Urteil des OLG Oldenburg vom 13.01.1993

OLG Oldenburg: wohnung, öffentlich, entziehen, zustellung, anschrift, datum, vollstreckung, briefkasten, schöffengericht

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 478/92
Datum:
13.01.1993
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 181, ZPO § 182
Leitsatz:
Zur Begründetheit der Revision gegen ein Urteil nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, wenn der flüchtige
Angeklagte zur Berufungsverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden war.
Volltext:
Das Schöffengericht hatte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe
von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung
ausgesetzt hat. Der Angeklagte hat Berufung eingelegt. Das Landge-
richt hat Termin zur Berufungsverhandlung auf den 31. Juli 1992
anberaumt. Die an den Angeklagten am 15. Juli 1992 unter seiner
bisherigen Wohnanschrift - ... Straße ..., B - gerichtete Ladung
erreichte den Angeklagten nicht. Sie wurde auf dem Postamt B nie-
dergelegt. Zur Berufungsverhandlung erschien der Angeklagte nicht.
Er war zu dieser Zeit, offenbar um einem gegen ihn gerichteten
Vollstreckungsbefehl in anderer Sache zu entgehen, flüchtig und
unbekannten Aufenthalts. Das Landgericht hat seine Berufung nach §
329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen.
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Die Verfahrensrüge,
der Angeklagte sei am 15. Juli 1992 nicht ordnungsgemäß zur Beru-
fungsverhandlung geladen worden, deshalb sei er nicht säumig gewe-
sen, so daß die Berufung nicht nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO habe
verworfen werden dürfen, greift durch. Das Urteil des Landgerichts
ist deswegen aufzuheben.
Der Angeklagte war nicht säumig, denn er war nicht ordnungsgemäß
geladen worden. Die Ersatzzustellung nach §§ 181, 182 ZPO durch
Niederlegung der Ladung bei dem Postamt in B unter nachrichtlichem
Hinweis darauf im Briefkasten des Hauses ... Straße ... in B war
nicht ordnungsgemäß. Denn der Angeklagte hatte am 15. Juli 1992
nicht mehr seine Wohnung unter vorgenannter Anschrift. Er hatte
sich vielmehr, wie der Senat im Freibeweisverfahren geklärt hat,
bereits am 21. Mai 1992 bei dem Einwohnermeldeamt B von dort mit
unbekanntem Ziel abgemeldet; seine bisherige Wohnung ist seit dem
18. Juni 1992 anderweitig belegt. Folglich hätte dem Angeklagten
die Terminsladung nach § 40 Abs. 3 StPO öffentlich zugestellt wer-
den müssen.
Der Senat verkennt nicht, daß trotz nicht ordnungsgemäßer Ladung
eine Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO gleich-
wohl dann erfolgen kann, wenn feststeht, daß der Ladungsmangel für
das Ausbleiben des Angeklagten nicht ursächlich war (OLG Düssel-
dorf StrVert 1982, 216; KG GA 1975, 148; Meyer NStZ 1982, 523;
Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, 40. Aufl., § 329 Rn. 9).
Da der Angeklagte vorliegend seine Wohnung offenbar deswegen auf-
gegeben hatte und mit unbekanntem Ziel verzogen war, um sich dem
Vollstreckungsbefehl gegen ihn in anderer Sache zu entziehen,
liegt es nahe, daß er auch bei ordnungsgemäßer Ladung - hier im
Wege der öffentlichen Zustellung nach § 40 Abs. 3 StPO - nicht zur
Berufungsverhandlung erschienen wäre.
Davon auszugehen ist dem Senat gleichwohl verwehrt. Denn anders
als in den den vorgenannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sach-
verhalten, in denen der Angeklagte trotz Ladungsmängeln den Termin
für die Berufungsverhandlung kannte, jedoch deswegen nicht er-
schien, weil er ohnehin nicht erscheinen wollte, so daß mithin der
Ladungsmangel nachweislich für sein Fernbleiben nicht ursächlich
war, fehlt es hier an einer derartigen feststellbaren Kenntnis des
Angeklagten.
Sollte der - ggfs. nach § 40 Abs. 3 StPO - zur neuen Berufungsver-
handlung zu ladende Angeklagte wiederum säumig sein, so würde das
- entgegen dem Wortlaut des § 329 Abs. 1 S. 2 StPO - eine erneute
Entscheidung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO nicht hindern (BGHSt 27,
236; Kleinknecht/Meyer, aaO, § 329, Rn. 4).
-vgl. auch StrV 1982, 216; GA 1975, 148-