Urteil des OLG Oldenburg vom 02.04.2017

OLG Oldenburg: nettoeinkommen, einkünfte, freizeit, trennung, scheidung, jahresverdienst, zulage, darlehen, rechtskraft, betriebsleiter

Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Familiensenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 UF 139/90
Datum:
00.00.0000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1570
Leitsatz:
Ein während der Ehe aus Überstunden erzieltes Einkommen ist nicht fiktiv zu berücksichtigen, wenn
nach der Scheidung Überstunden durch Freizeit ausgeglichen werden - Anwendung Mischmethode
Volltext:
Die 1944 geborene Klägerin und der 1939 geborene Beklagte sind
seit April 1990 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe
ist der am 03. Juli 1979 geborene Sohn Daniel hervorgegangen, für
den der Beklagte unter Berücksichtigung des Kindesgeldes 415,- DM
monatlichen Unterhalt zahlt.
Die Klägerin erzielte aus ihrer Berufstätigkeit als Verkäuferin
ein monatliches Einkommen von zunächst 440,- DM und erhält seit
Juli 1990 994,05 DM netto. Daneben bezog sie bis einschließlich
Oktober Wohngeld in Höhe von 226,- DM. Ab November 1990 beträgt
das Wohngeld 96,- DM. Der Beklagte ist als Betriebsleiter und Mon-
teur tätig und verfügt über ein Einkommen in wechselnder Höhe, das
sich während der Ehezeit durch in erheblichem Umfang geleistete
Überstunden erhöhte. Nach der Trennung der Parteien gleicht der
Beklagte Überstunden durch Freizeit aus. Der Beklagte bewohnt zu-
sammen mit seinem Vater, der ein lebenslängliches Wohn- und Alten-
teilsrecht hat, das auf ihn übertragene Elternhaus.
Die Klägerin macht nachehelichen Unterhalt geltend. Sie hat vorge-
tragen: Der Beklagte müsse sich den durch Überstunden möglichen
Verdienst, den er sich zudem nach Abschluß des Verfahrens auszah-
len lassen wolle, als Einkommen zurechnen lassen. Damit sei von
einem durchschnittlichen bereinigten Nettoeinkommen von rund
3.250,- DM, das sich noch um den mit 700,- DM zu bewertenden Wohn-
vorteil erhöhe, auszugehen. Darüber hinaus erziele er aus seinem
Vermögen Zinseinkünfte in Höhe von monatlich rund 550,- DM. Eine
partnerschaftliche Beziehung zu ihrem Bekannten, Herrn Oltmanns,
bestehe nicht.
Die Klägerin hat nach eingeschränkter Bewilligung von Prozeßko-
stenhilfe beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Ehe-
scheidung eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 925,- DM
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Er erziele ein bereinigtes Nettoeinkommen von
2.180,- DM. Er sei nicht verpflichtet, Überstunden abzuleisten.
Der Wohnwert sei mit 380,- DM zu berücksichtigen. Auf ein von sei-
nem Vater gewährtes Darlehen zahle er 200,- DM zurück. Bei dem
Alter des Kindes sei der Klägerin eine Halbtagstätigkeit zuzumu-
ten. Die Klägerin unterhalte eine partnerschaftliche Beziehung zu
Herrn Oltmanns, die sie nur aufgrund des Unterhaltsrechtsstreits
eingestellt habe.
Durch Urteil vom 12. Oktober 1990 hat das Amtsgericht - Familien-
gericht - Delmenhorst der Klage in Höhe von 590,- DM für die Mona-
te Mai bis Juli und 410,- DM ab August 1990 abzüglich für Mai ge-
zahlter 400,- DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner fristge-
recht eingelegten und gleichzeitig begründeten Berufung.
Er trägt vor: Das Amtsgericht sei von zu hohen Einkünften ausge-
gangen. Sein bereinigtes Einkommen betrage lediglich 2.180,- DM.
Damit errechne sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe
von 288,- DM monatlich. Einen Anspruch in dieser Höhe erkenne er
an. Ab Mai bis November habe er - unbestritten - jeweils 200,- DM
Unterhalt für die Klägerin gezahlt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Delmenhorst
vom 12. Oktober 1990 zu ändern und die Klage abzuweisen, so-
weit der Klägerin für die Zeit ab Mai 1990 ein 288,- DM über-
steigender monatlicher nachehelicher Unterhalt zuerkannt wor-
den ist abzüglich ab Mai 1990 bis einschließlich November
1990 gezahlter monatlich 200,- DM und ab 01. Dezember 1990
anerkannter 288,- DM.
Die Parteien erklären den Rechtsstreit hinsichtlich der geleiste-
ten Zahlungen für erledigt. Im übrigen beantragt die Klägerin,
die Berufung zurückzuweisen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung hat in dem eingeschränkt eingelegten Umfang
zum Teil Erfolg.
Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin gemäß §§ 1569, 1570
BGB für die Zeit von Mai bis Oktober 1990 Unterhalt in der aner-
kannten Höhe und ab November 1990 in Höhe von 350,- DM zu zahlen.
Dabei ist nach der für Dezember vorgelegten Verdienstbescheini-
gung, die den Jahresverdienst belegt, einschließlich eines 13.
Monatsgehalts von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen des Be-
klagten von rund 2.400,- DM auszugehen.
Zuzüglich eines im Rahemn des begrenzten Realsplittings zu reali-
sierenden Steuervorteils von rund 100,- DM und abzüglich der Spar-
zulage sowie 5 % berufsbedingter Aufwendungen ergibt sich ein be-
reinigtes Nettoeinkommen von 2.330,- DM.
Dieses Einkommen ist nicht um fiktive Einkünfte aus Überstunden zu
erhöhen. Auch wenn der Beklagte während der Ehezeit mit Überstun-
den zusätzliche Einkünfte erzielt hat, ist er nicht gehalten, die-
se für die Gemeinschaft der Eheleute erbrachten Leistungen nach
der Trennung fortzusetzen (Kalthoener/Büttner Die Rechtsprechung
zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl. Rdn. 652). In welcher unter-
haltsrechtlich relevanten Höhe der Beklagte aus abgeleisteten
Überstunden Einkommen erzielt, hat die für die Leistungsfähigkeit
des Beklagten darlegungspflichtige Klägerin auch nicht vereinzelt
vorgetragen, so daß es letztlich offen bleiben kann, in welchem
Umfang solche Einkünfte als nicht überobligatorisch noch anzurech-
nen wären.