnitz ansässigen Rechtsanwälte beauftragt.
Mit der Wahrnehmung der Termine vor dem Landgericht Saarbrücken hatten die
Rechtsanwälte die Rechtsanwälte , , beauftragt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 9. Juli 2009 machten die Rechtsanwälte
Kosten in Höhe von 2.022,60 EUR geltend, nämlich 439,40 EUR (1,3 Verfahrensgebühr
aus 5.489,14 EUR) zuzüglich 20 EUR (Pauschale) und Mehrwertsteuer sowie vorgelegte
Gerichtskosten in Höhe von 708 EUR und die Kostenrechnung der Unterbevollmächtigten in
Höhe von 767,91 EUR (3401 - 0,65 Verfahrensgebühr: 219,70 EUR, 3402 – 1,2
Terminsgebühr: 405,60 EUR, 7002- Pauschale: 20 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer) (Bl.
233, 234 d.A.).
Mit Beschluss vom 30. Juli 2009 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die
Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.022,60 EUR festgesetzt und darauf verwiesen, dass
die Kosten entstanden und erstattungsfähig seien (Bl. 236 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2009 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die von den
Rechtsanwälten geltend gemachte Verfahrensgebühr nicht erstattungsfähig sei,
da es der Klägerin möglich gewesen sei, einen Rechtsanwalt am Gerichtsort und so auch
die Rechtsanwälte mit der Vertretung zu beauftragen und es mit Blick darauf,
dass das Verfahren im Wesentlichen durch Unterlagen abgesichert gewesen sei, unnötig
gewesen sei, einen Rechtsanwalt in Chemnitz zu beauftragen (Bl. 238 d.A.).
Gegen den ihr am 5. August 2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss (Bl. 239
d.A.) hat die Beklagte mit am 19. August 2009 eingegangenem Faxschreiben sofortige
Beschwerde eingelegt (Bl. 241 d.A.) und unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 30.
Juli 2009 darauf hingewiesen, dass die 1,3 Verfahrensgebühr der Rechtsanwälte
nicht festsetzbar sei.
Die Klägerin ist dem entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass sie zwar über eine
eigene Rechtsabteilung verfüge, diese indes nur aus zwei volljuristischen Mitarbeitern
bestehe. Diese seien von der Kapazität her nicht in der Lage, die Fülle der
Rechtsangelegenheiten – mehrere Hundert pro Jahr – zu bearbeiten. Insbesondere seien
diese nicht in der Lage, den jeweiligen Prozessstoff aufzuarbeiten und den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Mit Rücksicht darauf habe
sich die Klägerin derart organisiert, dass lediglich die Mandatierung der
Prozessbevollmächtigten über die Abteilung in München erfolge, wohingegen die
Versorgung der Prozessbevollmächtigten mit den notwendigen Informationen über die
jeweils zuständige Abteilung bzw. Geschäftsstelle erfolge. Mit der Prozessvertretung
beauftrage sie dann bundesweit mehrere regional tätige Kanzleien in ganz Deutschland, die
alle nach dem selben Schema arbeiteten und die Prozesse nach den ihnen bekannten
Grundsätzen der Klägerin selbstständig führten. Von daher sei die Festsetzung der Kosten
nicht zu beanstanden. Im Übrigen beliefen sich die Reisekosten von nach
und zurück auf 422,83 EUR (Bl. 249, 250 d.A.). Am Gerichtsort verfüge sie über keine
Rechtsanwälte, die mit dem von ihr betriebenen Geschäft betraut seien und denen die
Usancen bekannt seien (Bl. 255, 256 d.A.).
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und auf der Grundlage der von
der Klägerin vorgetragenen organisatorischen Gegebenheiten darauf verwiesen, dass ein
persönliches Gespräch zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht entbehrlich gewesen sei.
Nach der Rechtsprechung des BGH seien deshalb die Kosten eines Rechtsanwaltes am
oder in der Nähe des Wohnsitzes der Partei erstattungsfähig, zumal die Beauftragung eines
Unterbevollmächtigten im Vergleich zu den Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in
diesem Falle günstiger gewesen sei. Es hat die Sache dem Saarländischen
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 257 d.A.).
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht
begründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält dem Beschwerdeangriff
stand.
Es ist im Streitfall nicht zu beanstanden, dass die Rechtspflegerin des Landgerichts die von
der Klägerin angemeldete Verfahrensgebühr ihres Hauptbevollmächtigten (VV 3100 Anlage
1 RVG) als erstattungsfähig angesehen hat.
Die Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines Hauptbevollmächtigten und eines
unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, können ersetzt werden, wenn sie
im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren.
Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen
Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei ist
in der Regel als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch
zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz
überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (vgl. BGH, Beschl.v. 16.
10.2002, VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233, Beschl. v. 23.3.2004, VIII ZB 145/03, FamRZ
2004, 866 m.w.N., sowie Beschl. v. 2. 12. 2004, I ZB 4/04, MDR 2005, 417). Dabei ist
bei einem Unternehmen, das – wie hier die Klägerin - laufend Rechtsstreitigkeiten zu führen
hat und das zudem wie hier die Klägerin über mehrere Geschäftsstellen/ Filialen verfügt,
auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkundigen Rechtsanwälten seines
Vertrauens am Ort zusammenzuarbeiten.
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des
Hauptbevollmächtigten feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die
Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht erforderlich sein wird (vgl. BGH, Beschl. v. 2. 12.
2004, I ZB 4/04, MDR 2005, 417, m.z.w.N.).
Dies kann der Fall sein, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein Unternehmen handelt,
das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (BGH, aaO; BGH
GRUR 2004, 448, m.w.N.). Dies ist bei der Klägerin, wie sie dies im Einzelnen im
Schriftsatz vom 4. September 2009 (Bl. 249 ff d.A.) ausführlich dargestellt hat und dem
die Beklagte nicht entgegen getreten ist, jedoch unstreitig nicht der Fall. Dass aus
sonstigen Gründen ein eingehendes Mandantengespräch entbehrlich gewesen wäre, ist
ebenfalls nicht ersichtlich. Hierfür liegen insbesondere mit Blick auf die weiteren
organisatorischen Gegebenheiten - Versorgung der Prozessbevollmächtigten mit den
notwendigen Informationen über die jeweils zuständige Abteilung bzw. Geschäftsstelle -
keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.
Die Klägerin muss sich bei der Beurteilung, ob ihre Aufwendungen zur Rechtsverteidigung
notwendig waren, auch nicht so behandeln lassen, als habe sie eine Rechtsabteilung, die
von ihren Kapazitäten her in der Lage ist, die Verfahren zu bearbeiten, eingerichtet. Denn
im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des
Unternehmens der Partei an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger
anzusehen sein könnte (vgl. BGH, aaO sowie BGH NJW-RR 2004, 430). Der Prozessgegner
hat es hinzunehmen, dass er die erforderlichen Kosten eines als Hauptbevollmächtigten
eingeschalteten Rechtsanwalts regelmäßig zu tragen hat, während die Kosten einer
Rechtsabteilung nicht auf ihn abgewälzt werden könnten. Dies gilt auch dann, wenn eine
Partei, wie hier die Klägerin, ständig bestimmte Anwaltskanzleien mit der Bearbeitung von
Rechtsangelegenheiten, beauftragt und dadurch die Einrichtung einer eigenen, personell
ausreichend ausgestatteten Rechtsabteilung entbehrlich macht (vgl. BGH, aaO).
Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand der Beklagten, die Klägerin, die nach
ihrem Vorbringen bundesweit mehrere regional tätige Kanzleien beauftrage, sei gehalten
gewesen, sofort eine Kanzlei in zu beauftragen. Insoweit hat die Klägerin
unwidersprochen vorgetragen, dass sie am Gerichtsort über keine Rechtsanwälte, die mit
dem von ihr betriebenen Geschäft vertraut seien und denen die Usancen bekannt seien,
verfüge.
Auch im Übrigen bestehen gegen die Festsetzung der in Rede stehenden Kosten aus den
Gründen des Nichtabhilfevermerks keine Bedenken.
Nach alldem hat der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574
Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO).