Urteil des OLG Oldenburg vom 26.09.1995

OLG Oldenburg: güterstand, gütertrennung, unentgeltliche zuwendung, ehevertrag, verwaltung, erwerb, güterrechtsregister, gegenleistung, verein, ergänzung

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 67/95
Datum:
26.09.1995
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1372, BGB § 2325, GLEICHBERG ART § 8 ABS 1, BGB § 1427 AF
Leitsatz:
Keine rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft anstelle einer vor Inkrafttreten des
Gleichberechtigungsgesetzes vereinbarten Gütertrennung.
Volltext:
Die Parteien streiten über Pflichtteils- und Pflichtteils- ergän-
zungsansprüche.
Die Klägerin ist das einzige Kind aus der ersten Ehe ihres am
2.5.1988 verstorbenen Vaters. Er war mit der Beklagten in zweiter
Ehe seit dem 18.11.1954 verheiratet. Durch gemeinschaftliches
Testament vom 23.8.1985 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu
befreiten Vorerben und ihre beiden gemeinsamen Kinder zu Nacherben
ein. Die Klägerin schlug später ihr das darin ausgesetzte Ver-
mächtnis von 250.000,- DM aus.
Bezüglich des ehelichen Güterrechts trafen die Eheleute folgende
Regelungen:
Durch notarielle Erklärung vom 30.12.1955 - UR.-Nr. 245/55 des No-
tars Z., D. - bestimmten sie,
"daß die sämtlichen von der Erschienenen zu 2) eingebrachten
und von ihr später erworbenen Sachen und sonstigen Vermögens-
gegenstände zu ihrem Vorbehaltsgut gehören sollen und daß die
Verwaltung und Nutznießung des Erschienenen zu 1) an dem Ver-
mögen der Erschienenen zu 2) ausgeschlossen sein soll.
Wir beantragen,
dies im Güterrechtsregister einzutragen.
Der Wert des Vermögens der Erschienenen zu 2) nach Abzug der
Schulden beträgt 8.000,- DM."
Dementsprechend erfolgte die Eintragung unter GR 506 im Güter-
rechtsregister am 12.3.1956.
Im notariellen Ehevertrag vom 30.7.1979 - UR.-Nr. 1039/79 des
Notars C., D. - erklärten sie:
"In Abänderung des Ehevertrages vom 30.12.1955 vereinbaren
wir hiermit, daß mit dem heutigen Tage für unsere Ehe der
gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten soll.
Wir beantragen die Eintragung im Güterrechtsregister.
Wir schätzen den Wert unseres Vermögens auf DM 500.000,-."
Am 5.9.1979 wurde die "Aufhebung der Gütertrennung" im Güter-
rechtsregister eingetragen.
Am 22.1.1988 schlossen sie einen notariellen Gütertrennungsvertrag
- UR.-Nr. 11/88 des Notars K., O.. Darin heißt es u.a.:
"1) Wir heben von jetzt ab den gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft auf und vereinbaren für unsere Ehe
den Güterstand der
Gütertrennung.
4) Wir beantragen,
die Eintragung der Gütertrennung in das Güterrechts-
register.
5) Zum Ausgleich der in der Vergangenheit bisher entstandenen
Zugewinnansprüche wird folgendes vereinbart:
Der Erschienene zu 1) hält an der Gesellschaft bürger-
lichen Rechts gr. H., eine stille Beteiligung in Höhe von
3.500.000,- DM (i. W.: drei Millionen fünfhunderttausend
Deutsche Mark).
Hiervon überträgt der Erschienene zu 1) an die Erschienene
zu 2) als Ausgleich für die bis heute erworbenen Zugewinn-
ausgleichsansprüche einen Anteil von 3.000.000,- DM (i. W.:
drei Millionen Deutsche Mark) einschließlich der Gewinn-
beteiligungsrechte. Die Erschienene zu 2) nimmt die Über-
tragung hiermit an.
6) Den Wert unseres Vermögens geben wir mit 6.000.000,- DM
(i. W.: sechs Millionen Deutsche Mark) an."
Vorprozessual zahlte die Beklagte an die zu 1/8 pflichtteils-
berechtigte Klägerin 390.000,- DM.
Nach Auskunftserteilung über die Zuwendungen, die der Erblasser
der Beklagten während der Ehe und Dritten in den letzten zehn Jah-
ren vor seinem Tode gemacht hat, begehrt die Klägerin weitere Zah-
lung auf ihre Pflichtteilsberechtigung.
Ihren Pflichtteilsanspruch hat sie nach dem Nachlaßwert mit
149.164,88 DM berechnet und zu den Pflichtteilsergänzungsansprü-
chen folgendes vorgetragen:
Den 3 Mio DM Zugewinnausgleich aufgrund der Gütertrennungsverein-
barung 1988 stehe lediglich ein Ausgleichsanspruch der Beklagten
in Höhe von 533.416,50 DM gegenüber, der Restbetrag von
2.466.583,50 DM stelle mithin eine Schenkung dar, wovon sie 1/8,
das sind 308.322,93 DM, zu beanspruchen habe.
...
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, es habe von Ehebeginn bis
zur Gütertrennungsvereinbarung 1988 und nicht - wie von der Kläge-
rin zugrundegelegt - vom Ehevertrag 1979 an der Güterstand der Zu-
gewinngemeinschaft gegolten. Das ergebe sich aus den Überleitungs-
vorschriften des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18.6.1957. Die
notarielle Erklärung von 1955 sei keine andere Vereinbarung im
Sinne dieser Vorschriften gewesen, durch die die sonst für nach
dem 1.3.1953 geschlossenen Ehen geltende Zugewinngemeinschaft ver-
drängt worden wäre. Der Güterstand der ehemännlichen Nutznießung
und Verwaltung habe gem. Art. 117 GG seit dem 1.4.1953 ohnehin
nicht mehr gegolten, so daß ihre notarielle Erklärung ins Leere
gegangen sei und keine Gütertrennung mehr habe bewirken können.
Für das Hausgrundstück habe sie vom Beklagten nur 51.500,- DM er-
halten; für den Erwerb der KG-Beteiligung sei ihr nur eine Dar-
lehensforderung gegen die dem Erblasser gehörende Firma geschenkt
worden.
Das Landgericht hat sachverständig beraten der Klage in Höhe von
163.295,81 DM stattgegeben. Nach den Bewertungen des Sachverstän-
digen habe die Klägerin einen Pflichtteilsanspruch von 194.164,88
DM und Pflichtteilsergänzungsansprüche von 308.322,43 DM betref-
fend die Zugewinnausgleichszahlung, wobei es ein Bestehen der Zu-
gewinngemeinschaft von 1979 bis 1988 zugrundegelegt hat, 40.808,-
DM betreffend die KG-Beteiligung und 10.000,- DM betreffend das
Hausgrundstück.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr
Klagabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
Unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen
bekräftigt sie ihre Auffassung, daß die Zugewinngemeinschaft von
1954 bis 1982 bestanden habe. Unabhängig davon hätten sie in zu-
lässiger Weise durch den Ehevertrag 1988 die Zugewinngemeinschaft
rückwirkend auch für diesen Zeitraum vereinbaren können und auch
vereinbart. Die Schenkungen 1963 und 1969 seien daher in die Zu-
gewinnausgleichsberechnung mit einzubeziehen.
...
Die Klägerin verteidigt unter ergänzender Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen die angefochtene Entscheidung nach
Maßgabe ihrer Berufungserwiderung, wobei sie insbesondere ihre
Auffassung über die Dauer der Zugewinngemeinschaft bekräftigt und
auf die korrekte Berechnung des Sachverständigen an Hand der buch-
mäßig ausgewiesenen Positionen hinweist.
Zu der Zinsforderung legt sie eine Bescheinigung vor, in der ihr
ein Unternehmensberater eine Verzinsung von 13 % p.a. seit 1991
von Beträgen über 50.000,- DM bescheinigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorge-
tragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten vorbereitenden
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung hat in der Sache bis auf einen Teil des
Zinsanspruchs keinen Erfolg.
Das Landgericht hat an Hand der Ergebnisse der Sachverständigen-
beratung die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu-
treffend berechnet. Die Angriffe der Berufung gegen den auf dieser
Grundlage zuerkannten Hauptsachebetrag gehen insgesamt ins Leere.
I.)
Für die Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB im Zu-
sammenhang mit der gem. Gütertrennungsvertrag vom 22.1.1988 als
Zugewinnausgleich bezeichneten Zahlung von 3.000.000,- DM und den
weiteren Zuwendungen 1963 und 1969 ist die Dauer der Zugewinnge-
meinschaft von entscheidender Bedeutung. Für diesen Zeitraum ist
der auszugleichende Zugewinn nach den gesetzlichen Regelungen der
§§ 1372 ff BGB zu ermitteln. Liegt dieser Betrag unter der tat-
sächlich erfolgten Ausgleichszahlung, so ist der Differenzbetrag
mangels Gegenleistung als unentgeltliche Zuwendung bei der
Pflichtteilsergänzung in Ansatz zu bringen. Eine rückwirkende Ver-
änderung der Dauer der Zugewinnqemeinschaft ist rechtlich nicht
möglich. Unentgeltliche Zuwendungen, die außerhalb dieses Zeit-
raums liegen, sind nicht bei der Berechnung des Zugewinnaus-
gleichs, sondern bei der Pflichtteilsergänzungsberechnung zu be-
rücksichtigen.
Die Ansicht der Beklagten, bereits vor der im Ehevertrag vom
30.7.1979 vereinbarten Zugewinngemeinschaft habe aufgrund der
Übergangsvorschriften nach Art. 8 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 Gleichbe-
rechtigungsgesetz seit dem Inkrafttreten des Gleichberechti-
gungsgesetzes am 1.7.1958 für ihre Ehe der Güterstand der Zuge-
winngemeinschaft gegolten, trifft nicht zu. Entscheidender recht-
licher Ansatz ist der Ehevertrag vom 30.12.1955. Eine darin ver-
einbarte Gütertrennung hätte gemäß Art. 8 Abs. 1 Ziff. 5 Gleichbe-
rechtigungsgesetz auch nach dem 1.7.1958 Bestand gehabt. Durch den
Verweis in Art. 8 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 Gleichberechtigungsgesetz
auf die vorstehenden Ziff. 3 und 4 ist klargestellt, daß diese
Regelung auf den zu beurteilenden Ehevertrag anzuwenden ist.
Nach dem Wortlaut besteht an der vereinbarten Gütertrennung kein
Zweifel. Der Ausschluß von Verwaltung und Nutznießung des Vermö-
gens der Ehefrau durch den Ehemann entspricht der gemäß § 1436 BGB
damaliger Fassung notwendigen Formulierung, um Gütertrennung zu
vereinbaren. Dieser Güterstand war auch verfassungsgemäß und galt
weiter fort und konnte vereinbart werden. Der Vereinbarung fehlte
es auch nicht an einem Regelungsgehalt, wie die Beklagte meint,
weil seit 1953 bis zum Gleichberechtigungsgesetz ohnehin Güter-
trennung gegolten habe.
Zunächst können Parteien durchaus auch zur Klarstellung etwas
durch Vereinbarung regeln, um sicher zu sein, daß der gewünschte
Güterstatus auch bestimmt für ihre Ehe gilt. Dafür bestand in der
am Anfang regelungslosen Übergangszeit nach dem Wegfall des ge-
setzlichen Güterstandes der ehemännlichen Verwaltung und Nutz-
nießung durchaus Anlaß. Hinzu kommt, daß der gesetzliche Güter-
stand der Gütertrennung aufgrund entsprechender Vereinbarung nicht
identisch ist mit dem Güterstand, der in diesem Zeitraum gegolten
hat, wenn Eheleute keine Gütervereinbarung getroffen hatten. Das
übersieht die Berufung, obwohl sie die entsprechende Stelle im
Gutachten des Bundesgerichtshofs für das Bundesverfassungsgericht
- BGHZ 11 Anh. S. 34 ff, 73 f - selbst zitiert: Der gesetzliche
Güterstand mangels besonderer Vereinbarung ist gerade nicht der
gesetzlich geregelte Güterstand mit dem Regelungsgehalt der §§
1427 ff BGB damaliger Fassung, sondern eine "Art Gütertrennung,
wie sie mangels besonderer Vorschriften in allen Lebensbereichen
gilt". Die Eheleute haben aber in dem Ehevertrag 1955 den
gesetzlich geregelten Güterstand der Gütertrennung vereinbart und
damit den allgemeinen "übergesetzlichen" Güterstand ausge- schlos-
sen. Das haben seinerzeit auch alle Beteiligten so gesehen. Der
Ehevertrag 1979 belegt deutlich, daß die Eheleute den 1955 verein-
barten Güterstand ändern wollten von der Gütertrennung zur Zuge-
winngemeinschaft. So erfolgte auch die Eintragung im Güter-
rechtsregister.
Zugewinngemeinschaft hat daher zwischen den Eheleuten vom
30.7.1979 bis 22.1.1988 gegolten. Eine rückwirkende vertragliche
Ausdehnung auf den davor liegenden Zeitraum zur Schaffung einer
gesetzlichen güterrechtlichen Grundlage für angestrebte Vermögens-
verschiebungen - wie es der Berufung in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat offenbar vorgeschwebt hat - ist rechtlich ausge-
schlossen.
Die angesprochenen weiteren Schenkungen erfolgten 1969 (Kommandit-
beteiligung) und 1963 (Geld für den Erwerb eines Hausgrundstücks)
und liegen damit - wie vorstehend ausgeführt - außerhalb des Zeit-
raumes, in dem die Zugewinngemeinschaft galt. § 1380 BGB ist dafür
nicht einschlägig (MünchKomm.-Gernhuber, BGB, 3. Aufl., § 1380
Rn. 11 m.w.N. in Fußn. 12).
Sachverständiger und Landgericht haben die unentgeltlichen Zu-
wendungen insoweit zutreffend bei der Berechnung der Pflichtteils-
ergänzung behandelt.